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Headhunter abwehren - Romulus Consulting

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522<br />

Personalpraxis<br />

Im Krieg um Talente<br />

<strong>Headhunter</strong> <strong>abwehren</strong><br />

Peter Romero,<br />

Diplom-Psychologe, Dozent,<br />

Unternehmens- und Personalberater sowie<br />

Managing Partner von <strong>Romulus</strong> <strong>Consulting</strong>,<br />

Brüssel<br />

Kai Frahnke,<br />

Bankkaufmann, Dozent,<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht und Headhunting-Experte<br />

der Sozietät Thiel & Collegen,<br />

Hamburg<br />

Irgendein Unternehmen wird im Augenblick mit irgendeinem<br />

<strong>Headhunter</strong> sprechen, der bald auch Ihre Mitarbeiter anrufen<br />

wird, um sie abzuwerben, denn der Bedarf an spezialisierten<br />

Fach- und Führungskräften ist immens. Daher gilt es, sich dagegen<br />

zu wehren, dass (Top-)Performer ungewollt abwandern.<br />

1 Ungleiche Waffen<br />

Unternehmen sehen sich zunehmend einem „War on Competence“ ausgesetzt.<br />

Auch demografische Entwicklungen und Veränderungen des Arbeitsmarkts<br />

tragen dazu bei, dass das Finden und Halten guter Mitarbeiter mehr<br />

und mehr zur Chefsache wird. Doch statische Modelle der Rekrutierung, wie<br />

Anzeigenschaltung und Ausschreibungen, generieren oftmals die falschen<br />

oder überhaupt keine Kandidaten. Also haben die Unternehmen sie mit<br />

flexiblen und hochaktiven Vorgehensweisen wie Headhunting und Hochschulmarketing<br />

verschärft.<br />

Aber auch diese Methoden stoßen mehr und mehr an ihre Grenzen –<br />

Personalberatung ist zur Commodity geworden. Daher ziehen Firmen<br />

verstärkt Verfahren aus der Competitive Intelligence (aggressive Wettbewerbsanalyse)<br />

hinzu, um neue Personalquellen für die Rekrutierung zu<br />

erschließen. Das fängt an bei Mitarbeiterempfehlungen, z. B. der Vertrieb<br />

empfiehlt besonders gute Einkäufer auf Kundenseite. Dazu gehört ferner<br />

das strategische Schalten von Anzeigen für nichtexistierende Positionen.<br />

Am Ende steht, proaktiv Leistungsträger der Konkurrenz zu identifizieren<br />

und Kontakt mit ihnen aufzunehmen, um ein Verhältnis zu schaffen, aus<br />

dem heraus sie das Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt leichter<br />

abwerben kann.<br />

Der Bewerbermarkt ist prekärer, daher sind die Waffen der Rekrutierung<br />

schärfer geworden. Kaum verändert haben sich hingegen die Abwehrmaßnahmen,<br />

mit denen sich Unternehmen gegen die ungewollte Abwanderung<br />

von (Top-)Performern zur Wehr setzen. Immerhin werden Themen<br />

wie Kommunikation, Personalentwicklung, Mitarbeiterbindung und Work-<br />

Life-Balance inzwischen nicht mehr belächelt, sondern sind als wichtige<br />

Produktivfaktoren anerkannt. Doch während die Personaljäger bereits mit<br />

schwerer Artillerie kämpfen, verstecken sich die meisten Firmen immer<br />

noch hinter bunt angemalten und hübsch dekorierten Bretterverschlägen.<br />

Viel zu wenige haben erkannt, dass es Zeit wird, Aktivpanzerung und intelligente<br />

Tarnung einzusetzen.<br />

2 Verteidigung – wozu?<br />

Doch warum überhaupt <strong>Headhunter</strong> <strong>abwehren</strong>? Warum Mitarbeiter binden?<br />

Ganz einfach: Jeder gute Arbeitnehmer, der bleibt, bringt Geld; jeder<br />

gute Beschäftigte, der geht, kostet Geld. Alles in allem kann das bis zum<br />

Vierfachen des Jahresbruttos gehen, wie das Gallup-Institut ermittelte.<br />

Natürliche Teams sind wesentlich produktiver als künstliche (Dick, R. v.,<br />

Wagner, U. & Gautam, T., 2002). Jede Abwanderung von Mitarbeitern<br />

wirft die verbleibenden Teams aber in ein solches Stadium zurück. Mikropolitische<br />

Prozesse sind die Folge, Führung und Firma werden vielleicht<br />

hinterfragt. Es kann sein, dass die <strong>Headhunter</strong> alle Beschäftigten einer<br />

Abteilung angerufen haben, um den einen zu finden, den sie abwerben<br />

wollten. Oftmals nennen sie dabei hohe Gehälter. Daraus resultieren Unruhe<br />

und schlechtere Steuerbarkeit genauso wie geringere Produktivität,<br />

höhere Krankenstände und Fluktuation.<br />

Passende und gute Mitarbeiter zu finden ist aufwändig, teuer und oftmals<br />

auch zu einem guten Teil vom Zufall abhängig. Je seltener ein Unternehmen<br />

also Geld für die gleiche Vakanz ausgeben muss, desto besser.<br />

Sunzi erwähnte bereits vor zweieinhalb Jahrtausenden in seinem Meisterwerk<br />

„Die Kunst des Krieges“, eine Armee sollte sich möglichst so positionieren,<br />

dass sie jederzeit den Feind schlagen, aber selbst zu keiner Zeit<br />

geschlagen werden kann. Es gilt also, nicht nur <strong>Headhunter</strong> einzusetzen,<br />

sondern sich auch gegen die <strong>Headhunter</strong> des Wettbewerbs zu wehren.<br />

Das ist nur fair und bringt in dieser Kombination einen Wettbewerbsvorteil,<br />

der u. U. das Zünglein an der Waage sein kann für den Erfolg.<br />

3 Analyse der Schwachstellen<br />

Sunzi schreibt weiter, dass der in jeder Schlacht siegen wird, der sowohl<br />

sich selbst als auch seinen Gegner kennt. Er rät, dorthin zu gehen und zuzuschlagen,<br />

wo der geringste Widerstand zu erwarten ist. Daher ist es zur<br />

Abwehr wichtig, die Anatomie eines <strong>Headhunter</strong>angriffs auf die eigenen<br />

Schwachstellen zu kennen.<br />

Grundsätzlich gilt, dass sich der Fokus der „modernen Kopfgeldjäger“ in<br />

den seltensten Fällen auf nur eine Firma richtet. Es kann aber trotzdem<br />

vorkommen, dass ein <strong>Headhunter</strong> von einem Unternehmen den Auftrag<br />

erhält, die besten Mitarbeiter seiner härtesten Wettbewerber abzuwerben.<br />

Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi · 9/09


Beispiel:<br />

Ein Unternehmen sucht dringend einen Senior Produktmanager und beauftragt<br />

einen <strong>Headhunter</strong>. Dieser möchte am liebsten passende Mitarbeiter<br />

der direkten Konkurrenz abwerben. Dazu erstellt er eine Zielfirmenliste aller<br />

Unternehmen, die zudem der seines Kunden organisatorisch ähnlich sind,<br />

sich lokal nahe befinden und eine vergleichbare Produktpalette anbieten.<br />

Als nächstes identifiziert der <strong>Headhunter</strong> die relevanten Arbeitnehmer und<br />

Abteilungen der jeweiligen Firmen. Dazu trägt er zunächst alle frei zugänglichen<br />

Informationen zusammen. Er bedient sich dabei Publikationen,<br />

Patentanmeldungen, Firmenregister, Produktinformationen, Foren,<br />

vor allem jedoch Internetseiten, Web 2.0-Plattformen (z. B. XING). Außerdem<br />

kennt er vielleicht schon einige Beschäftigte der Konkurrenz aus früheren<br />

Suchen. Sie zapft er als Quelle an oder spricht sie direkt auf die zu<br />

besetzende Position beim Wettbewerber an.<br />

4 Die Kontaktaufnahme<br />

Ist dieses Mittel ausgereizt, ruft der <strong>Headhunter</strong> mit konstruierten Geschichten<br />

in der Telefonzentrale des Konkurrenzunternehmens an, um<br />

weitere Daten zu erfahren. Nach etwa einer halben Stunde weiß er, wer<br />

der Senior Produktmanager und die Stellvertreter sind, wie sie organisatorisch<br />

eingegliedert sind, wie die Abteilungen und Positionen heißen und<br />

vieles mehr. Diese Vorgehensweise nennt sich Social Engineering (Mitnick,<br />

2005). Auch Hacker und Wirtschaftsspione setzen sie ein. Die ausgenutzte<br />

Schwachstelle ist die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Mitarbeiter.<br />

Sie sind zu 77 % auf solche „Angriffe“ nicht vorbereitet, da 60 % der<br />

Unternehmen keine Schutzmaßnahmen ergriffen haben (Handelsblatt &<br />

Corporate Trust, 2007).<br />

Der nächste Schritt ist, die Auserwählten direkt am Arbeitsplatz anzusprechen<br />

und telefonisch zu interviewen. Unter einem Vorwand lässt sich der<br />

<strong>Headhunter</strong> dazu mit dem Senior Produktmanager und seinen Stellvertretern<br />

verbinden und spricht sie auf die Position beim Wettbewerber an. Dabei<br />

beschreibt er kurz deren Vorzüge und versucht, einen Gesprächstermin<br />

außerhalb der Arbeitszeit zu bekommen. Dies macht er so lange, bis er einen<br />

Interessenten gefunden hat. Im folgenden telefonischen Interview<br />

stellt er die Vakanz in den schillerndsten Farben dar. Außerdem fragt er<br />

den Senior Produktmanager nach seinen Bedürfnissen, z. B. mehr Geld,<br />

Ansehen oder besserer Standort, und Plänen aus.<br />

Wichtig<br />

Der <strong>Headhunter</strong> versucht, diese Ziele und Wünsche im Gespräch mit der<br />

Position beim Wettbewerber zu verbinden. Nicht selten nutzt er das Gespräch<br />

auch dazu, noch mehr über das Konkurrenzunternehmen herauszufinden.<br />

Ein ernsthaftes Informationsleck ist entstanden. Das kann u. a.<br />

folgende Gründe haben: fehlendes Berichts- und Meldewesen, Organisations-<br />

und Managementprobleme, fehlende Motivation, schlechte emotionale<br />

Bindung der Mitarbeiter, unklare Karrierewege, keine Identifikation<br />

mit der Firma.<br />

5 Erfolgreich abgeworben<br />

Der <strong>Headhunter</strong> war erfolgreich und der beste Mitarbeiter der Abteilung<br />

wird nun von einem Wettbewerber interviewt. Dabei möchte sich der Senior<br />

Produktmanager gut präsentieren und legt u. U. weitere Informationen<br />

und Geheimnisse über die Firma offen. Arbeitet der Wettbewerber mit<br />

mehreren erfolgsabhängigen <strong>Headhunter</strong>n, ist das natürlich eine preiswerte<br />

Informationsquelle, bei der er am Ende noch nicht einmal jemanden<br />

einstellen, also Geld dafür bezahlen muss.<br />

Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi · 9/09<br />

Personalpraxis<br />

Geht der Senior Produktmanager in ein Vorstellungsgespräch, ist es<br />

außerdem bis zur Kündigung nicht mehr weit. Er beginnt sich umzusehen.<br />

Durch die Anrufe ist zudem Unruhe in der Abteilung entstanden, u. U. hat<br />

der <strong>Headhunter</strong> jedes Mal ein maximales Lohnniveau angegeben oder soziale<br />

Bedürfnisse geweckt. Dadurch entstehen mikropolitische Prozesse:<br />

Das Unternehmen wird hinterfragt, die Fluktuation erhöht sich, der Krankenstand<br />

steigt und die Teams arbeiten weniger effektiv (Dick, R. v., Wagner,<br />

U. & Gautam, T., 2002).<br />

Zusammengefasst kann man sagen, der <strong>Headhunter</strong> hat die Firma wie<br />

einen Tresor geknackt, die Mitarbeiter manipuliert und das Unternehmen<br />

u. U. beraubt. Es wird höchste Zeit, wieder die Kontrolle zu übernehmen<br />

und den Mitarbeitern das Recht zu geben, sich nach ihren eigenen Bedürfnissen<br />

zu entwickeln.<br />

6 Äußere und innere Schutzmaßnahmen<br />

Äußere Schutzmaßnahmen dienen vor allem der Informationssicherheit,<br />

vgl. Grafik 1. Je weniger Informationen ein Unternehmen von sich preisgibt<br />

und je schwieriger es für Unbefugte wird, seine Mitarbeiter zu erreichen,<br />

desto weniger Chancen haben auch <strong>Headhunter</strong>.<br />

Innere Schutzmaßnahmen beziehen sich auf die psychologischen Faktoren,<br />

die im Unternehmen wirken. Dazu gehören z. B. Gruppendynamik,<br />

Kommunikation, Führungstechniken, emotionale Bindung der Mitarbeiter<br />

und die Firmenphilosophie. Im Grunde geht es darum, den Arbeitnehmern<br />

die Möglichkeit zu geben, sich intensiver mit ihrer Arbeit zu beschäftigen.<br />

Je ungestörter und harmonischer dabei die Arbeitsatmosphäre ist, desto<br />

produktiver sind sie. Mit gestärkten Immunkräften fällt es leichter, „nein“<br />

zu sagen, besonders wenn man Verlockungen fernhält. Lewin fand 1963<br />

heraus, dass die Triebstärke mit wachsender Entfernung zum Triebobjekt<br />

abnimmt. Und wer jemals abnehmen wollte weiß, dass es besser ist, keine<br />

süßen und fettigen Speisen griffbereit zu haben.<br />

Aber nicht immer nimmt die Belegschaft diese Hilfe gut an. Daher ist es<br />

notwendig, sie möglichst früh auf die Seite des Unternehmens zu bekommen.<br />

Anhand des Sokratischen Dialogs (Goldratt, 1990) sollte die Firma<br />

daher den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, diese Gedanken selbst zu<br />

entwickeln. Dabei ist es vor allem wichtig, die Meinungsmacher der Belegschaft<br />

intensiv zu fördern. Das muss nicht zwangsläufig der Betriebsrat<br />

Schutzmaßnahmen<br />

Schutz von außen<br />

Ihre Kommunikation wird<br />

sicher ohne Informationsverlust.<br />

Schutz von außen<br />

Sie können Informationen<br />

gezielt nach außen geben.<br />

Schutz<br />

von innen<br />

Sie haben wieder die<br />

volle Kontrolle.<br />

Schutz von außen<br />

Schutz von außen<br />

Sie verlieren keine<br />

Zeit durch die<br />

Sicherheitsmaßnahmen.<br />

Grafik 1<br />

523


524<br />

Personalpraxis<br />

sein. Wichtig ist, dass die Beschäftigten von alleine erkennen, dass <strong>Headhunter</strong><br />

Arbeitsplätze vernichten können, indem sie die Lohnspirale für nur<br />

wenige Fach- und Führungskräfte nach oben drehen.<br />

Praxistipp<br />

Bei der Umsetzung der konkreten Maßnahmen darf das Unternehmen<br />

keine psychologischen Faktoren außer Acht lassen. Zu schnelle Veränderungen<br />

oder solche ohne Kommunikation lösen Widerstände und Ängste<br />

aus. Diese wiederum können mitunter drastischer sein als der Effekt, den<br />

ein <strong>Headhunter</strong> hat. Es ist zwar nicht möglich, eingeschränkte Freiheiten<br />

durch Belohnungen wiedergutzumachen (Herzberg, Mausner, Snyderman,<br />

1959). Man kann aber die Wahrnehmung im Vorfeld auf die Belohnung<br />

richten und so den Fokus verändern.<br />

7 Rechtliche Aspekte<br />

In der Praxis gelingen diese Sicherheitsmaßnahmen oftmals nicht vollständig<br />

bzw. sie sind gar nicht erwünscht. Schließlich kann eine gewisse Fluktuation<br />

in manchen Abteilungen durchaus betriebsfördernd sein. Daher sollte man<br />

sich ergänzend bewusst machen, was ein Abwerber in rechtlicher Hinsicht<br />

darf und was nicht. Daraus ergeben sich wichtige Ansatzpunkte für die Gestaltung<br />

des Arbeitsvertrags, um <strong>Headhunter</strong>n das Leben schwer zu machen<br />

und Leistungsträger möglichst effektiv an das Unternehmen zu binden.<br />

Nach gefestigter Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist davon<br />

auszugehen, dass zukünftige Arbeitgeber Mitarbeiter bei ihren bisherigen<br />

Arbeitgebern abwerben dürfen. Jedem Unternehmen bleibt es in einem<br />

auf Wettbewerb angelegten Wirtschaftssystem unbenommen, durch aktives<br />

Abwerben geeigneter Arbeitskräfte die eigene Marktposition zu stärken.<br />

Ebenso muss es jedem Arbeitnehmer gestattet sein, den Arbeitsplatz<br />

zu wechseln und dadurch seine wirtschaftliche Lage und sein berufliches<br />

Fortkommen zu verbessern. Dabei ist es juristisch gesehen unerheblich, ob<br />

der zukünftige Arbeitgeber selbst abwirbt oder dies durch einen <strong>Headhunter</strong><br />

geschieht, den er beauftragt hat.<br />

8 Unzulässiges Abwerben<br />

Unzulässig wird ein Abwerben jedoch, wenn besondere Umstände hinzutreten.<br />

Dies ist insbesondere bei einem wettbewerbswidrigen Verhalten<br />

der Fall. Die übliche Vorgehensweise, den Mitarbeiter am Arbeitsplatz anzusprechen,<br />

ist dabei ein Sonderfall. Sie kann grundsätzlich wettbewerbswidrig<br />

und damit unzulässig sein. Auszugehen ist von der Generalklausel<br />

in § 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Sie ist unter<br />

Berücksichtigung der Beispieltatbestände des § 4 Nr. 10 UWG und des<br />

§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG auszulegen. Laut Bundesgerichtshof (BGH) sind danach<br />

telefonische Abwerbungsversuche eingeschränkt zulässig. Nicht<br />

wettbewerbswidrig ist ein Anruf, bei dem ein Mitarbeiter erstmalig nach<br />

Interesse befragt, die Stelle kurz beschrieben und eine Kontaktmöglichkeit<br />

außerhalb des Unternehmens besprochen wird (BGH, Urt. v. 9.2.2006 –<br />

I ZR 73/02; v. 4.3.2004 – I ZR 221/01, AuA 9/04, S. 54 f.).<br />

Es stellt nach Ansicht des BGH keine erhebliche Störung des Geschäftsbetriebs<br />

dar, wenn der kontaktierte Arbeitnehmer für die Dauer des Telefonats<br />

seine dienstvertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt. Die in Anspruch<br />

genommene Arbeitszeit und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen<br />

der Interessen des Arbeitgebers sind zu vernachlässigen. Unerheblich<br />

ist ebenfalls, ob Festnetz- oder Mobiltelefone genutzt werden. Erst<br />

wenn die Versuche, telefonisch Kontakt aufzunehmen, das aufgezeigte<br />

Maß übersteigen, liegt ein wettbewerbswidriger Abwerbungsversuch vor.<br />

Aus dem erlaubten Abwerben wird schnell ein rechtswidriges, wenn besondere<br />

Umstände hinzutreten, was sich im Wesentlichen aus wettbe-<br />

werbsrechtlichen Aspekten ergibt. Eine Abwerbung durch ein Konkurrenzunternehmen<br />

ist unzulässig, wenn es sie nur durchführt, um Wettbewerber<br />

gezielt zu behindern (Kampfabwerbung), es die Geschäftsgeheimnisse<br />

des Mitbewerbers ausnutzt oder es Mitarbeiter des Wettbewerbers zum<br />

Vertragsbruch verleitet.<br />

Verleiten zum Vertragsbruch<br />

Checkliste 1<br />

Ein Verleiten zum Vertragsbruch kann bereits vorliegen, wenn der Abwerbende<br />

■ eine unrichtige Auskunft erteilt<br />

■ den Umworbenen auffordert, seinen Arbeitsverpflichtungen, die gegenüber<br />

dem alten Arbeitgeber noch bis zur Beendigung des Arbeitsvertrags<br />

bestehen, vorzeitig nicht mehr nachzukommen<br />

■ sich bereiterklärt, etwaige Vertragsstrafen zu übernehmen<br />

■ unsachliche Abwerbungspraktiken anwendet (z. B. unzulässig das fremde<br />

Betriebsgelände betritt)<br />

■ sich herabsetzend über den derzeitigen Arbeitgeber äußert<br />

■ irreführende oder täuschende Angaben zur Aufgabe des Arbeitsverhältnisses<br />

macht (z. B. dass der Umworbene frei darin ist, sich vertraglich an<br />

den neuen Arbeitgeber zu binden, obwohl sein Arbeitsvertrag eine Ausschließlichkeitsklausel<br />

enthält)<br />

Zulässig ist allerdings, dass der Abwerbende dem Umworbenen dabei<br />

hilft, eine ordentliche Kündigung zu verfassen.<br />

Wichtig<br />

Unzulässige Abwerbungen eröffnen dem geschädigten Unternehmen gegenüber<br />

dem Wettbewerber Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche.<br />

Davon unabhängig ergeben sich auch gegen den betreffenden Arbeitnehmer<br />

Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche, wenn er seine<br />

arbeitsvertraglichen Treuepflichten verletzt hat. Es ist überdies möglich, im<br />

Arbeitsvertrag Vertragsstrafen zu vereinbaren, die ein derartiges treuwidriges<br />

Verhalten sanktionieren.<br />

9 Konsequenzen für die Abwehr<br />

Für die Personalpraxis ergeben sich damit wichtige Ansatzpunkte, um<br />

Mitarbeiter zu binden und Abwerbungsversuche erheblich zu erschweren:<br />

❯ eine Identifikationsfigur reicht völlig aus (z. B. Apple – Steve Jobs)<br />

❯ niemals und in keinem Medium die Mitarbeiterstruktur, Namen oder<br />

Positionen der einzelnen Mitarbeiter nach außen kommunizieren<br />

❯ im Arbeitsvertrag regeln, dass die genaue Position und die Tätigkeit<br />

vertraulich sind (selbstverständlich gilt das nicht, wenn der Mitarbeiter<br />

im privaten Umfeld über seine grundsätzlichen Aufgaben redet)<br />

Praxistipp<br />

Derartige Verschwiegenheitsvereinbarungen finden sich regelmäßig zum<br />

Gehalt. Es ist ohne Weiteres möglich, sie auf die Position und die Tätigkeit<br />

auszudehnen. Stößt ein <strong>Headhunter</strong> dennoch auf einen auskunftswilligen<br />

Mitarbeiter, sollte das Unternehmen prüfen, ob er dabei Betriebsgeheimnisse<br />

verletzt hat. Das macht den Abwerbeversuch unzulässig.<br />

Wegen des Grundsatzes der Berufsfreiheit aus Art. 12 Grundgesetz ist es<br />

nicht möglich, dem Mitarbeiter arbeitsrechtlich zu untersagen, mit dem<br />

<strong>Headhunter</strong> Kontakt aufzunehmen oder ihn zu verpflichten, derartige Abwerbeversuche<br />

zu melden. Unbedenklich dürfte jedoch eine vertragliche<br />

Regelung sein, wonach der Arbeitnehmer eine Prämie erhält, wenn er ei-<br />

Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi · 9/09


nen solchen Versuch anzeigt. Das verursacht zwar Kosten, erhöht jedoch<br />

die Wahrscheinlichkeit, einen <strong>Headhunter</strong>angriff zu erkennen. Außerdem<br />

schafft es Bewusstsein und Raum für etwaige juristische Schritte.<br />

Unternehmen können zwar Verstöße ihrer Mitarbeiter gegen die arbeitsrechtlichen<br />

Treupflichten durch Vertragsstrafen und/oder pauschalierten<br />

Schadensersatz sanktionieren. Bestrafung wirkt jedoch psychologisch<br />

schlechter als Belohnung. Will ein Arbeitgeber dennoch nicht darauf verzichten,<br />

sollte er darauf achten, dass beide Seiten die Regeln unterschreiben<br />

und sie fair einhalten. Wichtig ist, niemanden zu stigmatisieren sowie<br />

sofort und angemessen zu handeln. Dabei gilt es, alle Maßnahmen transparent<br />

und konsequent durchzuführen.<br />

Die Regelungen vereinfachen es aber nicht nur dem Arbeitgeber, Ansprüche<br />

gegenüber untreuen Mitarbeitern geltend zu machen. Sie können<br />

auch die Bereitschaft des Arbeitnehmers reduzieren, den Arbeitsplatz zu<br />

wechseln oder überhaupt einem <strong>Headhunter</strong> länger zuzuhören. Außerdem<br />

schaffen sie die Voraussetzungen, dass Abwerbungen unzulässig werden.<br />

Abwehrmaßnahmen können nicht nur mit deutlichen Kosten verbunden<br />

sein, sondern es besteht auch die Gefahr nicht unerheblicher Widerstände<br />

und Komplikationen seitens der Belegschaft. Daher sollten Unternehmen<br />

sowohl psychologische als auch juristische Experten konsultieren, um den<br />

Erfolg langfristig zu sichern.<br />

10 Fazit<br />

Wer sorgfältig und umsichtig die Arbeitsverträge gestaltet und fundierte<br />

Maßnahmen ergreift, um die Informationen zu sichern, reduziert Abwerbungen<br />

durch <strong>Headhunter</strong>. Unternehmen schaffen dadurch Rechtstatsachen<br />

und Barrieren, die sowohl der Arbeitnehmer als auch der <strong>Headhunter</strong><br />

nicht überbrücken können, ohne dass aus einer zulässigen Abwerbung<br />

eine rechtswidrige wird, respektive der Aufwand vertretbar wäre.<br />

Über den endgültigen Erfolg entscheiden aber vor allem psychologische<br />

Faktoren. Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter respektieren. Wichtig ist,<br />

dass es ihnen wirklich darum geht, bessere Arbeitsplätze zu schaffen, in denen<br />

sich die Beschäftigten in ihrer Leistungsfähigkeit präsentieren können.<br />

<strong>Headhunter</strong>-Abwehr<br />

Telefon<br />

Empfang<br />

Internet<br />

Meldewege<br />

Berichtswesen<br />

Publikationen<br />

Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi · 9/09<br />

Messen<br />

Print<br />

externe<br />

Kommunikation<br />

interne<br />

Kommunikation<br />

Visitenkarte<br />

Compliance/<br />

Anti-Fraud Corporate<br />

Governance<br />

Wettbewerbssituation<br />

<strong>Headhunter</strong>-<br />

Abwehr<br />

Leadership<br />

Arbeitsmarktp<br />

Reaktanzreduktion<br />

Abwehrmaßnahmen im eigenen Unternehmen<br />

Personalpraxis<br />

Checkliste 2<br />

■ Schaffen Sie klare Strukturen und klare Kommunikation.<br />

■ Jede Aktion muss zwingend mit einer Reaktion verbunden sein.<br />

■ Schaffen Sie Bewusstsein, nutzen Sie natürliche Konkurrenz und kommunizieren<br />

Sie ein positives Selbstbild in Bezug zu Wettbewerbern.<br />

■ Das Nutzen von Vornamen schafft Vertrauen und verhindert Informationsabfluss.<br />

■ Personalentwicklung, Informationssicherheit und Rekrutierung sind Hardfacts.<br />

Achten Sie daher auf die Expertise und akademische Ausbildung<br />

Ihrer Berater und verteilen Sie Schlüsselaufgaben.<br />

■ Lassen Sie Ihre Mitarbeiter selbst auf die nötigen Ideen kommen und<br />

bedienen Sie sich dazu der Sympathieträger und Meinungsbildner.<br />

■ Arbeitsrechtliche Aspekte sind in jeder Phase eines Organisationslebens<br />

wichtig – nicht bloß am Anfang und Ende.<br />

■ Unterschätzen Sie auf keinen Fall die Komplexität der <strong>Headhunter</strong>-Abwehr,<br />

vgl. Grafik 2.<br />

■ Sprechen Sie in jedem Meeting über Ihre Beziehungen und versuchen Sie,<br />

die Interessen der Arbeitnehmer kennen zu lernen.<br />

■ Schaffen Sie die Position eines „Datenleck-Beauftragten“, der regelmäßig<br />

Internet und Publikationen überprüft.<br />

■ Seien Sie vorsichtig bei pauschalierten Schadensersatzansprüchen und<br />

Vertragsstrafen. Das sind Allgemeine Geschäftsbedingungen, die einer<br />

Normenkontrolle unterliegen. Sollte eine Regelung nicht standhalten, etwa<br />

weil die Vertragsstrafe zu hoch angesetzt ist, entfällt diese ganz.<br />

■ Binden Sie wichtige Beschäftigte durch lange Kündigungsfristen. Eine Verlängerung<br />

der Kündigungsfrist ist nach § 622 Abs. 6 BGB möglich, aber<br />

nur, wenn die neue Frist auch für Sie als Arbeitgeber gilt.<br />

■ Erschweren Sie besonders wichtigen Mitarbeitern einen Wechsel zu Mitbewerbern<br />

durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gemäß §§ 74 ff.<br />

Handelsgesetzbuch. Es ist aber nur zulässig, wenn Sie gleichzeitig eine angemessene<br />

Karenzentschädigung vereinbaren. Heben Sie das Verbot nicht<br />

im Nachhinein auf, um die Kommunikation klar zu halten. Setzen Sie dieses<br />

Mittel sehr sparsam ein, denn es beinhaltet organisationspsychologischen<br />

Sprengstoff!<br />

personelle<br />

Struktur der FK<br />

aktive<br />

<strong>Headhunter</strong><br />

organisationale<br />

Faktoren<br />

psychologische<br />

Faktoren<br />

Turn-over<br />

Intention<br />

Dienstanweisungen<br />

Arbeitsverträge<br />

Restructuring<br />

Corporate<br />

philosophy<br />

legal<br />

Litigation<br />

Betriebsklima<br />

Commitment/<br />

Identifikation<br />

Mitarbeiterentwicklung<br />

Grafik 2<br />

525

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