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54 Schülerpostkarten sind Ansichtskarten, die mit ... - Fürstenberg

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SCHÜLERPOSTKARTEN AUS DONAUESCHINGEN aus der Festschrift 225 Jahre <strong>Fürstenberg</strong>-Gymnasium<br />

VON DR.ULF WIELANDT<br />

<strong>54</strong><br />

<strong>Schülerpostkarten</strong> <strong>sind</strong> <strong>Ansichtskarten</strong>,<br />

<strong>die</strong> <strong>mit</strong> Schülern und ihrer Schule zu tun<br />

haben. Sie wurden auch meist von ihnen<br />

verfertigt und aus verschiedenen Anlässen<br />

ab etwa 1897 bis im Allgemeinen zu<br />

Beginn des 2. Weltkrieges in recht geringen<br />

Auflagen hergestellt. An Freunde und<br />

Verwandte meist aus Anlass der bestandenen<br />

Mittleren Reife oder des Abiturs<br />

verschickt, - manchmal aber auch zum<br />

Tanzkränzchen oder Schuljubiläum - kündigten<br />

sie in der Regel das Ende der<br />

Schulzeit und den Beginn eines neuen<br />

Lebensabschnitts an1 .<br />

Es handelt sich bei <strong>die</strong>sen Einjährigenbzw.<br />

Abiturientenkarten so<strong>mit</strong> um eine<br />

Sonderform der 1869 vom späteren Generalpostmeister<br />

Heinrich von Stephan entwickelten<br />

Ansichtskarte.<br />

Dass auf <strong>die</strong>sen Karten auch Ansichten,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Schüler von sich selbst, von ihrer<br />

Schule und von ihren Lehrern hatten, in<br />

recht verschiedenartiger Weise zum „Aus-<br />

Druck“ gebracht wurden, lässt sich nicht<br />

nur an den bisher bekannten Schülerkarten<br />

aus Donaueschingen nachweisen. Dieser<br />

Brauch ist über das ganze damalige<br />

Deutsche Reichsgebiet verbreitet, im<br />

näheren Umkreis <strong>sind</strong> Hochburgen <strong>die</strong>ser<br />

Schülerkarten vor allem Konstanz 2 und<br />

Rottweil 3 , jedoch gab es sie auch u.a. in<br />

Villingen und Singen, Radolfzell und<br />

Waldshut, Sigmaringen, Lörrach und<br />

Freiburg.<br />

Aus Donaueschingen <strong>sind</strong> mir vor allem<br />

auch Dank der Mithilfe und Bereitschaft<br />

Wolfgang Hilperts und vor allem des<br />

Sammlers Willi Hönle so viele <strong>die</strong>ser<br />

Schülerkarten bekannt geworden, dass<br />

sich ein Präsentieren <strong>die</strong>ser Einjährigenund<br />

Abiturkarten inzwischen lohnt, wobei<br />

<strong>die</strong> älteste aus dem Jahre 1904, <strong>die</strong><br />

jüngste aus dem Jahre 1950 stammt.<br />

Bevor im Folgenden <strong>die</strong>se Karten nun<br />

kurz vorgestellt werden, sollen zuvor<br />

noch einige immer wiederkehrende und<br />

uns heute nicht mehr so ohne weiteres<br />

vertraute Motive geklärt werden. Es handelt<br />

sich dabei zum einen um <strong>die</strong> Frösche,<br />

zum anderen um den Mulus. Im Grimmschen<br />

Wörterbuch Bd.4 von 1878 heißt es<br />

S.251 unter der 14. Bedeutung: In der<br />

Pfalz gilt Frösche von Schuljungen.<br />

Der Frosch als Sinnbild des Schulpflichtigen<br />

schlechthin geleitet auf vielen Abiturientenkarten<br />

wehmütig den von der<br />

Schule <strong>mit</strong> dem Reifezeugnis Abgehenden:<br />

Tränen rinnen, Taschentücher werden<br />

geschwenkt, denn der Frosch ist noch<br />

an <strong>die</strong> Schule und da<strong>mit</strong> an <strong>die</strong> als sehr<br />

hart empfundenen Pennalstatuten, meist<br />

als Ketten dargestellt, gefesselt, während<br />

der Abiturient als Mulus in <strong>die</strong> nun<br />

gewonnene Freiheit, Symbol hierfür ist<br />

<strong>die</strong> über der freien Landschaft aufgehende<br />

Sonne, hinauszieht. Der abgehende Schüler<br />

und angehende Student der Universität<br />

empfand sein Zwischendasein der<br />

Kreuzung Esel und Pferd ähnlich: das<br />

eine nicht mehr, das andere noch nicht.<br />

Mit <strong>die</strong>sen Motiven wird meist noch das<br />

Schulgebäude, eventuell auch Lehrkräfte<br />

und <strong>die</strong> Heimatstadt verbunden, <strong>die</strong> es<br />

nun ebenfalls zu verlassen gilt.<br />

Auf der ersten Karte aus Donaueschingen<br />

<strong>mit</strong> dem Titel: „Das Erste Abiturium<br />

1904“, gefertigt von A.D., <strong>sind</strong> <strong>die</strong>se Motive<br />

alle zu finden: Das Schulgebäude als<br />

Lehr- und „Pauk“-anstalt <strong>mit</strong> dem bezeichnenden<br />

Firmenschild „Zum Ochsen“ in<br />

der Schulstrasse, seit 1882 Sitz des „Großherzoglichen<br />

Progymnasiums“ und nun<br />

Vollanstalt. Des weiteren sieht man den<br />

<strong>mit</strong> dem 1. Abitur glücklich aus dem noch


<strong>mit</strong> Blitz und Donner drohenden Schulgebäude<br />

der Universität hüpfenden Mulus,<br />

<strong>die</strong> ängstlich oder traurig sich duckenden<br />

Frösche und schließlich das Wappen von<br />

Donaueschingen. Und unterschrieben<br />

wurde <strong>die</strong> Karte (bis 1905) auf der Bildseite<br />

vom Mulus - es waren übrigens damals<br />

5 Abiturienten in <strong>die</strong>sem Jahrgang. 4<br />

Die am 25. Juli 1905 an Dr. Louis Haas in<br />

<strong>die</strong> Ludwigshafener Anilinfabrik gesandte<br />

bunte Karte von P. St. zum „Abiturium<br />

Donaueschingen“ stellt unter dem Titel<br />

„Theon Agora“ - Marktplatz der Götter -<br />

über einer imaginären Landschaft einen<br />

von Wolken umgebenen Thron dar, auf<br />

dem - Zeus ähnlich - wohl der Direktor<br />

der Anstalt sitzt, den Regierungsstab <strong>mit</strong><br />

einem kleinen Reichsadler in der einen,<br />

einen winzigen Schüler in der anderen<br />

Hand. Vor ihm, dem Betrachter den Rükken<br />

zuwendend, vielleicht zwei weitere<br />

Kandidaten im griechischen Gewande,<br />

während rechts und links auf einer Art<br />

Podest jeweils zwei weitere Lehrer, ebenfalls<br />

griechisch gekleidet, der Entscheidung<br />

des „Allmächtigen“ harren. Diese<br />

Karte wurde anlässlich des zweiten am<br />

Gymnasium abgehaltenen Abiturs versandt<br />

und zeugt vom humanistischen<br />

Geist der Antike, von dem sich <strong>die</strong> Schüler<br />

der Anstalt durchdrungen fühlten. 2<br />

Die ebenfalls farbige Karte aus dem<br />

Jahre 19075 3<br />

stellt wiederum, doch nun<br />

sehr sorgfältig und detailliert, das damalige<br />

Gymnasiumsgebäude und heutige<br />

„Haus des Handwerks“ dar. Unter der<br />

Überschrift „Gymnasium Donaueschingen:<br />

Abiturium 1907“ - das <strong>Fürstenberg</strong>-<br />

Gymnasium erhielt <strong>die</strong>sen Namen erst<br />

1933 - entspringen dem Hauptportal vier<br />

muntere Muli. Stolz präsentiert einer der<br />

Muli sein „Reifezeugnis“ im rechten obe-<br />

1<br />

ren Bildrand. Ebenfalls im Jahre 1907<br />

taucht nun erstmals in Donaueschingen<br />

auch eine Einjährigenkarte, gezeichnet<br />

von E. Schmied, auf. Diesen Begriff des<br />

„Einjährigen“ gilt es kurz zu erklären 6 .<br />

Die 1813 in Preußen eingerichtete allgemeine<br />

Wehrpflicht war bis 1868 in allen<br />

deutschen Staaten übernommen und 1871<br />

auch im neugegründeten Deutschen Reich<br />

eingeführt worden. Die aktive Dienstpflicht<br />

dauerte bei den Fußtruppen zwei,<br />

bei der Kavallerie und reitenden Artillerie<br />

drei Jahre. Wer allerdings <strong>die</strong> Mittlere<br />

Reife hatte, der konnte danach einen verkürzten<br />

„einjährig-freiwilligen Dienst“<br />

antreten, an dessen Ende der Soldat als<br />

Offiziersanwärter galt. Die Kürze und <strong>die</strong><br />

schnelle Aufstiegsmöglichkeit machten<br />

<strong>die</strong>sen Dienst attraktiv, obwohl er <strong>mit</strong><br />

einigen Unkosten insofern verbunden<br />

war, als <strong>die</strong> Beteiligten für ihre Verpflegung,<br />

Unterkunft und einen Teil ihrer<br />

Ausrüstung selbst aufkommen mussten.<br />

SCHÜLERPOSTKARTEN AUS DONAUESCHINGEN<br />

1912 zeichnete Erich Mory eine Karte 4<br />

zum Einjährig-Freiwilligen Regiment Villingen,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong>ses Lebensgefühl deutlich<br />

ausdrückt. Der Text steht im Mittelteil<br />

zwischen dem Gymnasium und der Stadtkirche<br />

Donaueschingen links und dem<br />

heutigen Gymnasium am Romäusring<br />

und einer Stadtansicht Villingens rechts<br />

über dem Zug von Donaueschingen nach<br />

Villingen:<br />

Die Berechtigung zu kriegen, / Tat mir<br />

sehr am Herzen liegen. / Erst humanistisch,<br />

dann real, / Gelingt's nur, - wie? -<br />

ist ganz egal. / Mitunter ward es mir<br />

nicht leicht, / Doch, Gott sei Dank, jetzt<br />

ist's erreicht! / Salve ! Erich Mory<br />

Im Gegensatz zu <strong>die</strong>ser aktuellen Sicht<br />

sehen 1907 <strong>die</strong> Schüler der damaligen<br />

55<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7


8<br />

9<br />

10<br />

SCHÜLERPOSTKARTEN AUS DONAUESCHINGEN<br />

56<br />

Klasse 6, der Untersekunda bzw. U II ihr<br />

Schicksal ganz im klassischen Sinne ähnlich<br />

den Irrfahrten des Odysseus als eine<br />

Fahrt zwischen den Felsungeheuern<br />

Scylla und Charybdis hindurch: einen<br />

Teil der Klassenkameraden verschlingt<br />

<strong>die</strong> Ober-Sekunda, hier als Drachen dargestellt.<br />

Badisches und Donaueschinger<br />

Wappen stellen den Bezug zur Heimat<br />

her.<br />

5<br />

Ebenfalls in der klassischen Tradition<br />

sehen sich <strong>die</strong> Einjährigen des Jahres<br />

1908/09 <strong>mit</strong> dem Ausruf des Marathonläufers:<br />

„Nenikäkamen“ - Wir haben<br />

gesiegt. Hier empfängt der Sieger nach<br />

edlem Prüfungswettstreit den Siegerkranz<br />

auf seinem Streitwagen. Diese Karte<br />

wurde von T. Kaiser entworfen. 6<br />

Zum Abitur 1910 trinken zwei Muli in<br />

einer Parklandschaft aus dem Brunnen<br />

der Weisheit. Badisches Wappen und das<br />

Stadtwappen zieren <strong>die</strong> obere linke Ecke<br />

<strong>die</strong>ser von M.R. signierten Karte.<br />

Die Einjährigenkarte 1911 stammt von<br />

Schelling und nimmt vor dem Schulgebäude<br />

zwei Kletterbäume zum Symbol<br />

des Erreichten. „Es ist erreicht“ lautet<br />

infolgedessen auch <strong>die</strong> Devise derer, <strong>die</strong><br />

nun als Infanterist oder Kavallerist <strong>die</strong><br />

Mittlere Reife geschafft haben, andere<br />

purzeln vom Kletterbaum. Auf den Brauch<br />

des Bücherverbrennens deutet der<br />

Bücherberg <strong>mit</strong> dem Hinweis: Ablagern<br />

von Schund zwischen den beiden Kletterbäumen.<br />

8<br />

Die Karte von 1911 zum Abitur, von W.<br />

Str. gezeichnet, zeigt einen häufig dargestellten<br />

und wohl dem bekannten Stich<br />

„Der frohe Wandersmann“ von Ludwig<br />

Richter nachempfundenen Aufbau: Im<br />

Hintergrund <strong>die</strong> Silhouette der Stadt in<br />

7<br />

eigenwilliger Perspektive <strong>mit</strong> den vier<br />

markanten Gebäuden: Volksschule und<br />

Gymnasium, Stadtkirche und Rathaus.<br />

Davor am Waldrand, wohl oberhalb der<br />

Brigach in Richtung Jägerhaus und der<br />

Stadt zum Abschied zuwinkend zwei junge<br />

Männer im Frack <strong>mit</strong> dem „Stürmer“,<br />

der Studentenmütze.<br />

Ein Jahr später, 1912, geht auf der Einjährigenkarte<br />

unter dem badischen Wappen<br />

über einer Hügellandschaft <strong>mit</strong> Donaueschingens<br />

Stadtkirche <strong>die</strong> Sonne der Freiheit<br />

auf. Germania weist einer weiblichen<br />

Kriegerin den Weg in <strong>die</strong> Zukunft. Helm,<br />

Schild <strong>mit</strong> Donaueschinger Wappen und<br />

hoch erhobenes Schwert zeugen vom neuen<br />

Schwung beim Überschreiten der<br />

Donau oder des Lethestroms, in dem nun<br />

nicht mehr benötigte Bücher und Hefte<br />

stromabwärts treiben. Dieser Begriff des<br />

Lethestroms entstammt dem griechischen<br />

Totenkult. Aus ihm tranken <strong>die</strong> Verstorbenen<br />

und tilgten da<strong>mit</strong> alle Erinnerungen<br />

an ihr früheres Dasein. 10<br />

Auf der Abiturkarte 1912 ist Goethes Wort<br />

aus „Faust“ (Nacht, V.418) Flieh! Auf!<br />

Hinaus ins weite Land! das Motto des<br />

jugendlichen <strong>mit</strong>telalterlichen Gralsritters.<br />

Während <strong>die</strong>ser einerseits wie sein<br />

Ross rückwärtsgewandt der Heimat einen<br />

Abschiedsblick zuwirft, weist <strong>die</strong> Körperhaltung<br />

zukunftsgewandt auf <strong>die</strong> vor und<br />

unter ihm liegende Donaulandschaft in<br />

Richtung Wartenberg.<br />

Die Einjährigenkarte 1914 von R. Dotter<br />

stellt - wiederum aktuell - unter dem Leitspruch<br />

Pereat tristitia - <strong>die</strong> Trauer möge<br />

vorbeigehen - einen das Gewehr präsentierenden<br />

Soldaten dar. Auch hier geht <strong>die</strong><br />

Sonne über einer Flusslandschaft auf,<br />

während der Weg über eine Brücke zu<br />

den Höhen der Weisheit führt. Eine<br />

9<br />

11


Kanone neben dem Soldaten signalisiert<br />

Wehrbereitschaft. 12<br />

Die Abiturkarte 1914 von A. Schelling,<br />

vermutlich dem Zeichner der Einjährigenkarte<br />

von 1911, stellt unter dem Gruß So<br />

leb’ denn wohl Gymnasium! einen dem<br />

Schulgebäude davon eilenden jungen<br />

Mann <strong>mit</strong> Stock und Ränzlein dar. Heiter<br />

schwingt er zum Abschied den Stürmer,<br />

während (s)ein Hund ihn bellend verfolgt.<br />

Strenges Schulhaus und heitere Landschaft<br />

verkörpern deutlich den Gegensatz<br />

des alten und neuen Lebensgefühls.<br />

Die Abiturientenkarte 1916 von O. Winckler<br />

nimmt wiederum den direkten Bezug<br />

zum Zeitgeschehen auf: <strong>mit</strong> vorgehaltenem<br />

Gewehr eilen <strong>die</strong> noch optimistischen<br />

jungen Soldaten zum Sturmangriff. 14<br />

1918 lautet der vermutlich auf Seneca<br />

zurückgehende Leitspruch Per aspera ad<br />

astra - über raue Pfade zu den Sternen. In<br />

Gedanken versunken steht der <strong>mit</strong>telalterliche<br />

Ritter auf einer bewaldeten Anhöhe,<br />

vor sich eine hügelige Flusslandschaft.<br />

Diese Abiturkarte ist von J.S. signiert.<br />

Vermutlich 1919 entstand <strong>die</strong> Einjährigenkarte<br />

von E. Meltzer, auf der ein kräftiger,<br />

pausbäckiger Wind ins geblähte Segel<br />

eines Floßes bläst, das Schülerinnen und<br />

rauchende Schüler vom Ufer der Untersekunda<br />

an das der Obersekunda bringt:<br />

Mit günstigem Winde erreichte U II das<br />

lang ersehnte Ufer der O II heißt das<br />

Motto <strong>die</strong>ser Karte. 16<br />

Die Einjährigenkarte 1926 stammt von<br />

K.R. und stellt vor der Kulisse der Stadtkirche<br />

und des Schlosses eine „Konferenzputzmühle“<br />

dar, in <strong>die</strong> <strong>die</strong> Schüler wie<br />

Max und Moritz bei Wilhelm Busch hineingeworfen<br />

werden, während ein Lehrer<br />

13<br />

15<br />

in Frack und Zylinder <strong>die</strong>se Mühle betätigt.<br />

Auch hier liegen Erfolg und Misserfolg<br />

nahe beieinander. 17<br />

1927 erscheinen zwei bunte Karten zum<br />

Abitur. Auf der einen von A.M. schwingt<br />

sich von den Fesseln der Pennalstatuten<br />

befreit ein Adler in <strong>die</strong> Lüfte. Hinter ihm<br />

symbolisieren Gebirgslandschaft und aufgehende<br />

Sonne <strong>die</strong> Strapazen sowie <strong>die</strong><br />

neue Freiheit. 18<br />

Diese neu gewonnene Freiheit stellt <strong>die</strong><br />

zweite Karte konkret in dem Akt des<br />

Bücher und Hefte Verbrennens im Schulhof<br />

dar. Um das <strong>mit</strong> Plato, Horaz, lat.<br />

Grammatik und anderen Lehrwerken<br />

geschürte Feuer betätigen sich <strong>die</strong> Schüler<br />

als Heizer. Im Hintergrund <strong>die</strong> Häuser<br />

der Elisen- und Lehenstraße.<br />

Und 1928 verlädt ein Schiff <strong>mit</strong> dem Gymnasiumsgebäude<br />

als Aufbau an einem langen<br />

Kran <strong>die</strong> glücklich herumhüpfenden<br />

Muli - 14 an der Zahl - an Land und entlässt<br />

sie nach neunjähriger Fahrt in <strong>die</strong><br />

Freiheit. 20<br />

Im Herbst 1928 fand <strong>die</strong> 150 Jahrfeier des<br />

Gymnasiums statt. Hierfür fertigte der<br />

damalige Unterprimaner Hans Koppenhöfer<br />

eine illustrierte Festpostkarte, <strong>die</strong> das<br />

alte Schulgebäude, <strong>die</strong> spätere Bäckerei<br />

Schell und heutige Musikschule, und das<br />

„neue“ Schulgebäude in der Schulstraße,<br />

jeweils umgeben von einer Blumengirlande,<br />

darstellt. Zum Ablauf der Jubiläumsfeier<br />

von 19. bis 22. Oktober äußert sich<br />

<strong>die</strong> Festschrift zum 175-jährigen Bestehen<br />

des Gymnasiums Donaueschingen 1953<br />

ausführlich auf S. 8 f.<br />

Ähnlich wie 1928 in Rottweil schmückt<br />

1930 der auf der Weltkugel stehende<br />

Abiturient als Ritter <strong>mit</strong> Schwert martialisch<br />

<strong>die</strong> Abiturientenkarte von H.K.. 22<br />

SCHÜLERPOSTKARTEN AUS DONAUESCHINGEN<br />

21<br />

19<br />

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16<br />

SCHÜLERPOSTKARTEN AUS DONAUESCHINGEN<br />

58<br />

1938 präsentiert sich der Abiturient stolz<br />

<strong>mit</strong> großer Abiturschere: Der Bart ist ab!!<br />

heißt das Motto und Es lebe <strong>die</strong> Freiheit!!<br />

Die Karte ist <strong>mit</strong> KIL signiert. 23<br />

Diese Tradition der Abiturientenkarte<br />

wurde nach Beendigung des Krieges noch<br />

kurz fortgeführt.<br />

Die auch 1978 in der 200 Jahrschrift abgebildete<br />

Erinnerungskarte zum Abitur<br />

1946 zeigt <strong>die</strong> nach erfolgreich bestandenem<br />

Abitur erfolgte Bücherverbrennung,<br />

wobei, wie der Autor des Beitrags, Walter<br />

Merklein, S.52 humorvoll feststellt, dem<br />

ehemaligen Klassenlehrer Josef Hall ob<br />

<strong>die</strong>ser skandalösen und verwerflichen<br />

Tat im wahrsten Sinne des Wortes ‘der<br />

Hut hoch’ geht.<br />

1947 schuf F. Wintermantel <strong>die</strong> Karte zum<br />

Abitur, auf der auf einer Waage einerseits<br />

von Lehrkräften Wissen in Form von großen<br />

Wackersteinen in <strong>die</strong> linke Waagschale<br />

geladen wird, auf der anderen Seite versuchen<br />

Schüler trickreich <strong>die</strong> Balance zu<br />

halten bzw. zu ihren Gunsten zu verän-<br />

dern.<br />

25<br />

24<br />

1948 reckt und streckt sich ein schweißgebadeter<br />

Abiturient auf einem Bücherhaufen<br />

<strong>mit</strong> dem Spruch stehend: Aus eigner<br />

Kraft / hab ich's geschafft / Jetzt bin<br />

ich/ aufs andere pfeiff ich!<br />

1950 schaut ein Abiturient in <strong>die</strong> ungewisse<br />

Zukunft, hinter ihm ein Stapel<br />

Bücher und auch der geflickte Hosenboden<br />

zeugt von einer harten Schulbank.<br />

Die Karte zeigt Rudolf Hauger und<br />

stammt von Ewald Mösch. 7<br />

Hier<strong>mit</strong> endet <strong>die</strong>ser Brauch. Die Gründe<br />

dafür <strong>sind</strong> sicher vielfältige. So hat sich<br />

das Verhältnis des Schülers zu seiner<br />

Schule im Laufe der Jahrzehnte genauso<br />

geändert wie seine Sehweise des Abiturs,<br />

das nun vielleicht eher als individuelle<br />

denn als kollektive Leistung gesehen<br />

wird. Auch das Telephon als neues<br />

Medium mag dazu beigetragen haben,<br />

dass <strong>die</strong> Tradition zugunsten anderer Mitteilungsformen<br />

aufgegeben wurde.<br />

1 Vgl. Ulf Wielandt, Vergessene Tradition. In Sammler-Journal<br />

11 (1982) Heft 2, S. 136f.<br />

Vgl. hierzu auch Werner Mezger, Die Bräuche der<br />

Abiturienten. Vom Kartengruß zum Supergag.<br />

UVK spezial. Konstanz 1993<br />

2 Dieter Städele, Kitsch und Kunst im Kleinformat.<br />

<strong>Schülerpostkarten</strong>, ein vergessener Brauch. Konstanz<br />

1986<br />

3 Ulf Wielandt, Rottweiler <strong>Schülerpostkarten</strong>, in:<br />

Rottweiler Heimatblätter 43. Jg. (1982) Nr. 4<br />

Ders.: Die Einjährigenkarte der Realschule Rottweil<br />

1905-18, in Rottweiler Heimatblätter 50. Jg.<br />

(1989) Nr. 4<br />

Ders.: <strong>Schülerpostkarten</strong> aus dem Bodenseeraum.<br />

Abitur - Abschied: Vom ‘hurra’ zum ‘autsch’. In:<br />

Hegau. Zeitschrift für Geschichte, Volkskunde und<br />

Naturgeschichte des Gebietes zwischen Rhein,<br />

Donau und Bodensee. 46 (1989), erschienen Juni<br />

1991, S. 147-163<br />

Ders.: <strong>Schülerpostkarten</strong> aus dem Lehrerseminar,<br />

in Rottweiler Heimatblätter, 61. Jg. (2000) Nr. 6<br />

4 Herrn Willi Hönle aus Donaueschingen sei nochmals<br />

sehr herzlich nicht nur dafür gedankt, dass<br />

er mir aus seiner umfangreichen Sammlung einen<br />

sehr großen Teil der hier vorliegenden Abiturienten-<br />

und Einjährigenkarten zur Verfügung stellte,<br />

sondern auch für manche zusätzliche Information,<br />

<strong>die</strong> ich seinem Band „Donaueschingen in alten<br />

Ansichtspostkarten 1890 - 1915“, Donaueschingen<br />

1986, entnehmen konnte.<br />

5 Herrn Hilpert danke ich dafür, dass er mir <strong>die</strong>se<br />

sowie vier weitere Karten zur Verfügung stellte<br />

(Abi 1912, 1928 und <strong>die</strong> Einjährigenkarte von<br />

1924)<br />

6 Vgl. hierzu D. Städele. a.a.O. S. 21ff<br />

7 Die meisten <strong>die</strong>ser Schülerkarten <strong>sind</strong> auch im<br />

Projekt Internet am <strong>Fürstenberg</strong>-Gymnasium<br />

Donaueschingen unter dem Stichwort ‘Postkartenmuseum’<br />

zu finden.


17<br />

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21<br />

22<br />

SCHÜLERPOSTKARTEN AUS DONAUESCHINGEN<br />

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