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Bickel Peter: Musik aus der Maschine: Computervermittelte Musik

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Von einer an<strong>der</strong>en Auseinan<strong>der</strong>setzung, die als erster groß angelegter Prozeß<br />

einen Präzedenzfall darstellt, berichtet <strong>der</strong> Anwalt Bill Krasilovsky. Er war von<br />

<strong>der</strong> "American Fe<strong>der</strong>ation of Musicians Local 802" beauftragt worden, sich für<br />

die Rechte des Perkussionisten David Earl Johnson einzusetzen, dessen Conga-<br />

Samples <strong>der</strong> Keyboar<strong>der</strong> Jan Hammer ungefragt für den Soundtrack "Miami<br />

Vice" benutzt hatte. Krasilovsky mußte jedoch feststellen: , Copyright-Gesetze<br />

betreffen nur die Tonfolgen einer Komposition, nicht die einzelnen, wirklichen<br />

Töne dieser Sequenzen. ' 1 2 ~ Klänge, die - nach juristischem Standpunkt - keine<br />

künstlerische Leistung im Sinne des Urheberrechts sind, sind also gesetzlich<br />

nicht schützbar, aber die Übernahme von mehrtaktigen Teilen o<strong>der</strong> ganzen Re-<br />

frains wäre sicherlich an<strong>der</strong>s zu bewertenJm Es leuchtet ein, daß die Grenzen<br />

dabei so fließend sind, daß eine eindeutige Auslegung anhand dieser Klassifi-<br />

kation unmöglich ist. Für die manuelle Kopie - das Zitat - hat <strong>der</strong> deutsche<br />

Bundesgerichtshof Richtlinien aufgestellt, in welchem Umfang zitiert werden<br />

darf. Das Sampling als die durch Apparate vorgenommene Kopie ist dagegen<br />

noch weitgehend unbewertet. Da einstweilige Verfügungen bei einer erfolg-<br />

reichen Single finanziell sehr schmerzhaft sein können, haben sich in Amerika<br />

bereits private Initiativen gebildet, die eine außergerichtliche Lösung anstreben:<br />

Sogenannte "Clearing Agents" sind beson<strong>der</strong>s im Hip-Hop-Bereich dafür zu-<br />

ständig, die Verwertungsrechte von verwendeten Samples mit dem Ursprungs-<br />

verlag zu klären.<br />

Die Copyright-Gesetzgebung und die Tantiemenzahlung, ursprünglich <strong>aus</strong><br />

dem Druckgewerbe herrührend, verlieren in <strong>der</strong> elektronischen Reproduktiori<br />

ihre Durchführbarkeit und daher ihre Berechtigung. Es nähert sich eine Vorge-<br />

hensweise, die zur Zeit <strong>der</strong> Mund-zu-Mund-Kommunikation praktiziert wurde:<br />

Der Schutz geistigen Eigentums ist nicht zu gewährleisten. <strong>Peter</strong> Weibel plädiert<br />

beispielsweise dafür, die veralteten Begriffe des "Autors" und des "Künstlers"<br />

aufzugeben: ,,Allein <strong>der</strong> Markt braucht das Original auf physischer Basis. Des-<br />

wegen hat er die kultische Verehrung des Originals erfinden. Die Menschheit<br />

braucht kein Original. Der genügt die Idee. Mir genügt die Schallplatte. Ich<br />

mup nicht irgendein Originalband haben. Die Leistung des Künstlers wird du-<br />

durch nicht reduziert. Im Gegenteil. Sie wird viel erkennbarer gerade im Ver-<br />

nachlässigen des Handwerklichen. 'I2@ Vielleicht kann in einer Zeit <strong>der</strong> elektro-<br />

nischen Kultur, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Fälscher eine emblematische Rolle spielt, die Kunst<br />

zu einem wirklich integralen Bestandteil <strong>der</strong> Gesellschaft werden. Diese Dimen-<br />

207 Bill Krasilovsky, zit. nach Brand 1990, S.247f.<br />

208 Vgi. Fuchs 1991, S.102-107.<br />

209 Riepe 1990, S.17.<br />

114<br />

sion des Benjaminschen Ansatzes hätte beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> digitalen Kunstproduk-<br />

tion auch heute noch Sprengkraft.<br />

4. Aura<br />

Das "einmalige Dasein" des Originals im Sinne einer empirischen Singularität<br />

ist eine <strong>der</strong> Lesarten des "Kunstwerk-Aufsatzes". ,,Solche Einmaligkeit, an <strong>der</strong>en<br />

eindeutiger Sicherung Benjamin so sehr gelegen ist, ist aber nichts an<strong>der</strong>es als<br />

die numerische Bestimmung eines materiellen Substrats. Es ist die buchstübliche<br />

Einmaligkeit im Akt des Abzühlens, die eine Stelle im (raum-)zeitlichen Kanti-<br />

nuum identifiziert. 'r210 Die Tatsache einer numerisch-quantitativen Einmaligkeit<br />

bringt daher, so könnten zumindest Benjamins Thesen gelesen werden, die Qua-<br />

lität einer ästhetisch ebenfalls einmaligen Wahrnehmung mit sich. Benjamin<br />

zieht jedoch die Aura; ohne sie näher zu definieren, als weiteres Wesensmerkmal<br />

des Originals heran und wird damit erheblich vieldeutiger und trotz seiner Ra-<br />

dikalität weniger greifbar?" Es können im folgenden daher nur einige Annä-<br />

herungsmöglichkeiten vorgeschlagen und erörtert werden. ,,Die Echtheit einer<br />

Sache ist <strong>der</strong> Inbegriff alles von Ursprung her an ihr Tradierbaren, von ihrer<br />

materiellen Dauer bis zu ihrer geschiqhtlichen Zeugenschafi. [... J Man kann,<br />

was hier <strong>aus</strong>füllt, im Begriff <strong>der</strong> Aura zusammenfassen und sagen: Was im<br />

Zeitalter <strong>der</strong> technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks verkümmert, dus<br />

ist seine Aura. "212 Die Begriffe <strong>der</strong> "Aura" und des "Originals" - die sich nicht<br />

zuletzt durch ihre Anschaulichkeit zu einschlägigen Termini journalistischer o<strong>der</strong><br />

kunsttheoretischer Bewertung entwickelt haben - sollen daher im folgenden ge-<br />

meinsam und übergreifend diskutiert werden. Die auratische Dimension <strong>der</strong> Ge-<br />

schichtlichkeit wird durch die Reproduktion, je perfekter sie wird, außer Kraft<br />

gesetzt: Sie fixiert dann den Augenblick nicht mehr als unverrückbar. Das tech-<br />

nisch vermittelte Kunstwerk, dem <strong>der</strong> Rezipient sich nähert, muß seinen Abstand<br />

210 Recki 1988, S.18.<br />

21 1 Seine Kunsttheorie ist sogar als Hasch-Einfall interpretiert worden. VgI. Salzinger 1973,<br />

s.111.<br />

212 Benjamin 1963, S.13.<br />

115

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