Abstracts and Congress Topics - SWISS KNIFE
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<strong>Congress</strong> <strong>Topics</strong><br />
Das Management von Polytraumapatienten: ATLS oder mehr?<br />
Norbert Suhm, suhmn@uhbs.ch<br />
Augustinus L. Jacob, jacoba@uhbs.ch<br />
Marcel Jakob, mjakob@uhbs.ch<br />
CT-Scout ap und seitlich<br />
Das Trauma führt zur höchsten Sterblichkeit und Invaliditätsrate in der Schweiz<br />
und weltweit in entwickelten Ländern bis zum 40. Lebensjahr. Ein relevanter<br />
Anteil unserer schwerverletzten Patienten ist innerhalb der ersten Stunden<br />
vom Tod, meist durch Kreislaufschock bedroht. Diese Patienten können von<br />
einer schnellen und zielgerichteten Diagnostik und Therapie profitieren, die<br />
das unmittelbare Überleben sichert. Es ist deshalb unabdingbar ein st<strong>and</strong>ardisiertes,<br />
prioritätenorientiertes Schockraummanagement für Traumapatienten<br />
anzuwenden.<br />
Um ein weltweit akzeptiertes Beh<strong>and</strong>lungs- und Ausbildungskonzept h<strong>and</strong>elt<br />
es sich beim „Advanced Trauma Life Support“ (ATLS®). 1998 in der Schweiz<br />
eingeführt, hat es sich zur St<strong>and</strong>ardbeh<strong>and</strong>lung der Polytraumapatienten<br />
entwickelt. Ziele sind die möglichst schnelle und genaue Einschätzung des<br />
Zust<strong>and</strong>es (assessment), die prioritätenorientierte Beh<strong>and</strong>lung (treat first<br />
what kills first) auch ohne definitive Diagnostik und über allem der Gedanke,<br />
Sekundärschäden zu vermeiden (do no further harm). Im Beh<strong>and</strong>lungsalgorithmus<br />
ist die wiederholte klinische Beurteilung mit wenigen zusätzlichen Untersuchungen<br />
ein Eckpfeiler. Als bildgebende Untersuchungen während der<br />
Reanimationsphase sind Nativaufnahmen (HWS lat., Thorax, Becken) sowie<br />
eine abdominelle Ultraschalluntersuchung (Blutung, Perikarderguss) vorgesehen.<br />
Diese sind zwar einfach durchzuführen, nehmen aber wichtige Zeit in Anspruch.<br />
Die Aussagekraft für die Beh<strong>and</strong>lung unmittelbar lebensbedrohlicher<br />
Zustände ist zwar genügend, aber die geringe Sensitivität lässt auch wichtige<br />
beh<strong>and</strong>lungsbedürftige Zustände übersehen, so dass CT-Untersuchungen<br />
praktisch immer noch angeschlossen werden (Kopf-Thorax-Abdomen).<br />
Hinzu kommt, dass bei der Planung von CT-Fenstern innert weniger Sekunden<br />
ein so genannter „Scout“ gefahren wird, welcher Übersichtsbilder in der<br />
Qualität von Röntgenbildern liefert und bereits eine Erstdiagnostik analog<br />
zum St<strong>and</strong>ardröntgen zulässt. Die Mehrschicht-Spiral-CT-Technik hat sich<br />
als Untersuchung mit der höchsten Sensitivität für Weichteil- und Skelettverletzungen<br />
durchgesetzt und ermöglicht heute Ganzkörperuntersuchungen<br />
innert weniger Minuten. Augenfällige Verletzungen können sofort, während<br />
die Bilder am Monitor durchlaufen, diagnostiziert werden. Die detaillierte Analyse<br />
kann zwar ohne weiteres eine halbe Stunde in Anspruch nehmen, das<br />
Norbert Suhm Augustinus L. Jacob Marcel Jakob<br />
3D Rekonstruktionen vom Skelett<br />
beh<strong>and</strong>elnde Team kann aber mit der weiteren Therapie, einschliesslich der<br />
notwendigen Verlegung, fortfahren. Problematisch ist vielerorts die räumliche<br />
Trennung von Schockraum und CT-Raum, die oft Transporte und immer mehrere<br />
Umlagerungen erfordern, was bei einem intubierten und „verkabelten“<br />
Unfallopfer zeitraubend und risikoreich sein kann. Konsequenterweise fordern<br />
daher viele Unfallchirurgen den Einbau von CT-Geräten direkt in oder<br />
unmittelbar neben dem Schockraum.<br />
Die Vorteile der primären CT-Diagnostik konnten wir in einer prospektiven<br />
r<strong>and</strong>omisierten Studie an zwei Patientengruppen mit einem Polytrauma (ISS<br />
> 16) aufzeigen. Das Management und die Indikation für zusätzliche Untersuchungen<br />
erfolgte bei beiden Gruppen streng nach ATLS-Kriterien. Die zusätzliche<br />
konventionelle Röntgendiagnostik wurde dagegen entweder nach<br />
diesen Kriterien, oder aber direkt das Spiral-CT mit Scout (ohne konventionelle<br />
Zusatzuntersuchungen) verwendet. Bei dieser zweiten Gruppe erfolgte<br />
das Schockraummanagement ausschliesslich direkt im CT-Raum (Multifunktionaler<br />
Bildgestützter Interventionsraum). Wir konnten zeigen, dass für die<br />
Primärdiagnostik mit dem Spiral-CT sowohl die Patientensicherheit gewährleistet<br />
werden konnte als auch die Zeit bis zur Diagnose von relevanten, beh<strong>and</strong>lungsbedürftigen<br />
Verletzungen signifikant (p < 0,05) (bis zu 16 Minuten)<br />
verkürzt werden konnte.<br />
Fazit<br />
Die Computertomografie kann im Rahmen der Polytraumadiagnostik nicht<br />
länger nur als diagnostische Modalität für besondere Fragestellungen gelten.<br />
Vielmehr ist sie heute in der Lage, im Vergleich zur klassischen Diagnostik mit<br />
Röntgen und Ultraschall detailliertere Informationen schneller zu liefern. Geeignete<br />
bildgestützte Interventionsräume, die eine primäre Beh<strong>and</strong>lung und<br />
Diagnostik von Polytraumapatienten ohne zusätzliche Transporte und Umlagerungen<br />
erlauben, sind allerdings die Voraussetzung für ein sicheres Patientenmanagement.<br />
Die zusätzliche Möglichkeit, in diesem Raum die definitive<br />
operative Beh<strong>and</strong>lung durchzuführen, verbessert die Patientensicherheit und<br />
den Ablauf zusätzlich und wird für Zentrumsspitäler zukünftig eine Voraussetzung<br />
für ein modernes Polytraumamanagement werden.<br />
swiss knife 2008; special edition 9