24 Shell means Hell AFRIKA MAGAZIN ISSUE 01.2015
25 WWW.RADIOAFRIKA.NET 25 Während im Norden Nigerias die Terrororganisation Boko Haram sein Unwesen treibt, ist es im Süden ein anderer Akteur, der Menschen gewaltsam ihrer Lebensgrundlage beraubt. Der Milliardenkonzern Shell ist Beteiligter an einem stillen Krieg, der zwar ohne Gewehre und Bomben geführt wird, jedoch ebenso tödliche Folgen hat. Nigeria ist der größte Erdölexporteur <strong>Afrika</strong>s und Shell war einer der ersten ausländischen Konzerne, die im westafrikanischen Staat Öl förderten. Seit über 50 Jahren ist der Milliardenkonzern Shell in Nigeria aktiv und beteiligt sich an der Ausbeutung der vorhandenen Erdölreserven. In der Bilanz des Unternehmens scheinen jedoch nicht nur Milliardengewinne auf, sondern auch die Beteiligung an der Exekution nigerianischer Umweltaktivisten, die Unterstützung diktatorischer Regime, Korruption und die langfristige Zerstörung der Lebensgrundlage tausender Menschen. Bewohner haben laut Shell Interesse an Umweltverschmutzung „Die Bewohner des Niger- Deltas haben ein Interesse an der Verschmutzung ihres Wohngebietes, da sie sich Geld erhoffen.“, sagt ein Shell-Sprecher zur Frage nach den massiven Umweltverschmutzungen im Süden Nigerias. Dort hat das Öl seine schmierigen, tödlichen Spuren hinterlassen. Die Fische schmecken nach Benzin, die Bäume sind tot und das Wasser vergiftet. Die Lebensgrundlage tausender Menschen ist de facto zerstört. Die Bewohner des Nigerdeltas lebten von der Fischerei und der Landwirtschaft. Beides ist heute nicht mehr möglich. Ein Sprecher von Shell unterstellt diesen Menschen nun, sie hätten die Verschmutzung ihres Wohngebietes nicht nur selbst verschuldet, sondern auch gewollt und würden auf Schadenersatzzahlungen spekulieren. Geld haben die meisten Betroffenen noch nie von dem Energieriesen erhalten. Nach der Ölkatastrophe 2008 im Ogono-Gebiet zahlte Shell nun erstmals im Jänner diesen Jahres – 7 Jahre später – 50 Millionen Euro Schadenersatz an die betroffenen Bewohner. Kritiker bemängeln, dass dieser Betrag zu gering sei, um die vorliegenden Umweltschäden zu beseitigen und den Betroffenen ein neues Leben zu ermöglichen. Außerdem zahle Shell diesen Betrag aus der Porto-Kassa, erläutert der Journalist und Nigeria-Experte Heinrich Bergstresser. Illegale und legale Diebstähle Die Öllecks in den Pipelines, die zu den katastrophalen Umweltschäden im Niger-Delta führen, seien die Folge illegaler Diebstähle und Sabotageakte, behauptet Shell auf seiner Website. In 75 Prozent der Fälle seien Diebe und Rebellengruppen für das auslaufende Öl verantwortlich, das die Natur, das Wasser und letztendlich die Menschen vergiftet. Die restlichen 25 Prozent gehen demnach auf das Konto des Ölkonzerns, obwohl dieser abstreitet, alte und für Öllecks anfällige Rohre zu verwenden. „Shell war nie der primäre Verursacher“, so ein Sprecher des Unternehmens. Diverse Umweltorganisationen sehen das anders. Die Infrastruktur sei veraltet, die Wiederherstellung und Reparatur der beschädigten Pipelines würde nicht rasch genug oder gar nicht vorgenommen, sagt die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die sich seit Jahren mit der Tätigkeit des Konzerns in Nigeria befasst. 2011 gab die nigerianische Regierung eine umfassende Studie in Auftrag, die die Umweltsituation im Ogoni-Gebiet dokumentieren sollte. Durchgeführt wurde die Studie von dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), finanziert von Royal Dutch Shell, einer Tochterorganisation des Shell-Konzerns. Dabei wurden wie erwartet dramatische Umweltverschmutzungen festgestellt. Im Rahmen der Untersuchung wurde unter anderem Shell als Schuldiger gelistet und ein umfangreicher Aktionsplan ausgearbeitet, der die Ölgesellschaft dazu verpflichten sollte, ihre Umweltstandards zu erhöhen und eine Reinigung des betroffenen Gebietes durchzuführen. Greenpeace-Sprecher Markus Meus kritisiert, dass diese Forderungen bis heute nicht umgesetzt wurden. Wikileaks enthüllt Shell-Einfluss auf nigerianische Regierung Im Dezember 2010 berichtet die Süddeutsche Zeitung über brisante Informationen, die die Enthüllungsplattform Wikileaks über Shells politischen DOSSIER NIGERIA 25