VDP-BV Leseproben

Aufrufe
vor 3 Jahren

Strafrecht für Polizeibeamte Band 1 - Leseprobe

  • Text
  • Polizeibeamte
  • Strafrecht
  • Strafbar
  • Vorsatz
  • Versuch
  • Handlung
  • Straftat
  • Nstz
  • Bghst
  • Tatbestand
  • Jura
  • Stgb
Der vorliegende Band erfüllt alle Anforderungen an ein Lehrbuch für die polizeiliche Ausbildung und das polizeiwissenschaftliche Studium in Diplom- und Bacherlorstudiengängen: - Prüfungsschemata und Erläuterungen - Definitionen - Beispielfälle - Vertiefungshinweise für Selbststudium, Bachelor- und Thesisarbeiten - Leitentscheidungen der Gerichte - Hinweise zu Übungsfällen - Lernhilfen Die komplexe Rechtsmaterie ist nach polizeilichen Bedürfnissen aufbereitet, ohne prüfungs- und praxisrelevante Bereiche auszuklammern. Neben einer Themeneinführung beinhaltet der vorliegende Band 1 Grundsätzliches zur Straftat und Delikte gegen Personen. Der Band 2 behandelt Delikte gegen das Vermögen sowie Delikte gegen Gemeinschaftswerte. Die übersichtliche, gut lesbare Darstellung ermöglicht eine schnelle Einarbeitung in den Lehrstoff und eine effektive Prüfungsvorbereitung. Somit ist das Buch idealer Begleiter für Ausbildung, Studium und Praxis.

Das

Das Gesetzlichkeitsprinzip Bestimmtheitsgrundsatz Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz müssen Strafrechtsnormen klar inhaltlich konkretisiert sein. Für den Normadressaten muss klar sein, welche Verhaltensweise unter Strafe gestellt ist. Jeder soll vorhersehen können, welches Verhalten mit welcher Strafe bedroht ist, um sein Verhalten entsprechend einrichten zu können. 14 Die Auslegung von Strafrechtsnormen hat die Grenze im hinreichend bestimmten Wortsinn. Beispiel Die Verurteilung wegen bloßer Sitzblockaden mit der Begründung, dies stelle Gewalt im Sinne von § 240 StGB (Nötigung) dar, ist wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig. 15 Rückwirkungsverbot Strafrechtsnormen gelten ab dem Zeitpunkt der Verkündung im Bundesgesetzblatt. Handlungen, die vor dieser Verkündung erfolgten, dürfen nicht zur Bestrafung führen. Beispiel Am 31.3.2007 wurde § 238 StGB zur Bekämpfung des Stalking im Bundesgesetzblatt verkündet. Nachstellungshandlungen eines Stalkers, die vor dem 31.3.2007 erfolgten, dürfen nicht nach § 238 StGB bestraft werden. Analogieverbot Analoge (= entsprechende) Anwendung von Normen ist insbesondere im Zivilrecht eine übliche juristische Methode. Darunter versteht man die Anwendung einer Rechtnorm auf einen damit nicht geregelten Fall. Voraussetzung dafür ist die Vergleichbarkeit der Interessenlage des nicht geregelten Falles mit derjenigen, die die Regelung schützen will. Strafrechtsnormen dürfen dagegen zu Lasten des Täters nicht entsprechend angewandt werden. Dies würde der Garantiefunktion des Strafrechts zuwiderlaufen. Die Auslegung des Tatbestandes ist nur soweit zulässig, bis die Wortlautgrenze noch nicht überschritten ist. Somit kommt der Auslegung von Straftatbeständen eine ganz besondere Bedeutung zu. Beispiel Gemäß § 248b StGB ist der unbefugte Gebrauch eines Fahrrads strafbar. Dies darf auf die unbefugte Ingebrauchnahme eines Kick-Boards nicht übertragen werden, auch wenn die Interessenlage – der Schutz vor unbefugter Gebrauchnahme eines Fortbewegungsmittels – gleich ist. Vom Wortsinn „Fahrrad“ ist „Kickboard“ nicht erfasst. Gewohnheitsrecht Unter Gewohnheitsrecht sind nicht kodifizierte Rechtsregeln zu verstehen. Sanktionen des Täters dürfen sich nicht auf gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsgrundsätze stützen. 16 Daher wurde die gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsfigur der actio libera in causa (Handlungen oder Unterlassungen, deren Ursache frei gesetzt wurde) zur Bestrafung alkoholisierter Täter durch den Bundesgerichtshof als verfassungswidrig eingestuft. 17 20 21 22 23 14 BGHSt 23, 171; BGHSt 37, 230. 15 BVerfGE 73, 257. 16 Vgl. BVerfG NJW 86, 1672. 17 BGHSt 41, 235; vgl. dazu im 2. Teil, 2.3 Schuld, Rn. 167 ff. 23

1. Teil • Einführung 2.2 Das Schuldprinzip Nulla poene sine culpa (keine Strafe ohne Schuld) 24 Überblick Das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG umfasst nicht nur die Rechtssicherheit, sondern auch die materielle Gerechtigkeit. Daraus folgt, dass ein strafrechtlicher Vorwurf immer persönliche Vorwerfbarkeit voraussetzt. Der Täter muss in der Lage gewesen sein, das Unrecht seines Verhaltens zu erkennen und demgemäß zu handeln. Strafrechtliche und strafrechtsähnliche Ahndung einer Tat ohne Schuld des Täters ist rechtsstaatswidrig. 18 Diesem Grundsatz kommt verfassungsrechtlicher Rang zu. Aus dem Schuldprinzip ergibt sich weiter, dass Tatbestand und Rechtsfolge in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Auch die Verhängung einer konkreten Strafe muss sich an der Schuld des Täters orientieren. 19 Daher bestimmt § 46 Abs. 1 StGB: Die Schuld ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Schuldprinzip Keine Strafe ohne Schuld Verhältnismäßigkeit von Tat und Strafe; § 46 StGB Verhältnismäßigkeit von Tatbestand und Rechtsfolge 25 Bemessung der Strafe Wenn sich aus dem Schuldprinzip ergibt, dass Tat und Strafe in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen, so ist unklar, wie die konkrete Strafe unter dieser Prämisse gefunden werden kann. Nach der herrschenden Spielraumtheorie existiert für die Strafzumessung ein gewisser Spielraum, in dessen Rahmen die Strafe noch schuldangemessen ist. Daraus folgt, dass die Strafe nicht mit dem Argument angegriffen werden kann, sie sei schuldunangemessen, soweit sie sich im Rahmen des Spielraumes befindet. Diesen zu bestimmen, stellt die eigentliche Schwierigkeit dar. 20 Maßgeblich für die Bestimmung der konkreten Strafe sind insbesondere • der Schuldvorwurf (was wird dem Täter konkret vorgeworfen?) • das Vorleben nebst wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen (welche Delikte hat der Täter bereits zuvor verwirklicht?) • Verhalten des Täters im Strafverfahren (hat der Täter Unrechtseinsicht, zeigt er Reue?) 18 BVerfGE 20, 323; 90, 145 (185 f.). 19 Vgl. dazu BVerfGE 105, 154. 20 Vgl. dazu BGHSt 29, 320. 24