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Meister Li Interviews - Stilles Qigong

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Glücklich ist, wer seine Wünsche vergisst!<br />

Interview mit <strong>Meister</strong> Zhi Chang <strong>Li</strong><br />

über Gelassenheit und wie man sie heute findet. Marion Hughes<br />

MH: <strong>Meister</strong> <strong>Li</strong>, wie kann man einhundert Jahre alt werden und sich dabei jung fühlen? Verraten Sie<br />

uns, wie das geht?<br />

<strong>Meister</strong> <strong>Li</strong>: Der Schlüssel für ewige Jugend liegt in einem selbst, in der Einstellung zum Leben. Viele<br />

Menschen träumen davon, einhundert Jahre alt zu werden. Das Problem dabei ist jedoch, wenn<br />

man nur davon träumt, wird es auch nur ein Traum bleiben. Wir leben heute, in der Gegenwart, in<br />

diesem Moment. Aber viele Menschen denken nur an das was kommt: Sie treffen sich mit Freunden<br />

zum Essen und denken schon an den Einkauf danach. Sie gehen ins Kino und denken an den<br />

kommenden Tag. So kann man nur alt werden. Ich denke nicht lange nach. Wenn ich gehe, gehe<br />

ich und wenn ich Tee trinke, trinke ich Tee. So einfach ist das.<br />

MH: Man findet das Glück erst, wenn man aufhört danach zu suchen. So steht es in Ihrem Buch "Mit<br />

dem Herzen lächeln". Was meinen Sie damit?<br />

<strong>Meister</strong> <strong>Li</strong>: Im Leben geht es immer um die Suche nach der Erfüllung. Und es geht darum, die<br />

Zufriedenheit der Erfüllung - wenn man sie denn gefunden hat - beibehalten zu können. Ein<br />

Mensch ist jedoch am glücklichsten, wenn er seine Wünsche vergessen hat. Wenn er aufhört, sich<br />

als jemand zu sehen, dem etwas fehlt. Diesen Zustand beizubehalten, als wäre man am Ziel seiner<br />

Wünsche, schafft man nur, wenn man etwas macht das auf Chinesisch Wu Wei heißt. Übersetzt<br />

bedeutet das: Etwas erreichen, ohne zu handeln.<br />

MH: Eine schöne Vorstellung: Etwas erreichen, ohne zu handeln. Das schafft man also mit Hilfe von<br />

QiGong?<br />

<strong>Meister</strong> <strong>Li</strong>: Ja, in der Stille. Man lernt, aus der Ruhe Kraft zu schöpfen, die Hektik und den Lärm des<br />

Alltags auszublenden.<br />

MH: Wie würden Sie jemandem, der noch nie etwas von QiGong gehört hat, erklären, was das<br />

überhaupt ist?<br />

<strong>Meister</strong> <strong>Li</strong>: QiGong ist eine innere Übungsart die weit über 5 000 Jahre alt ist, aus China stammt<br />

und auch als inneres Kung Fu bekannt geworden ist.<br />

MH: Kung Fu, ist das nicht eine Kampfsportart? Also das genaue Gegenteil des stillen, ja<br />

bewegungslosen QiGong?<br />

<strong>Meister</strong> <strong>Li</strong>: Kung Fu heißt übersetzt nichts weiter als <strong>Meister</strong>schaft. Es gibt aber einen<br />

Zusammenhang zwischen den Kampfkünsten und den inneren Künsten: Die fortgeschrittenen<br />

Kampfkunstmeister praktizieren nur noch innere Übungen. Sie üben nicht Schlagen, Treten,<br />

Springen sondern sie trainieren im Inneren. Das ist dann die innere <strong>Meister</strong>schaft.<br />

MH: Wie unterscheidet sich das stille QiGong vom bewegten?<br />

<strong>Meister</strong> <strong>Li</strong>: Von Geburt an wird die Aufmerksamkeit jedes Menschen nach Außen gelenkt, man hört<br />

und sieht, was draußen abläuft. Sehr selten trifft man auf Menschen, die ihre Aufmerksamkeit nach<br />

Innen lenken. Erste Schritte beim stillen QiGong wären, Aufmerksamkeit nicht mehr nach Außen


entweichen zu lassen, sondern zu versuchen, schrittweise die Welt seines Innenlebens zu erkunden.<br />

MH: Und dadurch auch ruhiger und gelassener werden?<br />

<strong>Meister</strong> <strong>Li</strong>: Das auch. Ich schätze, dass heute 70 Prozent unserer Zeitgenossen nicht einschlafen<br />

können, obwohl ihre Körper müde sind. Innere Rastlosigkeit hindert sie am Einschlafen. Im Inneren<br />

Ruhe zu finden und damit umgehen zu können, ist stilles QiGong. Man kann lernen, Stockungen<br />

oder Hemmnisse im Inneren zu beseitigen, so dass sich die Lebensfreude frei entwickeln und das Qi<br />

frei fließen kann.<br />

MH: Was ist das eigentlich, das Qi?<br />

<strong>Meister</strong> <strong>Li</strong>: In jedem Menschen gibt es eine Energie oder Kraft, die ihn immer wieder gesund<br />

werden lässt, man könnte auch Selbstheilungskräfte dazu sagen. Wie man sich körperlich fühlt und<br />

wie man im Denken sein Leben erfährt, das ist das Qi. Aus antikchinesischer Sicht ist das<br />

Menschenleben ein Zusammenspiel von drei Ebenen - einer körperlichen Ebene und einer geistigspirituellen<br />

Ebene. Und dazwischen, als Verbindung, das ist die Ebene des Qi.<br />

MH: Erklären Sie das bitte an einem Beispiel.<br />

<strong>Meister</strong> <strong>Li</strong>: Die Körpertemperatur eines gesunden Menschen beträgt 36,5-37°C, egal ob es in der<br />

Umgebung plus 30°C oder minus 30°C sind. Es spielt keine Rolle, wie die Temperatur außen ist, im<br />

Körper bleibt sie stabil. Jeder Mensch ist am Leben, weil er die Fähigkeit besitzt, sich um ein<br />

gewisses Gleichgewichtsmaß herum einzupendeln. Qi steht hinter dieser Fähigkeit, im Innersten<br />

ein relatives Gleichgewicht beizubehalten. Gerät nun beispielsweise jemand in Wut, zählt das als<br />

ein gleichgewichtsloser Zustand - man ist außer Rand und Band. In Zorn zu geraten heißt, das<br />

innere Gleichgewicht verloren zu haben. Ein ausgeglichener Mensch wird das, was bei anderen zu<br />

einem Wutausbruch führt, innerlich abfedern können. Qi kann Ungleichgewichte im Inneren<br />

auspegeln.<br />

MH: Angenommen, jemand ist an Bluthochdruck erkrankt. Könnte er diesen mittels seiner<br />

Gedanken positiv beeinflussen?<br />

<strong>Meister</strong> <strong>Li</strong>: Hoher Blutdruck entsteht aus verschiedenen Gründen und erst nach einer längeren<br />

Zeit. Man kann mit der richtigen Vorgehensweise auch den Blutdruck senken, aber er wird nur<br />

stabil bleiben, wenn man diese Übungen über eine längere Zeit fortsetzt. Weil es länger gedauert<br />

hat, bis sich der Bluthochdruck entwickelte, wird es länger dauern, bis er wieder sinkt. Auch hierbei<br />

kommt es auf den Einzelnen an, wie viele Stunden er täglich Übungen macht, wie viel er in die<br />

Waagschale wirft.<br />

MH: Was geben Sie uns mit auf den Weg?<br />

<strong>Meister</strong> <strong>Li</strong>: Ein Zitat von Konfuzius. Er sagt: Der Weg der goldenen Mitte ist schwer zu beschreiten.<br />

Das soll nicht etwa bedeuten, dass man gefühllos durchs Leben geht. Man nimmt am Leben<br />

anderer Anteil, doch man bewahrt sich einen Rückzugsort im Inneren, in dem man nicht wirklich im<br />

Wesenskern betroffen ist. Was auch immer passiert.<br />

MH: Danke für das Gespräch <strong>Meister</strong> <strong>Li</strong>.

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