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Halt die Gosch - Nina Windisch

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halt <strong>die</strong> gosch<br />

Aufgewachsen in einer norddeutschen Kleinstadt,<br />

bin ich mit Dialekten kaum in Berührung<br />

gekommen. Gut, alle sagen „Moin“ immer und<br />

zu jeder Tageszeit, unlustige Touristen outen sich<br />

mit einem doppelten „Moin Moin“ und ältere<br />

Menschen sprechen Plattdeutsch, das ist aber<br />

kein Dialekt, sondern eine eigenständige Sprache<br />

von Geschöpfen, <strong>die</strong> ihren Tee gerne mit Schuss<br />

trinken. Als ich zum Stu<strong>die</strong>ren nach Köln zog oder<br />

besser gesagt nach Köln zog, um in einer Großstadt<br />

zu leben, musste sich mein jungfräuliches Ohr auf<br />

eine Deflorierung sondergleichen gefasst machen:<br />

Die Domstadt erwies sich schnell als reinstes<br />

Auffangbecken für Dialekte jeglicher Couleur von<br />

belustigend bis schmerzhaft. Ich lernte Menschen<br />

aus allen Himmelsrichtungen kennen, darunter<br />

kaum Kölner. Vom Heimatort aus hatte ich einen<br />

Zweijahresvertrag für ein Zimmer in einem privaten<br />

Studentenwohnheim unterschrieben, weil, auf<br />

dem Foto im Internet sah das echt nett aus. Vor Ort<br />

nicht mehr. Zehn Quadratmeter, das war kleiner<br />

als mein Kinderzimmer. Wie sich ziemlich schnell<br />

herausstellte, war ich auf einer Etage gelandet,<br />

wo ausschließlich Männer wohnten oder hausten.<br />

Als ich einen Hausgenossen fragte, wo denn <strong>die</strong><br />

Frauentoilette sei, wurde ich ausgelacht. Die drei<br />

Duschen waren zwar durch Wände getrennt, aber<br />

<strong>die</strong> gingen nicht bis zur Decke, Mann konnte also<br />

VON NINA WINDISCH<br />

rüberschauen, ich duschte zu den ungewöhnlichsten<br />

Uhrzeiten. Die klebrige Küche wurde von<br />

Marokkanern belagert, <strong>die</strong> mich anschauten, als<br />

hätte ich mich in der Etage geirrt, was ich auch<br />

wirklich gern getan hätte, und mein Versuch, eine<br />

hübsche PVC-Tischdecke durchzusetzen, <strong>die</strong> von<br />

der fehlenden Backofentür ablenken sollte, wurde<br />

mit einer klaren Ansage, nämlich der Tischdecke im<br />

Mülleimer, beantwortet. Aber es gab einen Balkon,<br />

auf dem ich oft Besuch von Eichhörnchen bekam,<br />

allerdings waren alle Balkone der Etage barrierefrei<br />

miteinander verbunden und manchmal hatte<br />

ich Albträume, dass <strong>die</strong> Jungs vor meiner Balkon-<br />

Zimmertür stehn. Und als ich einmal traurig über<br />

den Gang schlurfte, weil mein Klopapier, das ich auf<br />

der Toilette zurückgelassen hatte, gezockt wurde,<br />

stand er da mit einem erfrischenden Lächeln:<br />

Lukas. Lukas war gerade aus Wiesbaden nach Köln<br />

gezogen und wie sich herausstellte, besuchten wir<br />

sogar beide den gleichen Lateinkurs an der Uni,<br />

weil wir beide nicht wussten, dass man ein Latinum<br />

braucht für ein geisteswissenschaftliches Studium.<br />

Wir liefen gemeinsam zur Uni, aßen oft Falafel<br />

auf dem Rückweg und gingen am Wochenende<br />

zusammen Wäsche waschen im Waschsalon,<br />

wobei Lukas mir dort zeigte, wie alles funktioniert,<br />

ein weltgewandter Hesse war das. Lukas war<br />

groß und schlank, braune wuschelige Haare und

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