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EUROSUR zur Überwachung der Europäischen Grenze<br />
integriert wurden, einen zivilen Anstrich, weil sie vermeintlich<br />
dem »Schutz der europäischen Bürgerinnen<br />
und Bürger« durch verbesserte Überwachung der Grenzen,<br />
der Meere und kritischer Infrastrukturen dienen<br />
sollte. Letztlich wurden hierbei aber auch und gezielt<br />
Vorarbeiten etwa zur Entwicklung einer eigenen EUropäischen<br />
Kampf- und Überwachungsdrohne finanziert.<br />
Als der Beschluss hierzu gefällt wurde, applaudierte die<br />
Direktorin der EDA und kündigte an: »Hinsichtlich der<br />
Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie wird<br />
die Verteidigungsagentur weiter mit der Europäischen<br />
Kommission zusammenarbeiten, um weitere Forschung<br />
im Bereich des Dual Use anzuregen«. Das bedeutet,<br />
dass neue Millionensummen unter dem Vorwand der<br />
Migrationskontrolle in die Rüstungsindustrie gepumpt<br />
werden, um letztlich militärischen Zielen zu dienen.<br />
Die hierfür bereitgestellten Mittel stehen in keinem<br />
Verhältnis zur immer wieder als implizite Begründung<br />
herangezogenen Migration in seeuntüchtigen Booten<br />
über das Mittelmeer, die in ihrem Umfang jährlich<br />
weniger Menschen umfasst, als täglich am Frankfurter<br />
Flughafen abgefertigt werden. Die Maritime Sicherheit<br />
hat sich dadurch nicht verbessert, allenfalls wurde sie<br />
militarisiert, was mit einer Entrechtung der Betroffenen<br />
einhergeht.<br />
Interessen im Migrationsdiskurs<br />
Deshalb soll hier aus friedenspolitischer Perspektive<br />
davor gewarnt werden, die Themen Klimawandel und<br />
Migration allzu leichtfertig miteinander zu verknüpfen<br />
und vor gewaltigen »Flüchtlingsströmen« durch Klimaveränderungen<br />
zu warnen. Wie die Unterdrückung<br />
etwa aufgrund von Geschlecht, Rasse und Klasse<br />
untrennbar miteinander verwoben ist, so sind es auch<br />
meist die Fluchtursachen. Es ist weder empirisch<br />
haltbar noch politisch sinnvoll, Ursachen von Flucht<br />
und Migration isoliert zu betrachten, womöglich gilt<br />
das sogar für die Unterscheidung zwischen Flucht und<br />
Migration. Insbesondere gilt das jedoch für die Figur<br />
des Klimaflüchtlings. Bislang etwa lassen sich einzelne<br />
Wetterereignisse unmöglich eindeutig auf den Klimawandel<br />
zurückführen und ob solche Ereignisse, die<br />
möglicherweise mit dem Klimawandel in Verbindung<br />
stehen, größere Migrationsbewegungen auslösen oder<br />
begünstigen, hängt wesentlich von politischen und<br />
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab wie etwa<br />
Vorsorgemaßnahmen, Bewältigungsstrategien, den ökonomischen<br />
und logistischen Möglichkeiten der Betroffenen<br />
sowie den Chancen, die sich ihnen beim möglichen<br />
Wiederaufbau bieten. Wohin die Migration dann führt,<br />
hängt wiederum von der individuellen ökonomischen<br />
und familiären Lage, kulturellen Bindungen sowie<br />
politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen ab.<br />
Wenn diese Komplexität negierend von Flucht und<br />
Migration die Rede ist, so ist diese Rede oft von<br />
Interessen und politischen Motiven durchdrungen. Die<br />
Warnung vor Flüchtlingsströmen kann durchaus gute<br />
Absichten verfolgen, wie etwa eine Reduzierung von<br />
Rüstungsexporten (wenn diese als Ursache benannt<br />
werden), eine Erhöhung der Ausgaben für die »Entwicklungszusammenarbeit«<br />
und humanitäre Hilfe oder aber<br />
eine Einigung der Regierungen über ökologische und<br />
nachhaltige Maßnahmen zur Senkung des CO2-Ausstosses<br />
forcieren. Die Warnung vor Flüchtlingsströmen<br />
tendiert aber auch in diesen Fällen dazu, jene Ängste<br />
vor »Überfremdung« oder »Überbevölkerung« hervorzurufen<br />
oder gar anzusprechen, die sie allzu oft gezielt<br />
hervorruft, um Nationalismus zu schüren, den Ausbau<br />
der nationalen und internationalen Repressionsapperate<br />
zu beschleunigen und neue koloniale Interventionen<br />
in den als »Herkunft- und Transitstaaten« identifizierten<br />
Ländern des Globalen Südens zu legitimieren.<br />
Insofern gilt für die Migration dasselbe, was der BUKO-<br />
Arbeitsschwerpunkt Gesellschaftliche Naturverhältnisse<br />
(GesNat) in einem Entwurf für ein Positionspapier<br />
über die Klimakrise schreibt: »Probleme existieren nicht<br />
losgelöst von ihrem sozialen und diskursiven Kontext.<br />
Nicht nur der Umgang mit ihnen und die Suche nach<br />
Lösungen sind Teil von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen;<br />
vielmehr sind bereits die Benennung eines<br />
Problems, die spezifische Problembeschreibung und<br />
Darstellungsweise sowie die verwendeten Begrifflichkeiten<br />
und Kategorien Resultate von gesellschaftlichen<br />
Aushandlungsprozessen, die in machtdurchdrungene<br />
Diskurse eingebettet sind. Welche Deutungsweise<br />
und welches Wissen sich letztendlich durchsetzen und<br />
hegemonial werden, ist somit weder automatisch noch<br />
trivial, sondern entscheidend für die Strukturierung<br />
einer Problemlage und die sich daraus ergebenden<br />
Logiken und Lösungsansätze«. Einige Mitglieder des<br />
Arbeitsschwerpunktes hatten bereits im Mai 2012 unter<br />
dem Titel »Immer wieder fünf vor zwölf« vor der »Fixierung<br />
auf Katastrophenszenarien« in der Klimadebatte<br />
gewarnt, da durch diese »[d]emokratische und emanzipatorische<br />
Prozesse ... gegen ein schnelles und konsequentes<br />
Handeln ausgespielt« werden könnte: »Wenn<br />
der Planet noch gerettet werden solle, müsse dies mit<br />
möglichst effizienten Mitteln geschehen. Effizientes<br />
Handeln sei gerade nicht durch grundsätzliche Kritik<br />
an gesellschaftlichen Verhältnissen, sondern durch den<br />
Einsatz von Technik und marktförmigen Instrumenten<br />
möglich«. Außerdem tendiere die Fokussierung auf<br />
mögliche zukünftige Katastrophen »dass die aktuellen<br />
krisenhaften und ausbeuterischen gesellschaftlichen<br />
Naturverhältnisse zwar als problematisch wahrgenommen<br />
werden, aber in Bezug auf das Bevorstehende als<br />
relativ besser und somit als akzeptabel erscheinen. Die<br />
Fixierung auf Katastrophen verfestigt so tendenziell den<br />
Status Quo, anstatt bestehende Herrschaftsverhältnisse<br />
aufzubrechen«. Wenn in der Debatte um Klimaflüchtlinge<br />
dem Katastrophismus gehuldigt wird, kann<br />
auch das dazu führen, dem Einsatz von »Technik und<br />
marktförmigen Instrumenten« im Sinne jener Vorschub<br />
zu leisten, die eine weitere Militarisierung Deutschlands<br />
und der EU anstreben. Stattdessen gibt es jetzt bereits<br />
genug Anlass, sich gegen die Illeglisierung der Migration<br />
zu wehren, mit den Geflüchteten zu solidarisieren<br />
und so eigene, womöglich gerade basispolitische Paradigmen<br />
für den Umgang mit Menschen zu schaffen,<br />
die sich aus welchen Gründen auch immer auf den Weg<br />
gemacht haben.<br />
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