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Omar Alessandro (I / CH)

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OhneTitel<br />

(The artist is looking for<br />

inspiration, while you are<br />

reading this)<br />

2006<br />

Glühbirne, Schauspielerin<br />

Raumgrösse variabel<br />

Diese Arbeit wurde für den Kunstraum<br />

«Schalter» konzipiert. Die<br />

Ausstellung wurde mit folgendem<br />

Einladungstext eingeleitet: «The<br />

artist is looking for creative inspiration,<br />

while you are reading this».<br />

Der Besucher betritt den ersten und<br />

– scheinbar – absolut dunklen Raum.<br />

Nachdem sich die Augen des Besuchers<br />

an die Dunkelheit gewöhnt<br />

haben, sieht dieser ein schwaches<br />

Licht aus dem zweiten Raum schimmern.<br />

Von der Decke hängt eine gedimmte<br />

und nackte Glühbirne.<br />

Das Licht ist so schwach, dass nur<br />

die Silhouette einer am Ende des<br />

Raumes stehenden Person wahrgenommen<br />

wird. Diese beginnt sogleich<br />

einen Auszug aus dem Buch<br />

«Die Kunst der Installation» von<br />

Boris Groys und Ilja Kabakow zu<br />

rezitieren.<br />

Ich würde nicht sagen, dass es hier das Moment des Schocks<br />

gab. Es war ein anderer Effekt – der Effekt des Unerwarteten.<br />

Und das ist eine ganz andere Erfahrung. Schock – das sprengt<br />

dein Wertesystem, dein System von Orientierung im Leben.<br />

Das Unerwartete kommt sehr häufig oder fast in der Regel daher,<br />

dass dieses System dann bestätigt wird, wenn du es nicht<br />

erwartest. Zum Beispiel, du gehst durch die Wüste, kommst<br />

um die nächste Sanddüne herum und siehst plötzlich eine<br />

Strasse, auf der ein Bus fährt. Das ist total unerwartet, aber<br />

es ist kein Schock. Es ist etwas Unerwartetes in der Art, dass<br />

es deine normale Vorstellung wiederherstellt, überall müssten<br />

Busse fahren. Obwohl du nicht erwartet hast, dass es in der<br />

gegebenen Situation geschieht. Ich würde sagen, der Effekt<br />

bei deiner Arbeit war de Effekt des Unerwarteten und nicht<br />

des Schocks. Das heisst, du bist in diese Toilette gegangen, um<br />

schockiert zu werden, im Wissen, dass der Künstler dich gerade<br />

mit etwas Scheuss-lichem schockieren wird, und als du in<br />

diese Toilette hineinkamst, um die Düne herum, sahst du eine<br />

völlig normale Situation, die unerwartet die normale Vorstellung<br />

von der Welt bestätigte. Die Idee ist die, dass du, wohin<br />

auch immer du gehst, ungefähr das gleiche siehst. [...]<br />

Es ist das charakteristische Modell für Ausstellungspraxis<br />

überhaupt: Weil die «documenta» eröffnet wird, gehst du<br />

hin und denkst, dass du etwas Tolles zu sehen bekommst, in<br />

Wirklichkeit siehst du das gleiche wie auf jeder anderen Ausstellung<br />

– die gleichen Künstler, die gleichen Dinge in der<br />

gleichen Anordnung, und das ist das Unerwartete. Das heisst,<br />

dein Verlangen nach Nichttrivialem wurde betrogen, du<br />

bekommst statt dessen Banales. In Wirklichkeit ist dies das<br />

Funktionssystem des heutigen ästhetischen Erlebens. Der<br />

Schock ist der modernistische, avantgardistische Weg: Du<br />

läufst durch eine banale Stadt, und plötzlich siehst du ein<br />

«Schwarzes Quadrat», und du stürzt in einen Abgrund, oder<br />

irgendein Besessener fällt dich an, das heisst, der Schock<br />

zeigt, dass diese Banalität in Wirklichkeit keine Banalität<br />

ist und dahinter Abgründe sich auftun, in die du stürzt.<br />

Boris Groys in «Die Kunst der Installation»

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