„Das Altwerden macht jeden von uns so unverwechselbar“
Vorwort zu <strong>Ruben</strong> R. Baumgartner In Zeiten von Altersdiskriminierung <strong>und</strong> übertriebenem Jugendwahn, von Golden- Shopper <strong>und</strong> Anti- Aging, von Master- Consumer <strong>und</strong> Demenz entwickelt sich unsere Gesellschaft zunehmend geschmacklos, voller Angst, vor allem aber würdelos, dem Thema Alter <strong>und</strong> Altern gegenüber. So wird Alter gleich mit schwach, krank, unattraktiv, lustlos, vor allem aber mit nutzlos <strong>und</strong> überflüssig verb<strong>und</strong>en. Eine Haltung, die das älter werden als Manko, also als Fehlbetrag in der Kasse des Lebens bezeichnet. Das sich Mensch damit wohl wissend nicht identifizieren möchte ist durchaus verständlich <strong>und</strong> nachvollziehbar, obgleich beim Einsatz der letzten grauen Gehirnzellen doch fest zu stellen sein muss, dass eine oberflächliche Medienhysterie zu genanntem Thema, einen durchschnittlich intelligent veranlagten Menschen zu einer gewissen Kritikfähigkeit veranlassen sollte, könnte oder gar müsste. Was als junger Mensch als große Herausforderung gilt, endlich älter, reifer, interessanter, klüger, bewusster, charismatischer zu werden, scheint sich ab einem geschätzten Alter von plus/minus 60 (oder noch jünger?) um <strong>10</strong>0 Grad zu wandeln, ja sogar völlig bedeutungslos zu werden. Dagegen stehen prominente Beispiele <strong>und</strong> Idole, die Mut machen <strong>und</strong> Alter nicht gleich mit nutzlos setzen: Charlie Chaplin, der mit 77 seinen ersten Farbfilm dreht, Michelangelo, der mit 86 das Holzmodell der Petersdom- Kuppel fertig stellt, Coco Chanel, die mit 71 revolutionäre Mode-Kollektionen über den Laufsteg schickt, Picasso, der 85-jährig neue Bilder für eine Retrospektive entwirft <strong>und</strong> viele mehr... <strong>Der</strong> <strong>Künstler</strong> <strong>Ruben</strong> R. Baumgartner stellt in seinem jüngsten <strong>Projekt</strong> <strong>10</strong> + 1 aus dem Zyklus <strong>Wikipedia</strong> <strong>1.0</strong>, wie schon von vorherigen Serien bekannt, diese gesellschaftliche Entwicklung in Frage <strong>und</strong> nicht nur das, er bekennt, offenbart <strong>und</strong> greift an: „die googelnde world-wide-web Gesellschaft“, multikulturell, innovativ, voller Perfektio- nismus, durchgestylt, dem globalen Wahnsinn verfallen, konservativ, wenig kreativ, vor allem aber gefühllos, nicht gewachsen <strong>und</strong> ergreifend leer. All diesen Bewegungen setzt er den Mensch entgegen. Je älter, desto unverwechselbarer, den alten Mensch also, mit all seinen Fähigkeiten, seiner Verletzlichkeit <strong>und</strong> Vergänglichkeit, aber auch seiner Möglichkeiten <strong>und</strong> seinem Potential. Spürt hier das letzte Tabu auf, um es in seinem künstlerischen Prozess zurück zu führen zu den Wurzeln – dem Ursprung allen Lebens, dem Anfang <strong>und</strong> Ende, zu enttabuisieren oder gar zu retten... Mit seiner eigen entwickelten Technik ArtpleX - dem vielfachen Malen mit Acrylfarben auf Acrylglas - arbeitet der <strong>Künstler</strong> in mehreren Ebenen - reliefartig - sowohl plastisch als auch durchsichtig - opak <strong>und</strong> transparent. Im aufwendigen Prozedere malt, formt, schraubt <strong>und</strong> schichtet er. Neuerdings überzieht er das Werk mit einer Polyester Gießharz - Mischung um es zu konservieren - es haltbar zu machen für die Nachwelt. In <strong>10</strong> + 1 setzt sich der <strong>Künstler</strong> direkt <strong>und</strong> bewusst mit Mensch <strong>und</strong> Alter auseinander - befragt, hinterfragt, diskutiert <strong>und</strong> baut Nähe auf, fühlt <strong>und</strong> stimmt sich ein mit seinen Modellen <strong>und</strong> Protagonisten um zu erkennen, zu verstehen, jene Werte <strong>und</strong> Tugenden, jene Weisheit <strong>und</strong> Erfahrungen, die doch ein Leben brauchen, um zu wachsen <strong>und</strong> zu reifen. Alt sein bekommt hier seine ureigene Qualität zurück. Langsamkeit, Ruhe <strong>und</strong> Kraft erheben sich zum Göttlichen <strong>und</strong> gehen mit Groteske, Humor, Schwermut, Demut <strong>und</strong> sogar Leiden wie selbstverständlich eine Beziehung ein, ohne wenn <strong>und</strong> aber, konsequent <strong>und</strong> voller Hoffnung, köstlich frech <strong>und</strong> alles andere als langweilig. <strong>Ruben</strong> R. Baumgartners <strong>10</strong> + 1 <strong>Projekt</strong> stellt klar; die Lebensnotwendigkeit, das unverzichtbare Wissen <strong>und</strong> die Lebenserfahrung des alten Menschen im direkten Austausch <strong>und</strong> Kontakt, unabdingbar <strong>und</strong> von höchster Priorität für die Vielfalt <strong>und</strong> den Fortbestand einer Kultur. So weckt er weder irreführende Träume von ewiger Jugend noch beschönigt er das Alter, sondern lässt es einfach