Privatpostanstalten und Boten-Einrichtungen 1860 bis 1945
Privatpostanstalten und Boten-Einrichtungen 1860 bis 1945
Privatpostanstalten und Boten-Einrichtungen 1860 bis 1945
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<strong>Privatpostanstalten</strong> <strong>und</strong> <strong>Boten</strong>-<strong>Einrichtungen</strong> <strong>1860</strong> <strong>bis</strong> <strong>1945</strong><br />
Horst Müller – seit 1983 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Privatpost-Merkur im BDPh e.V.,<br />
Verfasser des MICHEL-Spezialkatalogs der deutschen Privatpostmarken, Herausgeber der<br />
Zeitschriften Privatpost (für private Postbeförderung vor 1995) <strong>und</strong> Merkur-Briefe (für private<br />
Postbeförderung nach 1995) sowie zahlreicher Sonderschriften. – Anschrift: Postfach 5030, 58428<br />
Witten, Tel/Fax: 02302 80930<br />
Die Ortsbriefbeförderung <strong>bis</strong> ca. Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
Die Ortsbriefbeförderung war <strong>bis</strong> etwa Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts überwiegend private<br />
Angelegenheit, die Post beförderte nur von einem Ort zum andern. – Die erste staatliche<br />
Stadtposteinrichtung in Deutschland wurde 1827 in Berlin eingerichtet. Wenige andere große<br />
Städte folgten <strong>bis</strong> 1850. Erst dann folgten nach <strong>und</strong> nach weitere Orte, <strong>bis</strong> in den <strong>1860</strong>er<br />
Jahren eine flächendeckende Versorgung erreicht war. Für die Zustellung der Briefe wurde<br />
anfangs noch ein „Bestellgeld“ erhoben, so wie es <strong>bis</strong> vor wenigen Jahren noch im<br />
Paketverkehr üblich war.<br />
Dienstmanns- <strong>und</strong> <strong>Boten</strong>institute<br />
Dienstmanns- <strong>und</strong> <strong>Boten</strong>institute entstanden meist in der <strong>1860</strong> Jahren, hat es aber schon<br />
vorher gegeben. Die organisierten Dienstmänner warteten an Straßenecken auf die Aufträge<br />
ihrer K<strong>und</strong>en. Neben vielen anderen Arbeiten konnte dazu auch das Austragen von Briefen<br />
gehören. Ein Beispiel zeigt hier die Beförderung einer Kiste von der Packkammer am<br />
Dortm<strong>und</strong>er Bahnhof zum Oberbergamt durch einen Dienstmann, der seinen Lohn mit<br />
Dienstmanns-Marken quittierte (Bild1). Das ist auch im Inneren des Paketbegleitbriefes<br />
vermerkt: „2½ Sgr. (Silbergroschen) für Trägerlohn laut aufgeklebten Dienstmannsmarken“.<br />
Auf der Rückseite der Marken steht „Die Abnahme der Marke gewährt Garantie für<br />
Schadensersatz“. Es ist aber falsch, wenn man diese <strong>Einrichtungen</strong> als <strong>Privatpostanstalten</strong><br />
bezeichnet. Sie befaßten sich nicht mit dem Einsammeln <strong>und</strong> Verteilen von Briefsendungen.<br />
Die tatsächlich verwendeten Marken sind heute kaum noch zu finden, einige dieser Institute<br />
haben sich aber befleißigt, Marken für Sammler zu fabrizieren, die anfänglich begeistert<br />
aufgenommen wurden, zumal die ungefähr zur gleichen Zeit gedruckten Alben für<br />
Briefmarken aus aller Welt noch recht dünn waren. – Hier eine Seite aus einem Album von<br />
Justin Lallier, das 1862 in der ersten Auflage erschien. Aus welcher Auflage diese Seite<br />
stammt, weiß ich nicht, es muß aber vor 1870 gedruckt worden sein (Bild2).<br />
Der Krieg von 1866<br />
Der Krieg von 1866 – Preußen gegen Österreich – brachte für das Postwesen in den<br />
deutschen Staaten gr<strong>und</strong>legende Änderungen. Preußen heimste nicht nur eine Reihe vorher<br />
selbständiger Staaten ein, so<br />
das Königreich Hannover<br />
die Herzogtümer Schleswig <strong>und</strong> Holstein<br />
das Herzogtum Nassau<br />
das Kurfürstentum Hessen-Kassel <strong>und</strong><br />
die Freie Stadt Frankfurt am Main<br />
Preußen übernahm auch die Posthoheit der Fürsten von Thurn <strong>und</strong> Taxis, die seit 1615 die<br />
Kaiserliche Reichspost als Lehen betrieben. dabei wurden die Fürsten mit einer<br />
Entschädigung von 3 Millionen Reichsthalern abgespeist – nicht nur für die Posthoheit,<br />
sondern auch für den umfangreichen Gr<strong>und</strong>besitz, der dem Postbetrieb diente, so das<br />
Oberpostamt in Frankfurt am Main.<br />
1
Weitere 17 Staaten wurden in den Norddeutschen B<strong>und</strong> einbezogen. Eigene Posthoheiten<br />
unterhielten davon vorher<br />
das Königreich Sachsen<br />
das Herzogtum Braunschweig<br />
die beiden Großherzogtümer von Mecklenburg<br />
das Großherzogtum Oldenburg<br />
die freien <strong>und</strong> Hansestädte Hamburg, Bremen <strong>und</strong> Lübeck<br />
Weil in allen diesen Staaten unterschiedliche Bestimmungen für das Postwesen galten,<br />
mußte ein neues Postgesetz her, dabei mußten unterschiedlichste Interessen gewahrt<br />
werden. So wurde teils das Monopol für alle Postdienstleistungen gefordert, auf anderer<br />
Seite verlangte man dagegen die völlige Freigabe. So fand man schließlich einen<br />
Kompromiß im § 1 des Postgesetzes vom 2. November 1867:<br />
Die Beförderung<br />
1) aller versiegelten, zugenähten oder sonst verschlossenen Briefe,<br />
2) ...gegen Bezahlung von einem Ort mit einer Postanstalt nach anderen Orten<br />
mit einer Postanstalt des In- oder Auslandes auf andere Weise, als durch die<br />
Post,<br />
ist verboten.<br />
Erlaubt war damit die Beförderung aller Sendungen innerhalb der Orte, die damals gerade<br />
aufkommenden Postkarten unterlagen genauso wie unverschlossene Sendungen nicht dem<br />
Postmonopol <strong>und</strong> durften auch von einem Ort zu einem anderen befördert werden. – Von<br />
allen später entstehende <strong>Privatpostanstalten</strong> hat nur eine diese Bestimmung in größerem<br />
Umfang genutzt – davon später.<br />
Gesetz über das Postwesen des Deutschen Reiches vom 28.10.1871<br />
Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 <strong>und</strong> der Gründung des Deutschen<br />
Reiches im Mai 1871 war ein neues Postgesetz erforderlich, das am 28. Oktober 1871<br />
verabschiedet wurde <strong>und</strong> im wesentlichen dem Gesetz von 1867 entsprach.<br />
1873, 27. Mai: Erste Privatpostanstalt nach dem neuen Gesetz<br />
Es dauerte weitere zwei Jahre, <strong>bis</strong> am 27. Mai 1873 die erste deutsche Privatpostanstalt in<br />
Berlin eröffnet wurde. Die Brief- <strong>und</strong> Druckschriften-Expedition – hier ein Brief vom<br />
28. August 1873 <strong>und</strong> ein Geldeinziehungsauftrag vom 18. April 1974 . Diese Privatpost war<br />
zwar gründlich organisiert, wegen der damals herrschenden schweren Wirtschaftskrise war<br />
ihr aber der Erfolg versagt. Im August 1874 wurde das Unternehmen geschlossen (Bild3).<br />
1886, ab Juni Gründungswelle von <strong>Privatpostanstalten</strong><br />
Erst 12 Jahre später, am 2. Februar 1884 erfolgte die Gründung des später erfolgreichsten<br />
deutschen Privatpostunternehmens. Die Berliner Packetfahrt AG überstand das<br />
Privatpostverbot zum 31. März 1900 <strong>und</strong> fusionierte in den 1930er Jahren mit Schenker &<br />
Co., einem wohl allgemein bekannten Großunternehmen. Wie der Name es sagt, befaßte<br />
sich die Packetfahrt zunächst mit der Beförderung von Paketen. Ende des Jahres 1884<br />
wurden aber schon Firmenaufträge zum Verteilen von Briefen angenommen. Das Geschäft<br />
nahm zu, beschränkte sich aber zunächst auf die Verteilung von Sendungen für<br />
Großk<strong>und</strong>en, ähnlich wie es im weitaus überwiegenden Teil heute läuft. Bei den<br />
Verhandlungen über die Entschädigung der Briefträger hat man sich im März 1900 auf Mitte<br />
Februar 1885 geeinigt mit der Folge, daß der 15. Februar 1885 als frühestes Datum in den<br />
Entschädigungsakten auftaucht.<br />
Als dann am 19. Juni 1886 in Berlin die Verkehrsanstalt Hansa Briefkästen aufstellte, die mit<br />
Marken freigemachte Briefe <strong>und</strong> Postkarten von jeder <strong>und</strong> jedem zur Beförderung innerhalb<br />
der Stadt aufnahmen, zögerte die Packetfahrt nicht <strong>und</strong> bot fast gleichzeitig gleiche Dienste<br />
2
an: Der älteste mir vorliegende <strong>und</strong> bekannte Beleg einer solchen Briefbeförderung der<br />
Packetfahrt stammt vom 25. Juni 1886 (Bild4).<br />
Es schloß sich eine Welle von Gründungen ähnlicher Anstalten im ganzen Reichsgebiet an,<br />
insgesamt habe ich 32 gezählt, von denen <strong>bis</strong> 1900 folgende „überlebten“: Packetfahrt<br />
Berlin, Transport-Anstalt Wiesbaden, Privat-Brief-Verkehr Frankfurt/Main, die Anstalt<br />
gleichen Namens desselben Gründers in Köln am Rhein, Mercur Hannover, Privat-Brief-<br />
Verkehr Straßburg, Privat-Stadtpost Stuttgart, Hansa Dresden, Hammonia Braunschweig<br />
<strong>und</strong> Courier Magdeburg – zusammen 10, genannt in der Reihenfolge der Gründung.<br />
Die Gründe, weshalb die anderen Anstalten eingingen, sind verschiedenster Art, da lassen<br />
sich für jeden Einzelfall Geschichten erzählen, die in den damaligen Berichten der<br />
Reichspost besonders hämisch ausfielen.<br />
So verbreitete die Reichspost Zeitungsberichte über den am 11.11.1886 gegründeten <strong>und</strong><br />
am 22.2.1887 geschlossenen Privat-Brief-Verkehr Leipzig, „... daß mit billig <strong>und</strong> schlecht<br />
dem hiesigen Publicum nicht gedient werden kann“, „Die Idee der Privatposten hat sich nicht<br />
bewährt, ihre Ausführung scheiterte an dem mangelnden Vertrauen des correspondirenden<br />
Publikums <strong>und</strong> an dem Mangel jeder Gewähr für die richtige Bestellung der Briefe“ <strong>und</strong> „...<br />
fünf Privatbriefträger klagten auf Zahlung ihres rückständigen Lohnes ...“.<br />
Dieses Beispiel ist der Gr<strong>und</strong> dafür, daß erst viele Jahre später, im August 1892 einen neue<br />
Privatpost in Leipzig die Briefbeförderung anbot. In anderen Städten, in denen schlechte<br />
Leistungen zur Schließung der ersten Privatpost führten war es ähnlich, es dauerte Jahre,<br />
<strong>bis</strong> dort neue zum Teil sehr erfolgreiche Anstalten eröffnet wurden – besonders zu erwähnen<br />
sind Bremen <strong>und</strong> Breslau.<br />
1893, 10. März <strong>bis</strong> 10. Juli: Auswärtiger Verkehr des LPZ-Courier<br />
Die Gründung im August 1892 <strong>und</strong> besonders die erhebliche Erweiterung des Betriebs im<br />
März 1893 stellen den Leipziger Courier aus der Reihe der anderen Anstalten. Am 9. März<br />
eröffnete der Courier 27 Zweigniederlassungen in ebenso vielen Städten des Sächsischthüringischen<br />
Raums. Unverschlossene Briefe <strong>und</strong> Postkarten konnten in jedem dieser Orte<br />
zur Beförderung nach einem beliebigen anderen dieser Orte aufgegeben werden <strong>und</strong><br />
erreichten ihre Empfänger meist noch am selben Tag.<br />
Die bereits bestehenden Anstalten in Dresden <strong>und</strong> Halle/Saale sorgten sehr bald für die<br />
Schließung der Zweigniederlassungen des LPZ.-Courier durch Bildung eines Kartells:<br />
Sendungen, die nach Dresden oder Halle/Saale adressiert waren, wurden von der Hansa<br />
Dresden bzw. dem Halleschen Courier zugestellt, dafür übernahm der LPZ.-Courier die mit<br />
Dresdner bzw. Hallenser Marken freigemachten Sendungen zur Zustellung in den anderen<br />
Städten (Bild 5).<br />
Am 10. April 1893 wurde das Netz um weitere 27 Städte erweitert, Verhandlungen mit<br />
anderen Städten, z. B. Hannover liefen bereits, als am 25. April der Gründer Ernst<br />
Schmalfuß unter Mitnahme der Kasse verschwand. Aus dem nachfolgenden Konkurs am<br />
10. Mai gingen zwei <strong>Einrichtungen</strong> hervor: die meisten Angestellten <strong>und</strong> Leiter der<br />
Niederlassungen führten den Betrieb weiter, daneben entstand ein neues Unternehmen<br />
gründet von dem Drucker der Wertzeichen Louis Bayer <strong>und</strong> Ernst Herzberg, der seine<br />
Erfahrungen aus der Magdeburger Privatpost einbrachte. Zwei Monate lang, <strong>bis</strong> zum<br />
10. Juli 1893, konnte der auswärtige Verkehr noch aufrecht erhalten werden, dann fiel das<br />
Gebilde auseinander. In einigen Städten machten sich die Niederlassungsleiter selbständig.<br />
Nur drei dieser so neu gebildeten <strong>Privatpostanstalten</strong> überlebten <strong>bis</strong> 1900, nämlich die<br />
Couriere in Altenburg, Zeitz <strong>und</strong> Zwickau.<br />
Die Wertzeichen der <strong>Privatpostanstalten</strong><br />
Die Wertzeichen der <strong>Privatpostanstalten</strong> sind zu gliedern in Marken <strong>und</strong> Ganzsachen,<br />
letztere sind Postkarten (meist Correspondenz-, Courier-, Hansa-, Mercur-, Packetfahrt- o.ä.<br />
–Karten genannt), Kartenbriefe (1886 von zuerst von der Berliner Packetfahrt eingeführt, 11<br />
3
Jahre bevor auch die Reichspost einen Kartenbrief anbot), Streifbänder, Umschläge,<br />
Ganzsachen für Gelddienste usw.<br />
In den ersten Jahren gab es schwarze Schafe unter den Privatposten, die Marken für<br />
Briefmarkensammler in großen Mengen produzierten, zum Teil ohne einen nennenswerten<br />
Postbetrieb zu unterhalten. Solche Marken möchte ich hier nicht vorstellen. Die Fabrikate<br />
aus Auerbach, Falkenstein, Bochum, Dauth in Frankfurt/Main, Gießen, Dick <strong>und</strong> Stutz in<br />
verschiedenen meist sächsischen Orten, Laschick in Hamburg <strong>und</strong> Stettin, Heidelberg, Metz,<br />
Mülheim-Deutz-Köln <strong>und</strong> Schwerte/Ruhr sorgten bald dafür, daß die Sammler sich von der<br />
Privatpost abkehrten <strong>und</strong> die Marken <strong>und</strong> Ganzsachen als „nicht sammelwürdig“ bezeichnet<br />
wurden. Bei den meisten Markenausgaben der heutigen Briefdienste sehe ich die Gefahr<br />
bereits voraus, je mehr Marken erscheinen, ohne daß dafür ein Bedarf besteht, desto<br />
schneller werden alle abgelehnt (Bild 6 –10).<br />
1900, 31. März: Das Ende der privaten Briefbeförderung<br />
Das Ende der privaten Briefbeförderung begann mit dem Tode des Staatssekretärs im<br />
Reichspostamt Heinrich von Stephan am 8.4.1897. Stephan war zwar kein Fre<strong>und</strong> der<br />
<strong>Privatpostanstalten</strong>, er hat sie bekämpft so gut er nur konnte, allerdings scheute er davor<br />
zurück, sie verbieten zu lassen. Das besorgte mit viel Schwung sein Nachfolger Victor von<br />
Podbielski, der sich diese Aufgabe leichter vorgestellt hatte . Erst nach verschiedenen<br />
mehrfach überarbeiteten Entwürfen gelang es ihm, dieses Gesetz am 20. Dezember 1899<br />
durch den Reichstag zu bringen. In diesem „Gesetz betreffend einige Änderungen von<br />
Bestimmungen über das Postwesen“ wurde das Postmonopol auf im Ortsbriefe ausgedehnt,<br />
weiter wurde u.a. festgestellt:<br />
„Anstalten zur gewerbsmäßigen Einsammlung, Beförderung oder Vertheilung von<br />
unverschlossenen Briefen, Karten, Drucksachen <strong>und</strong> Waarenproben, die mit der<br />
Aufschrift bestimmter Empfänger versehen sind, dürfen vom 1. April 1900 ab<br />
nicht mehr betrieben werden.“<br />
Im Artikel 4 desselben Gesetzes wurde die Frage der Entschädigung für die Eigentümer <strong>und</strong><br />
Bediensteten der <strong>Privatpostanstalten</strong> festgestellt. Für heutige Begriffe waren durchaus<br />
großzügige Regelungen vorgesehen, so erhielt ein Briefträger, der gerade mehr als fünf<br />
Jahre bei der Privatpost war schon eine Entschädigung von 14 Monatseinkommen, bei 10<br />
Jahren 26 Monatseinkommen <strong>und</strong> bei 13 Jahren schon mehr als 3 Jahreseinkommen. Bei<br />
durchschnittlichen Monatseinkommen von 50 <strong>bis</strong> 70 Mark hörten sich die Summen nicht sehr<br />
hoch an.<br />
Insgesamt wurden die Eigentümer von 84 <strong>Privatpostanstalten</strong> mit zusammen<br />
6 585 000 Mark entschädigt, ungefähr 1150 Bedienstete erhielten zusammen<br />
1 615 000 Mark, in den Postdienst übernommen wurden knapp 750 - meist – Briefträger.<br />
Diese Zahlen gelten für die drei damals bestehen deutschen Postverwaltungen: Ungefähr<br />
91% dafür Reichspost, Bayern ungefähr 5% <strong>und</strong> Württemberg 4%. Für die Entschädigung<br />
der Anstalten in Württemberg, das waren Heilbronn <strong>und</strong> Stuttgart, konnten nur die Zahlen für<br />
die Entschädigung des Stuttgarter Unternehmers ermittelt werden, Unterlagen über die<br />
Entschädigung der Unternehmer von Heilbronn <strong>und</strong> die der Briefträger in Heilbronn <strong>und</strong><br />
Stuttgart sind vermutlich Opfer des zweiten Weltkriegs geworden. Hermann Neubauer hat<br />
dafür in seiner hervorragenden Arbeit „Die gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lagen der <strong>Privatpostanstalten</strong><br />
<strong>und</strong> das Verbot zum 1. April 1900“ nur geschätzte Beträge nennen können. Das Buch mit<br />
über 320 Seiten Text <strong>und</strong> einem zusätzlichen 8seitigen Register ist in der Schriftenreihe der<br />
Arbeitsgemeinschaft Privatpost-Merkur erschienen <strong>und</strong> liegt zur Einsicht hier aus.<br />
Ab 1906: Briefbeförderung „am Rande der Legalität“<br />
Um den Unmut der Bevölkerung über die Schließung der <strong>Privatpostanstalten</strong> etwas zu<br />
dämpfen, führte die Reichspost am 1. April 1900 ein von 5 auf 2 Pfennig ermäßigtes<br />
Ortsporto ein, das aber mit Wirkung vom 1. Juli 1906 wieder aufgehoben wurde. Es<br />
entstanden daraufhin neue Anstalten, die auf verschiedenste Weise versuchten, die<br />
4
Bestimmungen der Postrechtsänderung zu umgehen: Briefbeförderung für Mitglieder von<br />
Briefbeförderungsvereinen arbeiteten in Dresden <strong>und</strong> Leipzig, in Magdeburg <strong>und</strong> Halle/Saale<br />
wurden die Nachrichten von „Adreß-Karten“ getrennt befördert. Diese <strong>und</strong> andere Versuche<br />
wurden von der Reichspost gerichtlich verfolgt <strong>und</strong> die meisten Anstalten mußten nach<br />
Gerichtsbeschluß geschlossen werden. Durchgehalten hat der „Verein<br />
Stadtbriefbeförderung“ in Leipzig, der erst 1916 seine Tätigkeit einstellte.<br />
Rote, gelbe, blaue, braune <strong>und</strong> sonstige Radler<br />
Unter Bezeichnungen wie Rote, gelbe, blaue, braune <strong>und</strong> sonstige Radler, Messenger<br />
Boys oder ähnlich entstanden ab ca. 1908 in vielen Städten <strong>Einrichtungen</strong>, die im<br />
wesentlichen für jeweils einen Auftraggeber Sendungen beförderten. Die meisten dieser<br />
Dienste endeten 1914, es gibt aber Belege für das Bestehen solcher <strong>Einrichtungen</strong> <strong>bis</strong><br />
mindestens <strong>1945</strong> (Bild 11-13).<br />
5
Bild 1:<br />
Paketbegleitbrief von Bochum nach Dortm<strong>und</strong> 2.11.1868 mit Dienstmannsmarken für den<br />
Transport einer Kiste vom Bahnhof Dortm<strong>und</strong> zum Oberbergamt, darunter Innenseite des<br />
Faltbriefes, links oben (ab 4. Zeile): 2½ Sgr. (= Silbergroschen) für Trägerlohn laut<br />
aufgeklebten Dienstmannsmarken“.<br />
6
Bild 2:<br />
Hamburger <strong>Boten</strong>marken in einem Briefmarkenalbum ca. 1865; die Marken waren nur für<br />
Sammler bestimmt.<br />
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Bild 3:<br />
Brief vom 28. 8. 1873 <strong>und</strong> Geldeinziehungsauftrag vom 18. 4. 1874<br />
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Bild 4:<br />
Brief der Berliner Packetfahrt vom 23. 3. 1900: Aufnahme „des Briefbeförderungsdienstes im<br />
Februar 1885“.<br />
9
Bild 5:<br />
Unverschlossener Brief von Altenburg nach Dresden, am 18. 5. 1893 mit dem LPZ.-Courier<br />
befördert <strong>und</strong> am selben Tag in Dresden von der HANSA zugestellt.<br />
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Bild 6:<br />
Privatpostmarken mit entsprechenden Erläuterungen<br />
11
Bild 7:<br />
Eingeschriebener Brief Packetfahrt Berlin vom 1. 2. 1889, Packetbegleitschein für ein Paket<br />
nach London 2. 8. 1889 (weitere Marken auf der Rückseite)<br />
12
Bild 8:<br />
Eilbrief Privat-Stadtpost Bochum 7. 12. 1887, Ganzsache Umschlag zur<br />
Gelderhebung Mercur Hannover 8. 1. 1898<br />
13
Bild 9:<br />
Nachnahme-Umschlag Courier Barmen 26. 2. 1895, Einschreibbrief Frankfurter-Circular-<br />
Beförderung 1. 6. 1894<br />
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Bild 10:<br />
Sonderkarte zum Sedanstag Hansa Dresden, gebraucht 22.11.1890, Sondermarke „50<br />
Jahre sächsische Briefmarken“ auf Einschreibbrief 30. 3. 1900.<br />
15
Bild 11:<br />
Werbemarken der roten, gelben <strong>und</strong> blauen Radler München<br />
16
Bild 12:<br />
Braune Radler Dortm<strong>und</strong> 1924<br />
17
Bild13: Rote Radler Dortm<strong>und</strong> <strong>1945</strong><br />
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