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Beschaffung aktuell 01-02.2024

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» MAGAZIN Dr. Sebastian Kreft, Mitgründer von Metalshub „Nachfrage nach sauberem Schrott wird stark ansteigen“ Beim Kauf und Verkauf von Rohstoffen in 130 Ländern ist Softwarespezialist Metalshub aktiv. Der Fokus liegt auf der globalen Metall- und Bergbauindustrie. Dr. Sebastian Kreft ist einer der Gründer der Plattform, er berichtet von Marktauffälligkeiten , Trends und dem Faktor KI. »Unsere Technologie bietet die Möglichkeit, mehr Wissen zu erlangen . Wissen ist vor allem in Krisen ein großer Vorteil.« Beschaffung aktuell: Herr Kreft, welche Auffälligkeiten und Trends haben Sie in den vergangenen Monaten festgestellt? Dr. Sebastian Kreft: Ich beginne mal mit einem Rückgriff auf 2022: Das Jahr war geprägt von der Nickelkrise an der London Metal Exchange (LME), darüber wurde bereits viel berichtet. Auf unserem Metalshub Summit im September 2023 hat der CEO der LME, Matthew Chamberlain, über Maßnahmen gesprochen, die seitdem ergriffen wurden, etwa die Einführung eines Tageslimits, um wie viel der Preis an einem Tag maximal steigen oder fallen kann und die Pflicht, Positionen im Over-The-Counter-Markt täglich an die LME zu berichten. Im Jahr 2023 war der kometenhafte Anstieg und dann der Fall des Ferromolybdänpreises am spektakulärsten. Der Preis lag Anfang Dezember 2022 bei ca. 50 USD pro kg. Bis Februar 2023 stieg er auf 98 USD an, um im April wieder auf unter 50 USD zu fallen. Derzeit (November 2023; die Red.) bewegt sich der Preis zwischen 45 und 55 USD pro kg ohne zu große Ausschläge. Was Metalshub selbst betrifft: Trotz wirtschaftlichen Abschwungs konnten wir starke Wachstumsraten verzeichnen und als Technologieunternehmen auch gegen den negativen Trend der massenhaften Personalentlassungen in der Softwarebranche agieren. Wir haben neue Arbeitsplätze geschafft und wollen weiter aufstocken. Sind die wesentlichen Player als Verkäufer und Käufer dabei? Und wer ist das? Gestartet haben wir 2016 mit der Procurement Solution für rohstoffeinkaufende Unternehmen, vor allem Stahlwerke und Stahlgießereien. Kunden sind u. a. Outokumpu, Saarstahl, die Georgsmarienhütte Gruppe, Benteler, Schmidt + Clemens, Friedrich Lohmann, Metso, MAT Foundry Group, Natsteel in Singapur und andere. Die Unternehmen laden dann ihr jeweiliges Lieferantennetzwerk auf Metalshub ein. Weitere Nutzer sind führende Rohstoffproduzenten wie Vale, Elkem, Finnfjord, CBMM, Rio Tinto und Molymet. Und als Rohstoffhändler sind u. a. L&M, Trafigura und TSR aktiv. 2022 haben wir die Sales Solution entwickelt, die von führenden Bergbauunternehmen genutzt wird, zum Beispiel von Anglo American. Bisher haben rund 1600 Unternehmen weltweit über 7700 Transaktionen im Wert von über 2,9 Mrd. Euro über unsere Plattform getätigt. Welche Prozesse decken Sie ab? Auf der Procurement-Seite decken wir den Sourceto-Contract-Prozess und das Lieferantenmanagement ab. Mit der Sales Solution bieten wir eine Kombination aus CRM und CPQ. Bei CPQ – also Produktkonfiguration, Preiskalkulation, Angebotserstellung – geht es um das systematische Erfassen aller Anfragen und die Unterstützung bei Preiskalkulation und Angebotserstellung. Der Metalshub Intelligence Service – Metis – stellt Preis-Indizes und Marktinformationen bereit. Unsere Preisindizes beruhen auf realen Transaktionen und Geld-/Briefkursen, die über die digitale Plattform abgeschlossen werden. Zudem lassen sich Geschäfte von A bis Z abwickeln, einschließlich Versicherung, Transport, Finanzierung etc. Zusammengefasst ermöglichen wir Kunden auf der Einkaufsseite, noch bessere Entscheidungen auf Basis zentraler Daten und eines transparenten Prozesses zu treffen. Bei den Kunden steigt die Wahrscheinlichkeit, trotz volatiler Marktpreise signifikante Einsparungen zu erzielen. Was wird KI in Zukunft können – und woran arbeiten Sie derzeit als Dienstleister? 12 Beschaffung aktuell » 1-2 | 2024

Wir arbeiten derzeit an verschiedenen spannenden Use Cases für den Einsatz von KI. Ein Beispiel ist das automatische Strukturieren unstrukturierter Daten, wie sie oft in E-Mails vorkommen. Demnächst werden sich tausende E-Mails in Sekunden auswerten lassen. Einen sehr interessanten KI-Use-Case haben ArcelorMittal und unser Partnerunternehmen Foresight Data Machines auf unserem Metalshub Summit präsentiert. Dabei ging es um die Nutzung von KI in Sachen „Zutaten“, also darum, die Mischung verschiedener Schrottsorten für die Produktion einer bestimmten Stahlrezeptur zu optimieren. Kommen wir zum Risikomanagement: Welche Rolle spielt Metalshub dabei für die Marktteilnehmer? Plattformen können helfen, Risiken zu minimieren. Metalshub führt zum Beispiel kontinuierliche Knowyour-Counterparty-Checks durch. Dabei soll sichergestellt werden, dass sanktionierte oder insolvente Unternehmen nicht zum Handel zugelassen werden. In einem Fall konnten wir sogar einen Betrugsversuch aufdecken: Ein Unternehmen hat versucht, unter Angabe einer falschen Identität Metall zu ergaunern. Plattformen sollten zudem ermöglichen, dass der Prozess der Vertrauensbildung zwischen Käufern und Verkäufern beschleunigt wird. Für diesen Zweck haben wir ein transparentes Bewertungssystem, mit dem sich Käufer und Verkäufer nach einer abgewickelten Transaktion gegenseitig bewerten können. Kann man eine solche Plattform an Risk-Systeme in den Unternehmen anbinden? Welche Voraussetzung muss es an den Schnittstellen geben? Ja, das lässt sich anbinden. Die großen ERP-Anbieter möchten gerne immer alle Lösungen für alles verkaufen, das ist aber selten der beste Weg. IT-Experten wie Gartner sind sich heute einig, dass es ein führendes System geben muss. Daran werden dann via APIs Spezialsysteme für unterschiedliche Aufgaben und Prozesse angebunden. Gemeinsam mit unseren Kunden erarbeiten wir in einem vier- bis sechswöchigen Projekt eine API-Schnittstelle in das jeweils genutzte ERP-System. So wird sichergestellt, dass Daten nahtlos übergeben werden und keine lästige manuelle Datendoppeleingabe mehr erfolgen muss. Motto: „Clean data is the new gold“. Wie schnell machen sich Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Brände bemerkbar auf Plattformen wie Metalshub? Das kommt darauf an. Ereignisse, die signifikante Auswirkungen auf Supply beziehungsweise Demand haben, wirken sich schon innerhalb von Stunden auf die physischen Märkte aus. Ein Beispiel ist der Beginn Bild: Jan Ladwig des Ukraine-Kriegs, der ja auch Auslöser für die LME- Nickelkrise war. Bei anderen Ereignissen ist oft nicht sofort klar, wie stark die Auswirkungen sein werden und wie lange sie anhalten. Beispiel hierfür sind der Putsch im Niger im August in Bezug auf Manganexporte und das Erdbeben in der Türkei hinsichtlich Chromerz und Ferrochromexporte. Für Händler bieten solche Ereignisse oft große Chancen, hohe Gewinne einzufahren, vorausgesetzt, sie handeln rasch und positionieren sich richtig. Unsere Technologie bietet die Möglichkeit, mehr Wissen zu erlangen. Wissen ist vor allem in Krisenzeiten ein großer Vorteil. Welche Prognosen können Sie für die nahe Zukunft ableiten? Was fragen Kunden ab? Unsere Prognose: Die Nachfrage nach sauberem Schrott wird stark ansteigen. Hier besteht für viele Unternehmen, die auf ausreichend sauberen Schrott angewiesen sind, rascher Handlungsbedarf. Das Thema KI ist aktuell ein absolutes Hype-Thema, mit dem sich vieler unserer Kunden auseinandersetzen. Auch Sustainability ist ganz oben auf der Agenda. Etwa: Wie schafft man es, ein sauberes und vertrauenswürdiges CO 2 -Reporting aufzubauen? Über alles gesehen: „Digitale Transformation“ ist nach „Kosten senken“ an zweiter Stelle der Priorität auf der Agenda der Chief Procurement Officer. Für Beschaffung aktuell führte die Journalistin Sabine Ursel das Interview. Mitgründer von Metalshub , Dr. Sebastian Kreft Beschaffung aktuell » 1-2 | 2024 13

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