238 StadtBILD_Mai 2023
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Vorwort<br />
„Der <strong>Mai</strong> ist gekommen, die Bäume schlagen aus, da<br />
bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus“ singen wir<br />
im bekannten Volkslied des Dichters Emanuel Geibel.<br />
Wir können nach den Jahren der erzwungenen Pause<br />
wieder die Freiheit in der Natur genießen, wodurch<br />
auch die Reiselust wieder erwachte. Doch schlagen<br />
nicht nur die Bäume aus, auch fast alle Preise haben<br />
ausgeschlagen. Das macht so manche Urlaubsträume<br />
wieder zunichte.<br />
Wie wohltuend ist da ein Spaziergang in die blühende<br />
Natur der Heimat oder aber auch ein Gang in eines<br />
unserer Museen und Kunstausstellungen. Hier begrüßen<br />
uns vertraute Formen, Farben und Kunst in oft alten<br />
historischen Gemäuern, welche schon so manche<br />
Krisen, politische Umwälzungen und Veränderungen<br />
überstanden haben. Wir empfehlen auch einen Gang<br />
in den Kaisertrutz zu der großen Grafikausstellung<br />
„Über Druck“. Ins Riesengebirge führt uns eine Ausstellung<br />
mit großartigen Fotos, welche im Senckenberg<br />
Museum zu betrachten sind. Aber auch das kleine Gebirge<br />
in Königshain lockt in Frühlingspracht, und hier<br />
empfiehlt sich anschließend ein Besuch im schönen<br />
Königshainer Schloß, wo eine sehenswerte Ausstellung<br />
zeitgenössischer Künstler zum Thema Grenzgänge<br />
einlädt. Grenzgänger sind auch die neuen Forschungsinstitute,<br />
die grenzübergreifend sich in Görlitz<br />
niederlassen und Fachleute aus der ganzen Welt anwerben<br />
(müssen). Der einheimische Arbeitsmarkt<br />
kann den wachsenden Bedarf an Fachleuten nicht<br />
mehr decken. Was auf den ersten Blick, wie ein Mangel<br />
erscheint, eröffnet Görlitz und der Oberlausitz viele<br />
Perspektiven. Neue Menschen werden sich hier ansiedeln<br />
und die leeren Wohnungen füllen. Kindergärten<br />
und Schulen müssen erweitert oder neu gebaut werden.<br />
Wer hätte das noch in den tristen Tagen am Anfang<br />
des neuen Jahrhunderts für möglich gehalten?<br />
Ja, auch der wirtschaftliche Frühling hält allerorten in<br />
der Oberlausitz Einzug. Noch spüren wir davon wenig,<br />
denn alle neuen Forschungseinrichtungen und Firmenansiedlungen<br />
brauchen etwas Zeit. So benötigt<br />
das DZA (Deutsches Zentrum für Astrophysik) 6 Jahre<br />
für die Neuansiedlung in Görlitz und im Kreis Bautzen.<br />
Beim Neubau des Senckenberg Institutes geht<br />
es schneller voran, wovon sich jeder Besucher, der aus<br />
dem Görlitzer Bahnhof heraustritt, selbst überzeugen<br />
kann. Aber auch der ehemalige Güterbahnhof hat sein<br />
Gesicht verändert und eine Schule aufgenommen,<br />
und davor entstand eine gern besuchte neue Spielund<br />
Freizeitanlage.<br />
Dass das Stammhaus des Theaters wegen einer Havarie<br />
für längere Zeit ausfallen muss, hat sich zum Glücksfall<br />
für das immer noch leer stehende alte Jugendstil-<br />
Kaufhaus erwiesen, wo jetzt als Ausweichquartier viele<br />
Theateraufführungen in einer einmaligen Atmosphäre<br />
stattfinden.<br />
Leider hat sich die Landskronbrauerei von Ihrer Kulturbrauerei<br />
vorerst verabschiedet, aber die beliebten<br />
Open Air Veranstaltungen finden dort weiterhin statt.<br />
Wegen der Pandemie hat sich etliches im Kulturgeschehen<br />
verändert. So hat sich das beliebte große<br />
Livemusik-Festival GÖRLITZ ROCKT den veränderten<br />
Gegebenheiten angepasst und wird am 3. Juni als<br />
Open-Air Veranstaltung auf verschiedenen Bühnen<br />
die Altstadt beleben.<br />
Liebe Leserin und lieber Leser, das <strong>StadtBILD</strong>-Magazin<br />
bleibt sich und Ihnen treu und bringt, wie gehabt, weiterhin<br />
Monat für Monat interessante Beiträge aus der<br />
Kultur- und Zeitgeschichte von Görlitz und der Oberlausitz.<br />
So werden Sie auch in der vorliegenden Ausgabe<br />
wieder so manches fast Vergessene und auch wieder<br />
vieles noch nicht so Bekanntes aus unserer Heimat<br />
entdecken. Wir wünschen Ihnen hierbei viel Freude<br />
und genießen Sie die beginnende Sommerzeit!<br />
Ihre <strong>StadtBILD</strong>-Redaktion<br />
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Einleitung<br />
3
Ins Gebirge. Sonderausstellung im Barockhaus<br />
Gebirge<br />
Ins Gebirge. Grafiken von Konrad Henker,<br />
Adolf Traugott v. Gersdorf und Karl<br />
Andreas v. Meyer zu Knonow<br />
In ihrer aktuellen Sonderausstellung zeigen<br />
die Görlitzer Sammlungen unter dem<br />
Titel „Ins Gebirge“ Radierungen des zeitgenössischen<br />
Künstlers Konrad Henker<br />
(* 1979) zusammen mit Werken der beiden<br />
Zeichner Adolf Traugott v. Gersdorf<br />
(1744–1807) und Karl Andreas v. Meyer zu<br />
Knonow (1744–1797) aus dem 18. Jahrhundert.<br />
In ihrer konsequenten Konzentration<br />
auf das Motiv des Berggipfels weisen<br />
die Kunstwerke aller drei verblüffende<br />
Ähnlichkeiten auf. Über Epochen hinweg<br />
verbindet sie eine tiefe Faszination für das<br />
Hochgebirge als Bildgegenstand. Spannend<br />
sind auch die Entstehungsgeschichten<br />
ihrer Werke.<br />
Konrad Henkers Ansichten<br />
aus dem Gebirge<br />
Die Radierungen Konrad Henkers sind mit<br />
existentiellen Erfahrungen des Künstlers<br />
verbunden. Um seine Motive zu finden, ist<br />
er oft für mehrere Wochen im Hochgebirge<br />
unterwegs und wohnt in der Natur. Dabei<br />
nimmt er schwere Zinkdruckplatten in<br />
große Höhen mit, um sie direkt vor dem<br />
Motiv zu bearbeiten: „Vor Ort in völlig autarker<br />
Lebensweise“, so Konrad Henker,<br />
„erstelle ich großformatige Kaltnadelradierungen<br />
auf Zinkmetall, die ich später<br />
im Atelier weiterbearbeiten kann.“ Wird<br />
ein Motiv nicht gleich fertig, verpackt er<br />
die Druckplatten sorgfältig und verbirgt<br />
sie im Gebirge, um bei seiner späteren<br />
Rückkehr daran weiterzuarbeiten.<br />
Im heimischen Atelier setzt Konrad Henker<br />
den Arbeitsprozess an seinen Radierungen<br />
fort. „Letztlich entstehen in der<br />
Druckwerkstatt“, so der Künstler, „mit einer<br />
Tiefdruckpresse Abzüge auf Papier<br />
als bildnerische Ereignisse.“ Die fertigen<br />
Druckgrafiken zeigen erhabene Bergmassive,<br />
schneebedeckte Gipfel, das Wechselspiel<br />
von hellen Schneeflächen und<br />
dunklen Felsen. Auf diese Weise porträtiert<br />
Henker die Berge in einer einzigartigen<br />
Intensität und zeigt ihr über Jahrtausende<br />
durch geologische Prozesse und<br />
Verwitterung geformtes Antlitz. „Jeder<br />
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4<br />
Sonderausstellung
von Kai Wenzel<br />
Ins Gebirge<br />
Konrad Henker, Fernerboden, 2005, Kaltnadelradierung, Förderankauf der Kulturstiftung des Freistaates<br />
Sachsen 2006, Kunstfonds, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Herbert Boswank<br />
kleine Winkel des Berges hat Charakter<br />
und Eigenform, und die Eigenformen des<br />
Schnees sind ständig in Bewegung. Unüberschaubar<br />
große Räume von Tälern<br />
zu Felsflanken und Gipfeln, über denen<br />
die Luft in Spannung gerät, treiben mich<br />
immer von neuem zum künstlerischen<br />
Schaffen an.“<br />
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Sonderausstellung<br />
5
Ins Gebirge. Sonderausstellung im Barockhaus<br />
Gebirge<br />
Konrad Henker, Schwarzhorn, 2005, Kaltnadelradierung, Förderankauf der Kulturstiftung des Freistaates<br />
Sachsen 2006, Kunstfonds, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Herbert Boswank<br />
Geboren und aufgewachsen in Weimar,<br />
studierte Konrad Henker von 1999 bis<br />
2005 bei Elke Hopfe, Siegfried Klotz,<br />
Wolfram Hänsch und Ralf Kerbach an<br />
der Hochschule für Bildende Künste in<br />
Dresden. Anschließend war er bis 2007<br />
Meisterschüler bei Ralf Kerbach. Seine<br />
Leidenschaft für das Gebirge entdeckte<br />
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6<br />
Sonderausstellung
von Kai Wenzel<br />
Ins Gebirge<br />
Adolf Traugott von Gersdorf, Skizzenbuch mit der Zeichnung „Aussicht am Rande des Eismeers“<br />
(Der Gletscher Mer de Glace am Mont Blanc), 7. August 1786, Feder in Tusche und Pinsel in Wasserfarbe,<br />
Görlitzer Sammlungen, Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften, Foto: Kai Wenzel<br />
Henker vor fast 20 Jahren als Mitarbeiter<br />
einer archäologischen Grabung in den<br />
Tiroler Alpen, als er in über 2.000 Metern<br />
Höhe an der Erforschung eines steinzeitlichen<br />
Rastplatzes mitarbeitete. Mehrere<br />
Wochen verbrachte er unterhalb eines<br />
Felsmassivs, dessen Aussehen ihn so sehr<br />
faszinierte, dass er schließlich begann, es<br />
künstlerisch darzustellen. Heute lebt und<br />
arbeitet Konrad Henker in Berlin. Seine<br />
Begeisterung für das Gebirge zieht ihn<br />
weiterhin alljährlich in die Berge, um vor<br />
Ort Druckgrafiken zu gestalten.<br />
Zwei Entdeckungsreisende<br />
aus der Oberlausitz<br />
Eine ähnlich intensive Begeisterung für<br />
die Bergwelt wie Konrad Henker in der<br />
Gegenwart besaßen Adolf Traugott v.<br />
Gersdorf und Karl Andreas v. Meyer zu<br />
Knonow im ausgehenden 18. Jahrhundert.<br />
Mit wissenschaftlichem Interesse<br />
bereisten die beiden Oberlausitzer Gelehrten<br />
die mitteleuropäischen Gebirge,<br />
machten sich Gedanken über ihre Entstehung<br />
und hielten ihr Aussehen in zahlreichen<br />
Zeichnungen fest. „Mit strengster<br />
Richtigkeit“, wie Gersdorf es in seinen<br />
Reiseaufzeichnungen formulierte, versuchten<br />
sie dabei alles zu dokumentie-<br />
Sonderausstellung<br />
7
Ins Gebirge. Sonderausstellung im Barockhaus<br />
Gebirge<br />
Karl Andreas von Meyer zu Knonow, „Aiguille du Dru“, 1786, Feder in Tusche und Pinsel in Wasserfarbe,<br />
Görlitzer Sammlungen, Kulturhistorisches Museum, Foto: Kai Wenzel<br />
ren. Die Skizzenbücher und Einzelblätter<br />
von Gersdorf und Meyer werden heute in<br />
den Görlitzer Sammlungen (Kulturhistorisches<br />
Museum und Oberlausitzische Bibliothek<br />
der Wissenschaften) aufbewahrt.<br />
Eine Auswahl ist aktuell in der Sonderausstellung<br />
„Ins Gebirge“ zu besichtigen.<br />
Ein Höhepunkt der gemeinsamen For-<br />
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8<br />
Sonderausstellung
von Kai Wenzel<br />
Ins Gebirge<br />
Karl Andreas von Meyer zu Knonow, Der Mont Blanc von Chamonix aus, 8. August 1786, Feder in Tusche und<br />
Pinsel in Wasserfarbe, Görlitzer Sammlungen, Kulturhistorisches Museum, Foto: Kai Wenzel<br />
schungen war ihre Reise durch die Schweizer<br />
und Französischen Alpen im Sommer<br />
1786. Auch auf dieser Tour hielten Gersdorf<br />
und Meyer die Berge in zahlreichen<br />
Zeichnungen fest. Das Hochgebirge galt<br />
zu dieser Zeit noch als unzugänglicher,<br />
lebensfeindlicher Ort. Dass seine schneebedeckten<br />
Gipfel aber vom Menschen be-<br />
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Sonderausstellung<br />
9
Ins Gebirge. Sonderausstellung im Barockhaus<br />
Gebirge<br />
Karl Andreas von Meyer zu Knonow, Aussicht vom Planpraz zum Mont Blanc, 9. August 1786, Feder in Tusche<br />
und Pinsel in Wasserfarbe, Görlitzer Sammlungen, Kulturhistorisches Museum, Foto: Kai Wenzel<br />
zwungen werden konnten, erlebten Gersdorf<br />
und Meyer, als sie am 8. August 1786<br />
Augenzeugen der Erstbesteigung des<br />
Mont Blanc wurden – ein Schlüsselereignis<br />
des Zeitalters der Aufklärung. Mit dem<br />
Fernrohr beobachteten sie die beiden<br />
Bergsteiger Jacques Balmat (1762–1834)<br />
und Michel-Gabriel Paccard (1757–1827),<br />
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10<br />
Sonderausstellung
von Kai Wenzel<br />
Ins Gebirge<br />
die sich von Chamonix aus auf den Weg<br />
gemacht hatten, um den damals höchsten<br />
bekannten Berg zu besteigen. Die<br />
Route der Erstbesteigung dokumentierten<br />
Gersdorf und Meyer in Zeichnungen<br />
und einem schriftlichen Protokoll, das bis<br />
heute als wichtiger Beweis für den Erfolg<br />
der beiden Bergsteiger gilt. Aus Dankbarkeit<br />
schenkten Balmat und Paccard Gersdorf<br />
ein Stück Granit aus der Gipfelregion<br />
des Mont Blanc. Diese auf den ersten Blick<br />
unscheinbar wirkende Gesteinsprobe ist<br />
als eines der frühesten Zeugnisse der Alpinistik<br />
heute dauerhaft im Barockhaus<br />
Neißstraße 30 zu sehen.<br />
Gersdorf und Meyer stammten beide<br />
aus der Oberlausitz. Geboren und aufgewachsen<br />
in Niederrengersdorf bei Görlitz,<br />
erhielt Adolf Traugott v. Gersdorf bereits<br />
als Jugendlicher fundierten Zeichenunterricht<br />
durch den Dresdener Hofmaler<br />
Christian Benjamin Müller (1690–1758).<br />
Auch Karl Andreas v. Meyer zu Knonow,<br />
der in Schnellförtel in der Görlitzer Heide<br />
(heute polnisch Okrąglica) geboren wurde,<br />
erwarb bereits als Jugendlicher erste<br />
Kenntnisse in der Zeichenkunst. Diese<br />
verfeinerte er später unter Anleitung des<br />
Oberlausitzer Malers und Zeichners Christoph<br />
Nathe (1753–1806). Seine Zeichnungen<br />
sowie die von Gersdorf gelten heute<br />
als wichtige Zeugnisse der künstlerischen<br />
und wissenschaftlichen Erschließung der<br />
Gebirgswelt im Zeitalter der Aufklärung.<br />
Die Sonderausstellung „Ins Gebirge“ ist eine Kooperation der Görlitzer Sammlungen<br />
(Kulturhistorisches Museum und Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften)<br />
und des Kunstfonds, Staatliche Kunstsammlungen Dresden.<br />
Sie ist bis zum 24. September <strong>2023</strong> im Ausstellungsraum des Graphischen Kabinetts<br />
im Barockhaus Neißstraße 30 zu sehen.<br />
Weitere Infos zur Ausstellung unter<br />
https://www.goerlitzer-sammlungen.de/Sonderausstellung-Barockhaus.html<br />
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Sonderausstellung<br />
11
Sonderausstellung „Über Druck“<br />
Ausblick<br />
Begleitprogramm im <strong>Mai</strong> zur Sonderausstellung im Kaisertrutz<br />
„Über Druck. Zeitgenössische Druckgrafik aus Sachsen und der Lausitz“<br />
zu sehen bis 20.8.<strong>2023</strong><br />
Die derzeit im Kaisertrutz laufende große Sonderausstellung bietet einen<br />
reizvollen Überblick über die Entwicklung der Druckgrafik in Sachsen und<br />
der Lausitz. In den vergangenen drei Jahrzehnten erlebte sie einen regelrechten<br />
Boom. 105 Werke von 64 Künstlerinnen und Künstler sind in dieser<br />
Schau zu sehen. „Über Druck“ ist eine Kooperation der Görlitzer Sammlungen<br />
und des Kunstfonds, Staatliche Kunstsammlungen Dresden.<br />
Um sich den druckgrafischen Künsten auch ganz individuell nähern zu können, bieten die Görlitzer Sammlungen ein<br />
umfangreiches BEGLEITPROGRAMM an. Im <strong>Mai</strong> warten folgenden Angebote auf Sie:<br />
Kunstpausen mittwochs 12.12 Uhr<br />
03.05. Hubertus Giebe und Baldwin Zettl<br />
10.05. Petra Kasten und Maja Nagel<br />
17.05. Angela Hampel und Reinhard Minkewitz<br />
24.05. Matthias Weischer und David Schnell<br />
31.05. Strawalde und A. R. Penck<br />
In der Kurzführung KUNSTPAUSE treffen Sie Kai Wenzel (Görlitzer Sammlungen)<br />
und Silke Wagler (Kunstfonds, Staatliche Kunstsammlungen<br />
Dresden), um gemeinsam ausgewählte Werke der Sonderausstellung<br />
„Über Druck“ zu betrachten. In diesem beliebten Format werden immer<br />
mittwochs ab 12.12 Uhr ausgestellte Werke kurzweilig präsentiert<br />
und die Künstlerinnen und Künstler vertieft besprochen. Tickets sind im<br />
Abo erhältlich, sodass Sie die Kunstpausen regelmäßig besuchen können.<br />
Treffpunkt ist jeweils die Museumskasse des Kaisertrutzes.<br />
Eintrittspreise: Kunstpause einzeln: 4 € Eintritt + 1 € | alle 14 Kunstpausen<br />
im Abo: einmalig 4 € Eintritt + 20 €<br />
Druckwerkstatt im Kaisertrutz - mit Voranmeldung*<br />
27.05. | 12.00 Uhr Druckerpresse<br />
Sie erproben in diesem Mitmachangebot im Laufe der Ausstellungszeit unterschiedliche Drucktechniken unter<br />
Anleitung unserer Museumspädagogin Marie Karutz. *Die Veranstaltung findet auf Voranmeldung statt,<br />
die bis zum Vortag des jeweiligen Termins möglich ist. Anmeldung und weitere Infos unter 03581 67-1417<br />
und paedagogik@goerlitz.de<br />
Eintritt inkl. Materialkosten: 10 €<br />
Vortrag im Kaisertrutz<br />
05.05.<strong>2023</strong> | 17.00 Uhr | DRUCK FREI! Gegenwartsgrafik zwischen Experiment und Tradition.<br />
Ein Vortrag von Susanne Altmann, Kunsthistorikerin (Dresden)<br />
Die Kunst der Druckgrafik erlebt gegenwärtig eine Wiederentdeckung. Anhand von Radierungen, Holzschnitten,<br />
Lithografien, Siebdrucken oder auch Kupferstichen wird gezeigt, welche Bildsujets die Künstlerinnen und<br />
Künstler finden und wie die Grenzen zu den neuen digitalen Medien ausgelotet werden.<br />
Tickets inkl. Eintritt normal 8 €, 6 € ermäßigt und 2 € für Kinder. Treffpunkt ist die Museumskasse im Kaisertrutz.<br />
12<br />
Ausblick
Weitere Veranstaltungen<br />
Ausblick<br />
TIPP: INTERNATIONALER MUSEUMSTAG am 21.05. im Kaisertrutz<br />
Zum Internationalen Museumstag und im Rahmen der Sonderausstellung „Über Druck. Zeitgenössische<br />
Druckgrafik aus Sachsen und der Lausitz“ bieten die Görlitzer Sammlungen zwei KOSTENFREIE Sonderveranstaltungen<br />
an:<br />
21.05. | 13.00 – 15.00 Uhr Offene Siebdruckwerkstatt „Über Druck“<br />
Hier haben Sie die Möglichkeit mit unserer Museumspädagogin Marie Karutz den textilen Siebdruck selbst<br />
auszuprobieren. Das Mitmachangebot ist kostenfrei. Sie zahlen lediglich die Materialkosten: 2,50 €.<br />
21.05. | 15.00 Uhr Kostenfreie Kuratorenführung „Über Druck“ mit Kai Wenzel<br />
Kurator und Kunsthistoriker Kai Wenzel führt Sie durch die Sonderausstellung „Über Druck. Zeitgenössische<br />
Druckgrafik aus Sachsen und der Lausitz“ und stellt Ihnen dabei Künstlerinnen und Künstler und ihre Werke<br />
vor.<br />
Infos zur Sonderausstellung und dem Begleitprogramm:<br />
https://www.goerlitzer-sammlungen.de/Sonderausstellung-Kaisertrutz.html<br />
Beliebte Führungen wieder im Angebot<br />
Mit Beginn der Sommeröffnungszeiten bieten die Görlitzer Sammlungen<br />
auch wieder Führungen durch die historischen Bibliotheksräume<br />
im Barockhaus und das Biblische Haus an.<br />
Immer montags ab 11.00 Uhr staunen in den historischen Bibliotheksräumen<br />
Führungen im <strong>Mai</strong>: 08., 15., 22.05.<strong>2023</strong> | jeweils 11.00 Uhr<br />
Von April bis Oktober gibt es immer montags die Möglichkeit, außerhalb<br />
der regulären Öffnungszeiten einen Blick in den Historischen Bibliothekssaal<br />
der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften<br />
(OLGdW) im Barockhaus zu werfen. Er gehört mit seinen „Triumphbögen<br />
des Wissens“ zu den schönsten Bibliotheksräumen Deutschlands<br />
und ist mit rund 20.000 Bänden gefüllt. Der Rundgang startet in der<br />
Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften (OLB) und führt auch<br />
über die Milich'sche Bibliothek, die den ältesten Buchbestand der<br />
Stadt beherbergt. Aus dieser entstand im Verbund mit den Beständen<br />
der Bibliothek der OLGdW 1950 die OLB – mit mehr als 150.000 Bänden, die die Geschichte und Kultur, Wirtschaft<br />
und Wissenschaft der Region zwischen Dresden und Breslau/Wrocław dokumentieren.<br />
Treffpunkt ist der Eingang der OLB am Handwerk 2. Eintritt 8 €, 6 € ermäßigt und 4 € für Kinder.<br />
Noch ein kleiner TIPP: Den Historischen Bibliothekssaal können Sie zu den Öffnungszeiten des Barockhauses<br />
auch jederzeit selbst erkunden.<br />
Weitere Infos zu den Historischen Bibliotheksräumen:<br />
https://www.goerlitzer-sammlungen.de/Historischer-Bibliotheksaal.html<br />
https://www.goerlitzer-sammlungen.de/Milichsche-Bibliothek-Dauerausstellung.html<br />
Entdecken Sie in der Freitagsführung das Biblischen Haus, einem Kleinod der Renaissance<br />
Führungen im <strong>Mai</strong>: 05., 12., 26.05.<strong>2023</strong> | jeweils 15.00 Uhr<br />
Immer freitags führen Sie Historikerinnen und Historiker der Görlitzer Sammlungen durch eines der bedeutendsten<br />
deutschen Bürgerhäuser der Renaissance mit prägendem Umbau von 1570 bis 1572. Es ist zudem eines der<br />
bekannten Görlitzer Hallenhäuser, die ein elementarer Bestandteil der Görlitzer Weltkulturerbe-Bewerbung sind.<br />
Ein Blick ins Innere offenbart Ihnen die Schönheit der hallenhaustypischen Zentralhalle. Zudem erwarten Sie ein<br />
prächtiger Renaissancesaal und ein ungewöhnlicher Gewölberaum. Namensgebend für das Biblische Haus waren<br />
jedoch die beeindruckenden Fassadenreliefs mit Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament.<br />
14<br />
Ausblick
Weitere Veranstaltungen<br />
Ausblick<br />
Treffpunkt ist die Kasse des Barockhauses, Neißstraße 30. Eintritt 8 €, 6 €<br />
ermäßigt und 4 € für Kinder.<br />
Weitere Infos zum Biblischen Haus:<br />
https://www.goerlitzer-sammlungen.de/Biblisches-Haus.html<br />
Sommeröffnungszeiten der Görlitzer Sammlungen: Von April bis Oktober<br />
sind das Barockhaus, der Kaisertrutz und der Reichenbacher<br />
Turm von Dienstag bis Donnerstag 10.00 bis 17.00 Uhr und Freitag bis<br />
Sonntag von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet (Montag geschlossen). Bitte<br />
beachten Sie zusätzliche Feiertagsöffnungen.<br />
www.goerlitzer–sammlungen.de<br />
TIPP: Eine Veranstaltung der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften<br />
12. <strong>Mai</strong> <strong>2023</strong>, 19.30 Uhr im Johannes Wüsten-Saal im Barockhaus, Neißstraße 30<br />
Unsterblichkeit der Sterne<br />
Verb(r)annte Bücher, „verfemte“ Komponisten, unvergängliche Ideen. Gegen das Vergessen!<br />
Ein literarisch-musikalischer Abend im Gedenken an die deutschlandweiten<br />
Bücherverbrennungen im Frühjahr 1933.<br />
Die Bücherverbrennungen im Frühjahr des Jahres 1933 mit dem Ziel<br />
der Vernichtung des literarischen und aufklärerischen Geistes eines<br />
modernen Europas sowie der Aufbau diffiziler Feindbilder waren der<br />
lodernde Auftakt einer nachfolgenden zwölfjährigen Barbarei. Einem<br />
humanistischen Menschenbild verpflichtete Literatur wurde ins Feuer<br />
geworfen, um damit den "flackernden Niedergang" eines einzigartigen<br />
kulturellen Bewusstseins einzuleiten. Geistiger Mord und Selbstmord<br />
zugleich? Das Programm erzählt davon, wie Nationalsozialisten<br />
und sich zur geistig-wissenschaftlichen Elite zählende Studenten und<br />
Professoren das Werk verfemter Autoren auszulöschen versuchten,<br />
wie junge Menschen ihre Zukunft verloren, wer ohne blaue Flecke<br />
aus einer rasenden Eisenbahn sprang, warum der Führer schwitzte<br />
und wie die Sterne doch unsterblich blieben. Texte und Lieder der<br />
„verbrannten Dichter“ Erich Kästner, Irmgard Keun, Stefan Zweig und<br />
anderer kommen zum Vortrag.<br />
Musik | Rezitation: Julia Boegershausen und Björn Bewerich<br />
Politik, Gesellschaft, Historie: Felix Pankonin<br />
Dauer: ca. 2 Stunden, inkl. Pause<br />
Der Eintritt ist frei.<br />
Wichtiger Hinweis: Aufgrund der begrenzten Platzkapazität wird um<br />
Kartenvorbestellung gebeten unter 03581 671410 oder persönlich an<br />
der Museumskasse des Barockhauses, Neißstraße 30.<br />
Vorbestellte Karten sind bis eine Stunde vor Vorstellungsbeginn an<br />
der Museumskasse abzuholen.<br />
Ausblick<br />
15
Weitere Veranstaltungen<br />
Ausblick<br />
Einladung zur Frühjahrsexkursion des Fördervereins der Görlitzer<br />
Sammlungen<br />
Die beiden Exkursionen, die der Förderverein „Freunde der Görlitzer<br />
Sammlungen e.V.“ in diesem Jahr anbietet, führen in zwei Städte der<br />
Oberlausitz, die historisch und insbesondere von der industriellen Entwicklung<br />
her vielfache Verbindungen nach Görlitz aufweisen.<br />
Ist für den 2. September eine Exkursion nach Weißwasser geplant,<br />
geht es zunächst am Samstag, dem 13. <strong>Mai</strong> <strong>2023</strong> nach Niesky, in eine<br />
Stadt, die sich neben den Zeugnissen ihres Ursprungs als Herrnhuter<br />
Siedlung insbesondere als Holzbaustadt von Weltruhm präsentiert.<br />
Die Anreise nach Niesky kann entweder privat mit dem PKW (Fahrgemeinschaften sind möglich) oder alternativ<br />
mit dem Zug (RB 64) erfolgen. Die Zugreisenden treffen sich um 8.20 Uhr im Bahnhof Görlitz/Blumenladen.<br />
Abfahrt nach Niesky ist um 8.33 Uhr. Wer kein 49 €-Ticket, kann mit anderen Teilnehmern ein entsprechendes<br />
Gruppenticket im Zug lösen.<br />
Gemeinsamer Treff für alle Exkursionsteilnehmer ist um 9.30 Uhr am<br />
Zinzendorfplatz 8 vor dem Museum Johann-Raschke-Haus. Dort begrüßt<br />
Herr Dr. Jan Bergmann-Ahlswede, der Leiter des Museums Niesky<br />
(https://museum-niesky.de), der die Teilnehmenden den ganzen Tag<br />
begleiten und durch die Stadt mit ihren Museen, Sehenswürdigkeiten<br />
und markanten geschichtsträchtigen Orten sowohl aus der Herrnhuter<br />
Zeit als auch aus der Blütezeit von Niesky als Holzbaustadt führen<br />
wird. Der Weg durch die Stadt führt dann auch zum Konrad-Wachsmann-Haus,<br />
einem herausragenden Beispiel für den industrialisierten<br />
Holzhausbau.<br />
Nach dem Mittagessen in der Caféteria des Krankenhauses Emmaus<br />
führt der weitere Weg vorbei an verschiedenen Holzbauvillen, zahlreichen<br />
Zeugnissen der Nieskyer Industriegeschichte und dem Wohnhaus<br />
Konrad Wachsmanns – zur Holzhaussiedlung Neu-Ödernitz, die<br />
aktuell ihr 100jähriges Jubiläum feiert. – Geplantes Ende der Exkursion:<br />
ca. 15.30/16.00 Uhr.<br />
Kosten und Anmeldung:<br />
Der Teilnahmebeitrag für diese Frühjahrsexkursion beträgt 20 € für<br />
Vereinsmitglieder und 25 € für Gäste, die sehr herzlich willkommen sind. Fahrt- und Verpflegungskosten trägt<br />
jede/r selbst.<br />
Um Anmeldung wird gebeten bis zum 10. <strong>Mai</strong> <strong>2023</strong> möglichst per <strong>Mai</strong>l an kontakt@museumsverein-goerlitz.<br />
de, telefonisch unter 03581/6860463 oder 0176-96744627. Hier können auch Rückfragen an den Vorstand des<br />
Fördervereins gestellt werden.<br />
Die Teilnahmebeiträge sind bitten ebenfalls bis spätestens zum 10. <strong>Mai</strong> <strong>2023</strong> auf das Vereinskonto unter Angabe<br />
des Verwendungszwecks „Exkursion Niesky“ zu überweisen – Konto: Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien,<br />
IBAN: DE03 8505 0100 0000 0531 12, BIC: WELADED1GR<br />
Fotonachweise:<br />
Seite 12 (v. o. Austellungsimpression bei Eröffnung, © Pawel Sosnowski | Kurator Kai Wenzel © Pawel Sosnowski)<br />
Seite 14 (v. o. Museumspädagogin Marie Karutz, © Pawel Sosnowski | Biblische Haus von innen © Görlitzer Sammlungen)<br />
Seite 15 (v. o. Bibliothekensaal © Görlitzer Sammlungen | Björn Bewerich & Julia Boegershausen | Felix Pankonin)<br />
Seite 16 (v. o. Johann Raschke Haus Niesky, © Museum Niesky | Konrad-Wachsmann-Haus, Gartenseite, © Museum Niesky)<br />
16<br />
Ausblick
Plötzlich und Unerwartet<br />
Wolfgang Stiller<br />
Das Foto hat uns Enkelin Sarah Stiller-Münch freundlicherweise<br />
zur Verfügung gestellt.<br />
Er war geistig bis zuletzt sehr gesund gewesen,<br />
fit, faktensicher und bei klarem<br />
Verstand, nur am Ende wollte sein Körper<br />
nicht mehr.<br />
Wolfgang Stillers Tod kam überraschend.<br />
Am 2. April, ist der Bergbau-Ingenieur,<br />
PDS-Stadtrat in Görlitz und Buchautor im<br />
Alter von 84 Jahren an multiplem Herzversagen<br />
verstorben.<br />
Was Wolfgang Stiller auszeichnete, war<br />
sein gesellschaftliches Engagement. Er<br />
wurde geschätzt und ernst genommen.<br />
Sein Berufsleben als Bergbau-Ingenieur<br />
im Tagebau Berzdorf bei Görlitz ließ ihn<br />
nicht los, und so engagierte er sich auch<br />
als Rentner noch im Verein Oberlausitzer<br />
Bergleute. Zudem war er aber auch lange<br />
Jahre im Stadtrat für die PDS, die heutige<br />
Linkspartei.<br />
Er galt als bester Kenner für industrielle<br />
Revolutionen in Görlitz und hat bis zuletzt<br />
insgesamt vier Bücher vorgelegt: „300<br />
Jahre Familien- und Firmengeschichte der<br />
Tuchmacherfamilien Ernst Friedrich Geißler<br />
und Carl Samuel Geißler“ (2010), „Die<br />
Grube Stadt Görlitz bei Kohlfurt“ (2016,<br />
zusammen mit Joachim Neumann), „Von<br />
Brunnen, Zisternen und Rohrbütten zum<br />
Wasserwerk in Görlitz“ (2018) und zuletzt,<br />
mit Dieter Mühle, die überarbeitete Ortschronik<br />
seines Geburtsortes Kunnersdorf<br />
im Schöpstal.<br />
Wolfgang Stiller legte immer zu seinen Forschungen<br />
eine gewaltige Materialsammlung<br />
mit zahlreichen Unterlagen, Plänen,<br />
Karten und Fotografien zur Geschichte vor.<br />
Akribisch entwickelte er Stammbäume<br />
wie z. B. das Wirken der Tuchmacherfamilie<br />
Geißler. So trug Stiller über Jahre fleißig<br />
und immer auf Spurensuche Mosaiksteinchen<br />
zusammen und lieferte so, nicht nur<br />
über die Geißlers, sondern eine ganze<br />
Epoche interessante Görlitzer Geschichten<br />
zusammen.<br />
Unsere Redaktion ist sehr traurig über den<br />
plötzlichen Tod von Wolfgang Stiller. Wir<br />
bedanken uns für seine jahrelange Unterstützung.<br />
Er wird uns mit seinem Wissen<br />
immer ein unvergessliches Vorbild sein.<br />
18<br />
Nachruf
Olga Yakovenko brachte neue Farbe in die Stadt.<br />
Yakovenko<br />
Als Olga ihr Eckgeschäft an der Elisabethstraße<br />
vor ca. 8 Jahren eröffnete, lernte<br />
ich die Künstlerin kennen und sofort<br />
schätzen. Ihre offene, liebenswürdige Art<br />
gefiel mir und ich lernte Ihre vielseitige<br />
Kunst kennen. Deshalb veröffentlichten<br />
wir im Stadtbild, April 2017, einen Beitrag<br />
über Olga und widmeten ihr die Titelseite.<br />
Olga stammt aus Ternopil, einer Stadt im<br />
Westen der Ukraine. Hier entdeckte man<br />
schon frühzeitig das künstlerische Talent<br />
von Olga. Mit 20 Jahren ging Olga nach<br />
Breslau, und besuchte die dortige Staatliche<br />
Kunstschule sowie die renommierte<br />
Breslauer Kunstakademie. Nach dem<br />
erfolgreichen Abschluss der Kunstakademie<br />
zog Olga nach Görlitz, wo sie sich<br />
sogleich selbstständig machte. Obwohl<br />
der Anfang in Görlitz für sie nicht leicht<br />
war, gab sie nie auf. Mit Mal- und Zeichenkursen,<br />
mit dem Einrahmen von Bildern<br />
und dem Verkauf Ihrer eigenen Bilder<br />
kämpfte sie tapfer um das Überleben in<br />
der neuen Umgebung. Als das ehemalige<br />
Fußballklubhaus in der Kränzelstraße zum<br />
Verkauf angeboten wurde, erwarb sie es<br />
mit Ihrem Ehemann Rene Rücker und beide<br />
begannen sofort mit der Sanierung<br />
des zwar äußerlich ansprechenden, aber<br />
teilweise doch stark renovierungsbedürftigen<br />
Hauses. Hier konnte Olga endlich<br />
ihr eigenes Atelier mit Galerie eröffnen.<br />
Doch diese körperlich anstrengende Arbeit,<br />
verbunden mit dem unermüdlichen<br />
Schaffen als Künstlerin und Kunsterzieherin,<br />
was keine Pause oder längeren Urlaub<br />
ermöglichte, ging leider zu Lasten Ihrer<br />
Gesundheit. So erkrankte sie an Krebs<br />
und verlor vor ihrem 50. Lebensjahr den<br />
Kampf gegen diese furchtbare Krankheit.<br />
Olga war eine begnadete Künstlerin, ob<br />
bunte Miniaturen oder große Gemälde,<br />
alle Werke legten Zeugnis von Ihrer<br />
Kunst ab, mit Farben Stimmungen auszudrücken<br />
und eigene Atmosphären zu<br />
vermitteln. Am liebsten malte Olga farbenprächtige<br />
Bilder, welche die Schönheit<br />
der Natur, der Pflanzen und Tiere<br />
zum Ausdruck bringen. Obwohl Olga eine<br />
große Künstlerin war, blieb sie immer bescheiden<br />
und freundlich zu allen, denen<br />
sie begegnete. Dies brachte ihr die Anerkennung<br />
und Freundschaft von allen<br />
Menschen ein, denen sie im Alltag begegnete.<br />
Olgas früher Tod ist für die Görlitzer<br />
Kunstszene und für die Menschen, die sie<br />
liebten und ehrten, ein schmerzlicher Verlust.<br />
In ihren Werken wird sie weiterleben.<br />
Nachruf<br />
19
Festivaljubiläum im Dreiländereck:<br />
Neiße Filmfestival<br />
Vom 23. bis 28. <strong>Mai</strong> geht das Neiße Filmfestival<br />
in seine 20. Auflage. Auch in diesem Jahr<br />
bietet das Filmfest im Dreiländereck an der<br />
Neiße ein volles Programm mit rund 100<br />
Filmen in drei Wettbewerben und diversen<br />
Filmreihen sowie Ausstellungen, Konzerten<br />
und mehr. Für das Publikum gibt es zum Jubiläum<br />
einige Neuerungen: So wird das Festivalprogramm<br />
in kompakter Form in einem<br />
neuen, handlichen Festivalplaner sowie in<br />
vollem Umfang in der weiterentwickelten<br />
Festival-App präsentiert. Außerdem gibt es<br />
erstmals Tickets zu allen Filmvorführungen<br />
über die offizielle Homepage online im Vorverkauf.<br />
Sachsens Ministerpräsident Michael<br />
Kretschmer, einer der Schirmherren des<br />
Festivals, würdigt in seinem Grußwort zum<br />
Jubiläum: “Die Kraft, die uns ins Kino zieht,<br />
bringt auch das Team des Neiße Filmfestivals<br />
Jahr für Jahr zusammen. Längst ist<br />
das NFF zu einer kulturellen Institution im<br />
Dreiländereck geworden, mit einem treuen<br />
Stammpublikum, das den osteuropäischen<br />
Film jenseits des <strong>Mai</strong>nstream-Kinos schätzt.”<br />
Sein Kollege Martin Půta, Hauptmann der<br />
Region Liberec und ebenfalls Schirmherr,<br />
ergänzt dazu: “20 Jahre im menschlichen<br />
Leben sind nicht gerade viel. Im Falle eines<br />
Filmfestivals handelt es sich jedoch um<br />
eine beachtliche Etappe. Im <strong>Mai</strong> findet die<br />
zwanzigste, die Jubiläumsauflage des Neiße<br />
Filmfestivals statt, das damit nicht nur längst<br />
die Volljährigkeit erreicht hat, sondern auch<br />
weiterhin von Jahr zu Jahr reift, sich entwickelt<br />
und regionale Kinos verbindet.”<br />
Eröffnet wird das 20. Neiße Filmfestival am<br />
23. <strong>Mai</strong> im Gerhart-Hauptmann-Theater in<br />
Zittau mit dem Eröffnungsfilm „Franky Five<br />
Star“ von Birgit Möller, einer surrealen Tragikomödie<br />
über die Suche nach sich selbst,<br />
die sich dem Selbstoptimierungswahn unserer<br />
Gesellschaft mit Humor und Fantasie<br />
entgegenstellt. Im Anschluss stimmt DJ<br />
Ludmila Pogodina im Theaterfoyer musikalisch<br />
auf die kommenden Festivaltage ein.<br />
Trinationale Wettbewerbe für Spiel-, Dokumentar-<br />
und Kurzfilme<br />
Im Hauptwettbewerb des Festivals um den<br />
besten Spielfilm treten wie gewohnt je drei<br />
Produktionen aus Deutschland, Polen und<br />
Tschechien an. Ob als Mystery-Drama gestaltet<br />
oder in der ostdeutschen Provinz verortet:<br />
Alle Filme erzählen Geschichten, die<br />
unser Zusammenleben in vielen Facetten<br />
beleuchten und handeln von Menschen,<br />
die sich ihrer Vergangenheit und Gegenwart<br />
stellen und Grenzen ausloten. Auch im<br />
Wettbewerb um den besten Dokumentarfilm<br />
konkurrieren neun Filme über Themen,<br />
die berühren und bewegen: Umweltschutz,<br />
besondere Lebensumstände, soziale Ungerechtigkeit,<br />
aber auch Kunst und Musik. Die<br />
Filmemacher*innen finden dabei selbst zu<br />
eigentlich ernsthaften Storys immer wieder<br />
einen leichten, sogar humorvollen Zugang.<br />
Der Kurzfilm-Wettbewerb präsentiert in diesem<br />
Jahr insgesamt 34 kurze und kurzweilige<br />
Beiträge. Ob fiktional, dokumentarisch,<br />
animiert oder experimentell – jedes Genre<br />
ist zu den unterschiedlichsten Themen dabei.<br />
Das trinationale Programm besticht<br />
durch Vielfalt und Originalität.<br />
Fokus „Post Soviet Union“<br />
Die Fokus-Reihe der 20. Festivalausgabe<br />
beschäftigt sich unter dem Titel „Post Sovi-<br />
20 Ausblick
Neiße Filmfestival geht in 20. Auflage<br />
Filmfestival<br />
23.05.<strong>2023</strong> – 19:00 Uhr, Gerhart-Hauptmann-Theater, Zittau<br />
Eröffnung des 20. Neiße Filmfestivals mit dem Spielfilm „Franky Five Star“ von Birgit Möller<br />
und Musik von DJ Ludmila Pogodina<br />
et Union“ mit dem gesellschaftlichen und<br />
politischen Nachlass der ehemaligen Sowjetunion.<br />
Die Filme der Reihe spiegeln<br />
unterschiedlichste Aspekte des Lebens, ob<br />
politisch, wirtschaftlich oder sozial – von intellektuellen<br />
Auseinandersetzungen bis zu<br />
konkreten Bedingungen des Alltagslebens.<br />
Der geopolitische Radius des ehemals größten<br />
Flächenstaates der Welt bildet dabei die<br />
thematische Klammer für ein vielstimmiges,<br />
cineastisches Kaleidoskop von Erzählungen.<br />
Dazu ist im Kulturcafé Alte Bäckerei und im<br />
Kunstbauerkino in Großhennersdorf die<br />
Ausstellung „Postsowjetische Lebenswelten“<br />
der Bundesstiftung zur Aufarbeitung<br />
der SED-Diktatur zu sehen.<br />
Neben den Wettbewerben stehen in der<br />
Reihe „Regionalia“ aktuelle Beiträge von<br />
regionalen Filmschaffenden auf dem Programm,<br />
die sich dem Leben in der Lausitz,<br />
an der Grenze oder dem sorbischen Film<br />
widmen. Die drei Länderreihen „Polski<br />
Blues“, „České panorama“ und „Deutsches<br />
Fenster“ spiegeln das aktuelle Filmschaffen<br />
in Polen, Tschechien und Deutschland wider.<br />
Außerdem sind im Centrum Panorama<br />
im tschechischen Varnsdorf, auf der größten<br />
Kinoleinwand Europas, wieder Filmklassiker<br />
im 70mm-Format zu sehen. Und für kleine<br />
Kinofans zeigt eine eigene Reihe zwei Kinderfilme.<br />
Ausblick<br />
21
Festivaljubiläum im Dreiländereck:<br />
Neiße Filmfestival<br />
Die feierliche Preisverleihung findet am<br />
27. <strong>Mai</strong> im Kühlhaus in Görlitz statt. Prämiert<br />
werden hier neben den besten Spiel-,<br />
Dokumentar- und Kurzfilmen sowie den<br />
Publikumslieblingen auch die beste darstellerische<br />
Leistung, das beste Drehbuch<br />
und das beste Szenenbild. Außerdem wird<br />
der Spezialpreis des Festivals an einen Film<br />
vergeben, der sich dem Verständnis der kulturellen<br />
und ethnischen Unterschiede verschiedener<br />
Länder oder den vorhandenen<br />
Gemeinsamkeiten widmet.<br />
Sahnehäubchen auf der Geburtstagstorte<br />
des Festivaljubiläums ist das Konzert der<br />
russischen Band Pussy Riot, die am 27. <strong>Mai</strong><br />
im Anschluss an die Preisverleihung Open<br />
Air am Görlitzer Kühlhaus zu erleben ist.<br />
Das feministische Künstlerinnen-Kollektiv<br />
zählt mittlerweile zu den bekanntesten kreativen<br />
Ensembles in Russland – und zu den<br />
kritischsten. Die außergewöhnliche Performance<br />
der Gruppe ist laut und stets verbunden<br />
mit einem politisch-musikalisch-brachialen<br />
Kunstereignis, denn ihre Bekenntnisse,<br />
Forderungen und Überzeugungen sollen<br />
gehört werden.<br />
Weitere Höhepunkte im Rahmenprogramm<br />
sind die Improshow „Imjoy & DJ M^OD“<br />
am 24. <strong>Mai</strong> im Kino Varšava in Liberec, das<br />
Puppentheater „Filmautomat“ am 25. <strong>Mai</strong><br />
27.05.<strong>2023</strong> – 18:00 Uhr, Kühlhaus Görlitz<br />
Feierliche Preisverleihung<br />
22 Ausblick
Neiße Filmfestival geht in 20. Auflage<br />
Filmfestival<br />
27.05.<strong>2023</strong> – 20:30 Uhr, Kühlhaus Görlitz<br />
Konzert mit Pussy Riot<br />
im Stadttheater Varnsdorf, die Konzerte<br />
der irischen Singer/Songwriterin Aoife Wolf<br />
und von Laura Guidi & Band am 26. <strong>Mai</strong> im<br />
Café Hotspot Görlitz bzw. in der Kulturfabrik<br />
Meda Mittelherwigsdorf oder eine Stadtführung<br />
zu den Filmdrehorten in Görlitz am<br />
27. <strong>Mai</strong>.<br />
Gelebtes Europa in der Dreiländerregion<br />
an der Neiße<br />
Seit 2004 bietet das Neiße Filmfestival<br />
jungen Filmemacher*innen ein Forum,<br />
stellt dem Publikum etablierte Filme und<br />
Regisseur*innen vor und widmet sich<br />
Schwerpunktthemen. Besonders und einzigartig<br />
ist dabei sein genreübergreifender<br />
und trinationaler Charakter mit Veranstaltungen<br />
an mehr als zwanzig Spielorten in<br />
den drei Ländern entlang der Neiße. So hat<br />
sich das Festival zu einer kulturellen Brücke<br />
für Filmfans und Programmkinos aus<br />
den Nachbarländern entwickelt. Jedes Jahr<br />
richtet das Filmfest den Blick auf Bezüge<br />
und Beziehungen zwischen den Menschen<br />
Osteuropas und auf die jeweilige filmische<br />
Auseinandersetzung mit Vergangenheit<br />
und Gegenwart. Das länderübergreifende<br />
Programm bietet neben drei Wettbewerben<br />
und verschiedenen Filmreihen auch Veranstaltungen<br />
wie Konzerte, Lesungen, Ausstellungen<br />
und Partys.<br />
Das komplette Festivalprogramm und weitere<br />
Infos gibt es online unter:<br />
www.neissefilmfestival.net<br />
Ausblick<br />
23
Zweiter Frühling für die Freilichtbühne Rothenburg<br />
Rothenburg Oberlausitz<br />
Leider war die in die Jahre gekommene<br />
Freilichtbühne in einem etwas bedauernswerten<br />
Zustand. Die Holzbänke waren stark<br />
verwittert, und selbst die Betonfundamente<br />
zeigten Verfallserscheinungen. Die elektrischen<br />
Anlagen entsprachen auch nicht<br />
mehr dem aktuellen Stand der Technik und<br />
hatten ihre wirtschaftliche Nutzungsdauer<br />
überschritten. Deshalb konnten auf der<br />
Freilichtbühne schon längere Zeit keine<br />
Veranstaltungen mehr durchgeführt werden.<br />
Umso erfreulicher war es, als der neue<br />
Bürgermeister, Philipp Eichler, Anfang April<br />
die Öffentlichkeit informierte, dass die Freilichtbühne<br />
neugestaltet werden wird. Sie<br />
soll wieder ein Mittelpunkt des kulturellen<br />
Lebens der Stadt Rothenburg werden und<br />
die Rothenburger sowie Gäste aus nah und<br />
fern anziehen. Schon seit den 90er Jahren<br />
existierten Pläne, die Freilichtbühne zu sanieren.<br />
Sie wurden durch Herrn Bensch aus<br />
dem niedersächsischen Rotenburg-Wümme<br />
per Amtshilfe erstellt, konnten aber aus<br />
den bekannten finanziellen Gründen bisher<br />
nicht realisiert werden.<br />
Der Freistaat Sachsen legte 2022 ein staatliches<br />
Förderprogramm mit dem Titel<br />
„Kulturerhalt“ auf, welches auf die marode<br />
Freilichtbühne passend zugeschnitten<br />
erschien. Deshalb bewarb sich die Stadt<br />
Rothenburg mit dem Projekt „Neugestaltung<br />
der Freilichtbühne im Stadtpark<br />
Rothenburg/O.L. in einen digitalen Multimedialen<br />
Kommunikationsort für alle Bür-<br />
Die Freilichtbühne Rothenburg im Stadtpark (Oktober 2022), Foto: Tino Liebchen (echt/t/raum)<br />
24 Ausblick
Zweiter Frühling für die Freilichtbühne Rothenburg<br />
Rothenburg Oberlausitz<br />
Professionelle OLED-Video-Wall Wand von 15 qm für Veranstaltungen (Fotomontage),<br />
Foto: Tino Liebchen (echt/t/raum)<br />
ger und Besucher der Stadt“ und bekam<br />
Finanzierungsmittel zugesprochen.<br />
Anfang Dezember erhielt die Stadt für das<br />
Projekt der Freilichtbühne zu einem zeitgemäßen<br />
„digitalen und multimedialen<br />
Kommunikationsstandort“ 80 Prozent der<br />
auf 88.900 Euro veranschlagten Kosten bewilligt.<br />
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26 Ausblick
Zweiter Frühling für die Freilichtbühne Rothenburg<br />
Rothenburg Oberlausitz<br />
Für die Neugestaltung der Zuschauerplätze<br />
wurden 16.500 Euro veranschlagt. Die<br />
maroden Holzplatten werden durch witterungsbeständige<br />
Kunststoffsitze ersetzt.<br />
Gleichzeitig werden auch die Betonfüße in<br />
einem größeren Abstand versetzt, um im<br />
Falle einer etwaigen Pandemie genügend<br />
Sicherheitsabstand zu gewährleisten. Dadurch<br />
bedingt verringerte sich die Anzahl<br />
der Sitzplätze auf 450. Für Veranstaltungen<br />
aller Art werden moderne wetterfeste<br />
Bistrotische aus Edelstahl angeschafft, die<br />
entsprechend den unterschiedlichen Anforderungen<br />
der Veranstalter eingesetzt<br />
werden können.<br />
Das Herzstück der erneuerten Anlage ist jedoch<br />
das Digitalisierungsprojekt, welches<br />
ein Großteil der veranschlagten Gesamtsumme<br />
ausmacht. Die Freilichtbühne erhält<br />
eine interaktive OLED-Video-Wall von<br />
15 qm, auf der für die unterschiedlichsten<br />
Bedürfnisse und Altersgruppen angepasste<br />
Programme den Besuchern geboten<br />
werden können. Mit der Ausführung wurde<br />
das in Görlitz ansässige Digital-Innovations-Start-Up<br />
Unternehmen AVANTEC<br />
GmbH beauftragt.<br />
Die AVANTEC GmbH kreiert und designt für<br />
den digitalen Kontent der Video-Wall visuelle<br />
Animationen als virtuelle Motions für<br />
die östlichste Kleinstadt Deutschlands.<br />
Bereits jetzt schon können Interessierte auf<br />
dem im Aufbau befindlichen Internetportal<br />
„Rothenburg.online“ einige der Motions<br />
betrachten.<br />
Dadurch kann die Freilichtbühne Rothenburg<br />
im wahrsten Sinne des Wortes einen<br />
„zweiten Frühling“ erleben. Zur Wiedereröffnung<br />
der Freilichtbühne am 21. <strong>Mai</strong><br />
<strong>2023</strong> findet ein Frühlingskonzert mit dem<br />
allseits bekannten und beliebten Männergesangsverein<br />
Rothenburg O.L. 1845 e.V.<br />
statt, der bekannte Melodien aus der Heimat<br />
und aus Schlesien den Besuchern zu<br />
Gehör bringen wird. Weitere Veranstaltungen<br />
sind im Rathaus in Vorbereitung.<br />
<strong>StadtBILD</strong>-Redaktion<br />
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Ausblick<br />
27
Nationalsozialismus: Die Machtergreifung in Görlitz<br />
29. März 1933<br />
Gerichtsgebäude Postplatz, Foto: Robert Scholz<br />
Einer der schönsten Plätze in der Stadt Görlitz<br />
ist der Postplatz. Er ist einer dieser ganz<br />
besonderen Orte in Görlitz, an dem man auf<br />
einen Blick fünf verschiedene Epochen der<br />
Architektur sehen kann. Erstaunlicherweise<br />
hat sich dieser Blick in den letzten 100<br />
Jahren kaum verändert. In den letzten drei<br />
Jahren, in denen ich daran gearbeitet habe,<br />
die ehemaligen jüdischen Einwohner*innen<br />
von Görlitz und ihre Familien wieder mit<br />
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28 Geschichte
von Lauren Leiderman<br />
29. März 1933<br />
Aufnahme am Postplatz in Görlitz, 29.3.1933<br />
der Stadt zu verbinden, habe ich erfahren,<br />
dass dieser Platz für einige auch besonders<br />
schwierige Erinnerungen bereithält. Diese<br />
Erinnerungen drehen sich größtenteils um<br />
das wunderschöne preußische Gerichtsgebäude<br />
aus rotem Backstein, das auf dem<br />
Platz steht. Heute vor genau 90 Jahren, an<br />
einem Mittwoch, geschah in Görlitz etwas<br />
Einzigartiges und Schreckliches. Beginnen<br />
wir mit den Hintergründen, die zu den Er-<br />
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Geschichte<br />
29
Nationalsozialismus: Die Machtergreifung in Görlitz<br />
29. März 1933<br />
eignissen dieses Tages führten. Bei der Wahl<br />
zum 8. Deutschen Reichstag am 5. März<br />
1933 errangen die Nazis 43,9 % der Stimmen,<br />
eine Steigerung von fast 10 % gegenüber<br />
der Wahl im November. Trotz dieser<br />
Verbesserung verfügten die Nazis lediglich<br />
über eine einfache, aber immer noch nicht<br />
über eine absolute Mehrheit im Reichstag.<br />
Am 23. März 1933 brachte der Reichskanzler<br />
Adolf Hitler das Ermächtigungsgesetz in<br />
den Reichstag ein. Dieses neue Gesetz gab<br />
Hitler die Macht, per Dekret zu regieren, anstatt<br />
Gesetze durch den Reichstag und den<br />
Präsidenten zu verabschieden. Am 24. März<br />
1933 wurde das Gesetz mit einer überwältigenden<br />
Mehrheit von 444 Ja- gegenüber 94<br />
Nein-Stimmen verabschiedet. Damit war der<br />
Weg endgültig frei für die nationalsozialistische<br />
Diktatur.<br />
Was das in der Realität auch in kleinen Städten<br />
wie Görlitz bedeutete, sollte sich schon<br />
wenige Tage später deutlich zeigen. Am<br />
Mittwoch, dem 29. März 1933, belagerte<br />
ein großer Mob bewaffneter SA-Männer an<br />
einem frischen Frühlingstag (nicht unähnlich<br />
dem heutigen) das Görlitzer Gerichtsgebäude<br />
am Postplatz. Angeführt wurden sie<br />
von Rechtsanwalt Dr. Herbert Fritzsche. Sie<br />
zogen rabiat durch alle Räume der Richterkanzlei,<br />
der Anwaltskanzlei und der Gerichtssäle<br />
und schrien dabei „Juden raus“, während<br />
sie Gummiknüppel schwangen. Der Mob<br />
verhaftete alle im Gebäude befindlichen<br />
Richter und Anwälte, die in ihren Augen<br />
„nicht-arisch“ waren. Weitere jüdische Anwälte<br />
wurden aus ihren Privatwohnungen<br />
und Büros geholt.<br />
Moritz Sommer war zu dieser Zeit praktizierender<br />
Anwalt in Görlitz. Er wohnte in der<br />
heutigen James-von-Moltke-Straße mit seiner<br />
Frau Margrete und ihren drei Töchtern.<br />
Moritz brach am 29. März 1933 zu einer Geschäftsreise<br />
nach Berlin auf. Er schaffte es nur<br />
bis nach Weißwasser, wo er verhaftet und<br />
nach Görlitz zurückgeschickt wurde. Laut<br />
Moritz‘ Enkel Yoram wurde Moritz Sommer<br />
in Görlitz gezwungen, seine Schuhe auszuziehen<br />
und barfuß vom Görlitzer Bahnhof<br />
zum Gerichtsgebäude zu laufen. Dann wurde<br />
er genötigt, ein Schild mit der Aufschrift<br />
zu tragen: „Wir alle lesen die Volkszeitung“.<br />
Die am häufigsten zitierte Stimme, die über<br />
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30 Geschichte
von Lauren Leiderman<br />
29. März 1933<br />
diesen Tag spricht, ist die von Paul Mühsam,<br />
für den Görlitz viele Jahre lang ein Zuhause<br />
war. Mühsam war verständlicherweise entsetzt<br />
über das, was in seiner Heimat geschah.<br />
Er erinnerte sich später:<br />
„Nachdem sich alle formiert hatten, setzte<br />
sich der Zug im Gänsemarsch in Bewegung<br />
… Nachdem wir ausreichend durch die Stadt<br />
geführt worden waren, landete der Zug vor<br />
dem Rathaus. Dort hatte sich eine besonders<br />
große Anzahl von Nazis am Eingang versammelt,<br />
und bevor wir einmarschierten, gab jeder<br />
schnell seinen auswendig gelernten Spruch<br />
zum Besten. Das letzte, was ich hörte, nachdem<br />
ich das Gebäude betreten hatte, war: „Ab<br />
nach Palästina! Freikarte!““<br />
Paul Mühsam, Ich bin ein Mensch gewesen,<br />
Bleicher Verlag, 1989.<br />
Jurist Moritz Sommer<br />
Paul Mühsam war nicht allein. Er wurde zusammen<br />
mit anderen Mitgliedern der Jüdischen<br />
Gemeinde Görlitz verhaftet, darunter<br />
die Rechtsanwälte Dr. Hans Karger, Max<br />
Cronheim, Moritz Sommer, Andreas Meyer,<br />
Dr. Alfred Kunz, Dr. Benno Arnade, Heinrich<br />
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Geschichte<br />
31
Nationalsozialismus: Die Machtergreifung in Görlitz<br />
29. März 1933<br />
Sigmund Fischer war Betreiber eines Textilhandels auf der Bismarckstrasse in der Görlitzer Innenstadt.<br />
Geplündert, die Fensterscheiben eingeschlagen in der Pogromnacht am 9.11.1938, wurden die<br />
Fischers zusammen mit den letzten überlebenden Görlitzer Juden auf den Transport nach Tormersdorf b.<br />
Rothenburg / Ol. geschickt und von dort weiter in die Vernichtungslager.<br />
Getzel, Ludwig Arndt, der Landgerichtsdirektor<br />
Dr. Eric Schwenk, der Zahnarzt Dr.<br />
Fritz Warschawski, Carl Wallach, Inhaber des<br />
Schuhgeschäfts Wallach in der Straßburg<br />
Passage, Fritz Rauch, der das Schuhgeschäft<br />
Rauch in der Berliner Straße 61 führte und<br />
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32<br />
Geschichte
von Lauren Leiderman<br />
29. März 1933<br />
Das frühere Schuhhaus Rauch in der Berliner Straße 61 wird heute durch Fielmann genutzt, Foto: <strong>StadtBILD</strong>-Archiv<br />
der Karstadt-Kaufhausleiter Franz Schalscha.<br />
Diese und andere Männer wurden verhaftet<br />
und im Keller des Görlitzer Rathauses inhaftiert,<br />
allein wegen ihrer jüdischen Herkunft.<br />
Es gibt noch ein paar andere einzigartige<br />
Berichte über diesen Tag, die der Öffentlichkeit<br />
bisher unbekannt, d.h. von den Görlitzer<br />
Archivaren und Historikern nicht dokumentiert<br />
wurden. Einer dieser Berichte stammt<br />
aus dem Zeitzeugenvideo der Shoah Foun-<br />
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Geschichte<br />
33
Nationalsozialismus: Die Machtergreifung in Görlitz<br />
29. März 1933<br />
dation mit Ernst Reich. Ernst Karl Adolf Reich<br />
wurde am 30. <strong>Mai</strong> 1922 in Löbau geboren. Er<br />
und seine Familie zogen Anfang der 1930er<br />
Jahre nach Görlitz, als Ernst noch ein Kind<br />
war, und sie wohnten in der Emmerichstraße<br />
78 im ersten Stock. Ernst besuchte zunächst<br />
die Reichenbacher Schule, eine Volksschule<br />
in Görlitz. Ernst sagte, dass diese ersten Jahre<br />
wunderbar waren, weil er sich gleichberechtigt<br />
empfand und niemand ihn beschimpft<br />
habe. Ernst erinnert sich, dass er das „Jüdischsein“<br />
zum ersten Mal durch Verhalten<br />
seiner Nachbarn im Haus Emmerichstraße<br />
78 bemerkte. Diese hätten sich ihm und<br />
seinen Eltern gegenüber bereits furchtbar<br />
verhalten, noch bevor die Judenverfolgung<br />
1933 von offizieller Seite begann. In der Silvesternacht<br />
1932 stopfte eine Familie den<br />
Briefkasten der Reichs mit Gänsefedern voll<br />
und hängte ein großes Schild an ihre Tür, auf<br />
dem stand: „Guten Rutsch ins Konzentrationslager“.<br />
Ernst sagt: „Sie schikanierten meine Eltern<br />
auf der Straße und warfen meinen Vater von<br />
der Straße in die Gosse. Er war schon 80 Jahre<br />
alt. Und sie sagten: Juden haben auf dem<br />
Bürgersteig nichts zu suchen. In Görlitz war<br />
das anders als in Löbau.“ 1933 wurde Ernst<br />
in die Oberschule an der Seydewitzstraße in<br />
Görlitz aufgenommen und dort begannen<br />
die Schikanen erst richtig. Ernst erinnert<br />
sich, dass um die Zeit, als er in die Oberschule<br />
kam, alle Lehrer die Nazi-Armbinde trugen<br />
und immer mehr seiner Klassenkameraden<br />
in der Hitlerjugenduniform zur Schule kamen.<br />
Nun durfte Ernst auch nicht mehr am<br />
Religionsunterricht teilnehmen. Er wurde<br />
gezwungen, vor dem Klassenzimmer zu<br />
warten, während die anderen Schüler ihren<br />
Unterricht erhielten. Als Ernst am 29. März<br />
1933 durch die Innenstadt ging, sah er etwas,<br />
das ihn für den Rest seines Lebens begleiten<br />
sollte.<br />
„Sie zogen mit ihnen durch die ganze Stadt. Ein<br />
großer Zug von Menschen: rechts und links SA<br />
und in der Mitte immer ein Jude. Ich glaube,<br />
die Görlitzer Bürger hatten zuerst ein bisschen<br />
Angst. Aber die SA sorgte für das richtige Klima,<br />
und bald beschimpften unsere nichtjüdischen<br />
Nachbarn die Juden von allen Seiten.“<br />
Ernst Reich<br />
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34<br />
Geschichte
von Lauren Leiderman<br />
29. März 1933<br />
Kindheitsfoto von Ernst Reich (Junge in der Mitte)<br />
Der Historiker Roland Otto sagte, dass man<br />
den SA-Mob in einem einstudierten Chor<br />
schreien hören konnte: „Der Jude wars, der<br />
böse Geist; Habgierig, schmierig, frech und<br />
dreist. Die Schlange, die wir groß gezogen<br />
und die uns dauernd hat betrogen.“<br />
Die Familie Reich konnte nicht glauben, was<br />
in ihrer Stadt geschah. Aber die zunehmende<br />
Ausbreitung des Hasses gegenüber jüdi-<br />
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Geschichte<br />
35
Nationalsozialismus: Die Machtergreifung in Görlitz<br />
29. März 1933<br />
Paul Mühsam am 80. Geburtstag in Jerusalem,<br />
Foto: <strong>StadtBILD</strong>-Archiv<br />
schen Bürger:innen Deutschlands war nicht<br />
nur in Görlitz zu beobachten. Am 9. März<br />
1933 wurden in Chemnitz, am 11. März 1933<br />
in Breslau, am 18. März 1933 in Oels, am 24.<br />
März 1933 in Gleiwitz, am 28. März in Frankfurt/<strong>Mai</strong>n,<br />
Duisburg, Dortmund und Hagen<br />
und am 29. März 1933 in Görlitz und Münster<br />
Gerichtsgebäude besetzt und jüdische Richter<br />
und Anwälte verhaftet.<br />
Was mich jedoch an den Ereignissen in Görlitz<br />
am 29. März 1933 verblüfft hat, war die<br />
internationale Medienaufmerksamkeit, die<br />
sie erfuhren. In Zeitungsarchiven konnte<br />
ich in amerikanischen, britischen und australischen<br />
Zeitungen der damaligen Zeit<br />
Erwähnungen der Ereignisse in Görlitz finden,<br />
und das für die Geschehnisse in einer<br />
relativ kleinen deutschen Stadt. Görlitz war<br />
nicht der erste Ort, an dem so etwas passiert<br />
ist, aber was hier geschah, war offenkundig<br />
schrecklich genug, um in den internationalen<br />
Nachrichten erwähnt zu werden. Die Ereignisse<br />
vom 29. März 1933 sollten sich als<br />
persönlicher Wendepunkt im Leben vieler<br />
jüdischer Bürger:innen von Görlitz erweisen.<br />
Der Oberbürgermeister von Görlitz, Wilhelm<br />
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36 Geschichte
von Lauren Leiderman<br />
29. März 1933<br />
Rechtsanwalt Dr. Walter Schade<br />
Duhmer, der seit dem 9. Oktober 1931 im<br />
Amt war, war kein Freund der NSDAP. Als<br />
er am Abend des 30. März 1929 von einer<br />
Geschäftsreise zurückkehrte, entdeckte er<br />
die vielen jüdischen Bürger von Görlitz, die<br />
im Keller des Rathauses eingesperrt waren.<br />
Durch Telefonate mit der Landesregierung<br />
in Liegnitz (heute Legnica) und auch „auf eigene<br />
Faust“ gelang es ihm, die meisten der<br />
Verhafteten wieder freizubekommen.<br />
Der Historiker Roland Otto sagte: „Man kann<br />
sich vorstellen, wie sehr die Nazis OB Duhmer<br />
dafür tadelten, dass er mutig zugunsten<br />
der disziplinierten jüdischen Bürgerinnen<br />
und Bürger intervenierte. Schließlich wurde<br />
er im Frühjahr 1934 beurlaubt und mit Wirkung<br />
vom 1. Juni 1934 zwangsweise in den<br />
Vorruhestand versetzt.“ Ein weiterer Görlitzer<br />
Bürger, der den jüdischen Anwälten und<br />
Bürgern von Görlitz in dieser Zeit half, war<br />
der Rechtsanwalt Dr. Walter Schade. Schade,<br />
selbst nicht jüdischer Herkunft, setzte sich<br />
für die Freilassung seiner verfolgten jüdischen<br />
Kollegen am 29. März 1933 ein. Auch<br />
während der weiteren Zeit des Nationalsozialismus<br />
setzte er sich als Rechtsanwalt für<br />
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Geschichte<br />
37
Nationalsozialismus: Die Machtergreifung in Görlitz<br />
29. März 1933<br />
die jüdischen Bürger von Görlitz ein, obwohl<br />
dies eigentlich illegal war.<br />
Als sein jüdischer Kollege Heinrich Getzel und<br />
Heinrichs nicht-jüdische Frau Anna-Liesbeth<br />
1944 aus ihrer Wohnung geworfen wurden,<br />
nahm er sie bei sich auf. Wir haben auch einen<br />
Brief von Dr. Benno Arnade, der die Hilfe<br />
und Unterstützung bezeugt, die Dr. Schade<br />
ihm und anderen zuteil werden ließ. Es ist<br />
das erste Mal, dass ich bei meinen Nachforschungen<br />
über die jüdische Geschichte von<br />
Görlitz auf Dr. Walter Schade stoße, und ich<br />
bin sehr daran interessiert, mehr über diesen<br />
Mann zu erfahren, der die jüdischen Bürger<br />
von Görlitz in einer Zeit unterstützte, in der<br />
es sowohl gefährlich als auch unpopulär für<br />
ihn war, dies zu tun.<br />
Woche nach Hans' Freilassung aus Görlitz<br />
in das britische Mandatsgebiet Palästina<br />
flohen. Paul Mühsam, Andreas Meyer und<br />
Dr. Fritz Warschawski flohen ebenfalls aus<br />
Görlitz ins britische Mandatsgebiet Palästina,<br />
bevor das Jahr 1933 zu Ende ging. Die<br />
Familie Cronheim verließ Görlitz, um sich in<br />
der Großstadt Berlin in Sicherheit zu bringen.<br />
Franz Schalscha floh aus Görlitz nach Italien.<br />
Dr. Heinrich Getzel entging der Deportation,<br />
weil er eine nicht-jüdische Frau geheiratet<br />
hatte und somit in einer sogenannten „privilegierten<br />
Schutzehe“ lebte. Er starb 1944 in<br />
der Nähe von Görlitz. Auch Dr. Benno Arnade,<br />
der zwar jüdischer Herkunft, aber zum<br />
Christentum konvertiert war, überlebte den<br />
Holocaust und ist heute auf dem städtischen<br />
Friedhof begraben.<br />
Viele jüdische Bürger von Görlitz flohen<br />
nach den schrecklichen Ereignissen vom<br />
29. März 1933 aus Görlitz. Laut Shoshana<br />
Karger ging ihre Mutter Liese schnell zu einem<br />
Richter, der mit der Familie befreundet<br />
war, und flehte ihn an, sich für Hans Kargers<br />
Freilassung aus dem Gefängnis einzusetzen.<br />
Shoshana sagte, dass sie und ihre Eltern eine<br />
Obwohl sich dieses Ereignis heute vor 90 Jahren<br />
ereignete, spüren die jüdischen Familien<br />
auf der ganzen Welt, die davon betroffen waren,<br />
immer noch die Nachwirkungen. Dieser<br />
Tag hat mich als Einzelperson daran erinnert,<br />
wie zerbrechlich unsere Gesellschaften und<br />
Institutionen sind, die eigentlich die Sicherheit<br />
und die Rechte aller Menschen schützen<br />
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38 Geschichte
von Lauren Leiderman<br />
29. März 1933<br />
Shoshana Karger und Ralph Pietrkowski, 1933<br />
sollen. Der 29. März 1933 zeigt, wie sich diese<br />
Institutionen gegen einen Teil der Gesellschaft<br />
wenden können, und unterstreicht<br />
die Notwendigkeit für alle, humanistische<br />
Werte zu stärken, die freie und gerechte Gesellschaft<br />
zu schützen und zu erhalten. Ich<br />
denke vor allem an den jungen Ernst Reich:<br />
wie er die Menge der Görlitzer beschreibt<br />
und wie ihre Reaktion von Entsetzen zu aktiver<br />
und eifriger Teilnahme wechselt. Wie<br />
sich die Erinnerungen an diesen Tag in sein<br />
Gedächtnis eingebrannt haben, sodass er<br />
sie selbst als 80-jähriger Mann noch klar vor<br />
Augen hat. Ich hoffe, dass wir alle in der Lage<br />
sind, so mutig zu sein wie das Beispiel von<br />
Dr. Walter Schade, wenn wir auf die Probe<br />
gestellt werden. Hoffst du das nicht auch?<br />
Veranstaltungen für die Jüdische Gedenkwoche:<br />
Montag, 19. Juni, 15.00 - 16.30 Uhr | Begrüßungszeremonie | Kulturforum Görlitzer Synagoge<br />
Dienstag, 20. Juni, 19.00 - 21.00 Uhr | Diaspora: Was geschah nach Görlitz | Kulturforum Görlitzer Synagoge<br />
Mittwoch, 21. Juni, 19.00 - 21.00 Uhr | „Sojourners“ Filmvorführung & Diskussion: | Literaturhaus Alte Görlitzer Synagoge<br />
Donnerstag, 22. Juni, 9.00 - 13.00 Uhr | Stolperstein-Verlegung mit Günther Demnig | Görlitz<br />
Donnerstag, 22. Juni, 19.00 - 21.00 Uhr | Harmonya 1928: Konzertwiedergabe & Diskussion über die Jüdischen<br />
Musiker von Görlitz | Europejskie Centrum Pamięć Edukacja, Kultura Stallag VIII-A Zgorzelec<br />
Samstag, 24. Juni, 15.30 - 17.00 Uhr | Präsentation des Landkreis Görlitz/Zgorzelec Butterfly Projekt | Kulturforum<br />
Görlitzer Synagoge<br />
Samstag, 24. Juni, 19.00 - 21.00 Uhr | Ihre Stimmen werden bleiben: Die Musik von Leon Gurvitch | Kulturforum<br />
Görlitzer Synagoge<br />
Sonntag, 25. Juni, 14.00 - 18.00 Uhr | Synagogenfest | Kulturforum Görlitzer Synagoge<br />
Geschichte<br />
39
Die Geschichte des Görlitzer Stadtteils Biesnitz<br />
Biesnitz<br />
Die Landeskrone von Biesnitz aus gesehen, Foto: Robert Scholz<br />
Unglaublich und doch wahr – eine Ewigkeit<br />
schon für uns Nachkommen leben<br />
deutsche Einwohner in dem über 1000<br />
Jahre alten Biesnitz, einem Villenort am<br />
Fuße der 420 m hohen Landeskrone – und<br />
mindestens 730 Jahre in dem reizenden<br />
schlesischen Ort Schlauroth, einem liebenswürdigen<br />
Bauerndörfchen am Westrand<br />
der großen Stadt Görlitz.<br />
Biesnitz, eine Vorstadtsiedlung der 1071<br />
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40 Geschichte
und das am Westrand von Görlitz liegende Ort Schlauroth<br />
Schlauroth<br />
Das Kinderheim als Armen- und Waisenhaus an der Schlaurother Straße wurde 1884 gegründet. Anstaltsarzt<br />
war lange Zeit Dr. Walter Freise. Er wurde bekannt durch seine Wasserheil- und Badeanstalt „Freisebad“. Der<br />
Heimbetrieb endete 1994 infolge eines Großbrandes, Foto: Robert Scholz<br />
erstmals erwähnten Stadt Görlitz/Lausitzer<br />
Neisse, wird durch die städtische Straßenbahn<br />
an die alte Stadt angebunden. Im<br />
Jahre 1015 steht in der Chronik des Thietmar<br />
von Merseburg im Zusammenhang<br />
mit einem Heereszug, den König Heinrich<br />
II. gegen Boleslaw I. Chrobry unternahm,<br />
dass eine „urbs Businc“ durch böhmische<br />
Truppen erobert worden sei. Möglicherweise<br />
leitet sich der Urname von dem zu-<br />
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Geschichte<br />
41
Die Geschichte des Görlitzer Stadtteils Biesnitz<br />
Biesnitz<br />
vor hier ansässigen westlawischen Stamme<br />
Besunzane ab und veränderte sich bis<br />
vor 2 Jahrhunderten in „Biesnitz“. Es war<br />
ein bäuerliches Dorf, in dessen alten Gehöften,<br />
zum Teil auch Landhäusern und<br />
Villen, noch vor der Eingemeindung im<br />
Jahre 1952 Persönlichkeiten von Rang und<br />
Namen lebten. Die Seifenfabrikanten Lindemann,<br />
der Postplatz-Kaufmann Eduard<br />
Schultze, der Stadtgut-Inhaber Herrmann<br />
Löns, viele Ärzte, ja auch die Görlitzer<br />
evang. Kirchenleitung, ein Diakonissenhaus<br />
und ein modernes kirchliches Mutterhaus<br />
mit Kindergarten hatten hier u. a. ihr<br />
Domizil. Die sanft ansteigende Flur ermöglichte<br />
schöne Fernblicke auf die Stadt und<br />
auf den längst erloschenen Vulkan Landeskrone.<br />
Entlang der zum Bergfuß aufsteigenden<br />
Promenadenstraße von ca. 3,5 km<br />
Länge mit der Linie 2 lagen zahlreiche Ausflugslokale,<br />
die mit ihren gepflegten Biergärten<br />
„die Städter“ anlockten. Für das kulturelle<br />
Leben der Görlitzer und Biesnitzer<br />
gab es u. a. den „Viktoriagarten“, benannt<br />
nach Viktoria von Großbritannien, und andere<br />
Garten-Tanzlokale, wie die „Hohenzollernburg“,<br />
den „Burghof“, den „Kulmbacher<br />
Postillion“, eine Wasser-Kur-Anstalt und die<br />
Burggaststätte auf der Landeskrone. Auch<br />
ein Zeitungsdruckhaus und eine Ziegelei<br />
und Gärtnerei lagen im Gebiet. Daneben<br />
gab es dort eine endlose Zahl Schrebergärten<br />
und auch große öffentliche Sportplätze,<br />
beginnend mit der „Eiswiese“ als Fussballstadion.<br />
Am Anfang dieser Idylle lag an<br />
der Haltestelle Büchtemannstraße der sehr<br />
gepflegte Jüdische Friedhof, der zahlreiche<br />
Namen Görlitzer Kaufleute aufwies. Doch<br />
ereignete sich in dieser schönen Umwelt<br />
auch Grauenhaftes während der Hitlerdiktatur:<br />
Auf dem Gelände der Waggon- und<br />
Maschinenbau AG (WUMAG) des Unternehmers<br />
Christoph Lüders wurde 1939 ein<br />
Barackenlager für hauptsächlich französische<br />
Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter<br />
errichtet. Im April 1943 erfolgte die Umwandlung<br />
in ein Zentrales Arbeitslager, wo<br />
etwa 300 jüdische „Häftlinge“ aus Schlesien<br />
Zwangsarbeit leisten mussten. Im August<br />
1944 wurde im Biesnitz-Grund eine<br />
Außenstelle des KZ's Groß-Rosen errichtet.<br />
In einem Männer- und Frauen-Außenlager<br />
waren Gefangene aus Oberschlesien, Ungarn<br />
und Polen eingesperrt. Das Vorrücken<br />
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42 Geschichte
und das am Westrand von Görlitz liegende Ort Schlauroth<br />
Schlauroth<br />
Der „Viktoriagarten“ ist eine traditionsreiche Gaststätte in Biesnitz. Das Gebäude wurde 1858 errichtet und<br />
nach der Tochter der englischen Königin benannt. 1950 zog der Konsum in das Gebäude ein, bis 1995 wurde<br />
es als Verkaufsstelle genutzt, Foto: Robert Scholz<br />
der Roten Armee 1945 führte zur Schließung,<br />
die Gefangenen wurden in ein provisorisches<br />
Lager in Rennersdorf verbracht.<br />
Zahlreiche dieser Zwangsarbeiter fanden<br />
in Biesnitz-Grund einen schlimmen Tod; sie<br />
wurden hinter dem Jüdischen Friedhof bestattet.<br />
Ein Mahnmal erinnert an ihr qualvolles<br />
Schicksal. Das dortige „Fröbeldenkmal“<br />
wurde zu Ehren der „Häftlinge“ und<br />
ihrer Angehörigen errichtet.<br />
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Geschichte<br />
43
Die Geschichte des Görlitzer Stadtteils Biesnitz<br />
Biesnitz<br />
Die Gaststätte „Touristenheim“ um 1935 an der Promenadenstraße 120.<br />
Heute ist der Ort wieder ein gesuchter<br />
Wohnbereich. In den Jahren 1967 bis 1989<br />
entstand dort ein Observatorium mit Planetarium,<br />
das zuvor auf dem Turm des<br />
Gymnasiums am Klosterplatz lag. Es ist<br />
das einzige Niederschlesiens und zählt zu<br />
den größten Sachsens, zu dem die Region<br />
Görlitz im Jahre 1952 ohne Volksbefragung<br />
diktatorisch zugeschlagen wurde.<br />
Wolfgang Liebehenschel, Berlin<br />
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44<br />
Geschichte
DZA Görlitz 2. Teil<br />
Görlitz 2. Teil<br />
Voraussichtliche Außenraumperspektive des Campus, Foto: © DESY<br />
In unserer Ausgabe 232 des <strong>StadtBILD</strong>-Magazins<br />
berichteten wir über den Zuschlag<br />
an das deutsche Zentrum für Astrophysik<br />
für das jahrzehntelang brach gelegene<br />
Kahlbaum Areal mitten in Görlitz. Die<br />
Gründung des deutschen Zentrums für Astrophysik<br />
(in Folge als DZA bezeichnet) war<br />
und ist ein Meilenstein in der deutschen<br />
Forschungslandschaft. Noch nie zuvor<br />
wurden für ein neu zu errichtendes Forschungsinstitut<br />
soviel Fördermittel bereit<br />
gestellt, wie beim DZA. Mittlerweile belaufen<br />
sich die zugesagten finanziellen Mittel<br />
auf die gewaltige Summe von ca. 1,4 Milliarden<br />
Euro, von denen ein Großteil in Görlitz<br />
und ein weiterer Teil in der Gemeinde<br />
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Ausblick<br />
45
DZA Görlitz 2. Teil<br />
Görlitz 2. Teil<br />
Ralbitz-Rosenthal im Kreis Bautzen investiert<br />
werden sollen. In Görlitz, Bautzen und<br />
Hoyerswerda fanden mehrere Informationsveranstaltungen<br />
des DZA zu diesem<br />
Thema statt, welche von vielen Bürgern<br />
mit großem Interesse besucht wurden.<br />
Im Bautzener Schloßtheater stellte am 13.<br />
März <strong>2023</strong> Prof. Dr. Christian Stegmann<br />
zusammen mit dem Ministerpräsidenten<br />
des Freistaates, Michael Kretschmer, den<br />
bisherigen Verlauf sowie die Grundlagen<br />
und Ziele des DZA vor. Das DZA entstand<br />
aus einer gemeinsamen Initiative<br />
der Astronomie und Astroteilchenphysik<br />
in Deutschland. Astrophysik war und ist<br />
eine Hightech-Wissenschaft mit großer<br />
Innovationskraft. In Görlitz soll es die gigantischen<br />
Datenströme der größten astronomischen<br />
Observatorien rund um den<br />
Globus zusammenführen. Dabei sollen in<br />
frühzeitiger, enger Kooperation mit der<br />
Industrie, Universitäten und außeruniversitären<br />
Technologiezentren neue Technologien<br />
für die Forschung und die Industrie<br />
entwickelt werden. In Ralbitz-Rosenthal ist<br />
ein Untergrundforschungslabor im Granitmassiv<br />
der Lausitz vorgesehen, da hier ein<br />
Prof. Dr. Christian Stegmann (Astroteilchenphysiker)<br />
und MP Michael Kretschmer, Foto: Bertram Oertel<br />
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46 Ausblick
Auf dem Weg zu den Sternen<br />
DZA Görlitz 2. Teil<br />
Prof. Günther Hasinger (Astrophysiker)<br />
Foto: © DESY Paul Glaser<br />
Ort größter seismologischer Ruhe vorhanden<br />
ist. Das Projektbüro des DZA war bei<br />
DES, dem Deutschen Elektronen Synchron,<br />
angesiedelt und Prof. Dr. Christian Stegmann,<br />
Direktor für Astroteilchenphysik bei<br />
DESY und Leiter des Standorts in Zeuthen,<br />
ist einer der geistigen Väter zur Gründung<br />
dieses weltweit einzigartigen Großforschungslabors.<br />
Mit ihm führte ich ein<br />
spannendes Interview, in dem er den bisherigen<br />
Stand der Vorbereitung erläuterte.<br />
„DESY wird weiterhin den Aufbau des DZA<br />
unterstützen. Für die Astroteilchenphysik<br />
als wachsendes Forschungsthema in<br />
Deutschland und darüber hinaus wird das<br />
DZA ein international sichtbarer Leuchtturm<br />
werden, fest verwurzelt in der Lausitz“,<br />
sagt Prof.Stegmann. Federführend für<br />
die Initiative und designierter Gründungsdirektor<br />
des DZA ist der wissenschaftliche<br />
Direktor der Europäischen Weltraumorganisation<br />
ESA, Prof. Günther Hasinger. „Dieser<br />
Wettbewerb eröffnete neue Perspektiven,<br />
für die Regionen in Sachsen und für<br />
unsere Gesellschaft - ein wichtiges Zeichen<br />
für die Zukunft in einer schwierigen Zeit.“<br />
Durch internationale Sichtbarkeit und Ver-<br />
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Ausblick<br />
47
DZA Görlitz 2. Teil<br />
Görlitz 2. Teil<br />
DZA Projektskizze des DZA Campus, Foto: © DESY/Staab Architekt Berlin GmbH<br />
netzung will das DZA Fachkräfte aus der<br />
ganzen Welt anziehen und Perspektiven<br />
für junge Menschen in der Region schaffen.<br />
Die Förderung sieht eine dreijährige<br />
Aufbauphase vor, bevor das Zentrum formal<br />
gegründet werden kann. Professor<br />
Günther Hasinger als bisheriger Direktor<br />
of Science der ESA (Europäisches Zentrum<br />
für Raumfahrt) beendete seine Tätigkeit in<br />
Madrid und zog Anfang April <strong>2023</strong> direkt<br />
nach Görlitz, um hier die Aufbauarbeit vor<br />
Ort zu leiten. Die Universität Dresden wird<br />
die Projektträgerschaft für die dreijährige<br />
Aufbauphase übernehmen. Nach der Aufbauphase<br />
ist in der Endausbaustufe eine<br />
jährliche Förderung von rund 170 Millionen<br />
Euro vorgesehen. im Forschungszentrum<br />
selbst sollen einmal bis zu 3.000 Mitarbeitende<br />
direkt oder indirekt beschäftigt<br />
sein. Dadurch entwickeln sich für Görlitz<br />
völlig neue Perspektiven. Denn Görlitz war<br />
im 19. und 20. Jahrhundert ein bekannter<br />
Standort für Bahnmaschinenbau, Gerätebau,<br />
Optik, der Elektrotechnik und der<br />
Leichtindustrie. Nach der politischen Wende<br />
1989 erfolgte auch ein wirtschaftlicher<br />
Wandel, in dessen Folge viele sichere Industriearbeitsplätze<br />
wegfielen. Nun steht<br />
der Lausitz schon wieder ein gewaltiger<br />
Strukturwandel bevor, nämlich durch den<br />
Wegfall der Energiegewinnung aus fossilen<br />
Stoffen. Deshalb beschloss der Bundestag<br />
für die betroffenen Regionen ein<br />
spezielles Förderprogramm, die sogenannten<br />
Kohlemilliarden. Görlitz als Hochschulstandort<br />
zog gleich mehrere namhafte<br />
Forschungseinrichtungen an. So siedelten<br />
und siedeln sich in Görlitz der Siemens<br />
Campus, das CASUS, die Construction Future<br />
Lab gGmbH, das Fraunhofer Institut,<br />
das Senckenberg Institut mit seinem Großbau<br />
gegenüber dem Bahnhof Görlitz und<br />
auch das Deutsche Zentrum für Astrophysik<br />
an, wobei das DZA das bisher größte in<br />
48<br />
Ausblick
Auf dem Weg zu den Sternen<br />
DZA Görlitz 2. Teil<br />
Deutschland vergebene Forschungsprojekt<br />
ist. Diese verschiedenen Forschungsinstitute<br />
werden sich in Görlitz teilweise<br />
gegenseitig ergänzen und eng zusammen<br />
arbeiten. Durch den Zuzug wird sich die<br />
Bevölkerungsstruktur der Stadt signifikant<br />
verändern. Statt den bis dato führenden<br />
Industriearbeitern werden künftig Wissenschaftler,<br />
Forscher und in deren Auftrag<br />
tätige Unternehmen das Gesicht der Stadt<br />
bestimmen. Derartige Forschungsinstitute<br />
werden auch weiterhin im digitalen Zeitalter<br />
einen großen Bedarf an Konferenzen<br />
und Tagungen haben. Deshalb bedarf es<br />
größter Anstrengungen, rechtzeitig die<br />
Stadthalle zu einem modernen Konferenzund<br />
Tagungszentrum zu gestalten. Auch<br />
das Hotellerie- und Gaststättenwesen wird<br />
von den vielen Neuankömmlingen und Tagungsreisenden<br />
künftig stark profitieren.<br />
Die Neuankömmlinge werden größtenteils<br />
jüngere Menschen sein, die hier wohnen,<br />
Familien gründen und Kinder bekommen<br />
werden. Deshalb wird es erforderlich, das<br />
baldigst eine neue Oberschule sowie eine<br />
internationale Schule in Görlitz entstehen.<br />
Diese vielfältigen großen Aufgaben sind<br />
bisher noch nicht so recht ins Blickfeld aller<br />
Verantwortlichen in der Stadt und im<br />
Landkreis gerückt. So bringen diese neuen<br />
Institute nicht nur neue Menschen und<br />
mehr Geld in die Stadt, sondern auch viele<br />
neue Anforderungen an die Verwaltungen,<br />
die medizinische Versorgung, das Schulwesen<br />
und natürlich auch an die derzeit etwas<br />
notleidende hiesige Kulturlandschaft.<br />
Dies sollten die Verantwortlichen baldigst<br />
erkennen, um den künftigen großen Anforderungen<br />
und Chancen für die Stadt<br />
und den Landkreis gerecht zu werden.<br />
Bertram Oertel<br />
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Lektorat:<br />
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Redaktionsschluss:<br />
Für die nächste Ausgabe (Juni)<br />
ist am 15.05.<strong>2023</strong><br />
Ausblick 49
Mehr Rente für alle<br />
ETL-Steuerberatung<br />
BMF veröffentlicht neue Bescheinigungsmuster<br />
Rentenangleichung in Ost und West abgeschlossen<br />
Gleich zwei gute Nachrichten gab es kürzlich aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Zum einen<br />
steigen die Renten zum 1. Juli <strong>2023</strong> erneut deutlich an. Während sich Rentner in den alten Bundesländern auf<br />
4,39 Prozent mehr Rente freuen können, sind es in den neuen Bundesländern 5,86 Prozent. Bei einer Monatsrente<br />
von 800 Euro bedeutet das immerhin ein Plus von 46,88 Euro (Ost) bzw. 35,12 Euro (West).<br />
Mit dieser Erhöhung wurde aber vorzeitig noch ein anderes Ziel erreicht – die Angleichung der Rentenwerte<br />
in Ost und West.<br />
Zum 1. Juli <strong>2023</strong> beträgt der neue Rentenwert, der sich in Euro pro Entgeltpunkt bemisst, einheitlich 37,60<br />
Euro. Der Rentenwert entspricht einer monatlichen Rente, wenn für ein Kalenderjahr Beiträge aufgrund des<br />
Durchschnittsentgelts gezahlt worden sind. Dieser Wert wird regelmäßig zum 1.7. eines Jahres über die Rentenanpassungsformel<br />
angepasst.<br />
Rentenniveau und Beitragssätze bis 2025 stabil<br />
Doch damit nicht genug der guten Nachrichten. Auch für <strong>2023</strong> bleibt das Rentenniveau über dem Mindestwert<br />
von 48 Prozent. Und dies ganz ohne Beitragserhöhungen. Gesetzlich darf der Beitragssatz bis 2025 den<br />
Wert von 20 Prozent nicht überschreiten. Und die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sollen nach<br />
Aussage des Ministeriums erst 2027 auf 19,3 Prozent ansteigen.<br />
Ein Mehr an Einnahmen muss grundsätzlich auch versteuert werden<br />
Das Bundesministerium stellt aufgrund der aktuellen Lohnentwicklung und der Lohnerhöhungen durch aktuell<br />
abgeschlossene Tarifverträge auch für das Jahr 2024 beachtliche Rentenerhöhungen in Aussicht. Doch<br />
diese Rentenerhöhungen können steuerpflichtig sein.<br />
Ausschlaggebend für die Höhe des steuerpflichtigen Rentenanteils ist der Beginn der Rente. Dieser beträgt<br />
50 % bei Rentenbeginn im Jahr 2005 und früher und bereits 83 % bei Rentenbeginn im Jahr <strong>2023</strong>. Jede Rentenerhöhung<br />
schlägt bei der Steuerpflicht jedoch zu 100 Prozent zu Buche. Dadurch kann es passieren, dass<br />
auch Senioren, die schon seit vielen Jahren eine Rente beziehen und bisher keine Steuern zahlen mussten,<br />
inzwischen verpflichtet sind, eine Steuererklärung abzugeben und Einkommensteuer zu zahlen.<br />
Alle Einkünfte, die in der Summe über dem Grundfreibetrag (derzeit 10.908 Euro/Jahr für Alleinstehende bzw.<br />
21.816 Euro/Jahr für Verheiratete) liegen, müssen in einer Steuererklärung angegeben werden.<br />
Obwohl Rentenerhöhungen in vollem Umfang steuerpflichtig sind, müssen dennoch nicht unbedingt Steuern<br />
gezahlt werden. Nur wenn das zu versteuernde Einkommen über dem Grundfreibetrag liegt, fällt tatsächlich<br />
Steuer an. Denn in der Steuererklärung sind auch Ausgaben anzugeben, die das Einkommen oder die anfallende<br />
Steuer mindern, wie z.B. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Aufwendungen für haushaltnahe<br />
Dienstleistungen und Krankheitskosten.<br />
Zu den Einkünften zählen dabei insbesondere die Regelaltersrente ebenso wie die Witwen-/Witwerrente und<br />
die Frührente (nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrags in Höhe von 102 Euro) sowie Nebenverdienste<br />
oder auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.<br />
Tipp: Rentner, die noch nie eine Steuererklärung abgegeben haben, sollten angesichts der Rentenerhöhung<br />
auf jeden Fall prüfen lassen, ob sie verpflichtet sind, eine Einkommensteuererklärung abzugeben und ob Steuern<br />
zu zahlen sind.<br />
Die Berater der ETL SFS, die sich auf die Beratung von Senioren spezialisiert haben, helfen Ihnen hier gern weiter.<br />
Mit einem persönlichen Steuercheck wird sofort geprüft, ob Steuerpflicht besteht und Steuererklärungen<br />
abzugeben sind – auch für die zurückliegenden Jahre.<br />
Autor: Ulf Hannemann, Freund & Partner GmbH (Stand: 31.03.<strong>2023</strong>)<br />
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