New Employment Practices in Project Networks - LEST
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<strong>New</strong> <strong>Employment</strong> <strong>Practices</strong> <strong>in</strong> <strong>Project</strong> <strong>Networks</strong>:<br />
Beyond External and Internal Flexibility<br />
Paper prepared for the Annual Meet<strong>in</strong>g of the International Work<strong>in</strong>g Party for<br />
Labour Market Segmentation (IWPLMS), July 5 th -7 th 2007 <strong>in</strong> AIX-en-Provence<br />
Contact<br />
Dipl.-Soz.-Wiss. Markus Tünte<br />
Institut für Soziologie<br />
University Duisburg-Essen<br />
47057 Duisburg<br />
Germany<br />
Markus Tünte, Birgit Apitzsch, Karen Shire<br />
markus.tuente@uni-duisburg-essen.de<br />
1
Abstract/Summary:<br />
The paper takes up debates <strong>in</strong> Germany about change <strong>in</strong> the ‘normal’ standard employment<br />
relationship and the nature of firm-level flexibility strategies. Until recently, the consensus<br />
was that German employers prefer <strong>in</strong>ternal sources of flexibility over external sources. Recent<br />
differences <strong>in</strong> statistical analyses of ris<strong>in</strong>g versus stable job mobility have led some researchers<br />
to argue that external flexibility strategies are beg<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g to destabilize the normal ‘standard’<br />
employment relationship. In address<strong>in</strong>g this debate, we present results of a qualitative<br />
study of employment practices <strong>in</strong> knowledge-<strong>in</strong>tensive services, a sector where stable standard<br />
employment is assumed necessary to secure skill formation and motivation of highqualified<br />
employees. Our case study of project-based work <strong>in</strong> the German ICT <strong>in</strong>dustry confirms<br />
the reliance on the ‘normal’ standard employment relationship, though the reasons for<br />
this are more related to customer commitment than to the generation of employee commitment.<br />
The high use of standard employment is nonetheless actively comb<strong>in</strong>ed with the regular<br />
and specific use of external employees to master peak work volumes <strong>in</strong> project-based work.<br />
External employees are recruited <strong>in</strong> two ways: first, through reputation among well-known<br />
pools of free-lance workers; second, by borrow<strong>in</strong>g the employees of partner firms belong<strong>in</strong>g<br />
to <strong>in</strong>ter-firm networks. These flexible employment strategies are referred to as ‘body leas<strong>in</strong>g’<br />
by managers and employees. We argue that practices like body leas<strong>in</strong>g, which are often hidden<br />
<strong>in</strong> the categories of official labour statistics, move beyond the typical dist<strong>in</strong>ction made between<br />
<strong>in</strong>ternal and external flexibility, and represent new hybrid forms of flexible employment<br />
related to both the skill and labour demands of knowledge-<strong>in</strong>tensive service work.<br />
2
1. E<strong>in</strong>leitung<br />
Die Beschäftigungsdynamiken <strong>in</strong>ternationaler Arbeitsmärkte stehen ohne Zweifel im Brenn-<br />
punkt des gegenwärtigen politischen wie auch wissenschaftlichen Erkenntnis<strong>in</strong>teresses. Das<br />
Interesse am Wandel von Beschäftigung und Arbeitsmärkten begleitet zudem Diskussionen<br />
um den Wandel der Arbeit <strong>in</strong>sgesamt, wobei der Bedeutungsgew<strong>in</strong>n von Beschäftigung <strong>in</strong> den<br />
wissens<strong>in</strong>tensiven Dienstleistungen (European Commission 2001, 2006) und <strong>in</strong>sbesondere<br />
von den Neuen Medien - im S<strong>in</strong>ne der „Vorboten e<strong>in</strong>es grundlegenden Strukturwandels“<br />
(Funder 2006et al.: 47) – von Netzwerkunternehmen (Castells 2001, 2004) und „postbürokra-<br />
tischen“ Organisationsformen (Heckscher 1994) zentrale Bezugspunkte darstellen. Mit Blick<br />
auf den deutschen Länderkontext wird dabei seit Jahren kontrovers diskutiert, ob die Entwick-<br />
lung auf dem hiesigen Arbeitsmarkt als e<strong>in</strong>e „Erosion des Normalarbeitsverhältnisses“ (Mü-<br />
ckenberger 1985; Kommission für Zukunftsfragen 1996), die auch zukünftig mit e<strong>in</strong>em aus-<br />
geprägten Bedeutungsverlust, <strong>in</strong>terner Arbeitsmärkte im Allgeme<strong>in</strong>en und stabiler Beschäfti-<br />
gungsverhältnisse im Besonderen e<strong>in</strong>hergeht, beschrieben werden kann.<br />
Wir argumentieren <strong>in</strong> diesem Beitrag, dass für das Verständnis der Veränderungstendenzen <strong>in</strong><br />
Arbeitsmärkten – der Formen und des Umfangs der Flexibilisierung und des möglichen Wan-<br />
dels von Normalarbeitsverhältnissen – e<strong>in</strong> qualitatives Verständnis der Beschäftigungsprakti-<br />
ken notwendig ist, welche e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> der „Grauzone zwischen abhängiger und selbstständi-<br />
ger Erwerbstätigkeit“ (Dietrich 1999) und andererseits <strong>in</strong> den Kategorien „atypische Beschäf-<br />
tigung“, externe oder <strong>in</strong>terne Arbeitsmarktflexibilisierung verortet werden. Anhand e<strong>in</strong>er qua-<br />
litativen Untersuchung von Beschäftigung <strong>in</strong> projektbezogenen sowie netzwerkförmigen Ko-<br />
operationszusammenhängen im Feld der Softwareentwicklung zeigen wir, dass sich h<strong>in</strong>ter der<br />
vordergründigen Dom<strong>in</strong>anz von Normalarbeitsverhältnissen und dem marg<strong>in</strong>alem E<strong>in</strong>satz von<br />
Freelancern Flexibilisierungsstrategien verbergen können, welche sich schwer als re<strong>in</strong> <strong>in</strong>terne<br />
oder externe Flexibilisierung kategorisieren lassen und <strong>in</strong> eigentümlicher Weise Markt-, Hie-<br />
rarchie- und Netzwerklogik mite<strong>in</strong>ander verknüpften. In diesem Zusammenhang spielen so-<br />
wohl die zeitliche Dimension, die <strong>in</strong> diesem Kontext durch e<strong>in</strong> Spannungsfeld von zeitlicher<br />
Befristung und stabilen Beziehungen charakterisiert werden kann, als auch die räumliche E<strong>in</strong>-<br />
b<strong>in</strong>dung von Beschäftigten für die Beschäftigungspraxis e<strong>in</strong>e wichtige Rolle.<br />
Dazu werden wir zunächst die Literatur um den Wandel des deutschen Arbeitsmarktes <strong>in</strong> Zusammenhang<br />
mit den Diskussionen um Flexibilisierungsstrategien – <strong>in</strong>sbesondere im Kontext<br />
hochqualifizierter Beschäftigung – stellen. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund analysieren wir die Beschäftigungspraktiken,<br />
die wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em projektartigen IT-Netzwerk beobachten konnten, und<br />
3
diskutieren schließlich die Implikationen dieser Flexibilisierungsstrategien aus Sicht der Un-<br />
ternehmen wie der Erwerbstätigen.<br />
2. Wandel der Arbeitsmarktstrukturen und Auswirkungen auf die Beschäftigungsstabilität<br />
Im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich wurden <strong>in</strong> der Vergangenheit <strong>in</strong>sbesondere bezüglich des (west-<br />
)deutschen Arbeitsmarktes stets die langfristigen Beschäftigungsverhältnisse und die damit<br />
e<strong>in</strong>hergehende Beschäftigungssicherheit hervorgehoben (vgl. Struck/Köhler 2005: 7; vgl.<br />
auch OECD 1999), die beispielsweise Arbeitnehmern e<strong>in</strong>e starke Aushandlungsposition mit<br />
Arbeitgebern über Löhne und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen sowie soziale Sicherungsmaßnahmen garantierte<br />
(Giesecke/Groß 2006: 247). Das traditionell („männlich“) geprägte Normalarbeitsverhältnis<br />
kann dabei, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Norm politisch regulierter Lohnarbeit, und unter Rekurs<br />
auf Gehard Bosch, als e<strong>in</strong> „stable, socially protected, dependent fulltime job (…) the basic<br />
conditions of which (work<strong>in</strong>g time, pay, social transfers) are regulated to a m<strong>in</strong>imum level by<br />
labour and/or social security law” (Bosch 1986: 165), def<strong>in</strong>iert werden. Der Vollzeitstundenumfang,<br />
die Stabilität des Beschäftigungsverhältnisses sowie die Verzahnung der unbefristeten<br />
Vollzeittätigkeit mit sozialen Standards bilden dabei die Kernelemente der Def<strong>in</strong>ition des<br />
Normalarbeitsmodells (Bosch 2004: 619).<br />
In der e<strong>in</strong>schlägigen Literatur ist es unstrittig, dass es <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten zu e<strong>in</strong>er<br />
Vielzahl von Veränderungen der wirtschafts-, sozialstrukturellen und politischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
gekommen ist, die ihrerseits e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die Struktur des deutschen Beschäftigungssystems<br />
gehabt haben. Im politisch-rechtlichen Bereich werden für Deutschland<br />
als Veränderungsmomente beispielsweise die Abkehr von standardisierten Tarifvertragsb<strong>in</strong>dungen<br />
<strong>in</strong> Richtung betrieblicher Vere<strong>in</strong>barungen oder auch die Modifikationen <strong>in</strong> der arbeitsrechtlichen<br />
Gestaltung, etwa durch die Ermöglichung kurzzeitiger B<strong>in</strong>dungen durch die Deregulierung<br />
verschiedener zeitlich befristeter Arbeitsformen genannt. Auf der wirtschafts- und<br />
sozialstrukturellen Seite werden vor allem die veränderten Angebots- und Nachfragerelation,<br />
beispielsweise durch die Zunahme der Frauenerwerbsquote, die vermehrte Standortkonkurrenz<br />
aufgrund des globalisierten Wettbewerbs, die Reorganisation von Unternehmensstrukturen<br />
und der <strong>in</strong>nerbetrieblicher Arbeitsorganisation, etwa durch die Konzentration auf Kernfunktionen<br />
oder Verkle<strong>in</strong>betrieblichung und Outsourc<strong>in</strong>g herausgestellt. Zudem wird auf der<br />
Grundlage der Möglichkeiten moderner IuK-Technologien e<strong>in</strong>e zunehmende Interaktionsbeschleunigung<br />
konstatiert, die sich <strong>in</strong> räumlichen Entkopplungsmöglichkeiten, Steigerung des<br />
Wissensumschlages und der „zunehmende[n] Trennung zwischen erworbenen Fachkenntnis-<br />
4
sen aus der Ausbildung und den Anforderungen des ausgeübten Berufs niederschlägt.“<br />
(Struck/Köhler 2005: 9; vgl. auch Baethge 2001; Dostal et al. 1998)<br />
Unzweifelhaft haben im Zuge dieser Entwicklungsdynamiken so genannte atypische Beschäf-<br />
tigungsformen (wie unbefristete und befristete Teilzeitarbeit, Soloselbständigkeit, Leiharbeit,<br />
ger<strong>in</strong>gfügige Beschäftigung) je nach Ausprägungsform – wenn auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em umstrittenen<br />
Ausmaß – an Bedeutung zugenommen. 1 Im H<strong>in</strong>blick auf die Reichweite dieses Strukturwan-<br />
dels s<strong>in</strong>d die Positionen im wissenschaftlichen Diskurs mit Blick auf die Dynamik von Beschäftigungsverhältnissen<br />
tendenziell entgegengesetzt, wobei sich <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />
vor allem zwei Diskussionsstränge hervorheben lassen. E<strong>in</strong>erseits konstatieren, wie e<strong>in</strong>gangs<br />
erwähnt, e<strong>in</strong>e Reihe von Sozialforschern, e<strong>in</strong>en Strukturwandel der Arbeitsmärkte, der mit e<strong>in</strong>er<br />
fortschreitenden „Erosion“ betrieblicher Beschäftigungssicherheit und somit mir e<strong>in</strong>em<br />
stetig s<strong>in</strong>kenden Anteil von auf Dauer angelegter Vollzeitbeschäftigung e<strong>in</strong>hergeht. Zudem<br />
wird die Zunahme von atypischen Beschäftigungsformen nicht im S<strong>in</strong>ne der Konstitution<br />
neuer Flexibilisierungszonen am Rande des Arbeitsmarktes begriffen, sondern diese betrifft<br />
zudem e<strong>in</strong>e Auflösung stabiler Beschäftigungsverhältnisse <strong>in</strong> den <strong>in</strong>ternen Arbeitsmärkten<br />
(Struck/Köhler 2005: 8; vgl. Struck 2006; Seifert 1993; vgl. auch Promberger 2006). Daher<br />
wird diskutiert, ob das Normalarbeitsverhältnis und die Normalbiographie durch e<strong>in</strong>e Vielfalt<br />
von Beschäftigungsformen zwischen abhängiger und selbstständiger Beschäftigung (Dietrich<br />
1999) sowie durch heterogene Verlaufsmöglichkeiten von Lebensläufen ersetzt werden<br />
(Beck/Beck-Gernsheim 1993). Andererseits konstatieren beispielsweise Autoren wie Bosch<br />
(2003) sowie Erl<strong>in</strong>ghagen und Knuth (2002) auf der Basis des IAB Beschäftigtenpanels für<br />
den Zeitraum von 1985 bis 1995 e<strong>in</strong>e Konstanz des Normalarbeitsverhältnisses, der zwischenbetrieblichen<br />
Mobilität und von e<strong>in</strong>er konstanten Berufswechselrate und schließen daraus,<br />
dass Betriebe gewachsenen Flexibilisierungsanforderungen vor allem mit betriebs<strong>in</strong>ternen<br />
Flexibilisierungsstrategien begegnen (Knuth/Erl<strong>in</strong>ghagen 2005: 31, vgl. dazu auch Schulze<br />
Buschhoff 2000).<br />
Pr<strong>in</strong>zipiell s<strong>in</strong>d die unterschiedlichen Diagnosen eng mit Vorstellungen über Flexibilisierungsstrategien<br />
verbunden, die sich auf bestimmte Dimensionen der Arbeitskräfteallokation<br />
beziehen. In Anlehnung an Vobruba (2006) lassen sich <strong>in</strong> der Diskussion um Arbeitsflexibilisierung,<br />
die verschiedenen Dimensionen danach unterschieden, ob sie auf organisations<strong>in</strong>terne<br />
oder -externe, auf qualitative oder quantitative Anpassung zielen (vgl. auch Gouds-<br />
1 So ist beispielsweise laut Keller und Seifert (2006: 236) der Anteil von Teilzeitbeschäftigten von e<strong>in</strong>em Ausgangsniveau<br />
von 14% im Jahr 1991 an der Gesamtbeschäftigung (ohne Auszubildende) auf 22,8% im Jahr<br />
2004 gestiegen, der Anteil von befristet Beschäftigten hat sich von 6,4% (1991) auf 8,1% (2004) erhöht, wobei<br />
im H<strong>in</strong>blick auf die Leiharbeit e<strong>in</strong> Anstieg von 0,4% (1991) auf 1,3% (2004) zu verzeichnen ist.<br />
5
waard/de Nanteuil 2000). Als Beispiel für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terne quantitative Flexibilisierung ist die<br />
Flexibilisierung von Arbeitszeit zu betrachten, während unter <strong>in</strong>terner qualitativer Anpassung<br />
eher der flexible Wechsel von Tätigkeitsschwerpunkten, beispielsweise Projektarbeit oder Job<br />
Rotation, zu fassen ist. Externe Flexibilisierungsstrategien können sich wiederum zum e<strong>in</strong>en<br />
auf die quantitative bzw. numerische Anpassung des Personalstamms, beispielsweise durch<br />
Leiharbeit, Neurekrutierungen oder Kündigungen beziehen (Vobruba 2006; Kalleberg/Mardsen<br />
2005; Kalleberg et al. 2003) oder im Falle e<strong>in</strong>er externen qualitativen Anpassung<br />
auf die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von selbständigen Spezialisten oder Unternehmensberatern ausgerichtet<br />
se<strong>in</strong> (Vobruba 2006). Autoren, welche die „Erosionsthese“ ablehnen und tendenziell<br />
ke<strong>in</strong>e Abnahme der Beschäftigungsstabilität konstatieren, verweisen <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />
darauf, dass deutsche Betriebe bisher – wie weiter oben erwähnt – <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf <strong>in</strong>terne<br />
Flexibilisierungsstrategien (z.B. durch die E<strong>in</strong>führung von Arbeitszeitkonten, Lohnanreizflexibilität)<br />
auf die sich veränderten und gewachsenen Flexibilitätsanforderungen reagiert<br />
haben. Interne Anpassungen werden dabei quasi als funktionales Äquivalent zu extern quantitativen<br />
Flexibilisierungsstrategien erachtet (Struck 2006: 25). Interessanterweise wird des<br />
Weiteren mit Blick auf e<strong>in</strong>e stärkeren Branchendifferenzierung und etwa unter der Berücksichtigung<br />
verschiedener Qualifikationsniveaus von Beschäftigten herausgestellt, dass gerade<br />
<strong>in</strong> Beschäftigungssegmenten, <strong>in</strong> denen hohe Qualifikations-, Kooperations- und Motivationspotenziale<br />
gegeben und aufgebaut werden, etwaigen „Erosionstendenzen“ der Beschäftigungsstabilität<br />
klare Grenzen gesetzt s<strong>in</strong>d (ebd.). So merken Erl<strong>in</strong>ghagen und Knuth (2005:<br />
31) <strong>in</strong> diese Kontext an, dass vor allem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „mehr auf Wissen und flachen Hierarchien beruhenden<br />
dezentralen Produktion für den größten Teil der Arbeitsmarktakteure die Bedeutung<br />
e<strong>in</strong>er verlässlichen und dauerhaften Kooperation zwischen Betriebsleitung und Arbeitnehmern“<br />
steigt (vgl. auch Seifert/Pawlowsky 1998).<br />
Gegenüber der vermuteten Resistenz von hochqualifizierten Beschäftigungsbereichen im<br />
H<strong>in</strong>blick auf numerisch-externe Flexibilisierungsstrategien hat h<strong>in</strong>gegen beispielsweise Olaf<br />
Struck (2006) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kürzlich publizierten quantitativen Studie Vorbehalte geäußert. Auf der<br />
Grundlage verschiedener Betriebspanel und der Komb<strong>in</strong>ation von Paneldaten mit Daten der<br />
Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit wurden neben Ursachen betrieblicher Beschäftigungsstabilität<br />
und Betriebszugehörigkeiten, zugleich sowohl <strong>in</strong>dividuelle als auch betriebliche<br />
Ursachen für betrieblicher Austritte sowie Betriebswechsel und Wechsel <strong>in</strong> Arbeitslosigkeit<br />
von Berufse<strong>in</strong>steigern untersucht. 2 Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass über<br />
2 Bei der entsprechenden Untersuchung handelt es sich um e<strong>in</strong>e groß angelegte, langjährige Studie im Rahmen<br />
e<strong>in</strong>es Sonderforschungsbereichs, welche die Entwicklung der Beschäftigungsstabilität <strong>in</strong> West- und Ostdeutschland<br />
fokussierte. Bezüglich der Panel- und der sonstigen verwendeten statischen Daten wird darauf<br />
6
alle Branchensegmente h<strong>in</strong>weg betrachtet, e<strong>in</strong> hohes Maß <strong>in</strong>stabiler Beschäftigung bzw. e<strong>in</strong><br />
hoher Anteil mittlerer und kurzer Beschäftigungsdauer feststellbar ist. Vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />
der thematischen Ausrichtung unseres Beitrages ist vor allem beachtenswert, dass im Rahmen<br />
der Studie herausgestellt wird, dass auch <strong>in</strong> Unternehmen mit Gruppen- und Projektarbeit und<br />
dezentraler Kosten- und Kontrollverantwortung im Zusammenhang mit <strong>in</strong>novativen Tätigkeiten<br />
(mit der Ausnahme von Positionen mit Führungsverantwortung) höhere Personalaustauschraten<br />
feststellbar waren, was darauf schließen lässt, dass auch <strong>in</strong> derartigen Team- und<br />
Kontrollstrukturen, e<strong>in</strong> notwendiges Maß an Leistungsbereitschaft <strong>in</strong> kurzfristigen Beschäftigungsbeziehungen<br />
zu erreichen ist. Die <strong>in</strong> der Arbeitsmarkttheorie vielfach hervorgehobene<br />
These, dass die Verfügbarkeit zentraler Qualifikationen weitestgehend alle<strong>in</strong> betriebs<strong>in</strong>tern<br />
sicherzustellen sei, wird damit deutlich relativiert (Struck 2006: 386 ff).<br />
3. Flexibilisierung von Beschäftigung im Kontext von projektbasierter Arbeit<br />
Diese Befunde zur Verbreitung von befristeter Beschäftigung im Bereich hochqualifizierter<br />
Arbeit s<strong>in</strong>d von besonderem Interesse für das Verständnis von Beschäftigungspraktiken, die<br />
im Zusammenhang mit der Verbreitung von Projektarbeit beobachtet werden können. Als Organisationsform,<br />
die <strong>in</strong> besonderem Maße mit der kunden- und marktorientierten und eben<br />
auch flexiblen Dienstleistungserstellung durch hochqualifizierte Beschäftigte verbunden wird,<br />
gelten Projekte als zukunftsweisend für die Organisation von Arbeit und damit auch von Beschäftigung:<br />
Projektförmige Arbeitsorganisationen werden zum e<strong>in</strong>en mit der Koord<strong>in</strong>ierung<br />
wissens<strong>in</strong>tensiver, hochqualifizierter Arbeit und der Erstellung <strong>in</strong>novativer und komplexer<br />
Dienstleistungen oder Produkte assoziiert (Powell 2001, Willke 1998, Heidenreich 2000) und<br />
zum anderen, auch unter dem Stichwort Gruppen- oder Teamarbeit bzw. „marktgesteuerte<br />
Dezentralisierung“ (Sauer/Döhl 1997), <strong>in</strong> der Diskussionen um die Reorganisation der Arbeit<br />
<strong>in</strong> Produktionsbetrieben thematisiert (so auch Midler 1995). Der Projektbegriff lässt sich auf<br />
das Konzept der „temporary systems“ (Goodman/Goodman 1976) zurückführen. Diese werden<br />
als „set of diversely skilled people work<strong>in</strong>g together on a complex task over a limited period<br />
of time” def<strong>in</strong>iert (Goodman/Goodman 1976: 494), wobei die auszuführende Aufgabe<br />
sich durch Komplexität, E<strong>in</strong>zigartigkeit, durch e<strong>in</strong>e a priori-Def<strong>in</strong>ition von Zielen und zeitlicher<br />
Befristung auszeichnet. Projekte zur Erstellung relativ e<strong>in</strong>zigartiger, komplexer Dienstleistungen<br />
rahmen die Arbeit von hochqualifizierten Experten verschiedener Diszipl<strong>in</strong>en<br />
(M<strong>in</strong>tzberg 1979: 434f). Für die projektbezogene Zusammenarbeit mehrerer Organisationen<br />
verwiesen, dass diese sich auf aktuellere Erhebungszeiträume als bei e<strong>in</strong>em Großteil der bisher durchgeführten<br />
Untersuchungen beziehen (vgl. zum genauen Untersuchungsdesign, Struck 2006: 385f).<br />
7
wurde von Sydow und W<strong>in</strong>deler (1999: 217) schließlich der Begriff des Projektnetzwerkes<br />
geprägt, wobei <strong>in</strong> projektartigen Netzwerken gerade das Zusammenspiel von zeitlicher Befris-<br />
tung der Zusammenarbeit im Projekt und langfristigen, mehr oder weniger latent fortbeste-<br />
henden Beziehungen über die konkrete projektbezogene Zusammenarbeit h<strong>in</strong>aus als konstitutiv<br />
betrachtet werden können.<br />
Für die Frage nach den Flexibilisierungsstrategien und der Regulierung von Beschäftigung im<br />
Kontext projektartiger Netzwerke ist dieses Spannungsverhältnis von Kont<strong>in</strong>uität und Befristung<br />
von besonderer Relevanz und soll im Folgenden diskutiert werden. Nach Marsden<br />
(2004) unterscheidet sich das projektbezogen befristete Beschäftigungsverhältnis vom Normalarbeitsverhältnis<br />
durch se<strong>in</strong>e zeitliche Befristung und von stärker auf die Erreichung von<br />
vorab def<strong>in</strong>ierten Ergebnissen bezogenen Beschäftigungsformen wie Werkverträgen durch ihre<br />
<strong>in</strong>haltliche Offenheit. Durch die Komb<strong>in</strong>ation <strong>in</strong>haltlicher Offenheit und zeitlicher Befristung<br />
werden für Unternehmen Probleme der Leistungsmotivation und Kontrolle virulent. Das<br />
Problem der Transformation von Arbeitskraft <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Arbeitsergebnis stellt sich hier neu, <strong>in</strong>sofern<br />
die „Effizienz der Transaktionen nicht mehr Ergebnis von hierarchischer Kontrolle von<br />
Informationen, sondern Resultat e<strong>in</strong>er prekären Kooperation professioneller Wissensträger<br />
ist“ (Willke 1998: 162).<br />
Im Zusammenhang mit der Frage, wie auch <strong>in</strong> <strong>in</strong>stabilen Beschäftigungsverhältnissen und extern-flexiblen<br />
Arbeitsmärkten Leistungsfähigkeit und „freiwillige“ Leistungsbereitschaft erreicht<br />
werden können, wird beispielsweise mit dem Verweis auf die Bedeutung von Schlüsselqualifikationen<br />
sowie der Abnahme der Bedeutung von betriebsspezifischen Wissen, <strong>in</strong>sbesondere<br />
auch <strong>in</strong> den sich ausweitenden Dienstleistungstätigkeiten, beantwortet (vgl. ebd.:<br />
389). Pr<strong>in</strong>zipiell wird damit, im Gegensatz zu gängigen Arbeitsmarkttheorien (Humankapital-<br />
Segmentations- Transaktionskosten- und Vertrauensansätze), die zunehmende Instabilität von<br />
<strong>in</strong>ternen Arbeitsmärkten konstatiert (vgl. Struck et al. 2006). Der abnehmende Stellenwert<br />
von betriebsbezogenem Wissen wird unter anderem dadurch plausibilisiert, dass durch zunehmend<br />
kürzere Innovationszyklen spezialisiertes Wissen entwertet wird, und am Arbeitsplatz<br />
sowie <strong>in</strong> Weiterbildung erworbenes Arbeitsprozesswissen bzw. allgeme<strong>in</strong>es Wissen<br />
auch bei <strong>in</strong>ner- und überbetrieblichen Tätigkeitswechseln und Aufstiegen übertragbar ist. Beschäftigte<br />
entwickeln <strong>in</strong> vergleichbaren Arbeitsgebieten im Rahmen der beruflichen und betrieblichen<br />
Qualifizierung e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames geteiltes fachliches, methodisches und soziales<br />
Wissen, wobei zugleich Normen und Bewertungen ver<strong>in</strong>nerlicht werden. In dem Fall des Stellenbesetzungsprozesses<br />
s<strong>in</strong>d sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer daher <strong>in</strong> der Lage,<br />
sich an habituell gefestigten Handlungskompetenzen zu orientieren, „die sich <strong>in</strong> geteilten<br />
8
Begriffen, Codierungen, Normen und Bewertungen ausdrücken (…) So bieten Orientierungen<br />
an Kompetenzen <strong>in</strong>nerhalb von Arbeitsgebieten ausreichende Signalfunktion für Stellenbesetzungsprozesse<br />
und Bildungs<strong>in</strong>vestitionen“ (Struck 2006: 390). Mit Blick auf die Leistungsbereitschaft<br />
<strong>in</strong> befristeten Beschäftigungsverhältnissen werden wiederum Maßnahmen der<br />
„Leistungsmotivation“ hervorgehoben, die beispielsweise auf Zertifizierungen im Rahmen betrieblicher<br />
Ausbildungswege, auf „Quasi-Zertifizierungen“ als Ergebnisse projektförmig organisierter<br />
und im Ergebnis zu bewertender Arbeiten zielen oder etwa die Reputation des Arbeitgebers<br />
sowie E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> bestimmte Kommunikationsnetzwerke be<strong>in</strong>halten (ebd.: 391).<br />
Marsden (2004) und Baumann (2002) h<strong>in</strong>gegen schreiben, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> diesen Arbeitsmärkten,<br />
<strong>in</strong> denen Qualifikation nicht standardisiert und zertifiziert s<strong>in</strong>d, Reputation <strong>in</strong> projektexternen<br />
<strong>in</strong>formellen Netzwerken e<strong>in</strong>en zentralen Stellenwert zu: Der Erwerb von Reputation<br />
<strong>in</strong>nerhalb der occupational community wird als funktional äquivalenter Mechanismus zur<br />
Lösung des Kooperations- und Motivationsproblems identifiziert (Marsden 2004: 672ff).<br />
Wenn zudem Erwartungen oder gar die Notwendigkeit bestehen, auch zukünftig mit Kolleg<strong>in</strong>nen<br />
und Kollegen, Kunden sowie Vorgesetzten aus dem aktuellen Projekt oder mit ihnen<br />
direkt wie <strong>in</strong>direkt verbundenen Personen und Unternehmen zusammenzuarbeiten, rückt aus<br />
Sicht der Projektbeschäftigten nicht nur der Projekterfolg, sondern auch die Leistungsbewertung<br />
und der Aufbau von Reputation im unmittelbaren Projektkontext <strong>in</strong> den Vordergrund<br />
(vgl. Blair 2001). Dies verweist zudem auf die Bedeutung <strong>in</strong>formeller, enger und schwacher,<br />
horizontaler und vertikaler Netzwerke, über die Informationen über Arbeitsplätze sowie Empfehlungen<br />
mobilisiert werden können, für zukünftige Beschäftigungsmöglichkeiten (vgl. auch<br />
Baumann 2002; Marsden 2004; speziell für die US-amerikanische Film<strong>in</strong>dustrie: Jones 2002;<br />
1996; Faulkner/Anderson 1987).<br />
Sowohl die Signalwirkung von Schlüsselqualifikationen als auch Reputation und die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />
<strong>in</strong> <strong>in</strong>formelle Netzwerke können demnach möglicherweise externe Flexibilisierungsstrategien<br />
im Kontext wissens<strong>in</strong>tensiver, projektförmig organisierter Dienstleistungserstellung<br />
stützen. Externe Flexibilisierungsstrategien <strong>in</strong> der Form e<strong>in</strong>es projektbezogen befristeten E<strong>in</strong>satzes<br />
Selbstständiger und abhängig Beschäftigter wurden vor allem <strong>in</strong> der Produktion von<br />
Filmen und Fernseh<strong>in</strong>halten beobachtet, auf die sich die Literatur zu Projektnetzwerken überwiegend<br />
stützt (vgl. W<strong>in</strong>deler/Wirth/Sydow 2001; Marrs/Boes 2003). Für die IT- und <strong>in</strong>sbesondere<br />
die Internetdienstleistungen, denen <strong>in</strong>folge ihres Bedeutungsgew<strong>in</strong>ns sowie der Informatisierungstendenzen<br />
<strong>in</strong> der Wirtschaft allgeme<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Vorreiterrolle bei der Organisation<br />
von Arbeit und Beschäftigung zugewiesen wird, sche<strong>in</strong>en h<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong>terne Flexibilisierungsstrategien<br />
zu überwiegen: Insbesondere <strong>in</strong> der gegenwärtigen Konsolidierungsphase der <strong>New</strong><br />
9
Economy stellen unbefristete Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse offenbar die dom<strong>in</strong>ante Be-<br />
schäftigungsform bei Internetdienstleistern dar (Mayer-Ahuja/Wolf 2005; 2004; Boes 2003;<br />
vgl. zum Aspekt der Vollzeitbeschäftigung <strong>in</strong> der IKT-Branche, Funder et al. 2006).<br />
4. Die Programmierung e<strong>in</strong>er Multimedia-Großplattform, e<strong>in</strong> Fallbeispiel<br />
Die empirischen Ergebnisse dieses Beitrages knüpfen an e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äres Forschungs-<br />
vorhaben 3 zu Projektnetzwerken <strong>in</strong> unterschiedlichen wissens<strong>in</strong>tensiven Dienstleistungen an.<br />
Untersuchungsgegenstand bildeten jeweils verschiedene Fallstudien, die auf netzwerkförmige<br />
Kooperationen zwischen m<strong>in</strong>destens drei Unternehmen ausgerichtet waren, wobei e<strong>in</strong> be-<br />
stimmtes Projekt, welches als Kristallisationspunkt für die <strong>in</strong>terorganisationale Zusammenar-<br />
beit fungierte, die Untersuchungse<strong>in</strong>heit bildete (vgl. Shire et al. 2007). Zentrales Charakteris-<br />
tikum der untersuchten projektartigen Netzwerke war somit, sowohl im H<strong>in</strong>blick auf die Or-<br />
ganisation der Zusammenarbeit als auch im H<strong>in</strong>blick auf die Beschäftigungs- und Flexibilisie-<br />
rungsstrategien, das Spannungsverhältnis von zeitlicher Befristung und projektüberdauernden<br />
Beziehungen. Die Untersuchung fokussierte auf die Organisation der projektbezogenen Ko-<br />
operation, die „Projektbiographie“, d.h. die Entstehungsgeschichte des Projektes vor dem<br />
H<strong>in</strong>tergrund mehr oder weniger latenter Netzwerke zwischen verschiedenen Organisationen,<br />
sowie die Exploration der Beschäftigungsstrategien im Kontext dieser projektartigen Netz-<br />
werke. Dabei wurden <strong>in</strong> allen beteiligten Unternehmen bei den <strong>in</strong> das Projekt <strong>in</strong>volvierten Beschäftigten<br />
Arbeitsplatzbeobachtungen, Beobachtungs<strong>in</strong>terviews sowie schließlich leitfadengestützten<br />
Interviews durchgeführt. Diese Vorgehensweise erwies sich für die Analyse der<br />
Organisationsformen und der Exploration auch neuartiger Beschäftigungs- und Kooperationspraktiken<br />
als besonders fruchtbar (vgl. auch Kelle/Erzberger 2000, Hopf 2000: 350, Kuhlmann<br />
2002). Beispielsweise zeigte sich, dass trotz der Zugangsgespräche mit Geschäftsführung<br />
und Projektleitung <strong>in</strong> den am Projekt beteiligten Unternehmen, die der Klärung der Projektspezifika<br />
und der Eruierung der Beteiligten dienten, häufig erst im Rahmen der Beobachtungssequenz<br />
auf weitere (temporär) e<strong>in</strong>gebundene Projektmitglieder gestoßen wurde. E<strong>in</strong><br />
weiteres, erst durch die arbeitsplatzbezogenen Beobachtungen und Interviews zutage tretendes,<br />
Phänomen war die variierende und auch widersprüchliche Zuschreibung von Kundenund<br />
Partnerrollen durch die Projektmitglieder. Von besonderer Relevanz für dieses Vorhaben<br />
ist jedoch der Sachverhalt, dass sich der Zusammenhang zwischen Eigenheiten der Organisation<br />
der projektbezogenen Kooperation und bestimmten, teils ungewöhnlichen, Beschäfti-<br />
3 Bei dem Forschungsvorhaben handelt es sich um das Projekt „VIP-NET“ (, welches vom Bundesm<strong>in</strong>isterium<br />
für Bildung und Forschung im Rahmen des Förderschwerpunktes „Innovative Arbeitsgestaltung – Zukunft der<br />
Arbeit“ gefördert wurde.<br />
10
gungspraktiken erst durch das qualitative Design mit der Komb<strong>in</strong>ation bzw. qualitativen Tri-<br />
angulation von Beobachtung und Interviews erschließen ließ.<br />
Das Sample umfasst vier projektartige Netzwerke <strong>in</strong> zwei verschiedenen Branchen. Dabei<br />
wurden zwei Projekte aus dem Bereich der Internetdienstleistungen (die Erstellung e<strong>in</strong>es Con-<br />
tent-Management-Systems sowie die Programmierung e<strong>in</strong>er Multimedia-Großplattform) und<br />
zwei Architekturprojekte (klassisches sowie Event-Architektur-Projekt) untersucht und <strong>in</strong>sge-<br />
samt 44 Interviews mit Projektbeteiligten geführt. Obgleich wir <strong>in</strong> allen untersuchten Projekt-<br />
netzwerken Beschäftigungspraktiken fanden, die im H<strong>in</strong>blick auf die Diskussion der <strong>in</strong>ternen<br />
und externen Flexibilisierung von (wissens<strong>in</strong>tensiver Arbeit <strong>in</strong>teressant s<strong>in</strong>d, werden wir uns<br />
im Folgenden auf die Beschäftigungspraktiken <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em speziellen IT-Projektnetzwerk kon-<br />
zentrieren. Dies ist damit zu begründen, dass aufgrund des Arbeitsgegenstandes und der Grö-<br />
ße des Kooperationsvorhaben und dem Aspekt, dass diese Branche, wie weiter oben ange-<br />
sprochen, als Vorbote e<strong>in</strong>es grundlegenden Strukturwandels von Arbeit gilt, mögliche Be-<br />
schäftigungspraktiken nicht nur vor diesem H<strong>in</strong>tergrund von besonderem Interesse s<strong>in</strong>d, son-<br />
dern auch am besten repräsentiert und am nachdrücklichsten skizziert werden können.<br />
Bezogen auf dieses projektbasierte Netzwerk haben wir Arbeitsplatzbeobachtungen und In-<br />
terviews während der Verbundphase e<strong>in</strong>es Projektes, welches auf die Erstellung e<strong>in</strong>es Groß<strong>in</strong>-<br />
ternetportals zur Bündelung verschiedener Multimedia-Dienste zielt, durchgeführt, wobei wir<br />
ausschnittsweise die Kooperation von drei Unternehmen und e<strong>in</strong>igen Freelancern (nachfol-<br />
gend auch „Solo-Selbstständige“ genannt) untersuchten. An dem gesamten Projekt, das von<br />
e<strong>in</strong>em Großkunden <strong>in</strong> Auftrag gegeben wurde, waren demgegenüber mehrere hundert Soft-<br />
wareentwickler sowie zahlreiche IT-Firmen beteiligt. Das analysierte Projektnetzwerk umfasste<br />
die Kooperation zwischen e<strong>in</strong>em IT-Großunternehmen mit ca. 50.000 Beschäftigten,<br />
sowie zwei kle<strong>in</strong>ere Internet- bzw. Softwaredienstleistern mit je 30 bzw. 60 Beschäftigten. Es<br />
wurden <strong>in</strong>sgesamt 13 Intensiv<strong>in</strong>terviews mit den Projektbeteiligten durchgeführt, wobei zudem<br />
die generellen Beschäftigungspraxen der beteiligten Unternehmen sowie die Beteiligung<br />
<strong>in</strong> weiteren projektartigen Netzwerken eruiert wurden. Zudem werden diese Ergebnisse vor<br />
dem H<strong>in</strong>tergrund aktueller qualitativer wie auch quantitativer Untersuchungen im IT-Bereich<br />
reflektiert, um mit dieser Untersuchungsstrategie die Übertrag- und Generalisierbarkeit unserer<br />
Befunde über den jeweiligen Projektkontext h<strong>in</strong>aus zu gewährleisten.<br />
5. Beschäftigungsstrategien <strong>in</strong> IT-Projektnetzwerken<br />
Im Folgenden wird diskutiert, wie sich die Beschäftigungspraktiken vor dem H<strong>in</strong>tergrund der<br />
e<strong>in</strong>gangs skizzierten Flexibilisierungsstrategien verorten lassen. Dabei f<strong>in</strong>det der Zusammen-<br />
11
hang zwischen Projektorganisation und Beschäftigungsformen sowie die zeitliche als auch<br />
räumliche E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Projektbeschäftigten e<strong>in</strong>e besondere Berücksichtigung.<br />
5.1 Die Persistenz von Normalarbeitsverhältnissen?<br />
Analog zu den angeführten bisherigen deutschen Untersuchungen im Bereich der IT-<br />
Dienstleistungen lässt sich auch im Rahmen des von uns untersuchten IT-Projektnetzwerkes<br />
prima vista e<strong>in</strong>e ausgeprägte Dom<strong>in</strong>anz der unbefristeten Vollzeitbeschäftigung feststellen. In<br />
diesem Zusammenhang ist es zunächst wichtig zu beachten, dass das von uns untersuchte IT-<br />
Projekt zur Realisierung e<strong>in</strong>er Multimediaplattform betriebsförmig organisiert wurde, d.h. <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> über lange Jahre gewachsenes Unternehmensnetzwerk e<strong>in</strong>gebettet war, das demzufolge<br />
langfristige, über das jeweilige Projekt h<strong>in</strong>ausreichende (Unternehmens-)Beziehungen aufweist.<br />
Die Präferenz der beteiligten Unternehmen ihre Beschäftigten dauerhaft an sich zu b<strong>in</strong>den,<br />
lässt sich unter anderem mit der Ausrichtung der Arbeitsorganisation <strong>in</strong> dem Netzwerk<br />
im Allgeme<strong>in</strong>en und <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Unternehmen im Besonderen erklären. So werden die<br />
projektübergreifenden Unternehmenspartnerbeziehungen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie von der Unternehmensspitze<br />
oder von den höchsten Projektleitungsfunktionen getragen, die zudem personengebunden<br />
<strong>in</strong>stitutionalisiert ist, so dass Bestrebungen bestehen, diese Unternehmensmitarbeiter<br />
langfristig zu beschäftigten (vgl. dazu Shire et al. 2007).<br />
E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Aspekt ist zudem die Art der Gestaltung der Kunden<strong>in</strong>teraktion <strong>in</strong> dieser<br />
wissensbasierten Dienstleistungstätigkeit. Wie beispielsweise Mayer-Ahuja und Wolf<br />
(2005) h<strong>in</strong>sichtlich der Softwareentwicklung im Bereich von Internetdienstleistungen zeigen,<br />
ist es <strong>in</strong> diesem Branchensegment nach e<strong>in</strong>er „Boomphase“ zu e<strong>in</strong>er Konsolidierung von Unternehmensstrukturen<br />
gekommen, die neben e<strong>in</strong>er zunehmenden Arbeitsteilung und der Implementierung<br />
betrieblicher Kontrollstrukturen auch e<strong>in</strong>en veränderten Umgang mit Kunden<br />
be<strong>in</strong>haltet. So besteht die Unternehmensstrategie, Kunden langfristig an sich zu b<strong>in</strong>den, was<br />
vor dem H<strong>in</strong>tergrund unserer untersuchten Fallstudien dazu führt, dass Kunden <strong>in</strong>tegraler Bestandteil<br />
projektartiger Netzwerke s<strong>in</strong>d. Der Aufbau von Bestandskunden wird e<strong>in</strong>erseits dadurch<br />
ermöglicht, dass Internetdienstleistungen, <strong>in</strong>sbesondere Plattformen, tendenziell e<strong>in</strong>e<br />
hohe Anschlussfähigkeit im H<strong>in</strong>blick auf die Systempflege oder etwa e<strong>in</strong> Systemupgrade ermöglichen.<br />
Auf der anderen Seite wird <strong>in</strong> dem untersuchten Netzwerk die Strategie verfolgt,<br />
durch e<strong>in</strong>en personalisierten Kundenkontakt e<strong>in</strong>e langfristige Kundenb<strong>in</strong>dung zu erreichen,<br />
wie nachfolgend zwei adm<strong>in</strong>istrativer Projektleiter von zwei am Projekt beteiligten Kle<strong>in</strong>unternehmen<br />
ausführen:<br />
12
„Das sieht dann vielmehr so aus, dass wir versuchen, auch unsere Kunden mit jeweils den gleichen<br />
Personen zu bearbeiten. Weil dann sicherlich sich auch zwischenmenschliche Komponenten aufbauen,<br />
die die Arbeit erleichtern (…). Ja, gehört e<strong>in</strong> Stück weit auch zum Market<strong>in</strong>g.“ (Adm<strong>in</strong>istrativer<br />
Projektleiter, IT1-B-APL)<br />
„Wir haben e<strong>in</strong>en langjährigen Draht zum Kunden, e<strong>in</strong>en persönlichen Draht schon, das s<strong>in</strong>d jetzt<br />
bald sieben oder acht Jahre, die ich mit denen zusammenarbeite.“ (Adm<strong>in</strong>istrativer Projektleiter,<br />
IT1-A-APL).<br />
In welchem Verhältnis steht nun diese Art der Gestaltung von Beziehungen zu Partnerunter-<br />
nehmen und Kunden zu den Flexibilisierungsstrategien und Beschäftigungspraktiken der be-<br />
teiligten Unternehmen? Wie auch schon großzahlige Studien zur Beschäftigungsstabilität <strong>in</strong><br />
projektbasierten, hochqualifizierten Dienstleistungsbereich im deutschen Länderkontext andeuten,<br />
weisen Beschäftigte mit Führungsverantwortung e<strong>in</strong>e längerfristige B<strong>in</strong>dung zu den<br />
Unternehmen auf. Gleichwohl lässt sich dieser Befund auch für die „regulären“ Beschäftigten<br />
<strong>in</strong> dem IT-Projektnetzwerk übertragen. In den Interviews lassen sich immer wieder H<strong>in</strong>weise<br />
darauf f<strong>in</strong>den, dass die Unternehmen die Intention verfolgen, ihren bestehenden festen Mitarbeiterstamm<br />
auch an Beschäftigten, die ke<strong>in</strong>e Projektleitungsfunktion ausüben, weiter auszubauen<br />
und dass etwaige Betriebs- und Arbeitgeberwechsel eher von den Beschäftigten als von<br />
der Unternehmensspitze ausgehen. Die Präferenz der IT-Unternehmen Beschäftigte projektübergreifend<br />
und tendenziell längerfristig e<strong>in</strong>zustellen, ist vor allem durch die spezifische Art<br />
von Qualifikationsanforderungen, die auf e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert des erfahrungsbasierten<br />
Wissen verweisen, zu erklären. Demnach s<strong>in</strong>d weniger allgeme<strong>in</strong>e fachliche Schlüsselqualifikationen<br />
das Entscheidende um Projektanforderungen <strong>in</strong> diesem wissens<strong>in</strong>tensiven Dienstleistungsfeld<br />
gerecht zu werden, als vielmehr das von Projekt zu Projekt kumulierte Kontext- und<br />
Arbeitsprozesswissen, das demzufolge neben (speziellen) technischen skills vor allem auch<br />
soziale Kompetenzen und „soziale Kontexterfahrungen“ umfasst (vgl. auch Frenkel et al.<br />
1999).4 Dieses Wissen möchten sich die Unternehmen wiederum entsprechend langfristig sichern<br />
bzw. bei jüngeren Beschäftigten bzw. Berufse<strong>in</strong>steigern aufbauen. E<strong>in</strong> Softwareentwickler<br />
im Projektteam des Großunternehmens sowie e<strong>in</strong> technischer Projektleiter merken <strong>in</strong><br />
Bezug auf das Erfahrungswissen folgendes an:<br />
„Die Erfahrung, denke ich, ist da der entscheidende Punkt. Ich persönlich denke, den technical skill<br />
den bewerte ich gar nicht mal so hoch. Weil ich sag mir, ich kann mich immer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Produkt<br />
neu e<strong>in</strong>arbeiten. Das ist nicht das Entscheidende, das Entscheidende ist die Projekterfahrung.“ (Projektentwickler,<br />
IT1-C-PM)<br />
„Vieles was wir machen gründet sich auf Erfahrung. D.h. die Erfahrungswerte, die ich <strong>in</strong> den letzten<br />
Jahren gesammelt habe, die müssen jetzt nicht re<strong>in</strong> technischer Natur se<strong>in</strong>. Zum Beispiel im<br />
Umgang mit den Leuten, den Kunden oder mit der Planung, was für Erfahrungen nehme ich da<br />
raus (…) E<strong>in</strong> technischer Mitarbeiter kann schon viel Know-how haben, dann fehlt immer noch so<br />
4 Dieser Befund wird auch im Rahmen e<strong>in</strong>er großzahligen Onl<strong>in</strong>ebefragung unter IT-Projektleitern bestätigt,<br />
die im Rahmen des VIP-NET-Projektes durchgeführt wurde (vgl. dazu Günther et al. 2007).<br />
13
e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Stückchen. (…) es ist das Zusammenspiel an Know-how, also konkreten technischen<br />
Know-how und Erfahrung, empirischen Wissen.“ (Technischer Projektleiter, IT1-A-TPL).<br />
Kontextbezogene Erfahrungen spielen wiederum auch bei der Besetzung von Folgeprojekten<br />
e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle. So wird auf der Seite der Unternehmensführungen versucht, im<br />
Rahmen von Folgeaufträgen von erfolgreich abgeschlossenen Vorgängerprojekten zu e<strong>in</strong>er<br />
möglichst identischen Projektbesetzung von Beschäftigten zu kommen. Auf Seiten der Pro-<br />
jektentwickler wird des Öfteren darauf verwiesen, dass e<strong>in</strong>erseits zwar die technischen An-<br />
forderungen, aber eben auch die konkrete kontextuelle Erfahrung, sei es <strong>in</strong> Bezug auf die per-<br />
sonale Zusammensetzung e<strong>in</strong>es Projektteams <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vorläuferprojekt oder auch bestimmte<br />
„Eigenarten“ und Arbeitsanforderung von speziellen Kunden, auch für die Projektzusammen-<br />
setzung relevant s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e Softwareentwickler<strong>in</strong> merkt dazu an:<br />
„Ich denke der Hauptpunkt wird se<strong>in</strong>, dass ich halt schon mal Java programmiert hatte und das ist<br />
halt <strong>in</strong> dem Projekt gefordert worden. Das vorherige Projekt, das ich hatte, war auch e<strong>in</strong> Projekt bei<br />
dem Kunden. Von daher hatte man wohl so die Idee, dass da auch schon e<strong>in</strong>ige Kenntnisse über<br />
den Kunden generell halt vorhanden s<strong>in</strong>d. Und ich denke da s<strong>in</strong>d zwei Punkte erfüllt und da ich<br />
auch grad ke<strong>in</strong> Projekt hatte, dann ist man schon e<strong>in</strong>mal prädest<strong>in</strong>iert.“ (Projektentwickler<strong>in</strong>, IT1-<br />
B-PM1)<br />
Zwar wird der Kundenkontakt vornehmlich von der jeweiligen Projektleitung gestaltet, doch<br />
durch diese Schnittstellenfunktion wird gleichzeitig sichergestellt, dass kundenspezifische<br />
Anforderungen an die Projektmitarbeiter, die nicht <strong>in</strong> direktem Kundenkontakt stehen, kom-<br />
muniziert werden. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund können die Äußerungen der Projektentwickler als<br />
H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>en Transfer dieses kundenspezifischen Wissens betrachtet werden, <strong>in</strong>sofern<br />
kumuliertes Erfahrungswissen <strong>in</strong> Bezug auf e<strong>in</strong>en bestimmten Kunden auch für die Besetzung<br />
von Projektentwicklungsstellen <strong>in</strong> Folgeprojekten von Bedeutung s<strong>in</strong>d.<br />
Wenngleich „reguläre“ Beschäftigungsformen von großer Bedeutung <strong>in</strong> unserem Sample<br />
s<strong>in</strong>d, so lassen sich die Beschäftigungsbed<strong>in</strong>gungen nicht ohne Weiteres unter dem Begriff<br />
des „klassischen Normalarbeitsverhältnisses“ subsumieren. E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>d aus der Literatur<br />
bekannte typische <strong>in</strong>terne Flexibilisierungsmaßnahmen wie die Flexibilisierung der Arbeits-<br />
zeit (wie Gleitarbeitszeit, Zeitarbeitskonten, vere<strong>in</strong>barte Wochenarbeitszeit) gängige Praxis <strong>in</strong><br />
den IT-Unternehmen. Andererseits gab es über die Projektphasen h<strong>in</strong>weg zum e<strong>in</strong>en sowohl<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der Unternehmenszugehörigkeit als auch zum Teil bezüglich der Beschäftigungs-<br />
formen e<strong>in</strong>e gewisse Heterogenität der e<strong>in</strong>zelnen Projektteams. Dies lässt sich abermals über<br />
die Art der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung des Kunden und Umsetzung der Auftragsanforderungen erklären. Im<br />
Gegensatz zu e<strong>in</strong>em klassischen Kundenverhältnis, ist der Kunde im Bereich der wissens<strong>in</strong>tensiven<br />
Dienstleistung stärker <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rolle e<strong>in</strong>es Co-Produzenten im Prozess der Dienstleistungserbr<strong>in</strong>gung,<br />
während die Dienstleistungserbr<strong>in</strong>ger e<strong>in</strong>e beratende Funktion e<strong>in</strong>nehmen<br />
(vgl. dazu etwa Shire 2005; vgl. auch Mayer-Ahuja/Wolf 2005; vgl. Boes/Baukrowitz 2002).<br />
14
Überdies gibt es bei Großkunden <strong>in</strong> dieser Branche (outgesourcte) Softwareentwicklungsteams,<br />
die <strong>in</strong> projektbasierten Kooperationen als Partnerfirmen von anderen IT-Unternehmen<br />
fungieren. Vor dem H<strong>in</strong>tergrund des untersuchten IT-Projektnetzwerkes bedeutete dies, dass<br />
der Auftraggeber die Umsetzung sämtlicher Projektphasen nicht nur begleitete und auch während<br />
unserer Beobachtungsphase häufige Statusmeet<strong>in</strong>gs an der Tagungsordnung waren, sondern<br />
sich die geforderten Spezifikationen des Systems aufgrund der starken E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung des<br />
Kunden zum Teil äußerst dynamisch (ver-)änderten. E<strong>in</strong> adm<strong>in</strong>istrativer Projektleiter merkte,<br />
als wir uns auf unsere Beobachtung beziehen und ansprechen, dass es sche<strong>in</strong>bar zuweilen zu<br />
Änderungswünschen seitens der Auftraggeber kommt, Folgendes an:<br />
„H<strong>in</strong> und wieder ist gut (lacht). Vier bis sieben mal am Tag bestimmt. Diese Projekte werden gelebt<br />
und das ist von Kunde zu Kunde wirklich unterschiedlich. Es gibt Projekte, die haben wirklich<br />
zum Ende des Projektes gar nichts mit dem zu tun, was wir anfänglich mal angeboten haben. Das<br />
s<strong>in</strong>d richtige Eventagenturen, das ist unglaublich. Also, da stimmt nicht mal mehr der Standort, dort<br />
wo es mal e<strong>in</strong>gesetzt wird. Das ist wirklich Entwicklung auf Zuruf. (…). Wie händelt man diese<br />
Sachen? Es gibt bestimmte Begriffe beim Kunden nennt sich das „change requests“ oder Änderungswunsch.<br />
Wenn der dann zu sehr aus dem Lasten- oder Pflichtenheft abweicht, dann wird der<br />
hier erstmal dokumentiert, bewertet. Das macht für gewöhnlich der Projektleiter“ (Adm<strong>in</strong>istrativer<br />
Projektleiter, IT1-A-APL)<br />
E<strong>in</strong>erseits wird schon mit dem Auftaktphasen von Projekten von den Projektleitern darauf<br />
verwiesen, dass sich der Personalbedarf, häufig nicht mit den eigenen festangestellten Mitar-<br />
beitern decken lässt, was auf e<strong>in</strong>en externen Flexibilisierungsbedarf schließen lässt. Zudem<br />
können die <strong>in</strong> der Interviewsequenz angesprochenen „change requests“ dazu führen, dass die<br />
am Projekt beteiligten Unternehmen äußerst flexibel auf den Beschäftigtenbedarf reagieren<br />
müssen. Pr<strong>in</strong>zipiell gibt es bei der Rekrutierung von Projektbeschäftigten dabei e<strong>in</strong>e bestimm-<br />
te Präferenz bzw. ,Rekrutierungshierarchie’ der Unternehmen um e<strong>in</strong>e angemessene Projekt-<br />
zusammensetzung zu erreichen. Dies soll anhand nachfolgender Passage exemplarisch illustriert<br />
werden:<br />
„Wir versuchen erst e<strong>in</strong>mal mit eigenen Leuten das Projekt abzudecken und gehen dann erst, wenn<br />
die eigenen erschöpft s<strong>in</strong>d, auf zweite und dritte zu, um da noch Sachen abzufragen oder e<strong>in</strong>zukaufen.<br />
(…) Wir haben manchmal Peaks <strong>in</strong> Projekten, das passiert alles unter Zeitdruck, wo wir dann<br />
auch Peaks abfangen müssen. Wir haben halt e<strong>in</strong>en kräftigen Stamm, das stimmt. Wir haben Unternehmen<br />
mit denen wir schon zusammengearbeitet haben, wo wir auch gute Erfahrungen gemacht<br />
haben, die [Anm.: Beschäftigte] wir dann wiederum zukaufen.“ (Adm<strong>in</strong>istrativer Projektleiter,<br />
IT1-A-APL)<br />
Diese Sequenz verweist darauf, dass unverkennbar e<strong>in</strong> Flexibilisierungsbedarf besteht, der<br />
gleichwohl sche<strong>in</strong>bar e<strong>in</strong>er gewissen Rekrutierungslogik folgt. So werden nicht nur entsprechende<br />
Kooperationsvorhaben netzwerkförmig bearbeitet, sondern etwaige Projektmitarbeiter<br />
werden auf Basis von vorherigen Erfahrungen aus anderen Arbeitszusammenhängen und damit<br />
<strong>in</strong> Rückgriff auf e<strong>in</strong>e Art Rekrutierungsnetzwerk für die Projekte verpflichtet. E<strong>in</strong> gängiger<br />
Begriff für die Rekrutierungsstrategie <strong>in</strong> diesem Dienstleistungsbereich ist das so genann-<br />
15
te „Body Leas<strong>in</strong>g“, mit dem im feldspezifischen Fachjargon der E<strong>in</strong>satz von unternehmensex-<br />
ternen Arbeitskräften bezeichnet wird. Dabei verbergen sich h<strong>in</strong>ter dieser Art von Flexibilisie-<br />
rungsstrategie e<strong>in</strong>ige wichtige Facetten, die sowohl vor dem H<strong>in</strong>tergrund der allgeme<strong>in</strong>en<br />
Diskussion der Flexibilisierung von wissens<strong>in</strong>tensiven bzw. hochqualifizierten Dienstleistun-<br />
gen und dem Spannungsfeld der zeitlichen Befristung und projektübergreifenden Beziehun-<br />
gen bedeutsam s<strong>in</strong>d. Zudem werden <strong>in</strong> diesem Zusammenhang etwaige Aspekte der geogra-<br />
phischen Mobilität von Projektbeschäftigten fokussiert, die vor allem mit Blick auf die disku-<br />
tierte räumlichen Verteilung von projektförmigen <strong>in</strong>terorganisationalen sowie <strong>in</strong>terpersonellen<br />
Kooperationen virulent werden (vgl. z.B. die Diskussion um virtuelle Unternehmen, Sydow1996,<br />
2001; Reiss 1996; Picot et al. 1996, 2001; Shire et al. 2007).<br />
5.2 „Bodyleas<strong>in</strong>g“: E<strong>in</strong>e Hybridform der Beschäftigungsflexibilisierung?<br />
Wie schon <strong>in</strong> dem vorherigen Abschnitt angeklungen ist, lässt sich der Bedarf an Projektkräften<br />
aufgrund der zum Teil turbulenten Kunden- und Projektanforderungen nicht alle<strong>in</strong> über<br />
festangestellte Projektentwickler decken. Der gängige „Feldbegriff“ des „Body leas<strong>in</strong>g“ für<br />
die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von unternehmensexternen Arbeitskräften lässt sich bezüglich des Erwerbsstatus<br />
der entsprechenden IT-Beschäftigten <strong>in</strong> zwei globalere Dimensionen aufschlüsseln. Die<br />
erste Dimension bezieht sich auf die Strategie der Unternehmen, den flexibilisierten Personalbedarf<br />
an IT-Kräften, durch e<strong>in</strong>en, wenn auch verhältnismäßig ger<strong>in</strong>gen, Anteil von Freelancern<br />
zu begegnen. E<strong>in</strong>erseits wird diese Strategie gewählt, um zuweilen bestimmte Peaks<br />
bzw. Projektspitzen abfedern zu können. Andererseits wird vor allem auf „Solo-<br />
Selbstständige“ zurückgegriffen, wenn sie im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong> bestehendes Projektteam komplementäre<br />
Qualifikationen bzw. Spezialkompetenzen aufweisen. Interessanterweise bestehen<br />
auch bei den Kle<strong>in</strong>unternehmen pr<strong>in</strong>zipiell Bestrebungen, e<strong>in</strong>gebundene Freelancer nach Abschluss<br />
e<strong>in</strong>es jeweiligen Projektes als Festangestellte langfristig <strong>in</strong> das Unternehmen e<strong>in</strong>zugliedern:<br />
„Denn was wir eigentlich nicht machen, ist dass wir Projekte nur mit Freelancern machen,<br />
sondern schauen dann schon zu, dass wir die mittelfristig halt auch als Mitarbeiter dann hier<br />
im Unternehmen haben.“ (Adm<strong>in</strong>istrativer Projektleiter, IT1-A-APL)<br />
In dem von untersuchten Ausschnitt des Großprojektes haben <strong>in</strong> der Tat die zwei akquirierten<br />
Freelancer e<strong>in</strong>e dauerhafte Festanstellung angeboten bekommen. Dem ersten Ansche<strong>in</strong> nach<br />
verweist die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Freelancern auf e<strong>in</strong>e klare externe Flexibilisierungsstrategie von<br />
Unternehmen, die unserer Auffassung nach aber nicht vorbehaltlos unter diese Flexibilisierungskategorie<br />
subsumiert werden kann. So f<strong>in</strong>det der Rekrutierungsprozess von freiberuflichen<br />
Kräften vornehmlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em umgrenzten Netzwerk von geschäftlichen (Unterneh-<br />
16
mens-)Kontakten statt. E<strong>in</strong> Geschäftsführer e<strong>in</strong>es Kle<strong>in</strong>unternehmens, das sich im Rahmen<br />
e<strong>in</strong>es Geschäftsfeldes auf die Vermittlung von IT-Kräften spezialisiert hat, sowie e<strong>in</strong> admi-<br />
nistrativer Projektleiter des beteiligten Großunternehmens beschreiben diesen Sachverhalt wie<br />
folgt:<br />
„(…) wenn e<strong>in</strong>zelne Anfragen kamen und wir diesen persönlichen skill oder eigenen Mitarbeiter<br />
nicht hatten aufgrund der Verfügbarkeit, dass wir uns dann an Freelancer gewand haben,<br />
die wir über irgendwelche Referenzen als gute Mitarbeiter oder als gute Freelancer angeboten<br />
haben und dass es dort dann oft so war, dass der Freelancer e<strong>in</strong>en guten Job, e<strong>in</strong>e gute Arbeit<br />
gemacht hat, und der Kunde dann immer wieder diesen Freelancer haben möchte. (…) Also<br />
die Freelancer, auch eigentlich hauptsächlich die, die bereits <strong>in</strong> unserem Fokus s<strong>in</strong>d, also mit<br />
denen wir schon zusammen gearbeitet haben, die wir kennen, oder eben aus Firmen oder über<br />
Referenzen.“ (Geschäftsführer, IT1-B-GF)<br />
„Über e<strong>in</strong> privates Netzwerk. (…). Über me<strong>in</strong> Personalmanagement [Personalmanagement des<br />
Großunternehmen, Anm. Autoren], die natürlich Leute abfragen können. Über das beteiligte<br />
Partnerunternehmen <strong>in</strong> diesem IT-Projekt, die gute Leute kennen.“ (Adm<strong>in</strong>istrativer Projektleiter,<br />
IT1-C-APL)<br />
Die Akquirierung von freiberuflichen Softwareentwicklern über Stellenbörsen oder Internet-<br />
plattformen, <strong>in</strong> denen <strong>in</strong> entsprechenden Profilen beispielsweise bestimmte technische skills<br />
aufgeführt s<strong>in</strong>d, spielen für die Auftragsvergabe an Freelancer ke<strong>in</strong>e bedeutende Rolle. Dies<br />
ist damit zu begründen, dass darauf verwiesen wird, dass solche Profile zumeist unaussage-<br />
kräftig seien, so dass stets Referenzen über „Dritte“ bzw. Partnerunternehmen e<strong>in</strong>geholt wer-<br />
den. Die entsprechenden Portale sche<strong>in</strong>en daher mit Blick auf e<strong>in</strong>e mögliche Projektakquise<br />
für freiberufliche Erwerbskräfte lediglich so etwas wie e<strong>in</strong>e „Visitenkartenfunktion“ zu haben.<br />
Für e<strong>in</strong>e konkrete Auftragsvergabe, darauf wird <strong>in</strong> den Interviews nachdrücklich verwiesen,<br />
ist daher das konkrete kontextuelle Erfahrungswissen der Beschäftigten entscheidend (siehe<br />
auch unter Abschnitt 5.1), was bedeutet, dass die Arbeitserfahrungen mit Blick auf die Rekrutierung<br />
dah<strong>in</strong>gehend eruiert werden, wie <strong>in</strong>nerhalb von Projektteams sowie spezifischen Kundenkontexten<br />
gearbeitet wurde. Dies s<strong>in</strong>d Informationen, die über e<strong>in</strong>e Stellenplattform wiederum<br />
nur relativ unzureichend verfügbar gemacht werden können.<br />
Diese Ergebnisse decken sich wiederum mit e<strong>in</strong>er großzahligen Onl<strong>in</strong>ebefragung, die im VIP-<br />
NET-Projekt unter IT-Freelancern durchgeführt wurde. Die Ergebnisse zeigen zum e<strong>in</strong>en,<br />
dass die Auftragsakquise über entsprechende Börsen nahezu ke<strong>in</strong>e Rolle spielt, während die<br />
Vergabe von Aufträgen über „Dritte“ e<strong>in</strong>en herausragenden Stellenwert e<strong>in</strong>nimmt. Basierend<br />
auf e<strong>in</strong>er Typologie von Freelancern wurde <strong>in</strong> diesem Kontext herausgearbeitet, dass die geschäftlich<br />
erfolgreichsten „Solo-Selbständigen“ diejenigen s<strong>in</strong>d, die e<strong>in</strong>erseits nur wenige<br />
Auftraggeber aufweisen. Zudem zeichnet sich dieser Typus von „Soloselbstständigen“ dadurch<br />
aus, dass sie die höchsten Zufriedenheitswerte aufweisen, was sich dar<strong>in</strong> niederschlägt,<br />
dass mit zunehmender Dauer der Freelancertätigkeit die Bereitschaft s<strong>in</strong>kt, als Angestellter zu<br />
17
arbeiten, da die Zufriedenheit der „Soloselbständigen“ mit ihrer Situation steigt (vgl. Tünte et<br />
al. 2007).<br />
Die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von externen Erwerbstätigen kann damit, wie im Falle der Freelancer, nicht<br />
e<strong>in</strong>fach umstandslos e<strong>in</strong>er üblichen externen Flexibilisierungsstrategie, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er frei<br />
flottierenden E<strong>in</strong>- und Ausstellung von Erwerbskräften, zugerechnet werden. Vielmehr zeigt<br />
sich, dass die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von freiberuflichen Mitarbeitern <strong>in</strong> die betrieblichen Praxis von IT-<br />
Unternehmen e<strong>in</strong>e sozialstrukturelle Rahmung durch entsprechende (Rekrutierungs-<br />
)Netzwerke erfährt und Freelancer somit <strong>in</strong>tegraler personeller Bestandteil von Projektnetzwerken<br />
s<strong>in</strong>d. Die weiter oben angesprochene Anschlussfähigkeit von Softwaredienstleistungen<br />
sowie die Bedeutung von technischem sowie kundenspezifischem Erfahrungswissen trägt<br />
überdies dazu bei, dass sich das Charakteristikum der genu<strong>in</strong> zeitlichen Befristung von Projekten<br />
für diese atypische Beschäftigungsform damit stark relativiert. Die Relativierung dieses<br />
zeitlichen Spannungsfeldes lässt sich darüber h<strong>in</strong>aus auch mit e<strong>in</strong>er weiteren Facette des „Body<br />
leas<strong>in</strong>g“ nachdrücklich plausibilisieren.<br />
Interessanterweise verlaufen Praktiken der Rekrutierung von unternehmensexternen Softwareentwicklern<br />
nicht nur mittels der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von freiberuflichen Arbeitskräften, sondern<br />
es werden auch bei personalen Engpässen oder e<strong>in</strong>em speziellen Kompetenzbedarf IT-<br />
Beschäftigte für Projekte aus Partnerunternehmen akquiriert. Obgleich die Beschäftigung von<br />
dieser Erwerbsgruppe dem ersten Ansche<strong>in</strong> nach auf e<strong>in</strong> klassisches Zeitarbeitsverhältnis h<strong>in</strong>deutet,<br />
lässt sich auch diese Flexibilisierungsstrategie nicht passgenau beispielsweise <strong>in</strong> diese<br />
Kategorien oder etwa im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er „Job-to-Job mobility“ auffassen. Üblicherweise wird im<br />
deutschen Kontext unter Zeitarbeitsbeschäftigungsverhältnissen e<strong>in</strong>e atypische Beschäftigungsform<br />
verstanden, die zum e<strong>in</strong>en im Gegensatz zu dem (traditionellen) Normalarbeitsverhältnisses<br />
klassifiziert wird (Vitols 2004) und die im H<strong>in</strong>blick auf die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>in</strong> regulären Normalarbeitsverhältnissen, sowohl durch e<strong>in</strong>e tendenziell schlechtere Entlohnung,<br />
ger<strong>in</strong>gere Qualifikationsanforderungen, e<strong>in</strong>e höhere Kündigungsrate, als auch ger<strong>in</strong>gere<br />
Identifikationsmöglichkeiten gekennzeichnet ist (vgl. Promberger 2006; vgl. auch Garhammer<br />
2002). Bezogen auf das IT-Projektnetzwerk zeigt sich aber, dass Praktiken des Entleihens von<br />
Arbeitskräften für e<strong>in</strong>en bestimmten Projektzeitraum und e<strong>in</strong> unbefristetes Vollzeit bzw.<br />
Normalarbeitsverhältnis der entsprechenden Beschäftigten sich ke<strong>in</strong>esfalls ausschließen müssen.<br />
So zeigt sich gerade bezüglich des praktizierten „Body Leas<strong>in</strong>g“ im Bereich der IT-<br />
Dienstleistungen, dass es sich um e<strong>in</strong>e Hybridform der Beschäftigtenflexibilisierung handelt.<br />
In diesem Zusammenhang lässt sich zunächst herausstellen, dass <strong>in</strong> dem IT-Projekt benötigte<br />
Arbeitskräfte nicht etwa über e<strong>in</strong>e spezialisierte Zeitarbeitsfirma bzw. Personalagentur, son-<br />
18
dern von e<strong>in</strong>em anderen IT-Unternehmen angeworben wurden, wobei die entsprechenden Be-<br />
schäftigten auf Basis e<strong>in</strong>es unbefristeten Vollzeitvertrages bei den „Verleihfirmen“ angestellt<br />
waren.. So wurde im Rahmen der Teambesetzung sowohl <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em der beteiligten Kle<strong>in</strong>- als<br />
auch Großunternehmen, auf festangestellte IT-Beschäftigte zurückgegriffen, die entweder aus<br />
e<strong>in</strong>em weiteren am Projekt <strong>in</strong>volvierten Unternehmen oder aber etwa aus e<strong>in</strong>er projektexternen<br />
IT-Firma kamen, zu der wiederum <strong>in</strong>formelle Kontakte bestanden. Die entsprechenden<br />
“Verleihfirmen wurden dabei auf Basis e<strong>in</strong>es Subunternehmer- oder Arbeitnehmerüberlassungsvertrages<br />
e<strong>in</strong>gebunden, wobei zudem auch <strong>in</strong>formelle Vere<strong>in</strong>barungen für die Personalüberlassung<br />
e<strong>in</strong>e Rolle gespielt haben. Auf diese Rekrutierungspraxis angesprochen, verwies<br />
man zum e<strong>in</strong>en darauf, dass diese Art der Beschäftigtenrekrutierung e<strong>in</strong>e weitere Strategie <strong>in</strong><br />
der Branche für den Fall sei, dass der projektbezogene Personalbedarf nicht durch eigene<br />
Festangestellte gedeckt werden könne. Dabei wurde angemerkt, dass bestehende Kontakte zu<br />
Partnerfirmen aus vorherigen Projektzusammenhängen genutzt werden würden, um externe<br />
(unbefristete) Beschäftigte <strong>in</strong> laufende Projekte e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den. Pr<strong>in</strong>zipiell weist diese Art der<br />
Beschäftigtene<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung nicht die gewichtigen Nachteile e<strong>in</strong>es klassischen Zeitarbeitsverhältnis<br />
auf, die, wie weiter oben angesprochen, beispielsweise <strong>in</strong> der ger<strong>in</strong>geren Bezahlung<br />
oder etwa dem erhöhten Kündigungsrisiko zu sehen s<strong>in</strong>d. Zudem f<strong>in</strong>det diese Art der temporären<br />
Beschäftigung nicht nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hochqualifizierten Segment statt, sondern es werden<br />
unter anderem auch Beschäftigte mit wichtigen bzw. zur Stammbelegschaft komplementären<br />
Kompetenzen akquiriert. Darüber h<strong>in</strong>aus bieten diese „Verleihfirmen“ nicht nur qualifiziertes<br />
Personal an, sondern können im Rahmen von <strong>in</strong>terorganisationalen Kooperationsprojekten<br />
auch <strong>in</strong> den Prozess der eigentlichen Dienstleistungserbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong>volviert se<strong>in</strong>. Dies weist<br />
schließlich darauf h<strong>in</strong>, dass sich die Tätigkeiten bei „Ver- wie Entleiher“ nicht stark unterscheiden.<br />
Betrachtet man die E<strong>in</strong>bettung dieser Beschäftigungsstrategie, dann handelt es sich<br />
damit, wie auch mit Blick auf die „Solo-Selbständigen“, um nichts anderes als e<strong>in</strong>e Art (<strong>in</strong>formelles)<br />
Rekrutierungsnetzwerk, wobei <strong>in</strong> diesem Fall nicht nur die Netzwerke, sondern die<br />
temporäre E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> Projektzusammenhänge bei e<strong>in</strong>em externen Unternehmen, auf der<br />
Basis e<strong>in</strong>es unbefristeten Vollzeitvertrages bei e<strong>in</strong>em weiteren IT-Unternehmen dazu beitragen,<br />
dass sich das projektbezogene Charakteristikum der zeitlichen Befristung von Projektbeschäftigungsverhältnissen<br />
damit stark relativiert.<br />
19
5.3 Konsequenzen der räumlichen Beschäftigungsflexibilisierung für die Wissensteilung<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergrund der Diskussion um dezentrale und Formen der flexiblen Arbeitsorgani-<br />
sation und der, gerade <strong>in</strong> Bezug auf <strong>in</strong>terorganisationalen Kooperationsvorhaben, <strong>in</strong> räumlicher<br />
H<strong>in</strong>sicht Diffusion der Grenzen des Arbeitsortes (vgl. Döhl et al. 2000; Wolf/Mayer-<br />
Ahuja 2002), ist nicht nur das Spannungsfeld von zeitlich begrenzten und projektübergreifenden<br />
Beziehungen im H<strong>in</strong>blick auf die Beschäftigungsaspekte im Allgeme<strong>in</strong>en und dem „Body<br />
leas<strong>in</strong>g“ im Besonderen von Interesse. Vielmehr könnte durch die Art und Weise der räumlichen<br />
E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> dem Projekt sowie die h<strong>in</strong>sichtlich der Unternehmenszugehörigkeit ausgeprägte<br />
Heterogenität der Projektteams Effekte auf die Arbeitsabläufe und -gestaltung <strong>in</strong> den<br />
IT-Netzwerken haben. Hiermit wird deutlich, dass Projekte nicht nur die Beschäftigungsverhältnisse,<br />
sondern den Arbeitsort bzw. die arbeitsorganisatorische und räumliche E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Projektteam zeitlich rahmen.<br />
Wie unsere Befunde <strong>in</strong> Bezug auf die räumliche Verteilung der kooperierenden IT-<br />
Unternehmen zeigen, suchen die Partnerfirma <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ausgeprägten Maße die räumliche Nähe<br />
zue<strong>in</strong>ander. In dem IT-Projekt führt dies gar dazu, dass die Softwarefirmen für den Projektzeitraum<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Geschäftsgebäude zogen und sowohl Festbeschäftigte als auch freiberuflichen<br />
IT-Kräfte vor Ort e<strong>in</strong>gebunden wurden. Im Zusammenhang mit der starken Lokalisierung<br />
des Projektes wurde unter anderem darauf verwiesen, dass für effiziente und zielgerechte<br />
Projektabläufe möglichst auf die face-to-face Kommunikation zurückgegriffen wird. Dies<br />
wird beispielsweise damit begründet, dass es <strong>in</strong> Projekten aufgrund von Kundenänderungswünschen<br />
oder auch Fehlern sowie ,Passungenauigkeiten` von entwickelten Systemteilen<br />
stets zu e<strong>in</strong>er Überlappung und e<strong>in</strong>em zyklischen Ablauf von Entwurf- und Entwicklungsphasen<br />
kommt. Auffällig war, dass zumeist neben der face-to-face Interaktion nur konventionelle<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien (E-Mail und Telefon) verwendet wurden,<br />
wobei sowohl von der Unternehmensspitze als auch den Beschäftigten die Auffassung vertreten<br />
wurde, dass bisherige entwickelte Technologien nicht die ,persönliche’ Interaktion ersetzen<br />
können (zu e<strong>in</strong>er ausführlicheren Diskussion zu den Hemmnissen e<strong>in</strong>er stärk räumlich<br />
Verteilung von Projekten und dem E<strong>in</strong>satz von firmenübergreifenden Kommunikationswerkzeugen<br />
vgl. Ze<strong>in</strong>i et al. 2007). Die starke räumliche Konzentration und die h<strong>in</strong>sichtlich der<br />
Unternehmenszugehörigkeit ausgeprägte Heterogenität der Projektteams haben offenbar<br />
gleichwohl e<strong>in</strong>en positiven Effekt auf die Art des Wissensaustauschs und Wissenstransfers.<br />
Im H<strong>in</strong>blick auf den Wissensaustausch ist zunächst zu konstatieren, dass korrespondierend zu<br />
der hierarchischen Arbeitsorganisation <strong>in</strong> dem IT-Netzwerk, projektbezogenes Wissen „top<br />
down“ gefiltert wird. Während Projektleitungskräfte über e<strong>in</strong>en breites Wissen über den Ge-<br />
20
samtkontext des Projektes verfügen, werden die Projektentwickler zumeist lediglich <strong>in</strong> der<br />
konkreten programmiertechnischen Umsetzungsphase e<strong>in</strong>gebunden und weisen demgegen-<br />
über projektspezifische Detailkenntnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em eng umgrenzten Aufgabenbereich auf.<br />
Gleichwohl erfolgt die Bearbeitung dieses stärker zugeschnittenen Aufgabengebietes auf der<br />
Basis e<strong>in</strong>er hohen Eigenverantwortlichkeit. In diesem Kontext stellt sich heraus, dass trotz der<br />
hierarchischen Funktionsteilung und der tendenziell restriktiveren Wissensteilung <strong>in</strong> Bezug<br />
auf Informationen zu den Gesamtkontext des Projektes, e<strong>in</strong> horizontaler aufgabenbezogener<br />
Wissens- und Informationsaustausch beobachtbar war. Konkret bedeutete dies, dass im Rah-<br />
men der aufgabenbezogenen Rat- und Informationssuche diejenigen konsultiert werden, von<br />
denen angenommen wird bzw. von denen man weiß, das sie das benötigte Wissen haben,<br />
gleichgültig, welche Position die entsprechenden Beschäftigten <strong>in</strong> der Unternehmenshierar-<br />
chie bekleiden. Wie sowohl unsere Ergebnisse als auch weitere Studien im Bereich wissens-<br />
basierter Arbeit verdeutlichen (vgl. z.B. Hermann et al. 2003) nehmen für die Informations-<br />
und Ratsuche <strong>in</strong>sbesondere Kollegen aus den jeweiligen Projektteam den wichtigsten Stel-<br />
lenwert im Vergleich zu anderen relevanten Wissensquellen, wie dem Erfahrungswissen oder<br />
auch der Fachliteratur e<strong>in</strong>. Was dem ersten Ansche<strong>in</strong> nach trivial ersche<strong>in</strong>t, weist vor dem<br />
H<strong>in</strong>tergrund der oben beschriebenen heterogenen Mitarbeiter- und Unternehmenskonstellationen<br />
e<strong>in</strong>e sehr <strong>in</strong>teressante Facette auf. Die Art der, oben skizzierten, stark lokalisierten E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />
von unternehmensexternen Mitarbeitern hat e<strong>in</strong>en positiven E<strong>in</strong>fluss auf den <strong>in</strong>formellen<br />
Wissenstransfer. Dies lässt sich nachdrücklich mit e<strong>in</strong>er Interviewsequenz illustrieren,<br />
<strong>in</strong> der e<strong>in</strong> Projektmitarbeiter, der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em outgesourcten IT-Partnerunternehmen e<strong>in</strong>es Großkundens<br />
über zahlreiche Monate lokal vor Ort e<strong>in</strong>gebunden war diesen Aspekt anspricht:<br />
„Man lernt immer aus Projekten unheimlich viel. Vor allem ich war davor die sieben Monate beim<br />
Kunden. War e<strong>in</strong> sehr schwieriger Kunde. Der Kunde an sich war sehr, sehr schwierig. Hatte aber<br />
e<strong>in</strong>en sehr, sehr guten Stab von Leuten. Also wirklich Spitzenleute. Ich habe da unheimlich viel<br />
mitgenommen, ja. Es war e<strong>in</strong>e super stressige Zeit, aber ich habe da sehr, sehr viel mitgenommen.<br />
Also man lernt immer sehr, sehr viel aus Projekten. (…) Wenn es beim Kunden ist, ist es e<strong>in</strong> ganz<br />
anderes Niveau und br<strong>in</strong>gen persönlich e<strong>in</strong>em deutlich weiter als Inhouse-Projekte.“ (Projektmitarbeiter,<br />
IT1-B-PM2)<br />
Obgleich die stark räumlich konzentrierte E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung den Beschäftigten e<strong>in</strong> erhöhtes Maß an<br />
beruflicher Flexibilität und je nach Projektkontext, e<strong>in</strong>e geographischer Mobilität abverlangt,<br />
stellt diese Beschäftigungspraxis e<strong>in</strong>e mögliche und wichtige Strategie des Zugangs zu Wis-<br />
sen von unternehmensexternen Mitarbeitern. E<strong>in</strong>erseits kann dies für die Beschäftigten e<strong>in</strong>e<br />
bedeutende Möglichkeit der Eigenqualifizierung bedeuten, während Unternehmen die ent-<br />
sprechende Expertise der ,entliehenen Mitarbeiter’ wiederum <strong>in</strong> Folgeprojekten nutzen kön-<br />
nen. Bezeichnenderweise s<strong>in</strong>d derzeit zwei der Kle<strong>in</strong>unternehmen damit beschäftigt, die ent-<br />
sprechenden skills sowohl von eigenen festangestellten Beschäftigten, sowie von Mitarbeiter<br />
21
von Partnerunternehmen und von Freelancern, mit denen entweder im Rahmen e<strong>in</strong>es Projek-<br />
tes e<strong>in</strong>e Kooperation bestand oder aber mit denen entliehene eigene Mitarbeiter arbeitsbezogene<br />
Erfahrungen gemacht haben, <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er „Skilldatenbank“ zu speichern. Es bestehen<br />
daher Bestrebung, entsprechende Informationen über (technische) Kompetenzen auch über<br />
den jeweiligen Projektzusammenhang nachhaltig verfügbar zu machen, um, eigenen Aussagen<br />
zufolge, noch zielgerechter und reibungsloser auf entsprechende Projekt- und Kundenanforderungen<br />
reagieren zu können. Am Beispiel der räumlichen Facetten des „body leas<strong>in</strong>g“<br />
und weniger im H<strong>in</strong>blick auf die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
ist daher noch am ehesten, was sowohl die Bildung von Projektteams im Allgeme<strong>in</strong>en als<br />
auch den (<strong>in</strong>formellen) Wissenstransfer im Besonderen betrifft, e<strong>in</strong>e Diffundierung von Unternehmensgrenzen<br />
feststellbar.<br />
6. Conclusion: Implications of flexible employment practices beyond the<br />
boundaries of <strong>in</strong>ternal and external labor markets<br />
Mit der Betrachtung der Beschäftigungspraktiken <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em projektartigen Netzwerk im Be-<br />
reich der Internetdienstleistungen haben wir Flexibilisierungsstrategien sichtbar gemacht,<br />
welche sich nicht als <strong>in</strong>terne oder externe Flexibilisierung fassen lassen und somit quer liegen<br />
zu den üblichen Beobachtungskategorien – wie unbefristete und befristete Beschäftigung so-<br />
wie Selbstständigkeit – <strong>in</strong> denen der Wandel des Arbeitsmarktes beschrieben wird. Damit<br />
wird fraglich, <strong>in</strong>wiefern Diagnosen zum Wandel des Arbeitsmarktes, die sich vorrangig auf<br />
die Anteile bestimmter Erwerbsformen stützen und dabei – teils <strong>in</strong>formelle – organisationale<br />
Beschäftigungspraktiken unberücksichtigt lassen, das Ausmaß von Flexibilisierung im Kern<br />
<strong>in</strong>terner Arbeitsmärkte sowie der Integration „atypischer Beschäftigung“ <strong>in</strong> längerfristige Ko-<br />
operationszusammenhänge unterschätzen. Vielmehr wurde gezeigt, dass sich h<strong>in</strong>ter der ver-<br />
me<strong>in</strong>tlichen Dom<strong>in</strong>anz von Normalarbeitsverhältnissen, welche durch partiellen E<strong>in</strong>satz von<br />
Selbstständigen komplementiert werden, tatsächlich Beschäftigungspraktiken verbergen kön-<br />
nen, die Markt-, Hierarchie- und Netzwerklogik <strong>in</strong> eigentümlicher Weise komb<strong>in</strong>ieren und<br />
dabei die Grenzen zwischen <strong>in</strong>ternen und externen Arbeitsmärkten verschwimmen lassen.<br />
Zum e<strong>in</strong>en stellten die Selbstständigen e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tegralen Bestandteil der projektartigen Netzwerk<br />
dar und wurden somit vor allem <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Unternehmensnetzwerkes empfohlen<br />
und rekrutiert, so dass der E<strong>in</strong>satz von Freelancern <strong>in</strong> diesem Kontext nicht als marktförmige<br />
Beziehung beschrieben werden kann. Die mehr oder weniger latenten Beziehungen zwischen<br />
Unternehmen sowie zwischen Unternehmen und Freelancern rahmen deren Tätigkeit. Zum<br />
anderen beobachteten wir die projektbezogene räumliche und arbeitsorganisatorische E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>-<br />
22
dung von Festangestellten der Partnerunternehmen und Kunden im Rahmen unterschiedlich<br />
stark formalisierter Arbeitnehmerüberlassung. Im Unterschied zur Beschäftigung bei Zeitar-<br />
beitsunternehmen s<strong>in</strong>d die „Verleiher“ oft selbst <strong>in</strong> die Dienstleistungserstellung e<strong>in</strong>gebunden<br />
und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ähnlichen Geschäftsfeld tätig und beschränken sich somit nicht auf die Admi-<br />
nistrationstätigkeit im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung. Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d wiederum<br />
die Beschäftigten auf der Grundlage e<strong>in</strong>es unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnis bei den ent-<br />
sprechenden „IT-Verleihfirmen“ tätig, so dass e<strong>in</strong> Großteil der üblichen Nachteile von klassi-<br />
schen Zeitarbeitsvertragsverhältnissen für sie nicht virulent werden.<br />
Ausgehend von dem Motivations- und Kontrollproblem, welches aus Arbeitgebersicht aus ei-<br />
ner gleichzeitigen zeitlichen Befristung und <strong>in</strong>haltlichen Offenheit von projektbefristeter Beschäftigung<br />
resultiert und welches Flexibilisierungsstrategien möglicherweise beschränkt,<br />
wurden zwei Lösungsvorschläge skizziert: Struck (2006) geht von e<strong>in</strong>er Herausbildung von<br />
geteiltem Wissen über die kumulierten, auf Projekterfahrungen basierenden Qualifikationen<br />
aus, welches diesen Qualifikationen zur Transportabilität verhilft und somit Unsicherheit der<br />
Arbeitgeber <strong>in</strong> Bezug auf Rekrutierungen und der Beschäftigten <strong>in</strong> Bezug auf zukünftige Beschäftigungschancen<br />
<strong>in</strong> externen Arbeitsmärkten reduziert. Marsden (2004) h<strong>in</strong>gegen verweist<br />
auf soziale Kontrollmechanismen, <strong>in</strong>dem er die Bedeutung der im Projekt erworbenen und <strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>formellen Netzwerken kommunizierten Reputation von Projektbeschäftigten hervorhebt.<br />
Somit wird für Erwerbstätige auch im Rahmen zeitlich befristeter und <strong>in</strong>haltlich offener Beschäftigung<br />
<strong>in</strong> Projekt Leistungszurückhaltung <strong>in</strong>formell sanktioniert, da sie durch die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />
<strong>in</strong> <strong>in</strong>formelle Netzwerke auf den Aufbau guter Reputation zum Erhalt ihrer Beschäftigungsfähigkeit<br />
angewiesen s<strong>in</strong>d. In den von uns untersuchten Unternehmen deuteten die Beschäftigungspraktiken<br />
jedoch darauf h<strong>in</strong>, dass zum e<strong>in</strong>en die für die Rekrutierung relevanten<br />
Qualifikationen e<strong>in</strong>e größere Kontextspezifizität im H<strong>in</strong>blick auf Kundenbeziehungen und<br />
Unternehmenspartnerschaften <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es projektartigen Netzwerkes aufwiesen und somit<br />
nur bed<strong>in</strong>gt portabel se<strong>in</strong> dürften. Des Weiteren besteht gerade auf Seiten der Unternehmen<br />
offensichtlich die Bestrebung, aufgrund der Bedeutung der Kunden- und Partnerbeziehungen<br />
Beschäftigte langfristiger an sich zu b<strong>in</strong>den. Zum anderen s<strong>in</strong>d es folglich weniger die <strong>in</strong>formellen<br />
Beziehungen zwischen e<strong>in</strong>zelnen Personen im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>bettung von Marktbeziehungen<br />
(auf externen Arbeitsmärkten, vgl. auch Granovetter 1995) oder <strong>in</strong> professionelle<br />
Netzwerke als Unternehmenspartnerschaften, welche die Mobilität der dort Erwerbstätigen<br />
rahmen.<br />
Aus Sicht der Unternehmen ermöglichen diese Beschäftigungspraktiken, für welche die Interviewten<br />
den Begriff des „Bodyleas<strong>in</strong>g“ für die projektbezogene und durch das Unterneh-<br />
23
mensnetzwerk gerahmte E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung sowohl von Freelancern und Beschäftigten aus Partner-<br />
unternehmen verwendeten, offenbar e<strong>in</strong>e flexible Anpassung an die sich im Projekt dyna-<br />
misch ändernden Qualifikations- und Personalbedarfe. Dabei werden Beschäftigte nicht aus<br />
externen Arbeitsmärkten, sondern aus dem Umfeld des projektartigen Netzwerkes rekrutiert.<br />
Das unternehmens-, kunden- und partnerspezifische Arbeitsprozess-, Erfahrungs- und Kon-<br />
textwissen kann dadurch eher vorausgesetzt werden als bei e<strong>in</strong>er Rekrutierung aus externen<br />
Arbeitsmärkten. Das projektartige Netzwerk fungiert damit im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es „erweiterten <strong>in</strong>ternen<br />
Arbeitsmarktes“ und gleichzeitig e<strong>in</strong>er Marktschließung. Somit f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> den projektartigen<br />
Netzwerken e<strong>in</strong>e funktionale wie numerische Flexibilisierung jenseits der Grenzen <strong>in</strong>terner<br />
und externer Arbeitsmärkte statt. Schließlich lässt sich „Bodyleas<strong>in</strong>g“ als e<strong>in</strong>e Strategie<br />
der Flexibilisierung bei gleichzeitiger Sicherung des netzwerkspezifischen Erfahrungswissens<br />
und Festigung der projektübergreifenden Unternehmenspartnerschaften, des unternehmensübergeifenden<br />
Wissensaustausch und der Kundenbeziehungen <strong>in</strong>terpretieren.<br />
Für Erwerbstätige resultiert aus dieser Flexibilisierungsstrategie e<strong>in</strong>erseits Beschäftigungssicherheit<br />
bzw. für Freelancer sicherere E<strong>in</strong>satzmöglichkeiten, <strong>in</strong>sofern sie von Projekt zu Projekt<br />
kunden- und netzwerkspezifische Erfahrungen sammeln, die für Folgeprojekte von Relevanz<br />
s<strong>in</strong>d. Zudem offeriert die stark lokalisierte räumliche E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung sowohl für die Beschäftigten<br />
als auch die Unternehmen den Zugang zu unternehmensexternen personengebundenen<br />
Wissen. Offen bleibt jedoch <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die Frage nach „lock-<strong>in</strong>-<br />
Effekten“ (Grabher 1993), <strong>in</strong>sofern für die Rekrutierung relevantes Erfahrungswissen möglicherweise<br />
stärker zugeschnitten für die jeweiligen Kooperationsprojekte mit bestimmten<br />
Kunden und Unternehmenspartnerschaften s<strong>in</strong>d. Dies könnte unter Umständen die Abhängigkeit<br />
von Reputation im Unternehmensnetzwerk vergrößern und damit möglicherweise kollektives<br />
oder <strong>in</strong>dividuelles Interessenhandeln erschweren.<br />
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