Kinder ohne Liebe" - Drei Linden Film
Kinder ohne Liebe" - Drei Linden Film
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Fritz Poppenberg:<br />
» <strong>Kinder</strong> <strong>ohne</strong> Liebe"<br />
Schon wenige Jahre nach Ende<br />
des 2. Weltkrieges hatte das<br />
mit Hilfe sowjetischer Panzer<br />
zur Macht gekommene sozialistische<br />
Regime der Tschechoslowakei es geschafft,<br />
etwa ein Viertel aller Kleinkinder<br />
in <strong>Kinder</strong>krippen unterzubringen.<br />
Natürlich konnten die Nachteile<br />
dieser kollektiven Betreuung nicht<br />
vollständig kaschiert werden; Eltern<br />
sowie Pflegepersonal erlebten hautnah<br />
die Folgen des Mangels an geistig-seelischem<br />
Erleben ihrer <strong>Kinder</strong>.<br />
Der staatliche Plan sah jedoch trotz<br />
Ungewisser Akzeptanz der Bevölkerung<br />
den weiteren Ausbau der Krippen<br />
vor. Um dafür Propaganda zu<br />
betreiben - heute würden wir sagen:<br />
um dafür zu werben - gaben staatliche<br />
Stellen Anfang der 60er Jahre<br />
einen <strong>Film</strong> in Auftrag, der mit wissenschaftlichem<br />
Anstrich die Vorteile<br />
von <strong>Kinder</strong>krippen gegenüber der<br />
Familie betonen sollte.<br />
Durchführender Produzent war<br />
das Studio für populärwissenschaftlichen<br />
<strong>Film</strong>, Kratky-<strong>Film</strong>, Prag. Die<br />
Wie ein <strong>Film</strong> in Auftrag gegeben, verboten und<br />
doch international bekannt wurde<br />
Regie übernahm Kurt Goldberger,<br />
während für die Fachberatung die<br />
Psychologen Dr. Marie Damborska<br />
sowie Dr. Zdenek Matejcek verantwortlich<br />
waren.<br />
Diese Psychologen hatten bereits<br />
eine Reihe von Untersuchungen über<br />
die Folgen der kollektiven Unterbringung<br />
von Kleinkindern durchgeführt<br />
und waren in Fachkreisen bekannt.<br />
Dr. Jaroslav Sturma, Schüler und<br />
Mitarbeiter von Dr. Z. Matejcek erinnert<br />
sich:<br />
„Die Ärzte haben ganz klar festgestellt,<br />
dass die <strong>Kinder</strong>, welche täglich<br />
mehrere Stunden in einer Krippe verbringen,<br />
öfter krank sind. Ihre Immunität<br />
ist schwächer und ihr Verhalten<br />
- das haben die Krankenschwestern<br />
in der Krippe beobachtet, aber auch<br />
Eltern und Psychologen - war emotional<br />
labil, manchmal auch emotional<br />
gestört und öfter auch aggressiv gegenüber<br />
anderen <strong>Kinder</strong>n. Denn das<br />
Zusammensein mit vielen anderen<br />
<strong>Kinder</strong>n bedeutete Stress." 1<br />
Die Untersuchungsergebnisse waren<br />
eindeutig und überzeugend und<br />
wurden 1963 in dem berühmt gewordenen<br />
Buch „Psychische Deprivation<br />
im Kindesalter" 2 zusammengefasst<br />
und der internationalen Leserschaft<br />
zugänglich gemacht.<br />
Genau genommen waren also die<br />
Autoren, besonders Dr. Zdenek Matejcek<br />
3 , gänzlich ungeeignet für einen<br />
Propagandafilm im Sinne des sozialistischen<br />
Systems. Sein Herz schlug<br />
für die Wahrheit, und die sprach nicht<br />
für <strong>Kinder</strong>krippen. Schon der erste<br />
Satz des bald fertig gestellten <strong>Film</strong>s<br />
ließ keine Zweifel darüber aufkommen,<br />
was die Autoren von kollektiver<br />
Betreuung kleiner <strong>Kinder</strong> hielten:<br />
„Was ein kleines Kind am Nötigsten<br />
braucht, ist die intensive und dauerhafte<br />
Gefühlsbindung zur Mutter.<br />
Wird dieser Kontakt unterbrochen<br />
und erhält das Kind keine Ersatzperson,<br />
zu der es ähnliche Beziehungen<br />
aufnehmen kann, so stellen sich seelische<br />
Schädigungen ein."<br />
DIR FELS 8-9/2008
Die internationale Bekanntheit, die der <strong>Film</strong> „ <strong>Kinder</strong> <strong>ohne</strong> Liebe " auf dem <strong>Film</strong>festival Venedig erreichte, schützte Dr.<br />
Z. Matejcek (2. von links) und seine Mitarbeiter vor der Verfolgung durch den kommunistischen Staat.<br />
Die sozialistischen Auftraggeber<br />
waren empört und reagierten mit einer<br />
Rufmordkampagne gegen die Autoren<br />
des <strong>Film</strong>s. Der <strong>Film</strong> selbst wurde verboten,<br />
die Kopien weggesperrt.<br />
Doch die Dinge liefen wiederum<br />
nicht nach Plan, denn eine illegal<br />
hergestellte Kopie des <strong>Film</strong>s konnte<br />
außer Landes gebracht werden und<br />
fand ihren Weg auf das <strong>Film</strong>festival<br />
von Venedig, wo sie 1963 vorgeführt<br />
wurde. Es gab ein gewaltiges positives<br />
Echo und drei Auszeichnungen<br />
für den <strong>Film</strong>. Psychologen, darunter<br />
Prof. Hellbrügge und Prof. J. Pechstein<br />
aus Deutschland, wurden auf<br />
Dr. Matejcek und sein Team aufmerksam<br />
und stellten Kontakte her,<br />
die zu jahrelanger konstruktiver Zusammenarbeit<br />
führten.<br />
Zum Ärger der kommunistischen<br />
Ideologen wurde der <strong>Film</strong> sogar in<br />
einer gekürzten deutschen Fassung<br />
herausgebracht und war bis 1985 als<br />
Lehrmaterial bei der FWU, München<br />
verfügbar. 4<br />
„Die positive Wirkung des <strong>Film</strong>s<br />
war so eindeutig, dass der Staat in<br />
den 60er Jahren seine Familienpolitik<br />
ändern musste, und im neuen Familiengesetz<br />
durfte die Familie wieder<br />
den ersten Platz in der Erziehung<br />
des Kindes bekommen".<br />
Dr. Jaroslav Sturma<br />
Zwar ist die sozialistische Tschechoslowakei<br />
- das konnten auch<br />
sowjetische Panzer nicht verhindern<br />
- längst von der Landkarte verschwunden,<br />
aber die kinderfeindlichen<br />
kollektiven Betreuungskonzepte<br />
haben überlebt. Bei uns sind es heute<br />
neben unbelehrbaren Linksideologen<br />
allerdings Politfiguren aus der CDU,<br />
die tatsächlich glauben, Erkenntnisse<br />
einer wissenschaftlichen Autorität<br />
wie die des Psychologen Dr. Mate-<br />
jceks ignorieren zu können, indem<br />
sie wieder lautstark nach dem Ausbau<br />
von <strong>Kinder</strong>krippen rufen.<br />
„... es ist auffällig, dass alle totalitären<br />
Systeme ihre Hand gerne nach<br />
den <strong>Kinder</strong>n ausstrecken und darauf<br />
achten, dass diese möglichst früh von<br />
der Familie getrennt werden."<br />
Wolfgang Bergmann, Leiter des<br />
Instituts für <strong>Kinder</strong>psychologie<br />
und Lerntherapie in Hannover<br />
1 Dr. Jaroslav Sturma arbeitet gegenwärtig<br />
als leitender Psychologe am <strong>Kinder</strong>zentrum<br />
Paprsek, Prag<br />
2 Psychische Deprivation im Kindesalter,<br />
<strong>Kinder</strong> <strong>ohne</strong> Liebe. Autoren: L. Langmeier<br />
und Z. Matejcek. Verlag: Urban &<br />
Schwarzenberg<br />
3 Prof. Dr. Zdenek Matejcek starb 2004.<br />
Als einer der ersten Kritiker kollektiver<br />
Erziehungspraktiken im kommunistischen<br />
Ostblock wurde er weltberühmt.<br />
4 Diese gekürzte deutsche Fassung ist<br />
jetzt wieder verfügbar als DVD unter<br />
dem Titel „<strong>Kinder</strong> <strong>ohne</strong> Liebe" bei www.<br />
dreilindenfilm.de Tel: 030-30810740<br />
In der sozialistischen Tschechoslowakei verboten, jetzt verfügbar!<br />
„<strong>Kinder</strong> <strong>ohne</strong> Liebe", DVD, 22 Minuten plus Bonusmaterial und <strong>Film</strong>trailer,<br />
14,95 Euro, <strong>Drei</strong> <strong>Linden</strong> <strong>Film</strong>, Württembergallee 26, 14052 Berlin,<br />
Tel: 030-30810740, www.dreilindenfilm.de, bestellung@dreilindenfilm.de<br />
DER FELS 8-9/2008 245