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Bern gibt den Takt an

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infonline-med<br />

21. April 2010 (Spitäler)<br />

SEITEN 12-13:<br />

Reportage: Die Versichertenkarte im Spitalalltag<br />

<strong>Bern</strong> <strong>gibt</strong> <strong>den</strong> <strong>Takt</strong> <strong>an</strong><br />

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Jährlich suchen weit über eine Viertelmillion Menschen – täglich sind es gut 2000 Patientinnen und Patienten – Hilfe im<br />

Inselspital <strong>Bern</strong>. Während sich das medizinische Personal für je<strong>den</strong> einzelnen Fall interessiert, stehen für das<br />

Patientenm<strong>an</strong>agement des Spitals nicht in erster Linie die Menschen sondern die Zahlen im Vordergrund. Dieser stets<br />

wachsen<strong>den</strong> numerischen Herausforderung stellt sich die Insel neu mit der Versichertenkarte. Von ihr verspricht m<strong>an</strong><br />

sich bei der Administration eine enorme Verbesserung der Effizienz.<br />

Innerhalb von wenigen Minuten fällt in der Frauenklink am Inselspital in <strong>Bern</strong> zweimal beinahe wortwörtlich derselbe Satz: «M<strong>an</strong><br />

k<strong>an</strong>n bald nichts mehr falsch machen», so Maria D<strong>an</strong>z in der zentralen Patientenaufnahmestelle. «M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n nichts falsch<br />

machen, wenn m<strong>an</strong> einmal weiss, wie es geht», so Anita Mittner am Empf<strong>an</strong>gsschalter des Ambulatorium 1. Die Reaktionen auf<br />

die Einführung der neuen Versichertenkarte und der dazugehörigen Infrastruktur sind bei bei<strong>den</strong> jungen Frauen, sowohl bei der in<br />

der Patientenadministration tätigen Sachbearbeiterin als auch bei der Pflegefachfrau, durchgehend positiv.<br />

‹Nei, nei, nur S<strong>an</strong>a isch guet!›<br />

Sei es <strong>an</strong> dem zentralen SAP-Arbeitsplatz oder der dezentralen Station mit elektronischem Meldeformular – in bei<strong>den</strong> Fällen ist<br />

das Prinzip bestechend einfach: Die Patientin wird in der Frauenklinik nach ihrer Versichertenkarte gefragt und steckt diese<br />

<strong>an</strong>schliessend in das Kartenlesegerät. Nachdem sie mittels Knopfdruck ihr Einverständnis gegeben hat, wer<strong>den</strong> die Daten<br />

eingelesen und mittels Online-Abfrage beim Versichertenkarten-Center auf ihre Gültigkeit hin geprüft. Die Daten wer<strong>den</strong> d<strong>an</strong>n <strong>an</strong><br />

der zentralen Aufnahmestelle automatisch in eine Maske des Insel-internen SAP-Systems übernommen. Maria D<strong>an</strong>z streicht<br />

begeistert die Vorteile heraus: «Flüchtigkeitsfehler kommen so gar nicht mehr vor. Früher kam es vor, dass eine Patientin gar<br />

nicht wusste, bei welcher Kasse sie ist: ‹Hels<strong>an</strong>a? Vis<strong>an</strong>a? Arcos<strong>an</strong>a?› – ‹Nei, nei, nur S<strong>an</strong>a isch guet!›».<br />

Die Frauenklinik des Inselspitals – Lesegerät mit Versichertenkarte – Maria D<strong>an</strong>z empfängt Remo Briker – Reto Balmer und Remo Briker im Gespräch<br />

Auch komplizierte fremdländische Namen sind mit dem automatischen Datenabgleich kein Problem mehr. Ohne<br />

Versichertenkarte dauerte eine Aufnahme im Schnitt fünf Minuten. Mit Karte spare sie sicher mindestens eine Minute, betont<br />

D<strong>an</strong>z. Von <strong>den</strong> täglich rund 40 bis 50 Patientenaufnahmen <strong>an</strong> der Frauenklinik sind es heute bereits rund ein Drittel mit Karte.<br />

Das spart enorm viel Zeit. Auch Anita Mittner <strong>an</strong> der dezentralen Station am Ambulatorium 1 ist von der neuen Lösung überzeugt:<br />

Hier übernimmt die Abfrage beim VeKa-Center die Patientendaten in ein elektronisches Meldeformular, welches dem<br />

althergebrachten Meldeformular auf Papier nachempfun<strong>den</strong> wurde. Mit dem neuen eMeldeformular erhält der Meldeprozess<br />

mehr Gewicht: Das Einsammeln der Patientendaten ist dadurch seriöser und konsistenter gewor<strong>den</strong>. Das k<strong>an</strong>n auch Mittner<br />

bestätigen: «Die Zettelwirtschaft ist vorbei! Mit einem Knopfdruck wird es <strong>an</strong> die Patientenadministration übermittelt.» Vermutlich<br />

ist deshalb die Akzept<strong>an</strong>z für das neue Gerät beim Pflegepersonal so gross. Der Nutzen ist sichtbar. Die Anwendung einfach.<br />

Vorne einfach, hinten komplex<br />

Was vorne am Schalter derart einfach und simpel daherkommt, ist hintenrum auf der technischen Ebene ziemlich komplex,<br />

http://www.infonlinemed.ch/customerPressReview/index.cfm?M2%28V2J%3F%23%...<br />

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22.04.2010


infonline-med<br />

betont Reto Balmer, Projektleiter Versichertenkarte am Inselspital. Er und sein Kollege Remo Briker, stv. Bereichsleiter<br />

Patientenm<strong>an</strong>agement, haben entschei<strong>den</strong>d dar<strong>an</strong> mitgewirkt, dass die Versichertenkarte nahtlos und gewinnbringend in die<br />

bisherigen Prozesse des Inselspitals integriert wer<strong>den</strong> konnte. Die bei<strong>den</strong> Mittdreissiger sind g<strong>an</strong>z in ihrem Element, wenn sie auf<br />

die Vorteile der Versichertenkarte zu sprechen kommen: «Das erste Lesegerät wurde am 19. J<strong>an</strong>uar in Betrieb genommen. Und<br />

schon drei Monate nach Beginn des Rollouts ist der Nutzen sicht- und spürbar.» Mittlerweile stehen 86 von rund 150 gepl<strong>an</strong>ten<br />

Geräte im Einsatz mit <strong>den</strong>en bereits 3500 Karten eingelesen wur<strong>den</strong>. «Und es wer<strong>den</strong> täglich exponentiell mehr», erklärt Balmer.<br />

Auch konnten d<strong>an</strong>k des Datenabgleichs mit dem VeKa-Center bereits zwei ungültige Karten herausgefischt wer<strong>den</strong>. Briker fährt<br />

fort: «Die Versichertenkarte ist eine Win-Win-Situation für alle beteiligten Seiten, für Versicherer, Patienten und das Spital.»<br />

Neben dem Zeitgewinn und der höheren Sicherheit ist nicht zuletzt die Kostenersparnis ein wichtiger Faktor. Jährlich kommt es<br />

am Inselspital zu rund 5500 falsch adressierten Rechnungen, sei es weil der Patient eine falsche Versicherung <strong>an</strong><strong>gibt</strong> oder<br />

vergisst <strong>den</strong> Versicherungswechsel zu mel<strong>den</strong>. Jedes Storno kostet 80 Fr<strong>an</strong>ken. Nach Adam Riese summiert sich dieser Betrag<br />

jährlich also auf 440 000 Fr<strong>an</strong>ken. Mit dem automatischen Datenabgleich d<strong>an</strong>k der Versichertenkarte erwartet Briker eine<br />

Ersparnis von 50 Prozent und erhofft sich insgeheim eine von 80 Prozent. Die Investitionskosten von 80 Fr<strong>an</strong>ken pro Lesegerät<br />

dürften am Inselspital schon längst amortisiert sein. Auch entfällt der administrative Aufw<strong>an</strong>d durch <strong>den</strong> automatisierten<br />

Datenaustausch – und zwar auf bei<strong>den</strong> Seiten: Sowohl beim Spital als auch beim Versicherer.<br />

Umständliche Telefonabklärungen entfallen nämlich grösstenteils. Mit der Versichertenkarte k<strong>an</strong>n die ohnehin sehr gute<br />

Rechnungsstellung des Inselspitals auf diese Weise optimiert wer<strong>den</strong>. Aber nicht nur bei der Rechnungsstellung sehen Briker<br />

und Balmer Vorteile: Auch bei der täglichen Pl<strong>an</strong>ung seien die Daten des VeKa-Centers nützlich. So können schon vor dem<br />

Besuch des (<strong>an</strong>gemeldeten) Patienten, der zu einem früheren Zeitpunkt seine Einverständnis zum Datenabgleich gegeben hat,<br />

alle Abklärungen getroffen wer<strong>den</strong>. «Das Inselspital war im Fall der Versichertenkarte der <strong>Takt</strong>geber und Vorreiter », zieht Briker<br />

sein positives Fazit. Und Balmer ist sehr froh, dass «im heterogenen Schweizer Gesundheitssystem mit 26 K<strong>an</strong>tonen und 83<br />

Versicherern für einmal ein gemeinsamer St<strong>an</strong>dard» gefun<strong>den</strong> wurde.<br />

Der unsichtbare Patient<br />

«Wir wollen die Patienten gar nicht sehen. » Ein Satz, <strong>den</strong> m<strong>an</strong> in einem Spital nicht unbedingt erwartet hätte. Was sich im ersten<br />

Moment wie die Arbeitsverweigerung eines Arztes <strong>an</strong>hört, ist das oberste Ziel von Martin Bruderer, dem Bereichsleiter des<br />

Patientenm<strong>an</strong>agements im Inselspital <strong>Bern</strong>. Denn nur zum Nutzen der Patienten wird der administrative Kontakt minimiert.<br />

Persönliche Begegnungen sollen dort stattfin<strong>den</strong>, wo sie dem Patienten etwas bringen: im medizinischen Bereich. Der Chef von<br />

Briker und Balmer hat nicht nur die Implementierung der Versichertenkarte im Visier, sondern blickt weiter voraus: «Wir wollen<br />

die Patienten nicht sehen, <strong>den</strong>n die Zukunft des Patientenm<strong>an</strong>agements liegt in der Automatisierung, St<strong>an</strong>dardisierung und<br />

Digitalisierung », erklärt der 44-jährige Vorgesetzte von rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Backoffice des Inselspitals.<br />

Das neue eMeldeformular – Anita Mittner am Ambulatorium 1 mit gut sichtbaren Patienteninfos – Martin Bruderer, oberster Patientenm<strong>an</strong>ager<br />

«Anders wäre der jährliche Anstieg der Patientenzahl um 3 bis 5 Prozent gar nicht zu bewältigen.» Und die neue<br />

Versichertenkarte ist bloss der erste wichtige Schritt in Richtung einer schweizweiten E-Health-Strategie. Bruderer bedauert, dass<br />

die Versichertenkarte in <strong>den</strong> Medien und bei vielen Versicherern stark kritisiert wird und dass die administrativen Vorteile<br />

ausgeblendet und unterschätzt wer<strong>den</strong>. Das Spital als Leistungserbringer hat eine Gesamtsicht des «atomisierten »<br />

schweizerischen Gesundheitssystems, welche bei <strong>den</strong> Kr<strong>an</strong>kenversicherern oft vergessen geht: M<strong>an</strong> muss sich auch mit <strong>den</strong><br />

eidgenössischen Fin<strong>an</strong>zierern fin<strong>den</strong>.<br />

Deshalb sind integrierte Lösungen mit allen Beteiligten nötig. Beispielsweise sollte die Versichertenkarte, die zurzeit nur eine<br />

OKPKarte ist, in Zukunft auch die Zusatzversicherungsdaten umfassen. Wünschbar wäre aber auch eine st<strong>an</strong>dardisierte<br />

nationale Plattform für Kostengutsprachen, die sowohl Kr<strong>an</strong>kenversicherer als auch IV und SUVA umfasst. Klar ist, dass sich<br />

d<strong>an</strong>k der Versichertenkarte früher oder später die Leistungserbringer- Kette vernetzen wird. Vielleicht wird die Karte nur ein<br />

Zwischenschritt gewesen sein, von dem m<strong>an</strong> wieder wegkommen wird, siniert Bruderer weiter. Seine optimistische Botschaft für<br />

die Zukunft: «Eins ist sicher: Die Versichertenkarte war ein Katalysator und hat am Inselspital weitere digitale Vorhaben<br />

ausgelöst. Wir sind offen für alles, was auf uns zukommt.»<br />

Gregor Patorski<br />

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http://www.infonlinemed.ch/customerPressReview/index.cfm?M2%28V2J%3F%23%...<br />

22.04.2010

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