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6 | Bran<strong>den</strong>burg / Berlin MAZ | SONNABEND/SONNTAG, 31. MAI/1. JUNI 2014<br />
IN KÜRZE<br />
ZumWelterbetag<br />
<strong>auf</strong> Friedrichs Spuren<br />
Potsdam –Die Stiftung Preußische<br />
Schlösser und Gärten Berlin-Bran<strong>den</strong>burg<br />
bietet zum bundesweiten<br />
Unesco-Welterbetag am Sonntag<br />
szenische Führungen mit<br />
Zeitgenossen Friedrichs des Großen<br />
durch <strong>den</strong> Park Sanssouci an.<br />
Alle 38 deutschen Welterbestätten<br />
beteiligen sich an dem 2005<br />
eingeführten Aktionstag. Die<br />
zentrale Veranstaltung richtet der<br />
Muskauer Park im Nordosten<br />
Sachsens aus. Das Gartenkunstwerk<br />
von Fürst Pückler erstreckt<br />
sich zu etwa zwei Dritteln <strong>auf</strong><br />
polnischem Bo<strong>den</strong>.<br />
MitGas hantiert:<br />
Hochhaus evakuiert<br />
Berlin –Ein 24 Jahre alter Mann<br />
hat gestern in einem Mehrfamilienhaus<br />
im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf<br />
mit Gaskartuschen<br />
hantiert und eine Explosion<br />
ausgelöst. Er selbst wurde nach<br />
Polizeiangaben dabei schwer<br />
verletzt, drei weitere Bewohner<br />
des elfstöckigen Gebäudes am<br />
Buckower Ring und ein Feuerwehrmann<br />
wur<strong>den</strong> leicht verletzt.<br />
Alle Mieter aus <strong>den</strong> etwa 40 Wohnungen<br />
mussten das Gebäude<br />
verlassen und wur<strong>den</strong> zunächst in<br />
einer nahe gelegenen Kita untergebracht.<br />
Derzeit suche das Bezirksamt<br />
nach Notunterkünften.<br />
Berlin verbietet Tragen<br />
des Hells-Angels-Symbols<br />
Berlin –Das Tragen des „geflügelten<br />
Totenkopfs“ als Symbol des<br />
Rockerclubs Hells Angels ist jetzt<br />
in Berlin verboten. Das bestätigte<br />
die Polizei gestern. Hintergrund<br />
sei ein Urteil des Hanseatischen<br />
Oberlandesgerichts vom 7. April<br />
2014. Verboten sei demnach bereits<br />
das Tragen des Totenkopfsymbols,<br />
es bedürfe dafür nicht<br />
der Bezeichnung Hells Angels.<br />
Bekleidung mit dem Symbol kann<br />
demnach ebenfalls beschlagnahmt<br />
wer<strong>den</strong>. Das Tragen kann<br />
mit Geldbußen, in schweren Fällen<br />
auch mit Haftstrafen geahndet<br />
wer<strong>den</strong>.<br />
<strong>Gezielter</strong> <strong>Schlag</strong> <strong>auf</strong> <strong>den</strong> <strong>Hinterkopf</strong><br />
MAZ-Redakteurin Marion K<strong>auf</strong>mann hat einen Bran<strong>den</strong>burg-Krimi geschrieben, der genüsslich mit Ost-West-Klischees spielt<br />
VonMathias Richter<br />
Potsdam – Es passieren mysteriöse<br />
Dinge im Land Bran<strong>den</strong>burg.<br />
Der ehemalige Kulturminister<br />
Ewald Lobethal liegt tot vorm Treppen<strong>auf</strong>gang<br />
im Haus der preußischen<br />
Geschichte. Der Cheforganisator<br />
des Werderaner Baumblütenfestes,<br />
Benedikt von Wahrendorf,<br />
wird leblos aus der Havel gefischt<br />
– nur wenige Tage bevor das<br />
größte Massenbesäufnis Ostdeutschlands<br />
losgehen soll. Zufall?<br />
Wohl kaum. Denn beide wur<strong>den</strong><br />
durch einen <strong>Schlag</strong> <strong>auf</strong> <strong>den</strong><br />
<strong>Hinterkopf</strong> ermordet. Und ganz<br />
seltsam: In der Nähe beider Tatorte<br />
wird ein billiges Essbesteck<br />
gefun<strong>den</strong>. Doch das ist noch nicht<br />
alles, was <strong>den</strong> ehemaligen Landespolitiker<br />
mit dem Kommunalpolitiker<br />
verbindet. Kriminalkommissarin<br />
Andrea Deininger nimmt die<br />
Spur <strong>auf</strong>. Und auch bei der Regionalzeitung<br />
ist jemand ganz heiß<br />
<strong>auf</strong> <strong>den</strong> Fall: Die junge Journalistin<br />
Katja Brenner sieht die Chance<br />
ihres Lebens, um endlich mal groß<br />
rauszukommen, und beginnt zu recherchieren.<br />
Der Plot stammt von Marion<br />
K<strong>auf</strong>mann, seit 2006 Redakteurin<br />
in der Bran<strong>den</strong>burg-Redaktion<br />
der „Märkischen Allgemeinen“,<br />
und Kennerin von Land und Leuten.<br />
Nun hat sie erstmals das Metier<br />
gewechselt und mit „Das Besteck“<br />
einen spannen<strong>den</strong> Krimi<br />
vorgelegt. Mehr als einen Krimi,<br />
<strong>den</strong>n sie malt in der 215-Seiten-<br />
Story zugleich mal sarkastisch mal<br />
mit liebevollem Witz ein Sittengemälde<br />
des Bran<strong>den</strong>burger Medien-<br />
und Politikbetriebs.<br />
Tatort ist Potsdam und die nähere<br />
Umgebung. Zeitpunkt des<br />
Verbrechens: das Jahr 2009. Die<br />
Landesregierung bereitet sich <strong>auf</strong><br />
die Feiern zum 20-jährigen Jahrestag<br />
des Mauerfalls vor.Sie will das<br />
Ereignis nutzen, um das durch gescheiterte<br />
Großprojekte und immer<br />
neueStasi-Geschichten angekratzteImage<br />
des Landes mithilfe<br />
eines bombastisch inszenierten<br />
Events <strong>auf</strong>zupolieren. Das soll<br />
weit über die Landesgrenzen gehörig<br />
etwas hermachen. Und dann<br />
geschehen diese mysteriösen<br />
Morde. Die Pressesprecherin des<br />
Innenministers, die die Wende-<br />
Feier organisiert und damit selbst<br />
aus karrieretechnischen Grün<strong>den</strong><br />
gehörig glänzen will, ist gar nicht<br />
erfreut, dass mit <strong>den</strong> Mordfällen<br />
ausgerechnet eine Stasi-Connection<br />
der bei<strong>den</strong> Toten wieder<br />
hochkommt.<br />
Schuld daran sind zwei junge<br />
Frauen aus dem Westen. Die Journalistin<br />
Katja Brenner, die aus<br />
Schwaben stammt und bei der<br />
größten Regionalzeitung des Landes,<br />
dem „Bran<strong>den</strong>burger Wort“,<br />
angeheuert hat. Und Kommissarin<br />
Andrea Deininger, <strong>auf</strong>gewachsen<br />
in Bayern und nun mit der Aufklärung<br />
der Mordfälle betraut.<br />
Marion K<strong>auf</strong>mann, Jahrgang<br />
1979 und selbst im bayrischen<br />
Günzburg geboren, schreibt fast<br />
durchgängig aus der Perspektive<br />
dieser bei<strong>den</strong> etwa 30-jährigen<br />
Westlerinnen und ihren Begegnungen<br />
mit ihren Berufskollegen,<br />
meist alteingesessenen Märkern.<br />
Genussvoll tischt sie sämtliche<br />
West-Vorurteile vom ständig übel<br />
gelaunten bis spießigen Bran<strong>den</strong>burger<br />
<strong>auf</strong>, der am liebsten in<br />
DDR-Nostalgie schwelgt. Doch<br />
K<strong>auf</strong>mann suhlt sich nicht in diesen<br />
abgegriffenen Klischees.<br />
Meist wer<strong>den</strong> sie schon im nächsten<br />
Satz wieder infrage gestellt.<br />
Denn beide Frauen sind einmal<br />
aus ebenso kleinbürgerlich-spießi-<br />
ZurPerson<br />
Marion K<strong>auf</strong>mann ist 1979 in Günzburg(Bayern)<br />
geboren.<br />
DieDiplom-Germanistin hatbei der<br />
„Märkischen Allgemeinen Zeitung“ in<br />
Potsdam volontiertund ist seit 2006<br />
Redakteurin im Bran<strong>den</strong>burg-Ressort<br />
der MAZ.<br />
Lesetipp:<br />
Marion K<strong>auf</strong>mann:<br />
Das<br />
Besteck. Eine<br />
Ost-West-Kriminette,<br />
215<br />
Seiten, Wagner<br />
Verlag, 11,80<br />
Euro.<br />
gen Verhältnissen im Westen geflohen,<br />
weil sie gehofft hatten, in<br />
der Nähe der Großstadt Berlin ein<br />
<strong>auf</strong>regenderes Leben führen zu<br />
können. Das lässt <strong>den</strong> Leser<br />
schmunzeln, etwa wenn die Journalistin<br />
Katja Brenner beim Gang<br />
in die Betriebskantine sich über<br />
das mürrische „Mahlzeit“ mokiert,<br />
das ihr alle Kollegen entgegenschleudern<br />
und dabei innerlich<br />
beschließt, <strong>den</strong> nächsten der<br />
zu ihr „Mahlzeit“ sagt, <strong>auf</strong> der<br />
Stelle umzubringen. Denn insgeheim<br />
muss sie sich eingestehen,<br />
dass sie das obligatorische<br />
„Mahlzeit“-Gegrunze<br />
schon an <strong>den</strong> Mittagstischen<br />
in ihrer schwäbischen<br />
Heimat <strong>auf</strong> die Palme<br />
gebracht hatte.<br />
Marion K<strong>auf</strong>mann karikiert<br />
in zum Teil großartigen<br />
Episo<strong>den</strong> die gängigen Ossi-<br />
Wessi-Rituale, wie sie auch<br />
noch heute, 25 Jahre nach dem<br />
Mauerfall, abl<strong>auf</strong>en. Sie beschreibt<br />
sie zugleich aus der Distanz<br />
ihrer eigenen Generation,<br />
die 1989 noch im Kindesalter war<br />
und von der untergegangenen<br />
DDR genauso wenig mitbekommen<br />
hat wie von der alten BRD. Es<br />
ist der Blick einer Generation, die<br />
kaum etwas anderes kennt, als<br />
das vereinte Deutschland und für<br />
die die ollen Kamellen aus dem realsozialistischen<br />
Alltag Ost genauso<br />
schräg klingen wie die immer<br />
wieder zum Besten gegebene<br />
Mär vom glücklichen Wirtschaftswunderland<br />
West. Auch wenn die<br />
Dialoge hin und wieder etwas steif<br />
geraten sind, Marion K<strong>auf</strong>mann<br />
ist eine amüsante „Ost-West-Kriminette“<br />
gelungen und zudem ein<br />
bis zur letzten Seite spannender<br />
Krimi. Denn gerade als Kommissarin<br />
Deininger sich mit der Journalistin<br />
Brenner einig glaubt, die<br />
Morde müssten einen Stasi-Hintergrund<br />
haben, schlägt der Täter erneut<br />
zu. Wieder ein <strong>Schlag</strong> <strong>auf</strong><br />
dem <strong>Hinterkopf</strong>. Wieder ein Essbesteck<br />
neben der Leiche. Nur das<br />
Opfer ist diesmal eine arbeitslose<br />
Kassiererin und hat so gar nichts<br />
mit Politik zu tun gehabt. Irgendwie<br />
passt das alles doch nicht zusammen.<br />
Na <strong>den</strong>n: Prost Mahlzeit!<br />
Besteck spielt die Hauptrolle in Marion K<strong>auf</strong>manns Krimi.<br />
FOTO: HÜBNER<br />
Der Totenkopf ist tabu.<br />
FOTO: DPA<br />
Hochwasserversicherung<br />
für Flutopfer gefordert<br />
Potsdam –Als Konsequenz aus<br />
dem Hochwasser vor einem Jahr<br />
fordert die Verbraucherzentrale<br />
Bran<strong>den</strong>burg (VZB) ein Recht <strong>auf</strong><br />
Versicherungsschutz gegen Elementarschä<strong>den</strong>.<br />
„Jeder,der sich<br />
gegen Flutschä<strong>den</strong> versichern<br />
will, muss dies auch von seiner<br />
Versicherung angeboten bekommen“,<br />
sagte Referent Erk<br />
Schaarschmidt. Nach dem Hochwasser<br />
hätten drei Versicherungen<br />
Bürgern ihre Gebäudeversicherungen<br />
wegen zu hoher Schä<strong>den</strong><br />
gekündigt. In besonders<br />
gefährdeten Gebieten weigerten<br />
sich die Versicherungen bislang<br />
auch, <strong>den</strong> Schutz flächendeckend<br />
anzubieten. Die Landesregierung<br />
müsse daher im Schulterschluss<br />
mit <strong>den</strong> anderen von Hochwasser<br />
betroffenen Ländern die Unternehmen<br />
dazu verpflichten.<br />
Drei Schwerverletzte<br />
bei Quad-Unfall<br />
Gebersdorf –Zwei kleine Kinder<br />
und ein 17-Jähriger sind bei einem<br />
Verkehrsunfall mit einem<br />
Quad in Gebersdorf (Teltow-Fläming)<br />
schwer verletzt wor<strong>den</strong>.<br />
Wiedie Polizei gestern mitteilte,<br />
hatte der Jugendliche mit <strong>den</strong><br />
Kindern im Alter von zwei und<br />
sechs Jahren an Bord am Donnerstag<br />
eine Spritztour unternommen,<br />
obwohl er keinen Führerschein<br />
hatte. Auf einem Radweg verlor<br />
er plötzlich die Kontrolle über das<br />
Quad und prallte gegen einen<br />
Betonpfeiler.Durch die Wucht des<br />
Aufpralls wur<strong>den</strong> alle drei vom<br />
Fahrzeug geschleudert.<br />
Konkurrenzkampf um Schnäppchenjäger<br />
In Slubice entsteht unter Protest der Alteingesessenen ein zweiter Grenzbasar gleich neben dem ersten<br />
VonJeanette Bederke<br />
Slubice –Der Markthändler Slowomir<br />
Kolowski vom großen Basar<br />
am südlichen Rand der polnischen<br />
Grenzstadt Slubice wird fast schon<br />
philosophisch. „Es gibt gute und<br />
es gibt schlechte Zeiten“, meint<br />
der Slubicer, der bereits seit 1993<br />
an seinem Stand Sportbekleidung<br />
verk<strong>auf</strong>t.<br />
Gute Zeiten habe er vor allem in<br />
<strong>den</strong> 1990er Jahren erlebt, als deutsche<br />
Kun<strong>den</strong> in Scharen <strong>auf</strong> <strong>den</strong><br />
für „Schnäppchen“ bekannten Basar<br />
strömten. Da verdiente Kolowski<br />
so viel, dass er vom Angestellten<br />
zum Händler mit eigenem<br />
Geschäft <strong>auf</strong>steigen konnte. In<br />
<strong>den</strong> Folgejahren habe sich der<br />
Kun<strong>den</strong>ansturm in der Grenzstadt<br />
eher verteilt, immer mehr Superund<br />
Baumärkte machten <strong>auf</strong>. Zudem<br />
entstan<strong>den</strong> zahlreiche Geschäfte<br />
in der Slubicer Innenstadt,<br />
in <strong>den</strong> zunehmend auch Deutsche<br />
zu Stammkun<strong>den</strong> wur<strong>den</strong>. Richtig<br />
schlechte Zeiten erlebten die<br />
Markthändler dann Anfang 2007,<br />
als der provisorisch aus Zelten und<br />
Hütten bestehende Basar ganz<br />
und gar in Flammen <strong>auf</strong>ging.<br />
Geheizt wurde damals recht<br />
abenteuerlich mit Gasflaschen,<br />
Brandschutzbestimmungen fan<strong>den</strong><br />
kaum Beachtung –ein fahrlässiges<br />
Feuer war da wohl nur eine<br />
Frage der Zeit. Schwere Zeiten hatten<br />
die im wahrsten Sinne des Wortes<br />
abgebrannten Händler auch<br />
danach –viel wurde ihnen auch<br />
von Seiten der Slubicer Stadtverwaltung<br />
an Unterstützung versprochen.<br />
Am Ende aber blieben sie<br />
<strong>auf</strong> ihren Kosten sitzen, bauten<br />
aus eigener Kraft einen neuen<br />
Markt <strong>auf</strong>: Sauber, or<strong>den</strong>tlich,<br />
überdacht sind die jetzt festen 425<br />
Fleisch- und Wurstwaren sind gefragt <strong>auf</strong> dem Markt in Slubice. FOTO: DPA<br />
Stände, die breiten Gänge gepflastert,<br />
der große Parkplatz befestigt,<br />
überwacht und mit Automaten versehen.<br />
Es gibt sogar Werbedurchsagen<br />
<strong>auf</strong> Deutsch, und einen<br />
markteigenen Sicherheitsdienst.<br />
„Die Kun<strong>den</strong> fin<strong>den</strong> das jetzt viel<br />
besser und ich <strong>den</strong>ke, die meisten<br />
meiner Kollegen sind auch zufrie<strong>den</strong>“,<br />
resümiert Kolowski.<br />
Allerdings l<strong>auf</strong>en die Geschäfte<br />
trotz des Neubaus nicht mehr so<br />
gut, beklagen er und viele Kollegen.<br />
Gerade vor Feiertagen wie<br />
Ostern oder Weihnachten boomte<br />
der Verk<strong>auf</strong> von Lebensmitteln,<br />
Bekleidung, Dekoartikeln, Zigaretten<br />
und Tierzubehör an deutsche<br />
Schnäppchenjäger sonst.<br />
„Das war immer eine sichere<br />
Bank“, sagt Grzegorz Szram, Vizechef<br />
der Händlervereinigung.<br />
„Klar sind immer Kun<strong>den</strong> da, aber<br />
die k<strong>auf</strong>en zu wenig“, beklagt er<br />
jedoch. Woran das liege, kann und<br />
will er offenbar nicht sagen. Deutsche<br />
Kun<strong>den</strong> sind da deutlicher.<br />
„Hier gibt es längst keine<br />
Schnäppchen mehr.Das ist billige<br />
Touristenabzocke“, lautet das vernichtende<br />
Fazit von Frank Böhmer<br />
aus Eisenhüttenstadt (Oder-<br />
Spree). Er führt lediglich Verwandtschaft<br />
aus Thüringen „zum<br />
Gucken über <strong>den</strong> Polenmarkt“.<br />
Was die Händler jedoch mehr<br />
verärgert als zögerliche Kun<strong>den</strong>,<br />
sind die Bauarbeiten <strong>auf</strong> der anderen<br />
Straßenseite. Gleich gegenüber<br />
des Basars lässt die Slubicer<br />
Stadtverwaltung weiteren Verk<strong>auf</strong>sflächen<br />
für 135 Stände errichten<br />
–<strong>auf</strong> einem 3000 Quadratmeter<br />
großem Grundstück, das eigentlich<br />
zum Slubicer Sportstadion<br />
gehört. Die Eröffnung ist für<br />
September geplant. „Unser eigener<br />
Bürgermeister, Ciszewicz,<br />
macht uns hier Konkurrenz“, beklagt<br />
Szram. Dabei hätte dessen<br />
Vorgänger Boziacki ihnen beim<br />
Wieder<strong>auf</strong>bau eigentlich Steuererleichterungen<br />
und geringere Mieten<br />
für mehrere Jahre vertraglich<br />
zugesichert. Nichts davon sei eingetroffen,<br />
die juristische Klage der<br />
Händler l<strong>auf</strong>e seit zwei Jahren.<br />
Der neue Markt sei wohl eine<br />
Art Retourkutsche, vermutet<br />
Szram. „Und das, obwohl wir noch<br />
immer die Kredite abzahlen, die<br />
wir 2008 <strong>auf</strong>nehmen mussten, um<br />
unseren Basar wieder <strong>auf</strong>zubauen“,<br />
sagt der Inhaber eines Dekorationsgeschäftes.<br />
14 Millionen<br />
Zloty (umgerechnet etwa 3,4 Millionen<br />
Euro) hat der Wieder<strong>auf</strong>bau<br />
nach modernen Standards<br />
laut Händlervereinigung gekostet,<br />
noch einmal zwei Millionen<br />
Zloty der Parkplatz. „Als Dank dürfen<br />
wir jetzt um unsere Existenz<br />
fürchten“, sagt Szram wütend.<br />
Weniger pessimistisch <strong>den</strong>kt offenbar<br />
Imbissbetreiber Tomek.<br />
„Wir müssen abwarten und dann<br />
erst vergleichen, ob wir tatsächlich<br />
Umsatzeinbußen haben“, sagt<br />
er, wohl wissend, dass <strong>auf</strong> dem<br />
neuen Gelände allein zwölf gastronomische<br />
Stände geplant sind. Einer<br />
hat am Rande des Neubau-<br />
Areals sogar schon geöffnet: Ein<br />
rustikales Holzhaus mit Gaststube<br />
lädt zur Snack-Pause ein und die<br />
Kun<strong>den</strong> kommen gern. „Ich bin gespannt<br />
<strong>auf</strong> die neuen Stände“,<br />
sagt Erika Grün aus Berlin und ihr<br />
Mann Edgar ergänzt: „Konkurrenz<br />
belebt doch das Geschäft.“ Auf<br />
dem angestammten Basar gebe es<br />
doch schon alles –von Perücken,<br />
über Dessous bis hin zu Anglerbedarf,<br />
hält Händler Kolowski dagegen.<br />
„Mehr Verk<strong>auf</strong>sfläche brauchen<br />
wir nun wirklich nicht.“<br />
Berliner Politiker<br />
wollen Bürger<br />
mehr beteiligen<br />
Berlin –Nach der Niederlage des<br />
Senats beim Volksentscheid zum<br />
Tempelhofer Feld will SPD-Fraktionschef<br />
Raed Saleh neue Möglichkeiten<br />
zur Bürgerbeteiligung in<br />
Berlin suchen. „Möglicherweise<br />
werde ich sogar vorschlagen, dass<br />
die Politik künftig selbst Befragungen<br />
vornimmt, statt nur <strong>auf</strong> das beschlossene<br />
,Nein’ zu warten“,<br />
sagte Saleh gestern im Abgeordnetenhaus.<br />
Auch nach Ansicht des<br />
CDU-Vizefraktionschefs, Stefan<br />
Evers, sollte über Bürgerbefragungen<br />
diskutiert wer<strong>den</strong>.<br />
Zuletzt sei kritisch über Liegenschaften,<br />
Wohnungsbau oder die<br />
Wasser-und Stromversorgung diskutiert<br />
wor<strong>den</strong>. „Man kann also sagen:<br />
Die Stadt hat sich politisiert“,<br />
sagte Saleh. Wie die Bürger stärker<br />
beteiligt wer<strong>den</strong> können, will<br />
er am 12. Juni mit Vertretern von<br />
Gewerkschaften, Verbän<strong>den</strong> und<br />
Bürgern beraten. Denkbar sei ein<br />
Diskussionsforum oder eine Enquete-Kommission,<br />
in der Experten<br />
und Parlamentarier öffentlich<br />
beraten. Saleh kann sich auch Bürgerbefragungen<br />
vorstellen. Etwa:<br />
Ob sich die Hauptstadt für die<br />
Olympischen Spiele bewerben<br />
sollte? Dafür schließe er auch eine<br />
Verfassungsänderung nicht aus.<br />
Nach Angaben der Senatsverwaltung<br />
für Inneres sieht die Verfassung<br />
Volksabstimmungen bislang<br />
nur vor,wenn über eine Fusion mit<br />
Bran<strong>den</strong>burg oder neue Regeln zu<br />
Volksbegehren entschie<strong>den</strong> wird.<br />
CDU-Politiker Evers ist ebenfalls<br />
für eine Diskussion über Bürgerbefragungen:<br />
„Ich glaube schon,<br />
dass es einen Unterschied macht,<br />
ob man <strong>auf</strong> eine Gegenwelle wartet<br />
oder selbst offensiv um Akzeptanz<br />
für politische Grundsatzentscheidungen<br />
wirbt.“