Hausärzte warnen: Grundver- sorgung gefährdet! - Gesellschaft der ...
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Hausärzte warnen: Grundver- sorgung gefährdet! - Gesellschaft der ...
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In <strong>der</strong> Diskussion um<br />
das Gesundheitswesen<br />
erklingt heute oft <strong>der</strong><br />
Ruf nach marktwirtschaftlichen<br />
Regeln.<br />
Dies vor allem in <strong>der</strong><br />
Absicht, zu Gunsten<br />
<strong>der</strong> Krankenkassen<br />
Geld zu sparen.<br />
Jahrzehntelang hat<br />
man <strong>der</strong> westlichen<br />
Medizin vorgeworfen,<br />
rein wissenschaftlichmechanistisch<br />
zu denken.<br />
Man hat lautstark<br />
die Rückkehr zu einer<br />
«patientenbezogenen<br />
Medizin» propagiert.<br />
Patient und Arzt<br />
als Markt?<br />
Und jetzt will die Politik<br />
das Gesundheitswesen<br />
ausgerechnet auf die<br />
Basis eines mechanistisch-marktwirtschaftlichen<br />
Systems stellen,<br />
das in erster Linie auf<br />
finanzieller Effizienz<br />
beruht?<br />
Das Verhältnis zwischen<br />
Patient und Arzt<br />
ist kein marktwirt-<br />
Politik + Patient<br />
Nummer 1/06 2. Jahrgang Herausgeber: Verein Politik + Patient Postfach 3000 Bern 8<br />
unterstützt von den Ärztegesellschaften <strong>der</strong> Deutschschweiz<br />
Verantwortlich für die Redaktion: Peter Jäger, Marco Tackenberg<br />
Krankenkassen und Datenschutz<br />
Eine gefährliche Liebschaft<br />
Die Krankenkassen in <strong>der</strong> Schweiz bearbeiten sehr sensible Daten. Angaben<br />
über die eigene Gesundheit o<strong>der</strong> die Intimsphäre gelten als beson<strong>der</strong>s schützenswert<br />
im Sinne des eidgenössischen Datenschutzgesetzes.<br />
Lässt sich ein Patient beim Arzt behandeln,<br />
so stellt dieser nach Abschluss <strong>der</strong><br />
Behandlung Rechnung. Der Patient<br />
kontrolliert die Rechnung und leitet sie<br />
zur Rückvergütung an die Krankenkasse<br />
weiter. Dieses Abrechnungssystem<br />
schützt das Patientengeheimnis.<br />
Sie ist im Krankenversicherungsgesetz<br />
als Normalfall vorgesehen. Man nennt<br />
dieses System auch «Tiers Garant».<br />
Lediglich in diesem Abrechnungssystem<br />
haben die Patientin o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Patient die Möglichkeit, Daten zurück<br />
zu halten und (aus Diskretionsgründen)<br />
auf eine Rückerstattung durch die<br />
Krankenkasse zu verzichten.<br />
In einigen wenigen Kantonen (Uri, St.<br />
Gallen, Graubünden und Glarus) gilt<br />
ein an<strong>der</strong>er Abrechnungsmodus, <strong>der</strong><br />
sogenannte «Tiers Payant». Dort geht die Rechnung mit<br />
allen Details an den Krankenversicherer und wird von<br />
diesem direkt bezahlt. Der Patient erhält lediglich eine<br />
Kopie. Einige Krankenkassen propagieren dieses<br />
System. Als Argument schieben sie die Bequemlichkeit<br />
<strong>der</strong> Patienten vor. Tatsächlich aber wollen die Krankenkassen<br />
ihren Einfluss auf die medizinische Behandlung<br />
vergrössern. Wer aber soll im Krankheitsfall über die<br />
medizinische Behandlung entscheiden? Der Patient<br />
Einige Krankenkassen nehmen es mit dem Datenschutz nicht sehr genau.<br />
Immer wie<strong>der</strong> muss <strong>der</strong> eidgenössische Datenschützer intervenieren.<br />
muss die Gewissheit haben, dass er zusammen mit dem<br />
Arzt über die Behandlung entscheidet – und nicht die<br />
Krankenkasse.<br />
Aus Sicht <strong>der</strong> Patienten und dem Schutz ihrer Daten ist<br />
daher vorzuziehen, dass zuerst die Patientin o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Patient die Arztrechnung erhält. Enthält die Rechnung<br />
zum Beispiel persönliche Daten zu psychischen Störungen<br />
o<strong>der</strong> Geschlechtskrankheiten, so kann <strong>der</strong> Patient<br />
schaftliches. Die gewinnorientierte<br />
freie<br />
Marktwirtschaft kennt<br />
grundsätzlich keine<br />
soziale Rücksichtnahme.Gesetzgeberische<br />
Massnahmen werden<br />
niemals ausreichen,<br />
dieses Manko zu<br />
kompensieren. Patient<br />
und Arzt bilden keinen<br />
«Markt»!<br />
Das Arbeitsbündnis zwischen<br />
Patient und Arzt<br />
Die schweizerische Politik<br />
droht in das heikle Verhältnis<br />
zwischen<br />
Patient<br />
und Arzt<br />
einzugreifen.<br />
Die<br />
Krankenkassen sollen als<br />
«Preisvogt» zwischen Patient<br />
und Behandler geschoben<br />
werden.<br />
Generika – Heilmittel zur<br />
Kostendämpfung?<br />
Mehr Generika statt Originalpräparate:<br />
die Politik erhöht<br />
den Druck<br />
auf die<br />
Patienten<br />
via Selbstbehalt<br />
auf<br />
den Medikamenten. Was aber<br />
sind Generika?<br />
«Ich will meinen Arzt<br />
selber wählen.»<br />
Die freie Arztwahl hat für die<br />
Schweizer Bevölkerung einen<br />
grossen<br />
Stellenwert.<br />
Die<br />
Psychologie<br />
spielt<br />
nämlich eine wesentliche<br />
Rolle in <strong>der</strong> Beziehung zwischen<br />
Patient und Arzt und<br />
wirkt sich auf den Heilungsprozess<br />
aus.<br />
Göschenen sucht Hausarzt<br />
– ein Einzelfall?<br />
Nein! Denn: es wird immer<br />
schwieriger, Nachfolger für<br />
Hausarztpraxen zu finden.<br />
Weil damit die <strong>Grundver</strong><strong>sorgung</strong><br />
<strong>gefährdet</strong> ist, sammeln<br />
die Hausärztinnen und<br />
<strong>Hausärzte</strong> Unterschriften für<br />
eine Petition gegen die<br />
Schwächung <strong>der</strong> Hausarztmedizin.
immer noch selber entscheiden,<br />
ob er seiner<br />
Krankenkasse die Rechnung<br />
zur Rückvergütung<br />
schicken will.<br />
Patientendaten<br />
in falschen Händen<br />
Einige Krankenkassen<br />
nehmen es mit dem Datenschutz<br />
nicht sehr genau.<br />
Im Januar dieses Jahres<br />
machte <strong>der</strong> «Beobachter»<br />
(2-2006) öffentlich,<br />
wie die Krankenkasse<br />
CSS vertrauliche Patientendaten<br />
und -fotos Hun<strong>der</strong>ten<br />
von Mitarbeitern<br />
zugänglich macht. Mehr<br />
als 10'000 Patientinnen<br />
und Patienten stellen<br />
jährlich via Hausarzt ein<br />
Gesuch um Kostengutsprache<br />
an einen Vertrauensarzt<br />
<strong>der</strong> CSS. Diese<br />
Patienten müssen damit<br />
rechnen, dass ihre intimen<br />
medizinischen Angaben<br />
Mitarbeitern <strong>der</strong> CSS<br />
Zitat<br />
«Bekanntlich verfügt<br />
die Schweiz<br />
über eines <strong>der</strong><br />
besten Gesundheitssysteme,<br />
das<br />
für alle einen sehr<br />
einfachen Zugang<br />
zu einer ärztlichen<br />
Ver<strong>sorgung</strong> auf<br />
höchstem Niveau<br />
gewährleistet.»<br />
Beat Ochsner, Verwaltungsrat<br />
santésuisse, in:<br />
infosantésuisse Nr. 12 Dez.<br />
2005<br />
Dieser einfache Zugang zu<br />
den medizinisch notwendigen<br />
Leistungen ist sehr<br />
wertvoll. In den USA z.B.<br />
leben Millionen Menschen<br />
ohne Versicherungsschutz.<br />
Das schweizerische System<br />
ist hier klar überlegen,<br />
bei gleichzeitig wesentlich<br />
geringeren Kosten.<br />
zugänglich sind, welche<br />
diese nichts angehen.<br />
Sekretärinnen o<strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
<strong>der</strong> Administration<br />
haben z.B. Zugang zu<br />
HIV-Diagnosen, Fotos<br />
mit nackten Genitalien<br />
o<strong>der</strong> Angaben über psychische<br />
Krankheiten.<br />
Überhaupt pflegen die<br />
Krankenkassen einen laschen<br />
Umgang mit Pa-<br />
tientendaten. Wie<strong>der</strong>holt<br />
mussten in den vergangenen<br />
Jahren die kantonalen<br />
Datenschutzbeauftragten<br />
und <strong>der</strong> eidgenössische<br />
Datenschützer bei den<br />
Krankenversicherern intervenieren,<br />
weil sie Bestimmungen<br />
des Datenschutzes<br />
verletzten.<br />
Zur Zeit for<strong>der</strong>t santésuisse,<br />
<strong>der</strong> Dachverband <strong>der</strong><br />
Rechnung geht an den Patienten<br />
(Fachausdruck Tiers garant)<br />
Arzt<br />
Patient<br />
Krankenkasse<br />
Der Patient kontrolliert die Rechnung und leitet sie zur<br />
Rückvergütung an die Krankenkasse weiter. Dieses<br />
Abrechnungssystem schützt das Patientengeheimnis.<br />
Krankenkassen in <strong>der</strong><br />
Schweiz, dass Ärztinnen<br />
und Ärzte ihre Patientenrechnungen<br />
den Krankenkassen<br />
elektronisch<br />
abliefern sollen. Noch ist<br />
aber nicht gesichert, dass<br />
die Krankenversicherer<br />
die Einhaltung des Datenschutzes<br />
garantieren<br />
können. Nicht gerade<br />
vertrauensför<strong>der</strong>nd sind<br />
die Angaben, die santé-<br />
suisse zum Thema Datenschutz<br />
auf ihrer Website<br />
macht: «Diagnoseangabe<br />
auf TARMED-Rechnungen:<br />
Krankenversicherer<br />
finden die Auslegungen<br />
des Datenschützers wenig<br />
praktikabel» – so <strong>der</strong><br />
lakonische Beitrag unter<br />
<strong>der</strong> Rubrik Datenschutz<br />
(Stand 06.02.06).<br />
Generika, Heilmittel zur Kostendämpfung?<br />
Bundesrat Pascal Couchepin hat entschieden, ab 1. Januar 2006 Generika mit einem Selbstbehalt<br />
von 10 Prozent, Originalmedikamente hingegen mit 20 Prozent zu belegen. Davon<br />
erhofft er sich eine kostendämpfende Wirkung für das Gesundheitswesen.<br />
Mehr Generika statt Originalpräparate: die Politik<br />
erhöht den Druck auf die Patienten via Selbstbehalt auf<br />
den Medikamenten! Wer sich künftig ohne – vom Arzt<br />
bescheinigte – medizinische Begründung Originalpräparate<br />
statt Generika verschreiben lässt, muss einen<br />
Selbstbehalt von 20 Prozent bezahlen – bisher lag dieser<br />
bei 10 Prozent. Was aber sind Generika?<br />
Für die Entwicklung von Medikamenten sind oft teure<br />
und aufwändige Forschungsarbeiten erfor<strong>der</strong>lich. Deshalb<br />
werden neue Wirkstoffe während 15 Jahren durch<br />
ein Patent geschützt. Sobald dieser Patentschutz<br />
abläuft, dürfen auch an<strong>der</strong>e Pharmafirmen Medikamente<br />
mit dem selben Wirkstoff unter an<strong>der</strong>em Namen<br />
auf den Markt bringen: so genannte Generika o<strong>der</strong><br />
Nachfolgemedikamente.<br />
Gleichwertig und austauschbar<br />
Generika sind gleichwertig in Bezug auf Wirkstoff, Art<br />
<strong>der</strong> Anwendung und Anwendungsgebiet sowie qualitative<br />
Kriterien. In diesem Sinne können Originalpräparate<br />
durch Generika ausgetauscht werden. Da sie<br />
sich aber oft in Form, Farbe und Verpackung vom Originalpräparat<br />
unterscheiden, kann dies die Patienten<br />
verunsichern. Generika unterscheiden sich aber auch in<br />
<strong>der</strong> Verarbeitung (an<strong>der</strong>e pharmazeutische Aufbereitung,<br />
an<strong>der</strong>e zugefügte Hilfsstoffe), was zu Unverträglichkeiten<br />
führen kann. Darum muss <strong>der</strong> behandelnde<br />
Arzt entscheiden, ob ein Generikum verwendet werden<br />
Rechnung geht an Krankenkasse<br />
(Fachausdruck Tiers payant)<br />
Arzt<br />
Krankenkasse<br />
Patient<br />
Bei diesem System geht die Arztrechnung des Patienten<br />
(mit Details zu seiner Krankengeschichte!) direkt an die<br />
Krankenkasse. Dies ist problematisch wegen dem<br />
Patientengeheimnis.<br />
kann o<strong>der</strong> aus medizinischen Gründen das Originalpräparat<br />
beibehalten werden muss.<br />
Kostendämpfende Wirkung?<br />
Generika sind in <strong>der</strong> Regel etwa 20 bis 30% billiger als<br />
Originalpräparate. Deshalb erhofft man sich eine<br />
Kostensenkung im Medikamentensektor. Interessant ist<br />
die Tatsache, dass ein Generikum meist auch beim Originalpräparat<br />
zu einem Preisrückgang führt. Oft ist die<br />
Preisdifferenz zum Original dann nur noch klein.<br />
Von Generika erhofft man sich Spareffekte – viele Patienten<br />
aber zeigen sich verunsichert.
Das Arbeitsbündnis<br />
zwischen Patient und Arzt<br />
Die beiden Soziologen Ulrich Oevermann und Talcott Parsons haben sich<br />
intensiv mit dem Verhältnis zwischen Patient und Arzt auseinan<strong>der</strong>gesetzt.<br />
Beide kommen sie zum Schluss, dass es hier um weit mehr als eine<br />
«geschäftliche» Beziehung geht.<br />
Der Patient ist nicht nur <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> seinem Arzt<br />
einen Auftrag erteilt (auch wenn das aus juristischer<br />
Sicht so definiert wird). Und <strong>der</strong> Arzt ist nicht nur <strong>der</strong>jenige,<br />
<strong>der</strong> auf dem Markt «Gesundheitswesen» seine<br />
Dienstleistung anbietet, die dann vom Patienten konsumiert<br />
wird (auch wenn dies aus ökonomischer Sicht<br />
so scheinen mag).<br />
In <strong>der</strong> Arzt/Patienten-Beziehung ist <strong>der</strong> Patient vor<br />
allem darauf angewiesen, dass er eine integre und fachlich<br />
kompetente Person findet. Er will seiner Ärztin<br />
o<strong>der</strong> seinem Arzt vertrauen können. Darum ist es wichtig,<br />
dass diese Person einzig und allein das Interesse des<br />
Patienten im Auge hat. Dieses Interesse des Patienten<br />
muss den eigenen Interessen, und seien sie auch materieller<br />
Natur, übergeordnet sein.<br />
Das «Arbeitsbündnis», das gemäss Oevermann zwischen<br />
Patient und Arzt entsteht, schliesst auch aus, dass<br />
Dritte darauf Einfluss nehmen. So ist es insbeson<strong>der</strong>e<br />
undenkbar, dass Versicherer versuchen, Therapieentscheide<br />
des Arztes in fachlicher Hinsicht zu beeinflussen<br />
o<strong>der</strong> ihn gar zu Entscheiden zu nötigen, die nicht<br />
medizinisch, son<strong>der</strong>n finanziell motiviert sind.<br />
In <strong>der</strong> Arzt-/Patienten-Beziehung dürfen Therapieentscheide<br />
des Arztes nicht von Dritten – zum Beispiel Versicherern<br />
– beeinflusst werden.<br />
Tanz um das goldene Kalb<br />
Die Schweiz verfügt über ein qualitativ hochstehendes,<br />
effizientes, aber auch teures Gesundheitswesen. Im internationalen<br />
Vergleich gibt die Schweiz für ihr Gesundheitswesen<br />
weniger aus als die USA, praktisch<br />
gleich viel wie Deutschland und etwa 10 Prozent mehr<br />
als Län<strong>der</strong> wie Belgien, Frankreich o<strong>der</strong> Kanada.<br />
Die «Hochpreisinsel Schweiz» – hohe Preise, hohe<br />
Schweiz<br />
Lebenserwartung Männer 77,8<br />
Lebenserwartung Frauen 83,0<br />
Kosten des Gesundheitswesens in % des BIP 10,7<br />
Praktizierende Ärzte je 100’000 Einwohner 362<br />
Krankenhäuser:<br />
Betten je 100’000 Einwohner (Basis 2001) 596,1<br />
Nie<strong>der</strong>lande<br />
Lebenserwartung Männer 76,0<br />
Lebenserwartung Frauen 80,7<br />
Kosten des Gesundheitswesens in % des BIP 8,1<br />
Praktizierende Ärzte je 100’000 Einwohner 315<br />
Krankenhäuser:<br />
Betten je 100’000 Einwohner 471,7<br />
USA<br />
Lebenserwartung Männer 74,1<br />
Lebenserwartung Frauen 79,7<br />
Kosten des Gesundheitswesens in % des BIP (2000) 13,0<br />
Praktizierende Ärzte je 100’000 Einwohner (2002) ...<br />
Krankenhäuser:<br />
Betten je 100’000 Einwohner (2000) 362,1<br />
Deutschland<br />
Lebenserwartung Männer 75,4<br />
Lebenserwartung Frauen 81,2<br />
Kosten des Gesundheitswesens in % des BIP (2000) 10,6<br />
Praktizierende Ärzte je 100’000 Einwohner (2000) 336<br />
Krankenhäuser:<br />
Betten je 100’000 Einwohner (2001) 901,9<br />
Quelle: Bundesamt für Statistik<br />
Löhne – ist heute in aller Munde. Ehrlicherweise wird<br />
man nicht erwarten dürfen, dass ausgerechnet das<br />
Gesundheitswesen billiger sein soll als es in den Nachbarlän<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> Fall ist. Mit ihren Kostensteigerungen<br />
im Gesundheitswesen ist die Schweiz auch kein Son<strong>der</strong>fall.<br />
Es geht ihr gleich wie den an<strong>der</strong>en Industrielän<strong>der</strong>n:<br />
Auch dort werden die Leute älter, auch dort wollen<br />
alle von den Errungenschaften <strong>der</strong> Medizin profitieren,<br />
Krankheiten geheilt und Lebensqualität erhalten<br />
haben.<br />
Die schweizerische Politik droht heute in das heikle<br />
Verhältnis zwischen Patient und Arzt einzugreifen. Die<br />
Krankenkassen sollen als «Preisvogt» zwischen Patient<br />
und Behandler geschoben werden. Dass sich dies we<strong>der</strong><br />
mit Blick auf die Qualität <strong>der</strong> Medizin noch im Hinblick<br />
auf die Kosten auszahlen wird, ist offensichtlich.<br />
Erste Schweizer<br />
Ärztedemo am 1. April 2006<br />
angekündigt<br />
<strong>Hausärzte</strong><br />
<strong>warnen</strong>:<br />
<strong>Grundver</strong><strong>sorgung</strong><br />
<strong>gefährdet</strong>!<br />
Die <strong>Grundver</strong>sorger sammeln<br />
Unterschriften für eine<br />
Petition gegen die Schwächung<br />
<strong>der</strong> Hausarztmedizin<br />
und den drohenden <strong>Hausärzte</strong>mangel.<br />
Die Petition soll<br />
am 1. April 2006 anlässlich<br />
einer Grosskundgebung im<br />
Bundeshaus überreicht<br />
werden.<br />
Immer wie<strong>der</strong> wird von den<br />
Politikern die Wichtigkeit<br />
<strong>der</strong> Hausarztmedizin betont<br />
und <strong>der</strong>en Stärkung verlangt.<br />
Doch das Gegenteil wird<br />
gemacht: als Folge <strong>der</strong> vermeintlichenKostensenkungsmassnahmen<br />
durch<br />
den Bundesrat werden<br />
Dienstleistungen (Labor)<br />
abgebaut und Arbeitsstellen<br />
von Praxispersonal und Lehrstellen<br />
<strong>gefährdet</strong>. Die<br />
Attraktivität des Hausarztberufes<br />
sinkt dadurch weiter.<br />
Dabei zeichnet sich bereits<br />
heute ein Mangel an Hausarztpraxen<br />
ab.<br />
Mit einer Petition und einer<br />
Grosskundgebung am<br />
1. April 2006 in Bern, an <strong>der</strong><br />
die Petition im Bundeshaus<br />
überreicht werden soll,<br />
wollen Ärztinnen und Ärzte<br />
zusammen mit ihren Patienten<br />
ein sichtbares Zeichen<br />
setzen.<br />
Petitionstext, Unterschriftenformulare<br />
und Flyers für die<br />
Patienten können unter<br />
http://www.sgam.ch<br />
heruntergeladen werden.
«Ich will meinen Arzt<br />
selber wählen.»<br />
In <strong>der</strong> Beziehung zwischen Patient und Arzt geht es um<br />
das Gesundwerden, um Lebensqualität und letztlich um<br />
Sterben und Tod. Die in solchen Prozessen dem Patienten<br />
abverlangten Entscheidungen bedingen, dass er zu seinem<br />
Arzt grosses Vertrauen hat. Der Patient muss sich darauf<br />
verlassen können, dass seine Ärztin o<strong>der</strong> sein Arzt einzig<br />
und allein in seines, des Patienten, Interesse handelt.<br />
In <strong>der</strong> Schweiz kürzlich<br />
durchgeführte Untersuchungen<br />
haben gezeigt, dass<br />
die Bevölkerung nicht willens<br />
ist, auf die freie Arztwahl<br />
zu verzichten. Auch<br />
die Wahl <strong>der</strong> Therapie und<br />
allenfalls des Spitals will sie<br />
sich vorbehalten.<br />
Freie Arztwahl hilft heilen<br />
Die Beziehung zwischen<br />
Patient und Arzt beruht<br />
nicht nur auf vernünftigen<br />
Gegebenheiten. Die Psychologie<br />
spielt eine wesentliche<br />
Rolle, und zwar auf<br />
beiden Seiten.<br />
So weiss man, dass ein<br />
erheblicher Teil <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
Medizin erzielten Heilungserfolge<br />
medizinisch kaum<br />
erklärbar ist, son<strong>der</strong>n eben<br />
auf psychologischen Vorgängen<br />
beruht. Ein bekann-<br />
tes Beispiel dafür ist die<br />
Wirkung von Schein-Medikamenten<br />
(sogenannten<br />
Placebos), die überhaupt<br />
keinen Wirkstoff enthalten.<br />
Werden Placebos ohne Wissen<br />
<strong>der</strong> Patienten eingesetzt,<br />
können sie durchaus die<br />
gleiche Wirkung erzielen<br />
wie «echte» Medikamente.<br />
Die intensive Wechselwirkung<br />
zwischen Patient und<br />
Medizin zeigt sich auch in<br />
<strong>der</strong> Faszination, welche die<br />
sogenannte Komplementärmedizin<br />
auf die Menschen<br />
ausübt. Viele ihrer<br />
Bereiche sind nicht in den<br />
uns vertrauten Wissenschaften<br />
angesiedelt. Sie wurzeln<br />
im Denken und in den<br />
Erfahrungen uns frem<strong>der</strong><br />
Kulturen. Einige enthalten<br />
magische Elemente. Wenn<br />
die freie Arztwahl für die<br />
Patienten einen so grossen<br />
Stellenwert hat, so wohl<br />
nicht zuletzt auch deshalb,<br />
weil sie spüren, dass sie nur<br />
mit Hilfe einer Person ihres<br />
Vertrauens gesund werden<br />
können<br />
Patient und Arzt bilden<br />
keinen «Markt»<br />
In <strong>der</strong> heutigen Diskussion<br />
um das Gesundheitswesen<br />
wird versucht, vermehrt<br />
marktwirtschaftliche Regeln<br />
einzuführen – dies vor<br />
allem in <strong>der</strong> Absicht, zu<br />
Gunsten <strong>der</strong> Krankenkassen<br />
Geld zu sparen. Nachdem<br />
man <strong>der</strong> westlichen<br />
Medizin jahrzehntelang<br />
wissenschaftlich-mechanistisches<br />
Denken vorgeworfen<br />
und die Rückkehr zu<br />
einer «patientenbezogenen<br />
Die Psychologie spielt eine wesentliche Rolle in <strong>der</strong> Beziehung<br />
zwischen Patient und Arzt. Sie wirkt sich auf den<br />
Heilprozess aus.<br />
Medizin» propagiert hat,<br />
will die Politik nun das Gesundheitswesenausgerechnet<br />
auf die Basis eines<br />
mechanistisch-marktwirtschaftlichen<br />
Systems stellen,<br />
das in erster Linie auf finanzieller<br />
Effizienz beruht.<br />
Dabei wird nicht nur übersehen,<br />
dass das Verhältnis<br />
zwischen Patient und Arzt<br />
kein marktwirtschaftliches<br />
ist. Die gewinnorientierte<br />
freie Marktwirtschaft kennt<br />
grundsätzlich keine soziale<br />
Rücksichtnahme. Gesetzgeberische<br />
Massnahmen<br />
werden niemals ausreichen,<br />
dieses Manko zu kompensieren.<br />
Die Patientinnen und<br />
Patienten tun gut daran, am<br />
Prinzip «Ich wähle meinen<br />
Arzt selber» festzuhalten.