Selbstschädigung/ Selbstverletzung
Selbstschädigung und Selbstverletzung 19.02.08
Selbstschädigung und Selbstverletzung 19.02.08
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<strong>Selbstschädigung</strong>/<br />
<strong>Selbstverletzung</strong><br />
Formen und Ursachen<br />
- Erläutert am Fall „Sonja“<br />
„…da hab ich ja noch Glück…ich hab ja bloss ein Problem mit mir selbst…“<br />
(Sonja nachdem sie die Geschichten der anderen Fälle hörte)
Differenzierung der Begriffe<br />
<strong>Selbstverletzung</strong>:<br />
Teilweise oder vollständig absichtliches Beibringen<br />
von Wunden am eigenen Körper<br />
<strong>Selbstschädigung</strong>:<br />
1. Physische Schädigung des Körpers ohne<br />
direkte Verletzung über einen längeren<br />
Zeitraum (Drogenkonsum, Alkoholkonsum etc.)<br />
2. Bewusstes und unbewusstes Herbeiführen von<br />
Umständen mit negativen Folgen für die eigene<br />
Person<br />
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Beispiele für Selbstverletzendes Verhalten<br />
1. „Gefrierbrand“<br />
Der/die Jugendliche setzt die Öffnung eines Gasbehälters (z.B Dose mit Feuerzeuggas) auf die Haut und lässt das Gas<br />
ausströmen. Die Verdungstungskälte des Flüssiggases (bis zu -70 °C und kälter) verursacht sofort lokale Erfrierungen.<br />
Das „vereiste“ Gewebe verursacht zunächst keinen Schmerz, nach einigen Minuten kann die Haut an der betroffenen<br />
Stelle abgezogen werden.<br />
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2. „Ritzen“<br />
Die Haut wird mit scharfen Gegenständen (meist einer Rasierklinge) angeritzt, die Schnitte sind selten sehr tief.<br />
Wird immer die gleiche Stelle „nachgeschnitten“ und/oder die Kruste der Wunde immer wieder aufgekratzt,<br />
entsteht das in den Bildern zu sehende wulstige Narbengewebe.<br />
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Weitere Formen der <strong>Selbstverletzung</strong><br />
Ausreissen der Haare<br />
Exzessives Ausdrücken/Aufkratzen von Pickeln<br />
bis zur Narbenbildung<br />
Aufkratzen von Krusten/Narben<br />
Nägelkauen bis zur Verletzung des Nagelbetts<br />
Abkauen der Haut an den Fingerkuppen bis zur<br />
offenen Wunde<br />
Verletzungen durch Schlagen/Treten gegen<br />
Wände und Gegenstände bis hin zu<br />
Knochenbrüchen<br />
Wiederholtes Schlagen des Kopfes gegen<br />
Wand/Tischkante/etc<br />
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Beispiele für selbstschädigendes Verhalten<br />
im weiteren Sinne<br />
Jugendliches Risikoverhalten über das alterstypische Maß<br />
hinaus<br />
Substanzmißbrauch<br />
Nicht sozialkonforme Verhaltensweisen<br />
Sexualverhalten mit körperlichem oder rechtlichem<br />
Schädigungspotenzial (z.B. sadomasochistische Praktiken,<br />
Geschlechtsverkehr im öffentlichen Raum) über das Maß des<br />
Experimentierens/der Provokation im Jugendalter hinaus<br />
Wiederholtes Eingehen von Parnerbeziehungen mit<br />
fragwürdiger oder konfliktträchtiger Objektwahl<br />
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Ursachen<br />
1. Normaler (!) Ausdruck jugendlichen Risikoverhaltens<br />
(Mut-/Mannbarkeitsproben in der Clique, Rebellion etc.)<br />
Neu ist nur, dass diese ursprünglich männlichen<br />
Verhaltensmuster von den „neuen Mädchen“ übernommen<br />
werden.<br />
2. Subkulturspezifisches Verhalten<br />
In der Gothic-Szene z.B. ist Blut romantisches Lebens- und<br />
Todessymbol. Gleichzeitig sind sadomasochistische<br />
Praktiken eng mit der Szene verwoben. Verletzungen mit<br />
Ritualcharakter sind eher als Zugehörigkeitssymbol und als<br />
Teil jugendlicher Experimentierfreudigkeit zu sehen. In<br />
anderen Jugendkulturen ist dies ähnlich, z.B. exzessives<br />
Trinken in der Punkkultur oder Tätowierungen/<br />
Körperschmuck.<br />
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Exkurs: Body modification<br />
Sogenanntes „Branding“<br />
Das Motiv wird mittels<br />
eines glühenden<br />
Metallgegenstandes in die<br />
Haut gebrannt.<br />
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Exkurs<br />
„Implanting“:<br />
Körperschmuck wird unter oder in<br />
die Haut/den Knochen implantiert.<br />
Oben links: Funktionelles<br />
Implantat - ein starker<br />
Miniaturmagnet<br />
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Exkurs: Body modification<br />
„Korsettpiercing“:<br />
Fest eingesetzte Ringe (links) oder kurzzeitig eingestochene<br />
medizinische Kannülen (rechts) werden mit Seidenband<br />
umflochten und ergeben den Eindruck eines geschnürten<br />
Korsetts<br />
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Exkurs: Body modification<br />
Wenngleich sie oberflächlich das Kriterium der aktiven oder<br />
passiven <strong>Selbstverletzung</strong> erfüllen, sind Körpermodifikationen<br />
doch Ausdruck einer bestimmten Subkulturzugehörigkeit und<br />
Weltanschauung. Sie sind somit dem Geschmacksurteil<br />
unterworfen, aber keinesfalls zu pathologisieren!<br />
Genauer spezifiziert: Haben die Verletzungen des Körpers nicht<br />
die Schädigung selbst zum Ziel, sondern eine bewusste<br />
zielgerichtete (für den „Modifizierten“ positive) Veränderung der<br />
körperlichen Ästhetik und nehmen eine Körperverletzung dafür<br />
nur billigend in Kauf oder sehen diese selbst nicht einmal als<br />
solche, so handelt es sich hierbei nicht um selbstverletzendes<br />
Verhalten im pathologischen Sinne<br />
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Ursachen<br />
3. Psychische Ursachen ohne oder mit leichtem<br />
krankhaften Hintergrund, z.B.:<br />
Nägelkauen/Haarezupfen als Übersprungshandlung<br />
unter Stress<br />
Risikoverhalten bei Außenseitern als Versuch,<br />
Anerkennung zu ernten<br />
Schlagen/Treten gegen Wände und Objekte als<br />
Ausdruck von Kontrollverlusten, Verletzung dabei<br />
nicht intendiert<br />
Selbst zugefügte Verletzung als Erfahrung von<br />
Körpergrenzen und eigener Verletzlichkeit im<br />
Rahmen der normalen jugendlichen Identitätskrise<br />
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Ursachen<br />
4. Psychische Ursachen krankhafter Natur<br />
Schwere Ichstörungen/Störungen des Selbstbildes<br />
Zerstörung des eigenen Körpers aus Selbsthass<br />
Körperliche Mißhandlung durch andere wird provoziert oder<br />
erbeten (z.B. masochistische Sexualpraktiken) und als<br />
„verdient“ oder sogar lustvoll empfunden<br />
Magersucht und Bulimie durch Konflikt mit herrschendem<br />
Schönheitsideal und/oder gestörtem Körperempfinden<br />
Psychosen<br />
Bei Gefühl der Depersonalisation Mittel, den eigenen Körper<br />
wieder zu spüren<br />
Mittel zur Erzeugung von Machtgefühlen über sich selbst<br />
(„Herr über Leben und Tod“) bei Gefühlen totaler Ohnmacht<br />
und des Kontrollverlustes, häufig bei Opfern von<br />
Mißhandlungen und sexuellem Mißbrauch<br />
Als Symptom der Borderline-Persönlichkeitsstörung<br />
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Ursachen<br />
SSV und SVV sind nur SYMPTOM einer übergeordneten<br />
Störung<br />
„Abstellen“ eines bestimmten Verhaltensmusters führt nur zur<br />
Verschiebung (z.B. wird „Ritzen“ durch weniger auffallende<br />
<strong>Selbstschädigung</strong> ersetzt), das Grundproblem bleibt jedoch<br />
bestehen<br />
Ursachen der zugrundeliegenden Störung liegen meist in<br />
frühkindlicher Phase, daher ist im Altersbereich der<br />
Sekundarstufe diese so weit fortgeschritten, dass pädagogische<br />
Intervention meist zu spät kommt und in ihrer Wirkung ineffektiv<br />
bis sehr beschränkt ist<br />
Der Raum Schule kann aber als stabilisierender Faktor wirken,<br />
besonders, wenn die Ursachen der Störung in den<br />
Familienverhältnissen liegen<br />
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