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Leseprobe

Eine Kindheit in Tschagguns - Burtscher Marketing

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Gerhard Burtscher<br />

Zälfabüabli<br />

Eine Kindheit in Tschagguns<br />

Hasenzahn®<br />

Erzählt mit Bildern von heute und<br />

Geschichten von damals<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

<strong>Leseprobe</strong>


Gerhard Burtscher<br />

Zälfabüabli<br />

Eine Kindheit in Tschagguns<br />

Erzählt mit Bildern von heute und<br />

Geschichten von damals<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Hasenzahn®<br />

Einzigartig, unvollkommen, liebenswert.


Gerhard Burtscher, Jahrgang 1949, beschreibt<br />

in diesem Buch mit Geschichten und Geschichtchen<br />

seine Kindheit in Tschagguns in der Zeit von<br />

1949 bis 1963. Die Bilder, die seine Erzählungen<br />

begleiten, sind in den letzten Jahren, nach seiner<br />

Rückkehr ins „Ländle“, entstanden. Sie zeigen all<br />

die Ansichten, die der rastlose Geist in den mehr<br />

als 40 Jahren seines frei gewählten „Exils“ im Inund<br />

Ausland im Herzen getragen hat.<br />

Man spürt in jedem Abschnitt dieses Buches seine<br />

starke Verbundenheit mit Tschagguns und mit<br />

den Menschen, die seine Kindheit begleitet und<br />

ihn, wie er sagt, „auch ein ganzes Stück geprägt<br />

haben.“<br />

Heute lebt er mit seiner Frau Karin in Schwarzach<br />

im Vorarlberger Unterland. Seine erwachsenen<br />

Söhne, Alexander und Julian, leben in ihrer Geburtsstadt<br />

München und kennen die Geschichten<br />

aus oft wiederholten, mündlichen Überlieferungen.<br />

Sie waren meist geduldige Zuhörer.<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

3


Inhalt<br />

Der Auszug aus dem Paradies<br />

Vor langer, langer Zeit<br />

Das Schönste an Schruns ...<br />

Die Zelfen<br />

Das Gampadelswerk<br />

Ein Reich für Kinder<br />

Die neue Schanzenanlage<br />

Unsere Nachbarn<br />

Mein Elternhaus<br />

Die innere Zelfen<br />

In der Au und an der Ill<br />

Das neue Schwimmbad<br />

Das Ganzenahl<br />

Zwüscha zwä Bäch<br />

Auf Bitschweil<br />

Grabs und der Ziegerberg<br />

Das Gauertal<br />

Im Dorf<br />

So sieht man sich wieder<br />

Montafonarium<br />

Zrogg gluagat hon i<br />

Impressum<br />

<strong>Leseprobe</strong>


Der Auszug aus dem<br />

Paradies<br />

Die Geschicht(ch)en<br />

in diesem Buch spielen<br />

alle in der Zeit zwischen<br />

1949 und 1963.<br />

Das ist die Zeitspanne<br />

von 14 Jahren, die meine<br />

Kindheit in Tschagguns<br />

definiert. Auch<br />

wenn ich noch über<br />

Jahre an Wochenenden<br />

oder im Urlaub nach<br />

Tschagguns gekommen<br />

bin, fand mein wirkliches<br />

Leben nach 1963<br />

an anderen Orten statt.<br />

Ich muss ein Bild des Jammers geboten haben, als<br />

ich am Sonntag, dem 8. September 1963, einem<br />

sonnigen, warmen Tag, mit meinem Vater auf dem<br />

Weg zum Bahnhof war.<br />

Meine Augen waren rot von einer durchheulten<br />

Nacht, meine Füße schwer wie Blei, und in meinem<br />

Hals steckte immer noch der Kloß, der sich<br />

bei der Verabschiedung von meiner Mutter und<br />

vom Heli, meinem besten Freund, gebildet hatte.<br />

Das Ziel der Bahnfahrt war Bregenz, wo ich die<br />

Handelsakademie besuchen sollte, um einen anständigen<br />

Beruf zu erlernen. Quartiermäßig waren<br />

meine Eltern mit meiner Tante Hedi und meinem<br />

Onkel Herwig übereingekommen, mich für die<br />

nächsten fünf Jahre wochentags bei sich aufzunehmen<br />

und gelegentlich ein Auge auf mich zu werfen.<br />

Auf dem Bühel hinter dem Oskar war gerade der<br />

Mili am Heuen und kam gleich mit großen Schritten<br />

gelaufen, als er uns sah. „Ischt as jätzt so wit?“,<br />

fragte er, sichtlich betroffen, und riss mir damit<br />

auf´s Neue das Herz aus dem Leib. Sicher wollte<br />

er mich trösten, als er sagte: „Dr Otmar ischt jo o<br />

z´Brägaz“, aber das half mir in dem Moment auch<br />

nicht weiter.<br />

Ich würgte ein trotziges „Ich bin eh bald wödr do“<br />

heraus und entzog mich vorsichtig seiner Hand,<br />

die er mir auf die Schulter gelegt hatte. In mir<br />

klangen in diesem Moment die Abschiedsworte<br />

von Frau Präg nach, die gemeint hatte: „Wer amol<br />

goht, kunnt nia me wödr,“ und ich kämpfte erneut<br />

mit den Tränen.<br />

Wie auch immer. Am Ende sind wir in Bregenz<br />

angekommen und ich habe die fünf Jahre Handelsakademie<br />

planmäßig hinter mich gebracht.<br />

Die Schule war in der Tat eine gute Grundlage für<br />

mein späteres Berufsleben und ich habe diese Entscheidung<br />

zu keiner Zeit bereut.<br />

Trotzdem löste der Auszug aus meinem Paradies<br />

in der Zelfen den größten Schmerz aus, an den<br />

ich mich in meinem ganzen Leben erinnern kann,<br />

und er war sicher auch ein Grund dafür, dass ich<br />

immer wieder hierher zurück gekommen bin.<br />

Im Jahre 2007, als ich nach mehr als 40 Jahren im<br />

„Exil“, wieder dauerhaft ins Ländle gezogen bin,<br />

wurde mir klar, dass es im Leben nicht wirklich ein<br />

Zurück gibt. Die meisten Menschen,<br />

die mir einmal lieb und teuer waren,<br />

waren nicht mehr da, und<br />

die, die noch da waren, hat das<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Leben und die Zeit verändert.<br />

So wie auch mich.<br />

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6<br />

<strong>Leseprobe</strong>


Vor langer, langer<br />

Zeit,<br />

genauer gesagt, am 2. Mai 1949, kam ich im Josefsheim<br />

in Schruns zur Welt.<br />

Meine Eltern, Karl und Johanna Burtscher, lebten<br />

seit ihrer Hochzeit in Tschagguns, wo mein<br />

Vater bei der VKW im Gampadelswerk in Lohn<br />

und Brot stand. Der Vater war ein Klostertaler aus<br />

Braz, die Mutter kam aus Luckenwalde bei Berlin.<br />

Sie hatten sich während der Wanderschaft meines<br />

Vaters in Berlin kennen gelernt und sich fortan<br />

keinen anderen Partner mehr vorstellen können.<br />

Ich war ein Nachzügler. Mein Bruder Achim<br />

war dreizehn Jahre älter als ich, meine Schwester<br />

Waltraud zehn. Mein Bruder Karl-Heinz war<br />

schon vor meiner Zeit an den Folgen eines tragischen<br />

Unfalls im Alter von zwei Jahren verstorben.<br />

Damit war ich so etwas wie ein Einzelkind mit<br />

breit angelegter Betreuung. Auf jeden Fall war<br />

Waltrauds Rolle mehr die einer weiteren Mutter<br />

als die einer Schwester. Während sie, die gelernte<br />

Kindergärtnerin, ihr pädagogisches Wissen jeden<br />

Tag an mir ausprobieren konnte, erlebte ich die<br />

Erziehungsversuche meines Bruders Achim nur<br />

sporadisch, da er zu meiner Zeit als Kleinkind auswärts<br />

zur Schule ging und dann in Wien studiert<br />

hat. Das hielt ihn aber nicht davon ab, mir während<br />

seiner kurzen Abstecher in die Heimat regelmäßig,<br />

sozusagen vorbeugend, ein paar liebevolle<br />

„Pflichtboxer“ zu verpassen. Er war der irrigen,<br />

aber festen Meinung, meine Eltern wären zu nachsichtig<br />

mit mir und ich könnte etwas mehr Härte<br />

gut vertragen. Ob es letzten Endes meine Entwicklung<br />

begünstigt hat, ist schwer zu sagen.<br />

Dass meine Mutter zum Zwecke der Geburt ausgerechnet<br />

nach Schruns musste, hängt damit zusammen,<br />

dass das Josefsheim neben dem Maria<br />

Rast das einzige Krankenhaus weit und breit war<br />

und meine Eltern mit der Wahl dieser Einrichtung<br />

vermutlich sicher stellen wollten, dass die Frucht<br />

ihres Leibes entspannt und mit dem Kopf voraus<br />

das Licht der Welt erblickt.<br />

Da mein Aufenthalt in Schruns nur auf wenige<br />

Tage nach der Geburt beschränkt war, hatte in meinem<br />

winzigen Inneren noch keine Wurzelbildung<br />

statt gefunden. Erst in der Zelfen, einem Ortsteil<br />

der Nachbargemeinde Tschagguns, dem Wohnort<br />

meiner Eltern, ging meine kindliche Seele vor Anker<br />

und ich spürte sofort: Do ischt dahem!<br />

Aber natürlich blieb meine Geburt nicht der einzige<br />

Berührungspunkt mit Schruns. Als Marktgemeinde<br />

und Hauptort des Montafons verfügte<br />

Schruns über eine ganze Reihe von Einrichtungen,<br />

die auch uns Tschaggunsern zugute kamen.<br />

Schruns hatte eine Hauptschule. Sie war ein Sammelbecken<br />

für alle Kinder der Talschaft, die sich<br />

nach der 4. Klasse Volksschule zu Höherem berufen<br />

fühlten und nicht den Weg nach Bludenz ins<br />

Gymnasium auf sich nehmen wollten oder konnten.<br />

Hier erfuhren wir Kinder, die wir aus verschiedenen<br />

Gemeinden stammten, erstmals am eigenen<br />

Leib, was Globalisierung auf montafonerisch bedeutet<br />

und hatten damit am Anfang durchaus unsere<br />

liebe Not.<br />

Zwar bildeten sich im Laufe der Schulzeit vereinzelt<br />

Gemeinde übergreifende Freundschaften<br />

heraus, doch die Dorfzugehörigkeit blieb immer<br />

präsent. Das war auch kein Wunder, gingen wir<br />

doch alle nach dem Unterricht wieder nach Hause<br />

in unsere gewohnte Umgebung.<br />

Auf der Wiese zwischen der Hauptschule und dem<br />

Gericht fand alljährlich der Viehmarkt statt. Hier<br />

konnte man die Viehhändler und Bauern beim<br />

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Schachern um Kühe, Stiere und Kälber beobachten.<br />

Es war auf beiden Seiten eine große schauspie-<br />

7


8<br />

„Das Schönste an<br />

Schruns ...<br />

... ist der Blick auf Tschagguns.“ Auch das war einer<br />

dieser Sprüche, mit denen wir Tschaggunser<br />

Kinder uns gegen die Schrunser zu behaupten versuchten.<br />

Und in der Tat machte erst der Blick von<br />

Schruns - oder noch besser - der Blick von Bartholomäberg<br />

deutlich, wie schön unser Ort ist, wie<br />

atemberaubend seine Bergwelt.<br />

Schruns selbst, mit seinem gepflegten und weitläufigen<br />

Ortsbild im Vordergrund, machte das Bild<br />

vollkommen.<br />

Als kleiner Bub habe ich mir immer vorgestellt,<br />

wie genial es wäre, auf der Montjola in Schruns<br />

einen riesigen Spiegel aufzubauen, der es uns<br />

Tschaggunsern ermöglicht hätte, von zuhause aus<br />

unsere Gemeinde zu betrachten und gleichzeitig<br />

in diesem Bild zu leben.<br />

Nachdem mich mein Vater mit schlichter Erwachsenenrhetorik<br />

von dieser Idee abzubringen<br />

versuchte und sich nie öffentlich für deren Umsetzung<br />

einbrachte, machte ich einen zweiten Versuch<br />

mit dem Entwurf einer Sesselbahn, die die<br />

Zelfen, Schruns und Tschagguns im Umlauf verbindet<br />

und so im Verlauf der Fahrt den Blick auf<br />

die ganze Schönheit des Talkessels und der umliegenden<br />

Berge frei gibt.<br />

Nur der Vollständigkeit halber füge ich an, dass ich<br />

auch für diese Idee, mangels Weitsicht der familiären<br />

Gremien, keine Unterstützung finden konnte<br />

und hierauf beschloss, mich fortan als Erfinder zu<br />

verweigern.<br />

Wenn mir heute nach diesem Anblick ist, gehe ich<br />

am späteren Vormittag eines Werktags von Bartholomäberg<br />

nach Innerberg. Dann steht die Sonne<br />

optimal und zeichnet ein klares Bild. Tschagguns<br />

liegt einem hier in seiner ganzen Ausdehnung zu<br />

Füßen und man hat alle Ortsteile und Berge im<br />

Blick.<br />

Menschen, die sich einsam fühlen, sollten sich<br />

diesen Ausflug an einem schönen Wochenende<br />

vornehmen. Dann finden sie dort mit Sicherheit<br />

Gleichgesinnte aus Süddeutschland, Liechtenstein,<br />

Holland, der Schweiz und aus dem Vorarlberger<br />

Unterland, die alle das selbe Ziel verfolgen.<br />

Allerdings ist es ratsam, sich früh auf den Weg zu<br />

machen. Denn die Zahl der Parkplätze ist so<br />

endlich wie die der Sitzplätze im Gasthaus<br />

Mühle in Innerberg, der ultimativen Anlaufstelle<br />

all derer, die vor lauter Ausblick<br />

Hunger und Durst bekommen<br />

haben.<br />

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<strong>Leseprobe</strong><br />

9


10<br />

Die Zelfen<br />

Ich kann mich natürlich nicht erinnern, auf welchem<br />

Weg ich nach meiner Geburt von Schruns<br />

in das elterliche Zuhause überstellt wurde, aber<br />

wahrscheinlich war es der Wagenweg, der geradewegs<br />

von Schruns über die Ill in die Zelfen führt.<br />

Und wahrscheinlich habe ich den ganzen Weg geschlafen.<br />

Nur so ist es zu erklären, dass ich meine ersten bewussten<br />

Momente als Kind in der Zelfen, genauer<br />

gesagt, beim Gampadelswerk, erlebt habe. Und wie<br />

das bei frisch geschlüpften Küken nun einmal der<br />

Fall ist, habe ich diese Umgebung nach dem ersten<br />

Sichtkontakt sofort zu meinem persönlichen Reich<br />

erklärt.<br />

Während all der Jahre konnte nichts meine Liebe<br />

zu diesem Flecken Erde anfechten. Die Tatsache,<br />

dass die Winter hier, wie der Luggi Kessler einmal<br />

sagte, „an Tschopa kelter“ waren als im übrigen<br />

Tschagguns, hat mich nie gestört. Ebenso wenig<br />

störte mich der Umstand, dass sich die Sonne in<br />

der Zelfen zwei Monate im Jahr überhaupt nicht<br />

blicken ließ. Dafür war die Freude groß, wenn sie<br />

gegen Winterausgang wieder verschämt und auf<br />

Zehenspitzen aus der Au Richtung Haus geschlichen<br />

kam und so getan hat, als wäre sie nie fort<br />

gewesen.<br />

Nur meine Mutter hätte etwas mehr Wärme gut<br />

vertragen. Da wo sie herkam, standen der Sonne<br />

keine Berge im Weg und sie musste sich sicher erst<br />

daran gewöhnen. Aber sie hat nie darüber geklagt.<br />

So liebevoll wie treffend nannte sie die Zelfen<br />

Klein-Sibirien.<br />

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12<br />

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Das Gampadelswerk<br />

Das Gampadelswerk war, ähnlich einem Schloss,<br />

das zentrale Gebäude meines Reiches. Hier arbeitete<br />

mein Vater, ohne den, so war ich damals<br />

überzeugt, im ganzen Land die Lichter ausgegangen<br />

wären. Von hier kam das Geld, das uns ein<br />

einfaches, aber gutes Leben erlaubte, und von hier<br />

kam die Sicherheit, dass das auch immer so bleiben<br />

würde.<br />

Wenn ich irgendwo in Tschagguns unterwegs war<br />

und gefragt wurde: „Wem g´hörscht Du, Büabli?“,<br />

dann antwortete ich stolz: „Dam Burtscher vom<br />

Gampadelswerk“, und jeder wusste sofort Bescheid.<br />

Ein Grund für den hohen Bekanntheitsgrad meines<br />

Vaters war sicher auch die Tatsache, dass er<br />

nach dem Krieg vielen Bauern im Ort bei Problemen<br />

mit der Elektroinstallation geholfen hat. Im<br />

Gegenzug brachte er dann meist Butter, Käse oder<br />

Speck mit nach Hause.<br />

Das Gampadelswerk war eines der ersten Wasserkraftwerke<br />

in Vorarlberg. Die zwei großen Turbinen<br />

in der Haupthalle wurden mit Wasser aus dem<br />

Speichersee von Bitschweil über eine Druckrohrleitung<br />

mit 400 Meter Gefälle gespeist. Die Wasserabfuhr<br />

erfolgte über einen Kanal, der direkt in<br />

die Ill führte.<br />

Auch wenn Unbefugten der Zutritt in das Gebäude<br />

streng verboten war, wussten wir Kinder natürlich,<br />

wie wir über den Seiteneingang auf den riesigen<br />

Dachboden gelangen konnten, um dort nach verwertbaren<br />

Materialien für unsere zahlreichen Vorhaben<br />

zu suchen und die Fledermäuse zu erschrecken,<br />

die hier in Scharen von der Decke hingen.<br />

Während meiner ersten fünf Lebensjahre lebten<br />

wir im alten Werkshaus. Die Wohnungen waren<br />

großzügig, hatten aber kein eigenes Bad. Dafür<br />

war im Gampadelswerk ein großes Badezimmer<br />

eingerichtet, das sich die Werklerfamilien nach<br />

einem festen Zeitplan teilten. Mehr als ein Wannenbad<br />

in der Woche war da nicht drin. Aus der<br />

Sicht von uns Kindern eine absolut ausreichende<br />

Dosierung.<br />

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14<br />

Ein Reich für Kinder<br />

Die Leute, die damals in der Zelfen, rund um das<br />

Gampadelswerk wohnten, waren Bauern, denen<br />

die angrenzenden Felder gehörten, Arbeiter und<br />

Angestellte, die im Umland einer Arbeit nachgingen<br />

und wir „Werkler“, also die Familien, deren Ernährer<br />

beim Gampadelswerk arbeiteten.<br />

Es waren Menschen mit ganz unterschiedlicher<br />

Herkunft, unterschiedlichen Prägungen und Lebensläufen.<br />

Man lebte meist friedlich nebeneinander<br />

her. Der Krieg war ja erst ein paar Jahre vorbei<br />

und jeder war froh, dass es wieder langsam aufwärts<br />

ging.<br />

Mit diesen Leuten kamen wir Kinder, ein bunter<br />

Haufen von Buben und Mädchen, die sich für ein<br />

paar Jahre eine gemeinsame Welt teilten.<br />

Für viele von uns endete diese Zeit im Alter von<br />

14 Jahren, weil es damals, bis auf das Gymnasium,<br />

keine höheren Schulen im Bezirk Bludenz gab und<br />

das Leben demzufolge meist in Bregenz, Innsbruck<br />

oder Wien weiter ging. Oft war das dann auch ein<br />

Abschied für immer.<br />

An den ersten dieser Abschiede erinnere ich mich<br />

noch genau. Ich war damals fünf Jahre alt, und wir<br />

waren mitten im Umzug vom alten in das neue<br />

Haus, als die Effenbergs, eine Werklerfamilie mit<br />

fünf Kindern, vorbei kamen, um sich nach Australien<br />

zu verabschieden.<br />

Niemand von den Erwachsenen konnte mir damals<br />

in meinem Elend klar machen, warum sie<br />

freiwillig weggingen, gerade von hier, wo es uns<br />

doch an absolut nichts fehlte. Und dann auch noch<br />

mit den Kindern. Wenigstens die hätten sie da lassen<br />

können...<br />

Trotz aller Abschiede gingen der Zelfen die Kinder<br />

nie aus. Zum einen war es eine Zeit beeindruckender<br />

Fruchtbarkeit, zum anderen zogen auch vereinzelt<br />

junge Familien zu. Wenn ich in der Folge<br />

von „uns Kindern“ spreche, meine ich damit natürlich<br />

den Kern, der altersmäßig zusammen passte<br />

und zu meiner Zeit den Ton angab.<br />

Die Namensliste ist lang und die Zälfagagla haben<br />

es alle im späteren Leben zu etwas gebracht. Es<br />

muss eine gute Schule gewesen sein.<br />

In meine Zeit fallen Namen wie Helmut Heli Präg,<br />

Hubert Hubi Reutz, Otmar und Irmgard Salzgeber,<br />

Rudi und Emil Bitschnau, Sieglinde und Maria<br />

Fiel, Erich Konzett und Toni Leopolder. Nicht<br />

zu vergessen natürlich die blonden Mädchen von<br />

Zanghellinis, Ingrid und Erika, sowie Hermann<br />

Präg und Kurt Salzgeber, die kleinen Brüder vom<br />

Heli und vom Otmar. Auch ein Manfred, der bei<br />

der Ilga Bitschnau oft in Obhut war, war gelegentlich<br />

dabei. Aber an seinen Familiennamen kann<br />

ich mich leider nicht erinnern.<br />

Daneben lebte in der Zelfen noch eine ganze Reihe<br />

weiterer Kinder, wie die der Familien Fuchs, Kern<br />

oder Schwarzhans. Aber sie waren gut jünger und<br />

hatten sicher eine ganz eigene Wahrnehmung von<br />

dieser Zeit.<br />

Die Buben, die älter waren, eigentlich schon junge<br />

Männer, dienten uns meist als Vorbilder, und<br />

wir suchten ihre Nähe aus den unterschiedlichsten<br />

Gründen. Wir waren glücklich, wenn sie sich mit<br />

uns abgaben und uns an ihrem fortgeschrittenen<br />

Wissen um die Dinge des Lebens teilhaben ließen.<br />

Der Franz Frenz Jenny förderte unsere handwerklichen<br />

Fertigkeiten, indem er uns in seinem Ställi<br />

neben der Zelfenschanze die Benutzung seiner<br />

Werkstatt gestattete und uns auch gelegentlich<br />

fachmännisch zur Hand ging. Klaus Reithofer war<br />

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die personifizierte Ratio. Er schliff unsere Argumentation<br />

und lehrte uns präzise Fragestellungen.<br />

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Die innere Zelfen<br />

Die innere Zelfen begann für uns beim Marius Ganahl<br />

und reichte bis zur Landbrücke. Dieser Teil<br />

der Zelfen ist heute fast nicht wieder zu erkennen.<br />

In meiner Wahrnehmung gibt es hier mehr neue<br />

Häuser als in jedem anderen Ortsteil von Tschagguns.<br />

Auf den ehemaligen Grundstücken vom Marius<br />

reiht sich ein Haus ans andere und weiter hinten,<br />

Richtung Steg, bauen sich die Jungen der dortigen<br />

Bewohner fleißig ihre eigenen Nester.<br />

Vieles aber ist, wie es damals war. Das stattliche<br />

Doppelhaus, in dem die Familien Schuchter und<br />

Keßler wohnten, steht nach wie vor da wo es immer<br />

stand, und auch die Anwesen der Familien<br />

Salzgeber, Marent und Mangeng stehen noch an<br />

ihrem Platz.<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Bei den Keßlers haben mein<br />

Vater und ich immer die<br />

Eier geholt und dabei natürlich<br />

nicht vergessen, die<br />

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In der Au<br />

und an der Ill<br />

Die Au und die Ill waren Reviere, die wir Buben<br />

auch mit den Mädchen teilten. Während der Auwald<br />

und seine unzähligen Pflanzenformationen<br />

den Bau abenteuerlicher Unterkünfte und Verstecke<br />

erlaubte, bot die Ill ein unerschöpfliches<br />

Repertoire an Spielen am und im Wasser.<br />

Als wir Kinder noch sehr klein waren, gingen wir<br />

mit unseren Müttern am liebsten zum Seeli, einem<br />

kleinen, sandhaltigen Tümpel auf Höhe vom Marius<br />

Ganahl, der von einem schmalen Seitenarm der<br />

Ill gespeist wurde.<br />

Das Wasser war so flach, dass man beim besten<br />

Willen nicht ertrinken konnte und der feine Sand<br />

war ein ideales Baumaterial für unsere Burgen und<br />

Schlösser. Zwischen dem Seeli und der Ill war eine<br />

dicht bewachsene Insel, auf der wir die Abenteuer<br />

von Freitag und Robinson Crusoe nachspielten.<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Noch heute erinnere ich mich an die zahlreichen<br />

Bremsen, die uns zugesetzt haben und an das klebrige,<br />

süßlich riechende Sonnenöl, mit dem wir vor<br />

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18<br />

Das neue<br />

Schwimmbad<br />

Das neue Schwimmbad in der Au ist erst nach<br />

meiner Zeit in der Zelfen gebaut worden, weswegen<br />

ich keine persönlichen Erinnerungen damit<br />

verbinde.<br />

Erst später, bei meinen Abstechern nach Tschagguns,<br />

habe ich es manchmal besucht, und es diente<br />

mir schon mehrfach als Motiv für meine Werbeaufnahmen.<br />

Die beeindruckende Kulisse mit Mittagspitze,<br />

Zimba und Vandanser Steinwand hat<br />

mich immer wieder begeistert.<br />

Ein Vergleich dieser Anlage mit „meinem“ alten<br />

Schrunser Schwimmbad wäre sicher nicht fair, und<br />

ich würde mich höchstwahrscheinlich nur aus reiner<br />

Sentimentalität für letzteres entscheiden. Aber<br />

Gott sei Dank steht diese Entscheidung ja nicht an,<br />

und das Kind in mir kann schon verstehen, dass<br />

die Baderatten und Sonnenanbeter von heute dieses<br />

Schwimmbad um keinen Preis der Welt gegen<br />

ein anderes eintauschen würden.<br />

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Das Ganzenahl<br />

Das Ganzenahl ist der Ortsteil, der direkt an die<br />

Zelfen angrenzt. Er beginnt auf der Höhe vom<br />

Junkersboden und reicht bis zum Gampadelsbach.<br />

Es ist ein sonniger, schöner Flecken Erde. Die<br />

leichte Hanglage gibt im oberen Teil den Blick frei<br />

auf Schruns, Bartholomäberg und das Hochjoch.<br />

Dreht man den Kopf, steht über einem stolz die<br />

Mittagspitze, der Hausberg der Tschaggunser.<br />

Gotthard Sandrell, ein Freund meines Vaters und<br />

der Besitzer des Campingplatzes in der Zelfen, hatte<br />

hier seine Ländereien, und an der Grenze zum<br />

Ganzenahl lebten die Familien Tschohl und Konzett.<br />

Während die Jugend bei Tschohls schon älter<br />

war, gehörte der Erich Konzett zum erweiterten<br />

Kreis der Zelfner Kinder. Seine Mutter Paulina war<br />

eine Tante meines Freundes Heli Präg.<br />

Im Haus von Tschohls habe ich als Kind das erste<br />

Mal den Tod erlebt. In einer Kammer im oberen<br />

Stock lag die Großmutter vom Armin Tschohl und<br />

seinen Geschwistern aufgebahrt. Um sie herum<br />

saßen alte Frauen in dunklen Trachten, die mit ei-<br />

nem Rosenkranz in der Hand Gebete murmelten<br />

und lautstark wehklagten.<br />

Der Gotthard Sandrell beeindruckte mich immer<br />

wieder durch seine Großzügigkeit und Gelassenheit.<br />

Bei ihm lernte ich das Melken und das Traktor<br />

fahren, und er redete mit mir wie mit einem<br />

Erwachsenen.<br />

Er gab mir Raum für meine ersten künstlerischen<br />

Versuche, indem er mir erlaubte, die Hinweisschilder<br />

zum Campingplatz nach meinem Geschmack<br />

neu zu gestalten, und er unterstützte mich bei meinen<br />

ersten Schritten als junger Unternehmer, indem<br />

er mir den Campingplatz und seinen Kiosk<br />

als Versuchsfeld für einen von mir konzipierten<br />

Frühstücksservice überließ.<br />

Die Familie Mangard wohnte im unteren Stock<br />

des Sandrellhauses, eines denkmalgeschützten,<br />

wunderschönen Altbaus aus dem 15. Jahrhundert.<br />

Über ihnen, im ersten Stock, wohnte die Viktoria<br />

Salzgeber mit ihren Kindern Karl Morscher und<br />

seiner schönen Schwester Margot. Der Karl und<br />

die Buben von Mangards sind mit mir in die Schule<br />

gegangen, aber in der Freizeit sahen wir uns eher<br />

selten.<br />

Unterhalb der heutigen Zelfenstraße wohnte die<br />

Familie Lorenzin mit einer Schar Buben und<br />

einer Tochter. Der Emil Lorenzin war<br />

meistens dabei, wenn wir uns in der Au,<br />

in der Nähe seines Elternhauses herumtrieben.<br />

Hier hatte das Bächli, ein kleiner<br />

Bach, der auf geradem Weg durch<br />

die Zelfen fließt, Lust auf ein paar Kur-<br />

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<strong>Leseprobe</strong>


Zwüscha zwä Bäch<br />

Das Gebiet zwischen dem Gampadelsbach und<br />

dem Rasafei habe ich, speziell für dieses Buch und<br />

mangels anderer Vorschläge, als das „Gebiet zwischen<br />

zwei Bächen“ benannt. Meine ursprüngliche<br />

Annahme, dass Tschegga der richtige Name für<br />

diesen Bereich sei, wurde mir vom Heinz Fritz,<br />

dem Gemeindesekretär von Tschagguns, leider<br />

zunichte gemacht. Er klärte mich auf, dass der<br />

Tschegga, genau so wie die Foppa, nur einen Teil<br />

dieses Gebiets ausmachen.<br />

Wie dem auch sei. Für mich ist es eine der schönsten<br />

Lagen in Tschagguns. Wer hier wohnt, wird<br />

mit Sonne und Aussicht gleichermaßen verwöhnt<br />

und ist trotzdem in wenigen Minuten im Dorf.<br />

Hier stand, fünfzig Meter hinter der Brücke über<br />

den Gampadelsbach, auf der rechten Seite das<br />

Haus der Familie Nussbaumer. Ihre bildhübschen<br />

Töchter, Ingrid und Renate, haben mir in der<br />

Hauptschule, eine nach der anderen, anständig<br />

den Kopf verdreht. Von einigen Schulfreunden<br />

wurde ich, nachdem meine Schwäche für die Bei-<br />

den offenkundig wurde, als Wiebrlalli gebrandmarkt.<br />

Natürlich war es der blanke Neid, der aus<br />

ihnen sprach.<br />

Hinter Nussbaumers kam das Haus von der Luise<br />

Tallafuß. Die Luise, d´Luisa, war eine umtriebige,<br />

freundliche Frau, die damals das Gasthaus<br />

auf Matschwitz bewirtschaftete und für uns beim<br />

Schifahren auf dem Golm eine beliebte Anlaufstelle<br />

war. Ihr Apfelstrudel war eine Sensation.<br />

Die Angelika Mangeng, die ihr im Service zur<br />

Hand ging, sorgte mit Humor und fester Hand<br />

dafür, dass wir uns anständig benahmen und net<br />

zviel Lärma mahan. Mit dem Sohn von der Luisa,<br />

dem Lutz, hatte ich erst später, in der Schischule<br />

zu tun. Er war ein guter Schilehrer, aber Geduld<br />

gehörte nicht zu seinen Stärken.<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Weiter draußen, bei der Abzweigung<br />

nach Bitschweil, dem Markagätter,<br />

kam rechts die Barbarasiedlung, und<br />

links dahinter wohnte der Adrian<br />

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<strong>Leseprobe</strong>


Auf Bitschweil<br />

Bitschweil war ein fest mit dem Gampadelswerk<br />

verbundener Ortsteil, da hier das Wasser im Speichersee<br />

gefasst wurde und dann durch die pechschwarzen<br />

Rohre 400 Meter in die Tiefe schoss.<br />

Mein Vater hatte regelmäßig auf Bitschweil zu tun,<br />

sei es, um den Stollen zur Wasserfassung beim<br />

Gampadelsbach zu begehen oder den Rechen und<br />

die Rohrleitung zu kontrollieren. Letzteres musste<br />

in regelmäßigen Abständen zu Fuß erledigt werden,<br />

was einen nicht unerheblichen Kraftaufwand<br />

und Rutschgefahr bedeutete und eine gute Kondition<br />

erforderte.<br />

Heute erklimmen Sportler und Wanderer freiwillig<br />

die 914 Stufen der neu angelegten Aquastiege<br />

entlang der Rohrleitung bis Bitschweil. Das ist<br />

etwas komfortabler als damals, aber für normale<br />

Menschen wie mich immer noch eine rechte Schinderei.<br />

Wäre da nicht die Wirtschaft Bitschweil, ein<br />

uriges Gasthaus mit guter Küche und reichlich Getränken<br />

am Ende der Strecke, hätte ich vielleicht<br />

diese Anstrengung erst gar nicht überlebt.<br />

Ein ganz besonderer Bitschweiler war der Georg<br />

Thoma, der Baschi, wie man ihn hier nannte. Er<br />

war ein weithin bekanntes Original, ein brummiger,<br />

unaufgeregter Typ mit hellwachen Augen und<br />

einem scharfen Verstand. Sein Witz hatte etwas<br />

liebenswürdig Hinterhältiges, und er konnte sich<br />

diebisch freuen, wenn er einen wieder einmal verwirren<br />

oder gar erschrecken konnte.<br />

Ich erinnere mich noch, wie er im Wohnzimmer<br />

seines Wohnhauses Anfang der 60er Jahre eine<br />

Jausenstation eröffnet und die Gäste mit seinen<br />

Geschichten unterhalten hat. Seine Frau saß derweil<br />

geduldig mit dem kleinen Franz auf dem<br />

Schoß auf der Ofenbank und gab Obacht, dass wir<br />

nicht vor lauter Zuhören verhungert oder verdurstet<br />

sind.<br />

Baschis Jausenstation war im Winter auch<br />

Ausgangspunkt für halsbrecherische Rodelpartien<br />

über die alte Bitschweilstraße<br />

nach Tschagguns. Während im Normalfall<br />

zuvor der steile Anstieg zu Fuß be-<br />

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<strong>Leseprobe</strong>


Grabs und<br />

der Ziegerberg<br />

Grabs war für uns Kinder vor allem im Winter eine<br />

begehrte Anlaufstelle, um nach der Schule noch<br />

schnell ein paar Schwünge in schneesicherem Gelände<br />

zu ziehen. Der alte Einer-Sessellift trödelte<br />

durch einen schattigen, eiskalten Wald gemächlich<br />

nach oben, und wenn man bis zur Ankunft auf der<br />

Bergstation noch nicht erfroren war, gab es Schigenuss<br />

pur als Belohnung.<br />

Oberhalb der Bergstation war die Hochegga, ein<br />

gefürchteter Buckelhang, der von einem ruppigen<br />

Schlepplift erschlossen wurde und deswegen auch<br />

in der Hochsaison nicht übermäßig bevölkert war.<br />

Hier übten wir dann die fast jährlich wechselnden<br />

Techniken, die wir den Schilehrern bei ihrem<br />

Training heimlich abgeschaut hatten. Wenn wir<br />

genug hatten von reiner Technik, starteten wir mit<br />

einem Juchzer die Abfahrt ins Tal und ließen den<br />

Schiern freien Lauf.<br />

Im Sommer war Grabs der Ausgangspunkt für<br />

zahlreiche Bergwanderungen, wie beispielsweise<br />

den Anstieg zur Tschaggunser Mittagspitze.<br />

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26<br />

Das Gauertal<br />

Das Gauertal dürfte eines der begehrtesten Wandergebiete<br />

sein, die Tschagguns zu bieten hat. Die<br />

atemberaubende Kulisse, die sich dem Wanderer<br />

auf dem leicht ansteigenden Weg zur Lindauer<br />

Hütte bietet, ist ohne Vergleich.<br />

Eine der Touren, an die ich mich als Kind erinnere,<br />

ist der Anstieg durch das Gauertal bis zur Lindauer<br />

Hütte und dann weiter über den Golmer Höhenweg,<br />

vorbei an der Geißspitze und dem Kreuzjoch,<br />

zum Golmerjoch und dann hinunter nach<br />

Grüneck.<br />

Wenn wir die Alpenrosenblüte nicht verpassen<br />

wollten, aber nicht zeitig aus dem Bett kamen,<br />

sind wir mit dem Schrägaufzug auf Golm gefahren,<br />

über den Latschätzer Höhenweg bis zur<br />

Latschätz Alpe gewandert und dann über Wachters<br />

Deja wieder zurück nach Latschau. Später,<br />

mit den Pfadfindern, haben wir den Weg von der<br />

Lindauer Hütte über den Bilken Grat zur Tilisuna<br />

Hütte genommen und sind über die Tilisuna Alpe<br />

wieder zurück ins Tal.<br />

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Im Gauertal mit Blick auf Sulzfluh und Drei Türme.


Im Dorf<br />

Hinter dem Rasafei begann für uns das Zentrum<br />

von Tschagguns, ds´Darf, wie wir sagten. Links<br />

hinter der Brücke stand das Sägewerk vom Guido<br />

Engstler, d´Saga. Der Guido war der Vater meines<br />

Schulfreundes Kurt Engstler, der später als Schirennläufer<br />

und Trainer Karriere machte.<br />

Gleich hinter dem Wohnhaus der Engstlers kam<br />

das Armenhaus, in dem sozial benachteiligte Menschen<br />

untergebracht waren. Ich kann mich nur an<br />

einen der Bewohner, einen großen, grobschlächtigen<br />

Mann, erinnern, der von allen „Pollak“ gerufen<br />

wurde. Er hatte panische Angst vor Feuer,<br />

und wir Kinder hatten nichts Besseres zu tun, als<br />

ihn auf dem Weg zur Maiandacht zu erschrecken,<br />

indem wir den vor dem Armenhaus reichlich vorkommenden,<br />

verblühten Löwenzahn angezündet<br />

und den Flug der glühenden Schirmchen lautstark<br />

verfolgt haben. Eine Dummheit, die mir heute<br />

noch Leid tut.<br />

Nach dem Armenhaus ging eine Straße links nach<br />

oben, an der die Familie Führer wohnte. Einer<br />

der Söhne ging mit mir in die Klasse. Weiter oben<br />

wohnte mein Schulfreund Pepi Bachmeier mit seiner<br />

Mutter und seinen beiden Geschwistern.<br />

Rechts, auf dem Weg Richtung Zentrum, war das<br />

alte Feuerwehrhaus für uns von Interesse. Manchmal,<br />

wenn die Tür offen war, sind wir hineingegangen<br />

und haben heimlich das Fahrzeug und die<br />

Gerätschaften begutachtet, mit denen die Feuerwehrleute<br />

ihre gefährliche Aufgabe verrichteten.<br />

Pünktlich um zwölf Uhr ertönte regelmäßig die<br />

Sirene und rief zum Mittagessen.<br />

Spätestens jetzt wird es Zeit, über die Pfarr- und<br />

Wallfahrtskirche Mariä Geburt, das stolze Wahrzeichen<br />

von Tschagguns, zu reden. Sie wurde im<br />

15. Jahrhundert erbaut und thront, weithin sichtbar<br />

über dem Dorf. Woher auch immer man sich<br />

dem Ort nähert, bildet sie das zentrale Motiv.<br />

In meiner Kindheit spielte unsere Kirche eine<br />

wichtige Rolle. Jeden Sonntag hat sich die Familie<br />

unter den gestrengen Blicken meines Vaters<br />

geschlossen auf den Weg in die 8 Uhr Messe gemacht,<br />

und im fortgeschrittenen Kindesalter habe<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

„D´Saga“ und das Wohnhaus der Familie Guido Engstler.<br />

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Die Tschaggunser Kirche mit dem Gasthof Löwen<br />

und dem Pfarrhaus.


<strong>Leseprobe</strong>


So sieht man sich<br />

wieder<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

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30<br />

Montafonarium<br />

Montafonerisch - Deutsches Wörterbuch<br />

Als „Montafonarium“ bezeichne ich<br />

mein privates Montafonerisch/Deutsches<br />

Wörterbuch, das sich hier auf die<br />

in diesem Buch verwendeten Worte und<br />

Sätze beschränkt.<br />

Die Schreibweise des Montafonerischen<br />

folgt weitgehend der Sprechweise und<br />

ist eine Wissenschaft für sich. Selbst die<br />

Montafoner Schriftgelehrten sind sich<br />

nicht immer einig, wenn es darum geht,<br />

wie ein bestimmtes Wort geschrieben<br />

werden muss. Wann immer mich Zweifel<br />

diesbezüglich plagen, halte ich mich<br />

an Otto Borger, den großen Schrunser<br />

Heimatdichter, der mit seinen Gedichtbänden<br />

einen unschätzbaren Beitrag<br />

zur Montafoner Sprach- und Sprechkultur<br />

geleistet hat.<br />

Ganzi Sätz<br />

A guati Zit.<br />

A Worschtbrötli för en Schilling.<br />

An Tschopa kelter.<br />

Dam Burtscher vom Gampadelswerk.<br />

Dia sen halt anderscht wia miar.<br />

Des sen Fröndi.<br />

Do ischt dahem!<br />

Dr Otmar ischt jo o z´Brägaz.<br />

Halt efach a guati Zit.<br />

Heli, Hubi, jäta ko.<br />

Ich bin eh bald wödr do.<br />

Ischt as jätzt so wit?<br />

Net zviel Lärma maha.<br />

Scho langsam gega Boda wachsa.<br />

Schtell dr efach vor, dia schton nu<br />

i dr Ondrhosa vor diar.<br />

Wäscht scho, net nu pädagogisch und so.<br />

Wem g´hörscht Du, Büabli?<br />

Wer amol goht, kunnt nia me wödr.<br />

Wia-n-an Ihemischa.<br />

Zwüscha zwä Bäch.<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Ganze Sätze<br />

Eine gute Zeit.<br />

Eine Wurstsemmel zum Preis von einem<br />

Schilling.<br />

Eine Jacke kälter. Hier: So kalt, dass man im<br />

Winter eine Jacke mehr braucht.<br />

Dem Burtscher vom Gampadelswerk.<br />

Die sind eben anders als wir.<br />

Das sind Fremde. Hier: Touristen.<br />

Da ist daheim.<br />

Der Otmar ist ja auch in Bregenz.<br />

Einfach eine gute Zeit.<br />

Helmut, Hubert, jäten kommen.<br />

Ich bin ohnehin bald wieder hier.<br />

Ist es jetzt so weit?<br />

Nicht zu viel Lärm machen.<br />

Schon langsam kleiner werden.<br />

Stell dir einfach vor, die stehen alle nur<br />

in der Unterhose vor dir.<br />

Du weißt schon, nicht nur pädagogisch und so.<br />

Wem gehörst Du, kleiner Bub?<br />

Wer einmal geht, kommt nie mehr wieder.<br />

Wie ein Einheimischer.<br />

Zwischen zwei Bächen.<br />

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<strong>Leseprobe</strong><br />

31


Impressum<br />

Ein original Hasenzahn® Buch<br />

Im Verlag der Burtscher Marketing, Gerhard Burtscher, Schwarzach<br />

www.burtscher-marketing.at<br />

ISBN 978-3-200-03668-0<br />

1. Auflage 2014<br />

©2014 Gerhard Burtscher, Schwarzach<br />

Bezugsquellen für dieses Buch und weitere Infos unter: www.burtscher-marketing.at/hasenzahn<br />

Die Marke „Hasenzahn®“ ist beim Österreichischen Patentamt<br />

unter der MarkenRegNr. 241561 registriert.<br />

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm<br />

oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Rechteinhabers reproduziert oder<br />

unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.<br />

Die Daten und Fakten dieses Buches wurden mit äußerster Sorgfalt zusammengetragen. Dennoch kann<br />

keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben übernommen werden.<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Fotografie, Text, Layout und Umschlaggestaltung: Gerhard Burtscher.<br />

Fotos vom Schualhüsli Bitschweil und von Tonis Kupferschmiede: Heinz Fritz.

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