musste er sie rufen, damit sie ihre schlafende Hülle hinter sich ließ. Es bestand jedoch keine Eile, denn die Nacht war noch jung, und Ellas Schlaf befand sich in jenem Stadium, in dem ihr Körper bestenfalls durch ein einstürzendes Dach geweckt werden würde. Ohne große Anstrengung warf Gabriel einen Blick in Ellas gegenwärtigen Traum, der in diesem Moment nur ein wirres Bild ergab. Erst unter seinem Einfluss würden die einzelnen Traumsequenzen zueinanderfinden, sich ordnen, verfestigen, so dass Ella das Kunstwerk erschaffen konnte, das ihr Traum in Wahrheit war. Zunächst begriff er kaum, wovon ihr Traum handelte. Lauter berauschende Sinneseindrücke strömten auf ihn ein, wobei er wie vom Sonnenlicht geblendet war. Viele ... viele Sonnenstrahlen auf meiner empfindsamen Haut, doch unendlich intensiver. Ich glühe, verwandle mich in flüssiges Gold und nehme erst unter seinen Berührungen wieder meine Gestalt an. Werde in Form gegossen, als sich ein schweres Gewicht auf mich senkt. Ein Beben durchfährt meinen Körper, ein treibender, sich rasch steigernder Rhythmus. Ich bin umfangen und zugleich erfüllt von ihm. Ihm ... von ihm. Ganz und gar um mich herum. Ich kann seinen Namen nicht aussprechen, obwohl ich das überwältigende Bedürfnis verspüre, ihn hinauszuschreien. Immer wieder. Aber der Atem bleibt mir weg. Also flüstere ich ihn nur: Gabriel. In Sekundenschnelle zog Gabriel sich aus Ellas Traum zurück, obwohl er gerade richtig interessant zu werden versprach. Da schau an. Er kannte diese Art von Traum, den jeder Mensch mehrmals in der Nacht erlebte. Er war nicht mehr als ein lustvolles Aufleuchten zwischen all den anderen Dingen, die im seltsamen Zustand des Schlafes geschahen. Normalerweise war Gabriel nicht neugierig und vermied es, mehr als nötig über die Schlafenden zu erfahren. Ihn interessierten nur die überwältigenden Traumwelten, nicht die Persönlichkeiten, die sich hinter ihnen verbargen. Zumindest war es bislang stets so gewesen, aber mit der schlafenden Ella vor sich war es mit ihm durchgegangen. Was keine große Überraschung war, hatte er doch mitbekommen, wie es sich für Ella anfühlte, mit ihm zusammen zu sein – zumindest in ihren Träumen. Der Eindruck ging tiefer, als er sich eingestehen mochte. Gabriel leckte sich über seine Lippen, die sich plötzlich ganz trocken anfühlten. Da hatte er sich doch tatsächlich in ihre Träume eingeschlichen – und zwar ganz ohne sein Zutun. Das war ihm noch nie passiert. Nachdenklich beobachtete er die junge Frau, deren Atem bereits wieder ruhiger ging. Nur die Art, wie sie ihr Kissen umfasst hielt, verriet noch die Erregung, die sie eben empfunden hatte. Was sollte er davon halten, dass sie von ihm träumte? Vor allem auf eine Weise, in der er ihren Körper zum Schmelzen brachte. Nichts Besonderes, redete Gabriel die Angelegenheit klein. Er war es gewohnt, dass die Menschen ihn als Leinwand für 4 5