17.03.2020 Views

Kombinieren 17. März 2020 (6)

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.


Gertrud Fussenegger

IJ, f I \

\

,1i

f

r

Bilder von Annegert Fuchshuber

Tyrolia-Verlag Innsbruck-Wien


Vor vielen hundert Jahren lebte ein Mann in einem Dorf zwischen

Nazareth und Sebulon, der hieB Jona. Das Dorf war auf einen HUgel

gebaut aus schneewei~en Hausern mit kleinen Garten, in denen Palmen

und Feigenbaume su~e Fruchte trugen. Auch Blumen wuchsen da, und

aus tiefen Brunnen wurde kuhles klares Wasser geschopft.

Von Jona sagten die Leute, er sei ein Prophet, denn er war klug und hatte

in vielen weisen Buchern gelesen. Er wusste jedem Rat, der zu ihm kam

und ihn fragte.

Jona liebte seine Heimat und das Dorf, in dem er zu Hause war, er war

stolz darauf, weil es so hubsch und sauber war und weil hier viele gute

Menschen lebten, die an Gott glaubten und seine Gebote erfullten.

Nirgendwo auf der Welt, so glaubte Jona, gebe es bravere Leute und

nirgendwo einen besseren Ort, um daheim zu sein.


...

I!\

,.

• •

.,

~

~

., ..

'I,

=;

,.

'-

..

~-

~

,.

.

I

..•

(~-

> '


Hie und da kam ein fremder Wandersmann vorbei und erzahlte von

anderen Volkern und anderen Stadten, zum Beispiel von der grofsen und

machtigen Stadt Ninive.

Die hatte starke Tore und hohe Turme - doch wie sah es sonst in ihr aus?

»Die Hauser«, so erzahlte der Fremde, »sind dunkel und schmutzig und

beinah schwarz. Nur im Garten des Konigs gibt es einen Brunnen mit

gutem Wasser, alle anderen mussen ihren Durst aus den Rinnsteinen oder

den truben Fl uten des Fl usses Tigris sti I len. Zu hassl ichen Gotzen beten

die Menschen, die sie selbst aus Holz oder Stein gehauen haben, und

lassen stinkende Opferfeuer vor diesen Bildern qualmen.

Gefangene und Sklaven lassen sie fur sich arbeiten und wenn einer von

ihnen stirbt, wird er nicht einmal ordentlich begraben. Man wirft seine

Leiche uber die Mauer, damit sie von Raben und Geiern gefressen wird.«

»So«, erzahlte der Fremde, »sieht es in Ninive aus.«

»Eine schreckliche Stadt«, rief Jona, »und ein schreckliches Volk.

Dort mochte ich nimmermehr leben.«

Und alle, die zugehort hatten, Jonas Nachbarn und Verwandte, nickten

und sagten dasselbe.



• N ht als Jona in seiner hubschen sauberen Stube in seinem

Doc h e1 nes ac s, .

weiBen Hauschen schlief, da neigte sich Gottes Mund an sein Ohr und

sprach: . .

»Jona, Jona, wach auf! lch habe einen Auftrag an d1ch, und kein anderer

kann ihn ausfuhren. Von der Stadt Ninive hast du schon gehort und davon,

dass sie dart hassliche Gotzen anbeten aus Holz und Stein, denn sie wissen

es nicht besser. Aber nicht nur ihre Gotter, auch ihre Herzen sind aus Stein.

Nicht nur die StraBen ihrer Stadt, auch ihre Gedanken sind duster und

schmutzig.

Darum steh du nun auf und mach dich auf den Weg und wandere nach

Ninive am Strome Tigris. Sage diesen Menschen, dass ich ihr Gott bin und

dass ich sie liebe wie dich, Jona, deine Nachbarn und Verwandten. Sag

ihnen, dass sie aufhoren sollen, ihre steinernen Gotzen anzubeten und

ihnen grauliche Opfer zu bringen. Sag ihnen, dass ich ihre Bosheit nicht

!anger ansehen mag und sie bestrafen will, wenn sie damit nicht aufhoren.

lch gebe ihnen vierzig Tage Zeit, sich zu besinnen. Sonst kommt ein groBes

Unheil uber ihre Stadt und alle Wesen, die darinnen leben.«

So sprach Gott der Herr zu Jona und Jona erwachte, setzte sich

kerzengerade auf in seinem Bett, rieb sich die Augen und rief: »Unmoglich!

Unmoglich kann dieser Traum von Gott gekommen sein. Gott kann doch

nicht wollen, dass ich in diese abscheuliche Stadt gehe und diesen Leuten

Gottes Liebe verkunde. Sie wurden mich ja doch nur verlachen und, wenn

ich ihnen Gottes Strafgericht ankundige, wurden sie mich am Ende toten.

Nein, nein, ein solcher Traum kann nicht von Gott gekommen sein. lch will

gleich aufstehen, meine Stube fegen, meinen Garten giegen und mein

Hauschen mit weifser Farbe streichen damit ich diesen schreckfichen

I

Traum schnell vergessen kann.«

Aber in der nachsten Nacht hatte Jona denselben Traum und auch i~ _der

ubernachsten. Da erkannte Jona: Gott schickte ihn wirkf ich nach Ninive -

und er musste gehen.

8


\, I •,ftf'

'

.... ~

.,

~ .

' ....

,'-i~

... ..,, 1

\ ~, '\,;," ~. ,,1 ;

l .,

J.:"

• . ~

• •

'


Sehr ungern ging Jona, sehr ungern. Der Weg war weit und jeder Schritt

wurde ihm sauer. Da kam er in eine Hafenstadt und sah viele schone

gro~e Schiffe im Hafen liegen. Eins war besonders schon und hatte die

hellsten Segel und die hochsten Masten. »Wohin fahrt dieses Schiff?«,

fragte Jona. »Nach Tharschisch !«, lautete die Antwort. » Das liegt weit weg

von uns in einem herrlichen Land.«

Da wurde Jona ganz seltsam zumute, ihm war, als konnte er keinen

Schritt mehr weitergehen, so machtig zog es ihn hin zu dem groBen

schonen Schiff mit dem hellen Segel. - Wie?, sprach er zu sich selbst,

wenn ich mich auf diesem Schiff verstecken wurde? Dann fuhre ich auf

ihm nach Tharschisch, weit weg von hier, da kann mich Gott nicht mehr

sehen und nicht mehr rufen und Ninive bleibt, wo der Pfeffer wachst, und

kann meinetwegen zugrunde gehen!

Und Jona verlieg die Strage, die er geschickt war, und lief auf das Schiff

zu und kam gerade noch zurecht, uber die Strickleiter zu klettern, ehe das

Schiff die Anker lichtete und auf das hohe Meer hinausfuhr.

10



Nun war Jona Passagier auf dem Segler nach Tharschisch.

Todmude wie er war von seinem weiten Weg, legte er sich in seine Kajute

und schlief ein.

Da aber erhob sich ein schreckliches Unwetter. Der Himmel verfinsterte

sich, die Blitze zuckten und der Sturm peitschte die Wogen. Das Schiff

wankte, der Mastbaum brach, das schone hel le Segel sturzte uber das

Deck und ins Meer. Die Mannschaft geriet in Angst und Schrecken, sie

warf die Ladung uber Bord, es nutzte nichts. Nicht einmal der Kapitan

hatte je ei n so grausames U nwetter erlebt.

»Gott will uns strafen«, rief er und sammelte seine Matrosen um sich.

»Ein baser Mensch muss unter uns sein, der Gottes Zorn auf sich zieht.

Wenn wir ihn nicht finden, mussen wir alle untergehen.«

»Aber wer ist es?«, fragten die Matrosen. » Wer? Wer ist der Bose unter

uns?« Und jeder wandte sich an den Nachsten und fragte: »Bist du es?«

Aber keiner glaubte, dass er der Bose sei. » lch bin es nicht! - lch auch

nicht! - lch auch nicht! « Da aber erinnerte sich einer des fremden

Mannes, der mit ihnen reiste und noch immer in seiner Kajute war.



Da ging der Kapit3n hinab zu Jona, riss ihn aus seinem Bett, packte ihn an

der Brust und schrie:

»Bist du es, der so Bases getan hat, dass uns dein Gott dieses entsetzliche

Unwetter schickt, in dem wir alle zugrunde gehen mussen?

Bistdu es? Sprich!«

Da erschrak Jona, er erschrak bis tief in sein Herz hinein und wusste:

Vergeblich war sein Versuch, Gott zu entfliehen, vergeblich sein Wunsch,

sich vor Gott zu verstecken. Gott fand ihn auch auf diesem Schiff und

strafte seinen Ungehorsam.

»Ja, ich bin schuldig«, rief Jona. »lch bin's, der diesen Sturm uber euch

gebracht hat. Werft mich uber Bord und ins Meer hinein! Dort werde ich

sterben. 1hr aber werdet gerettet sein.« Und sie warfen ihn uber Bord.

Die erst: Welle, die Jona erfasste, schleuderte ihn gegen die Bordwand

des Sch,ffes, dass ihm die Sinne vergingen, und er versank in Nacht und

Gebraus.



1

Als Jona wieder zu sich kam, war es ganz finster um ihn, es war eng und

hei~ under vermochte sich kaum zu ruhren. Wo bin ich, dachte er, wo

bin ich nur?

Da horte er ein Klopfen aus der Wand neben sich, es klopfte dumpf, aber

stetig und klopfte ohne Unterlass. Was ist das?, dachte Jona. Da muss ein

lebendiges Wesen sein, dessen Herz neben mir schlagt. Und plotzlich

begriff er: Er selbst war in diesem Wesen, im Bauch eines Fisches, eines

riesigen Fisches, der ihn verschluckt hatte und der nun mit ihm

dahinschwamm auf hoher See. Entsetzen erfasste Jona und er dachte,

sterben zu mussen vor Furcht und Grauen. Da fiel ihm Ninive ein.

Ninivel Ach, ware er nur dahin gegangen! Ach, hatte er dart nur Gottes

Wort und Liebe verkundigt! Ware er doch nicht so stolz und hochmutig

gewesen und voll Verachtung gegen die armen Leute, die ihre hasslichen

Gotzen anbeteten, weil sie nichts Besseres wussten.

Da richtete sich Jona auf und rang die Hande und schluchzte in der

Dunkelheit: »Gott, mein Gott! Hier bin ich in dem Fisch, in der

schrecklichen Hohle, in dem entsetzlichen Ungeheuer. Hore mich! Du

hast mich gerufen. lch wollte nicht horen. Wogen und Wellen gehen jetzt

uber mich hin. Du aber kannst mich retten, so, wie du Ninive retten

willst.« So betete Jona im Bauch des Fisches und fuhlte, wie das

Ungeheuer durch das Meer dahinzog. Doch am dritten Tag verlieB der

Fisch die Meerestiefe und tauchte auf. Da lag ein Strand vor ihm

mit Klippen und Buchten, und der Fisch schwamm hin, offnete seinen

Schlund und spie den Mann aus seinem Magen an das Ufer.





t J na

nicht wie ihm geschah. Aber er spurte Licht vor seinen

Erst wuss e o , . .

geblendeten Augen und frische Luft in seiner_ keuchenden Lunge. Nass

war er vom Speichel des Fisches und vom G1scht, der aus den Wogen

uber ihn rollte. Nach einer Weile erholte er sich. Unter Tranen der Freude

dan kte er Gott. Da sah er drauBen zwischen den grunblauen

Wogenbergen noch einmal den Fisch, wie er hinauszog, das Ungeheuer

mit Schwanz und Flossen und einem groBen gluhenden Auge, mit dem er

nach dem Strand zuruckzuspahen schien.

Nun wusch sich Jona und trocknete seine Kleider und machte sich rasch

auf den Weg nach Ninive, um dart zu tun, was ihm Gott aufgetragen

hatte.

Da war er nun endlich in Ninive und sah, dass alles wirklich so war, wie

er es gehort hatte: die Hauser waren eng und duster, die StraBen lagen

voll Unrat, die Menschen tranken mit Hunden und Katzen zusammen aus

schmutzigen Rinnsalen. Hassliche Gotzen standen in den Tempeln - und

vor den Mauern lagen die Leichen der Armsten und waren die Speise van

Raben und Geiern.

Bangen Herzens wanderte Jona durch die dustere Stadt. Die Menschen

sahen ihn misstrauisch an und die Kinder druckten sfch angstlich in die

Turnischen, wenn er vorbeikam. Da fasste sich Jona ein Herz und begann

zu reden. Er erzahlte, woher er kam und welchen Auftrag er hatte; er

erzahlte auch van seiner Reise und van den schrecklichen drei Tagen im

Bauch des Fisches. Da merkten die Leute auf und wunderten sich und

einige sagten: »Dein Gott muss ein guter Gott sein, dass er dich so

wunderbar errettet hat.«



■-------~------------------------

lmmer mehr Leute kamen, um von diesem Gott zu erfahren; schlieBlich

war sogar der Konig von Ninive bereit, Jona zu horen, und nachdem er

ihn gehort und genug befragt hatte, befahl er, die hasslichen Gotzenbilder

wegzuraumen und den wahren Gott anzubeten, den Jona verkundigte.

Alie taten BuSe, streuten sich Asche ins Haar und aBen und tranken

mehrere Tage so gut wie nichts. Sagar das Vieh gab Zeichen, dass es

verstand und dass es mit den Menschen trauerte.

Gott freute sich, dass Nin ive auf Jona gehort hatte, und er verschonte die

Stadt von seinem Strafgericht. Nicht einmal vierzig Tage hatte Ninive

gebraucht, um Gott zu erkennen und sich ihm zuzuwenden. Nun feierte

man ein groBes Fest: der Konig lieB Sklaven und Gefangene frei und

erlaubte seinem ganzen Volk, aus dem guten Brunnen zu trinken.

Schmutz und Unrat wurden aus der Stadt geraumt, die Toten wurden mit

Ehren bestattet, die Ratten flohen und Raben und Geier zogen in

Schwarmen davon.



Nun hatte Jona froh und glucklich sein konnen. Dach leider, so war es

nicht. Sein Herz wurde neidisch auf das Gluck der andern, er argerte sich

uber Ninive. Was hatte er nicht fur diese Stadt erdulden mussen - und

jetzt war i hr jede Strafe erlassen !

Er ging aus der Stadt und setzte sich drauBen var dem Tore nieder.

Hier aber schien die Sonne sehr heiB und Jona konnte sie kaum ertragen.

Da lieB Gott einen Strauch neben ihm wachsen, der gab ihm Schatten

und Kuhle.

Dach wie der Wurm des Neides in Jonas Herz saB, so saB in den Wurzeln

des Strauches ein wirklicher kleiner Wurm. Der fraB an dem Strauch und

am nachsten Morgen war dieser verwelkt.

24


1

~ '•t=i ~ ~ \

-" ':~r.. • ,..,,, -

.. I ~ . I ~~&,.

~ • I '

,,. ,. !l

; ,;

~·J·

~·· ~

... __,.­


»Wie konnte das geschehen?«, rief Jona. »Wie konnte mein Strauch

zugrunde gehen? 1st das gerecht? «

Da sprach Gott zu Jona: »Schamst du dich nicht? Um einen Strauch

jammerst du und findest, er hatte nicht sterben durfen. Dach die vielen

Menschen in Ninive hattest du sterben lassen ohne Mitleid. Selbst jetzt,

da sie sich bekehrt haben, bist du voller Zorn und Galle gegen sie, nur

weil du meinst, besser zu sein als sie. lch aber, der Herr der ganzen Welt,

ich habe auch diese Menschen lieb und sogar ihr Vieh, sie alle sind

meine Geschopfe. Zu ihrem Heil habe ich sie erschaffen.«

So sprach Gott zu Jona und entlieB ihn.

Vielleicht wanderte Jona fort und kehrte in seine Heimat zuruck.

Vielleicht blieb er auch in Ninive. Was aus ihm wurde, wissen wir nicht.

Aber seine Geschichte ist nicht vergessen.

26



Dieses Buch wurde mit dem Katholischen Kinderbuchpreis

und - fur die Illustration - mit dem Osterreichischen Kinderund

Jugendbuchpreis ausgezeichnet.

Mitglied der Verlagsgruppe ,,engagement" ,

Bibliografische lnfonnation Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Oaten sind im Internet

uber http://dnb.d-nb.de abrufbar.

4. Auflage 2013

© Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck

Layout: Tyrolia-Verlag

Druck und Bindung: Theiss, St. Stefan im Lavanttal

ISBN 978-3-7022-1969-7

E-Mail: buchverlag@tyrolia.at

Internet: www.tyrolia-verlag.at


11 111 11111111I I Ill II II I Ill

'- -~

V..,.,

../:~'.,,{-,~.t :Jr:,''

Jo~~}so11 ~ 4~1:adt' Ninive zur u~~ehr rufen,

·: aoef-er fliehit:vot~Gott auf ein Schiff. Als diet

. 4!'~o/"r'. -~>--t . . •~-· ~- -~-, •• ~ .. -- ' :_~-~

ftses ,~in ~i~e-~.sc"~r~~kliche~ Sturm gerat, wird

Jona vorl d~n --~~_leuten ins Meer_ &eworfen

~iund von ein .. ~m~Eisch verschluckt -...

'; :-1.

...

.,.jff

--~- ~<

ISBN 978-3-7022-1969-7

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!