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Beschaffung aktuell 01-02.2024

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Ausgabe 1-2 | 2024<br />

www.beschaffung-<strong>aktuell</strong>.de<br />

Einkauf<br />

Materialwirtschaft<br />

Logistik<br />

Interview<br />

Einkaufspraxis<br />

Globale Lieferantensuche auf<br />

Knopfdruck<br />

» Seite 32<br />

Intelligenz<br />

Altana Empower vernetzt<br />

Einkaufswelten<br />

» Seite 14<br />

Kostenanalyse<br />

Die neue Ökonomie<br />

der <strong>Beschaffung</strong><br />

» Seite 21<br />

Jörg Hülsmann, CPO,<br />

Kaeser Kompressoren<br />

» Seite 24<br />

Erweitern der<br />

Fördertechnik<br />

in Spitzenzeiten<br />

» Seite 46<br />

Professionell. Innovativ. Einkauf.


Ausfallzeiten vermeiden!<br />

Mit Advanced Analytics identifizieren<br />

wir frühzeitig Schwachstellen in<br />

der Lieferkette und sorgen für eine<br />

stabile Versorgung mit C-Teilen -<br />

intelligent und dynamisch.<br />

LogiMAT<br />

Halle 5<br />

Stand B27<br />

19.– 21.3.2024<br />

Stuttgart<br />

2 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


» EDITORIAL<br />

Mit den Aufgaben wachsen<br />

Zunächst hoffe ich, dass Sie gut in das neue Jahr gestartet sind. Wir von <strong>Beschaffung</strong><br />

<strong>aktuell</strong> wünschen Ihnen vor allem Gesundheit und viel Erfolg für die kommenden Aufgaben<br />

und Herausforderungen im Einkauf.<br />

In dieser Ausgabe erwarten Sie wieder spannende Themen. So werden beispielsweise<br />

im Jahr 2024 die Gesetzgebungen zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten, zur Berichterstattung<br />

und Nachhaltigkeit weiter ausgebaut. Am 1. Januar 2024 ging das deutsche<br />

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in die zweite Runde der Umsetzung. Ab<br />

sofort sind nicht mehr nur Unternehmen ab 3000, sondern schon ab 1000 Mitarbeiten -<br />

den verpflichtet, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in ihrer<br />

Lieferkette zu beachten. Außerdem wirft die EU-Richtlinie Corporate Sustainability<br />

Reporting Directive (CSRD) ihre Schatten voraus. Mehr dazu und wie ESG-Risiken digital<br />

zu managen sind, lesen Sie in unserem Beitrag auf Seite 18.<br />

Wenn wir schon bei den Lieferketten sind: Mit Sigreen stellt Siemens ein Softwaretool<br />

bereit, mit dem CO 2 -Emissionswerte entlang der Lieferkette managebar werden. Als<br />

Erfinder von Sigreen erläutert Dr. Gunter Beitinger im Interview mit <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />

ab Seite 38, was das Softwaretool <strong>aktuell</strong> so „einzigartig“ macht und warum sich der<br />

Einsatz lohnt.<br />

Es vergeht kein Tag, an welchem einen das Thema Elektromobilität nicht begegnet. In<br />

unserem Beitrag ab Seite 42 beleuchten wir, wie es um die Versorgungssicherheit für<br />

Komponenten für die Elektromobilität bestellt ist und warum stabile Lieferketten eine<br />

wirkliche Herausforderung sind.<br />

Sie sehen, die Aufgaben und Herausforderungen im Einkauf werden nicht weniger<br />

beziehungsweise kleiner. Es braucht eine agile und vorausschauende Herangehensweise,<br />

um Risiken zu minimieren und gleichzeitig Chancen für Effizienzsteigerungen und langfristige<br />

Wettbewerbsfähigkeit zu nutzen. Ich wünsche Ihnen dabei für 2024 ein gutes<br />

Händchen und viel Erfolg. Wir werden Sie wie gewohnt mit den wichtigsten Informationen<br />

versorgen.<br />

Zu guter Letzt habe ich noch eine Ankündigung in eigener Sache: Im Laufe des<br />

Januars wird die erste Folge unseres Podcast „Einkaufssache“ an den Start gehen. Zu<br />

Beginn starten wir mit dem anspruchsvollen Thema<br />

Obsoleszenzmanagement im Einkauf. Sie finden<br />

„Einkaufssache “ auf allen gängigen Plattformen, wo es<br />

Podcasts gibt. Der Podcast soll künftig monatlich<br />

erscheinen . Hören Sie rein und geben mir gern Feedback<br />

per E-Mail.<br />

Alexander Gölz<br />

Chefredakteur <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />

alexander.goelz@konradin.de<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 3


» INHALT 1-2 | 2024 70. JAHRGANG<br />

Erweitern der<br />

Fördertechnik<br />

in Spitzenzeiten<br />

Titelbild: Haro<br />

Mit der Möglichkeit zur flexiblen Erweiterung der Förderanlagen profitiert<br />

Caratgas vom Haro-Baukastensystem.<br />

» Seite 46<br />

MAGAZIN<br />

Silizium: Hohe Marktkonzentration in China 6<br />

Das Potenzial des PPA-Marktes 7<br />

Wirtschaftsindices 8<br />

Ersatzteilmanagement mit 3D-Druck auf Abruf 10<br />

Dienstleister planen Honorarerhöhungen 11<br />

Ausblick 2024<br />

„Nachfrage nach sauberem Schrott<br />

wird stark ansteigen“ 12<br />

MANAGEMENT<br />

Dezentrale Daten, zentrale Intelligenz<br />

Altana vernetzt Einkaufswelten 14<br />

Risiken als Chance erkennen<br />

ESG-Risiken digital managen und meistern 18<br />

Transformation des Einkaufs<br />

Die neue Ökonomie der <strong>Beschaffung</strong> 21<br />

Jörg Hülsmann, CPO, Kaeser Kompressoren<br />

„In der <strong>Beschaffung</strong> wurden Helden gemacht“ 24<br />

China als Wirtschaftspartner<br />

Strategien im Umgang mit China : Zukunftsaussichten 28<br />

Einkaufspraxis bei DMG Mori<br />

Globale Lieferantensuche auf Knopfdruck 32<br />

Die Zukunft beginnt 2024<br />

Einkauf 2030: Perspektiven und Impulse 35<br />

CO 2<br />

-Emissionswerte<br />

„Verantwortung für die eigene<br />

Lieferkette übernehmen“ 38<br />

Elektromobilität<br />

Warum stabile Lieferketten<br />

eine Herausforderung sind 42<br />

eRechnung für alle<br />

Elektronische Rechnung wird Pflicht 44<br />

INTRALOGISTIK<br />

TITEL<br />

Baukastensystem für die Fördertechnik<br />

In Spitzenzeiten flexibel erweitern 46<br />

Gesteigerte Effizienz in der Auftragsabwicklung<br />

Hunderte AMR transportieren Paletten und Behälter 49<br />

Forschungsprojekt<br />

Autonome Outdoor-Stapler<br />

setzen auf Schwarmintelligenz 50<br />

C-Teile-Versorgung<br />

Systeme lösen Bestellung selbst aus 52<br />

4 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Bild: Kaeser<br />

Jörg Hülsmann hat als CPO in den vergangenen Jahren die Einkaufs strategie<br />

bei Kaeser Kompressoren bestimmt.<br />

» Seite 24<br />

Um zu verstehen, was für das neue <strong>Beschaffung</strong>sjahr relevant sein wird,<br />

lohnt sich ein Blick auf die Entwicklungen im Energiemarkt seit 2020.<br />

» Seite 54<br />

Bild: amnaj/stock.adobe.com<br />

ENERGIE<br />

Energieeinkauf im Jahr 2024<br />

Der Energiemarkt nach der Krise 54<br />

Energieeffizienz-Index des EEP: Wintererhebung 2023<br />

Das Energieeffizienzgesetz pusht die Transformation 56<br />

BME<br />

1. Deutscher Lieferkettentag in Berlin<br />

Bürokratie abbauen – Digitalisierung vorantreiben 60<br />

(v.l.) Jörg Mahn, Chief Sourcing Officer, Stefan Franke, Head of Procurement<br />

Excellence, und Timo Scheller, Senior Project Manager Procurement Excellence,<br />

setzen bei Altana auf moderne Einkaufsentscheidungen mit Datenpower.<br />

» Seite 14<br />

Bild: Altana<br />

KARRIERE<br />

Buchrezension<br />

Elon Musk – Unternehmer<br />

zwischen Genie und Wahnsinn 61<br />

Buchempfehlungen 62<br />

Strategien und Taktiken für Fortgeschrittene<br />

Einkaufsverhandlungen in den BRICS-Staaten 63<br />

RUBRIKEN<br />

Editorial 3<br />

Partner des Einkaufs 58<br />

Inserentenverzeichnis, Vorschau, Impressum 62<br />

Meinung<br />

Deutschland 2024: Über die Fitness des Champions 66<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 5


» MAGAZIN<br />

Weltweite Produktionskapazitäten übersteigen die Nachfrage deutlich<br />

Silizium: Hohe Marktkonzentration in China<br />

Die Nachfrage nach Silizium und Polysilizium<br />

für die Solar- und Halbleiterindustrie<br />

steigt rasant. Allerdings wächst das Angebot<br />

vor allem aus China noch wesentlich<br />

schneller. Die Folge sind weiterhin niedrige<br />

Preise und eine steigende Marktmacht<br />

Chinas bei diesen Rohstoffen. Das ist das<br />

Ergebnis einer neuen Studie der Deutschen<br />

Rohstoffagentur (DERA) in der Bundesanstalt<br />

für Geowissenschaften und<br />

Rohstoffe (BGR). „China bereitet sich auf<br />

eine weiter stark wachsende weltweite<br />

Nachfrage nach Solarmodulen vor und investiert<br />

daher bereits Milliarden auch in<br />

die vorgelagerte Silizium- und Polysiliziumproduktion“,<br />

erläutert Dr. Harald Elsner,<br />

Hauptautor der Studie. Schon heute übersteigen<br />

die weltweiten Kapazitäten die<br />

Nachfrage nach Silizium deutlich – mit<br />

steigender Tendenz. Bis Ende 2027 nehmen<br />

die Produktionskapazitäten laut der<br />

Untersuchung um weitere 66 Prozent zu.<br />

Demgegenüber wächst die weltweite<br />

Nachfrage nur um 37 %. Noch gravierender<br />

sieht es bei Polysilizium aus: Kapazitätserweiterungen<br />

von 437 % stehen einer<br />

Nachfragesteigerung von 107 % gegenüber.<br />

Die Folgen werden weiterhin sehr<br />

niedrige Preise für Silizium und Polysilizi-<br />

82 % der weltweiten Solarmodule werden derzeit in China gefertigt.<br />

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LEDERER-WELT.DE<br />

um auf den globalen Märkten und damit<br />

auch für Solarzellen und -module sein.<br />

Am stärksten wachsen derzeit die Märkte<br />

für Halbleitersilizium und insbesondere<br />

für Solarsilizium, die beide Polysilizium<br />

als Ausgangsrohstoff benötigen. Polysilizium<br />

ist ein auf chemischem Wege hoch<br />

aufgereinigtes Silizium. Solarsilizium<br />

steht am Anfang der weiteren Wertschöpfungskette<br />

in der Photovoltaikindustrie,<br />

die über die Herstellung von Siliziumbarren<br />

(Ingots) über Siliziumwafer zu<br />

Solarzellen und letztlich zu Solarmodulen<br />

führt. Rund 97 % aller Barren und Wafer,<br />

78 % der Solarzellen und 82 % der Solarmodule<br />

weltweit werden derzeit in China<br />

gefertigt. Bei den benötigten Ausgangsrohstoffen<br />

Polysilizium bzw. Silizium liegen<br />

die chinesischen Marktanteile bei<br />

83 % bzw. 75 %. (ys)<br />

Bild: dusanpetkovic1/stock.adobe.com<br />

Ein Viertel misst seinen ökologischen Fußabdruck<br />

Kompensation und Vermeidung von CO 2 -Emissionen<br />

42 Prozent der Unternehmen in Deutschland<br />

kompensieren CO 2 -Emissionen, vor<br />

einem Jahr waren es 35 Prozent und 2020<br />

erst 28 Prozent. Das ist das Ergebnis einer<br />

Befragung, die im Auftrag des Bitkom<br />

durchgeführt wurde. Weitere 29 Prozent<br />

planen demnach, künftig CO 2 -Emissionen<br />

zu kompensieren. 20 Prozent können sich<br />

dies zumindest perspektivisch vorstellen.<br />

Lediglich 6 Prozent der Unternehmen<br />

schließen eine CO 2 -Kompensation <strong>aktuell</strong><br />

aus. Die CO 2 -Kompensation erfolgt in der<br />

Regel über den Onlinekauf von Ausgleichszertifikaten,<br />

die bestätigen, dass<br />

andernorts durch Klimaschutzprojekte eine<br />

entsprechende Menge CO 2 gebunden<br />

wird. Eine digitale Messung des eigenen<br />

ökologischen Fußabdrucks nimmt allerdings<br />

<strong>aktuell</strong> nur jedes vierte Unternehmen<br />

(26 %) vor. 41 Prozent planen dies<br />

jedoch konkret für die Zukunft.<br />

„Je besser die Unternehmen ihren eigenen<br />

CO 2 -Ausstoß kennen, desto besser können<br />

sie ihn senken und die verbliebenen Emissionen<br />

kompensieren. Mittlerweile gibt es<br />

viele digitale Lösungen auf dem Markt,<br />

mit denen Unternehmen ihre Emissionen<br />

ermitteln können“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer<br />

Dr. Bernhard Rohleder.<br />

Um CO 2 -Emissionen zu vermeiden und<br />

Ressourcen zu schonen, setzen die Unternehmen<br />

in Deutschland dem Digitalverband<br />

zufolge auf verschiedene Maßnahmen:<br />

62 Prozent ersetzen Dienstreisen<br />

ganz oder teilweise durch Videokonferenzen,<br />

56 Prozent verzichten weitestgehend<br />

auf Papierausdrucke. 51 Prozent der<br />

Unternehmen haben energieeffiziente<br />

Büro- Hardware angeschafft. Fast die<br />

Hälfte (45 %) beachtet Nachhaltigkeitskriterien<br />

beim Einkauf digitaler Produkte,<br />

Anwendungen und Leistungen. Ein Drittel<br />

(35 %) gestattet es den Mitarbeitenden,<br />

Dienstgeräte wie Laptops oder Smart -<br />

phones im Sinne der Nachhaltigkeit auch<br />

privat zu nutzen. 16 Prozent der befragten<br />

Unternehmen geben an, zu 100 Prozent<br />

zertifizierten Öko-Strom zu nutzen. (ys)<br />

6 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


DB-Tochter schließt Power Purchase Agreement mit MVV Trading ab<br />

PPA über 160-GWh-Solarstromlieferung abgeschlossen<br />

Blick auf den Solarpark Heudorf, einer der drei kürzlich in Betrieb genommenen Photovoltaik-Parks des MVV-Projektentwicklers Juwi.<br />

Bild: Juwi<br />

Das Mannheimer Energieunternehmen<br />

MVV und die Konzerntochter der Deutschen<br />

Bahn, die DB Energie GmbH, haben<br />

einen Bezugsvertrag zur Lieferung von<br />

rund 160 GWh Grünstrom vereinbart. Der<br />

Strom stammt aus drei Photovoltaik-Parks<br />

des MVV-konzerneigenen Projektentwicklers<br />

Juwi. Die drei Standorte in Bremelau<br />

und Heudorf (beide Baden-Württemberg)<br />

und in Röckingen (Bayern) verfügen über<br />

eine Gesamtleistung von 36,5 Megawatt-<br />

Peak. Seit dem 1. Januar 2024 liefert MVV<br />

Trading über einen Zeitraum von insgesamt<br />

vier Jahren jährlich rund 40 GWh<br />

Solarstrom aus diesen PV-Anlagen über<br />

ein Power Purchase Agreement (PPA) an<br />

die DB Energie GmbH. Power Purchase<br />

Agreements, also langfristige, individuell<br />

gestaltete Verträge über die Lieferung und<br />

Abnahme von Grünstrom, sind ein attraktives<br />

Betreibermodell für Erneuerbare-<br />

Energie-Anlagen. Die Produzenten erhalten<br />

dabei eine längerfristig festgelegte<br />

Vergütung und die Abnehmer sichern sich<br />

zertifizierten Grünstrom zu einem planbaren<br />

Preis. „PPAs werden in Zukunft eine<br />

zunehmend größere Rolle bei der langfristigen<br />

Versorgung von Unternehmen übernehmen“,<br />

sagt Dr. Thies Langmaack, Geschäftsführer<br />

der MVV Trading. (ys)<br />

Bis zu 25 Prozent des Strombedarfs 2030<br />

Das Potenzial des PPA-Marktes<br />

Rund ein Viertel des deutschen Strombedarfs<br />

im Jahr 2030 könnten über direkte<br />

Stromlieferverträge zwischen erneuerbaren<br />

Stromerzeugern und Abnehmern aus<br />

Industrie und Gewerbe realisiert werden.<br />

Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung<br />

der Deutschen Energie-Agentur<br />

Dena im Rahmen der „Marktoffensive Erneuerbare<br />

Energien“, ein Zusammenschluss<br />

von rund 40 Unternehmen.<br />

Die Analyse „Green PPAs für die Energiewendeziele<br />

2030“ zielt darauf ab, das Potenzial<br />

des PPA-Marktes und seinen möglichen<br />

Beitrag zur Beschleunigung der<br />

Energiewende innerhalb Deutschlands<br />

aufzuzeigen. Bis zum Jahr 2030 könnten<br />

demnach bis zu 192 Terrawattstunden<br />

(TWh) über PPAs finanziert werden. Das<br />

entspricht ca. 25 Prozent des gesamten<br />

prognostizierten Strombedarfs von<br />

750 TWh im Jahr 2030 in Deutschland.<br />

Insbesondere Wind Offshore sowie Photovoltaik<br />

bilden dabei die Eckpfeiler des<br />

zukünftigen PPA-Marktes. Die je nach<br />

Szenario stark variierenden Wachstumsraten<br />

weisen laut der Dena darauf hin,<br />

dass verlässliche und attraktive rechtliche<br />

sowie wirtschaftliche Marktbedingungen<br />

elementar für die weitere Entwicklung<br />

der Erneuerbaren und dieses Geschäftsmodells<br />

sind.<br />

„Die Analyse zeigt das große Potenzial des<br />

PPA-Marktes. Um es voll zu erschließen,<br />

müssen die richtigen Investitionsbedingungen<br />

geschaffen werden“, sagt Corinna<br />

Enders, Vorsitzende der Dena-Geschäftsführung.<br />

„Sinkende Gestehungskosten für<br />

erneuerbare Energien, eine steigende<br />

Nachfrage nach emissionsfreier Energieversorgung<br />

sowie die Notwendigkeit, sich<br />

gegen volatile Preise abzusichern haben<br />

einen wachsenden Markt geschaffen, der<br />

aber noch lange nicht entfaltet ist. Gerade<br />

in der <strong>aktuell</strong>en Haushaltslage kommt<br />

diesem Markt eine strategische Bedeutung<br />

zu. Auch die mittlerweile in Kraft<br />

getretene Richtlinie für den Ausbau Erneuerbarer<br />

Energien (REDIII) der EU stellt<br />

die Bedeutung des Geschäftsmodells für<br />

das Erreichen der nationalen sowie europäischen<br />

Klimaziele heraus und fordert<br />

Mitgliedsstaaten auf, entsprechende<br />

Maßnahmen zu dessen Stärkung zu unternehmen.“<br />

(ys)<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 7


» MAGAZIN<br />

Einkaufsmanagerindex für November 2023<br />

Abschwung der Industrie schwächt sich ab<br />

Der Abwärtstrend in der deutschen Industrie<br />

scheint sich abzuschwächen. Das signalisieren<br />

die von S&P Global durchgeführte<br />

Umfrage zum HCOB Einkaufsmanagerindex<br />

(EMI). Danach gingen im November<br />

sowohl die Produktion als auch<br />

die Auftragseingänge so geringfügig zurück<br />

wie seit sechs Monaten nicht mehr.<br />

Negativ schlägt allerdings zu Buche, dass<br />

die Geschäftsaussichten der Unternehmen<br />

trotz leichter Verbesserung insgesamt<br />

pessimistisch blieben. Einmal mehr<br />

spiegelte sich die vorherrschende Nachfrageflaute<br />

in rückläufigen Preisen wider,<br />

da der Wettbewerb um die wenigen Neuaufträge<br />

zu weiteren Nachlässen führte.<br />

Der EMI legte im Berichtsmonat zwar<br />

zum vierten Mal in Folge zu und notierte<br />

nach 40,8 im Oktober <strong>aktuell</strong> bei 42,6<br />

Punkten. Dennoch liegt er weiter deutlich<br />

unter der Referenzlinie von 50,0.<br />

„Der EMI wird zu einem echten Geduldsspiel.<br />

Schließlich verharrt er schon seit<br />

Juni 2022 unter der 50-Punkte-Wachstumsschwelle.<br />

Nach dem mittlerweile 18<br />

Monate anhaltenden Negativtrend stellt<br />

sich zunehmend die Frage, woher die Im-<br />

Quelle: S&P Global/BME<br />

pulse für den Aufschwung der deutschen<br />

Industrie kommen sollen“, betont BME-<br />

Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena Melnikov.<br />

Denn auch die Weltwirtschaft<br />

schwächele weiter und belaste damit den<br />

deutschen Außenhandel. (ys)<br />

Geschäftsklimaindex Zulieferindustrie für November 2023<br />

Verbesserung auf niedrigem Niveau<br />

Das Geschäftsklima der deutschen Zulieferer verbessert sich der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie (ArGeZ) zufolge<br />

im November um 3,4 Saldenpunkten. Mit einem Wert von -12,2 Punkten bleibt die Stimmung jedoch nach wie vor<br />

schlecht. Zwar legen die saisonbereinigten Erwartungen für die kommenden sechs Monate ebenso wie die Beurteilung<br />

der <strong>aktuell</strong>en Geschäftslage zu. Dass dies jedoch ein entscheidender Impuls ist, um den Abschwung der vergangenen<br />

Monate zu durchbrechen, ist laut der ArGeZ zweifelhaft. Während die saisonbereinigte Beurteilung der Geschäftslage<br />

um 1,6 Saldenpunkte auf -2,4 zulegt, fällt das Plus bei den Erwartungen mit 5,0 Saldenpunkten höher aus. Allerdings bewegen<br />

sich letztere auf einem niedrigeren Niveau: Im November beträgt der saisonbereinigte Saldo -21,5 Punkte. (ys)<br />

Ifo-Preiserwartungen für November 2023<br />

Dienstleister und Großhandel erhöhen die Preise<br />

Etwas mehr Unternehmen in Deutschland<br />

wollen ihre Preise erhöhen. Das geht aus<br />

den Konjunkturumfragen des Ifo-Instituts<br />

hervor. Der Index der Preispläne stieg von<br />

15,4 Punkten im Oktober (saisonbereinigt<br />

korrigiert) auf 18,0 im November. Dies ist<br />

vor allem auf die unternehmensnahen<br />

Dienstleister und den Großhandel zurückzuführen.<br />

Dort stieg der Saldo von 21,5<br />

auf 28,3 Punkte. In den konsumnahen<br />

Branchen dagegen gingen die Preiserwar-<br />

tungen weiter zurück. „Damit ist die Inflation<br />

weiter auf dem Rückzug“, sagt ifo<br />

Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.<br />

„Zwar dürfte die Inflationsrate im Dezember<br />

vorübergehend noch einmal auf etwa<br />

4 Prozent steigen. Hier kommt aber vor<br />

allem ein Basiseffekt zum Vorschein. Im<br />

Vorjahr sanken die Gaspreise im Verbraucherpreisindex<br />

kräftig, da der Staat die<br />

Kosten für den Dezember-Abschlag übernahm.<br />

Aber bereits zu Beginn des kommenden<br />

Jahres wird die Inflationsrate auf<br />

unter 3 Prozent sinken.“ Auch in der Industrie<br />

wollen weniger Unternehmen ihre<br />

Preise anheben. Dort sank der Saldo von<br />

5,8 auf 2,5 Punkte. Bei den Automobilherstellern<br />

gaben die Preiserwartungen<br />

kräftig nach: von 30,6 auf 10,2 Punkte. Im<br />

Baugewerbe hat sich der Abwärtstrend<br />

bei den Preisen etwas verlangsamt. Dort<br />

stiegen die Preiserwartungen von minus<br />

9,2 auf minus 4,8 Punkte. (ys)<br />

8 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Kiel Trade Indicator für November 2023<br />

Globaler Handel geht zurück<br />

Das jüngste Datenupdate des Kiel Trade<br />

Indicator weist für den weltweiten Handel<br />

auf einen eher durchwachsenen Handelsmonat<br />

November hin. Der Welthandel<br />

geht demnach im Vergleich zum Vormonat<br />

Oktober um 0,9 Prozent zurück (preisund<br />

saisonbereinigt). Für die EU sind die<br />

Handelszahlen sowohl bei den Exporten<br />

(+1,4 %) als auch bei den Importen<br />

(+1,1 %) leicht positiv. Für<br />

den Außenhandel Deutschlands<br />

stehen die Exporte<br />

(+0,7 %) im November leicht<br />

im Plus, die Importe (-1,1 %)<br />

im Minus. „Der deutsche Außenhandel<br />

wächst seit Ausbruch<br />

der Corona-Pandemie<br />

im Grunde nur noch, weil die<br />

Preise steigen. Inflationsbereinigt<br />

bewegen sich Exporte<br />

und Importe seit Jahren<br />

mehr oder weniger auf der<br />

Stelle“, sagt Vincent Stamer,<br />

Leiter Kiel Trade Indicator. In<br />

den USA dürften die Exporte<br />

(+0,1 %) auf Vormonats -<br />

niveau liegen, die Importe<br />

(+1,5 %) leicht ansteigen.<br />

Für China weisen die Werte<br />

des Kiel Trade Indicator ein<br />

leichtes Plus bei den Exporten<br />

(+0,6 %) und ein Minus<br />

bei Importen (-2,6 %) aus.<br />

Die wenig positiven Aussichten<br />

schlagen sich auch in der<br />

Menge an weltweit verschifften<br />

Standardcontainern<br />

nieder. Sie ist im<br />

November im Vergleich zum<br />

Oktober um über ein Prozent<br />

gefallen und liegt damit wieder<br />

unter der Marke von 14<br />

Millionen Stück, so das IfW<br />

Kiel. Speziell im Roten Meer<br />

sei die Menge gesunken. Im<br />

November sind dort gut<br />

500.000 Standardcontainer<br />

transportiert worden, aufgrund<br />

von Erfahrungswerten<br />

aus den Jahren 2<strong>01</strong>7 bis<br />

2<strong>01</strong>9 wären dem Institut zu-<br />

Bild: m.mphoto/stock.adobe.com<br />

folge knapp 600.000 Stück zu<br />

erwarten gewesen. „Es klafft<br />

immer wieder eine Lücke zwischen<br />

der tatsächlichen und<br />

der zu erwartenden Containermenge<br />

im Roten Meer, weil China unabhängiger<br />

vom Handel mit dem Westen<br />

und Deutschland wird. Der jüngste Rückgang<br />

der Frachtmenge dürfte in erster<br />

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„Der deutsche Außenhandel wächst seit Ausbruch der Corona-<br />

Pandemie im Grunde nur noch, weil die Preise steigen“, so<br />

Vincent Stamer, Leiter Kiel Trade Indicator.<br />

Linie konjunkturelle Ursachen haben und<br />

noch keine Folge der jüngsten gezielten<br />

Angriffe auf Handelsschiffe im Roten<br />

Meer sein“, so Stamer. (ys)<br />

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UND SONDER TEILE<br />

Seit über 150 Jahren beliefern wir die Industrie mit hochqualitativen<br />

Verbindungselementen. Neben unserem breiten Angebot an Normteilen,<br />

technischen Sortimenten, Werkzeugen und chemischen<br />

Produkten stellen kundenspezifische Zeichnungs- und Sonderteile<br />

einen besonderen Schwerpunkt dar. Unser erfahrenes Techniker-<br />

Team freut sich darauf, Sie mit maßgeschneiderten Verbindungslösungen<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 9


» MAGAZIN<br />

Nutzfahrzeughersteller nutzt 3D-Druck-Plattform<br />

Ersatzteilmanagement mit 3D-Druck auf Abruf<br />

Durch die digitalen Produktionsinformationen können die 3D-gedruckten Bronzekrümmer<br />

jederzeit in gleichbleibender Qualität wiederbestellt werden.<br />

Der Nutzfahrzeughersteller MAN Truck &<br />

Bus stand vor der Herausforderung, kurzfristig<br />

zehn Bronzekrümmer (s. Bild) für<br />

die Kühlwasserversorgung eines Marinemotors<br />

zu beschaffen. Die Gussform für<br />

dieses kritische Bauteil war nicht mehr<br />

verfügbar. Die konventionellen <strong>Beschaffung</strong>smethoden,<br />

welche die Erstellung<br />

von Modellen, das Gießen und die mechanische<br />

Bearbeitung umfassen, wären so-<br />

Bild: Replique/MAN<br />

wohl zeit- als auch kostenaufwendig gewesen.<br />

MAN suchte daher nach einer alternativen<br />

Möglichkeit, um den kurzfristigen<br />

Bedarf zu decken.<br />

Die Kooperation mit 3D-Druck-Plattformbetreiber<br />

Replique ermöglichte es dem<br />

Unternehmen, die Krümmer mittels additiver<br />

Fertigung herzustellen – alles, was<br />

dazu benötigt wurde, war ein 3D-Modell,<br />

sowie eine Fertigungszeichnung. In Abstimmung<br />

mit seinen Materialpartnern<br />

wählte der Plattformbetreiber einen<br />

Werkstoff, der eigenen Angaben zufolge<br />

technisch gleichwertig zum Originalwerkstoff<br />

ist. Produziert wurde mit Selektivem<br />

Laserschmelzen (SLM) über ein lokales<br />

3D-Druckservicebüro aus dem Fertigungsnetzwerk.<br />

Von der ersten Anfrage<br />

seitens MAN bis zur Lieferung der einbaufertigen<br />

Teile vergingen knapp sieben<br />

Wochen. Zugversuche in der Zentralen<br />

Werkstofftechnik der MAN sollen ergeben<br />

haben, dass der ausgesuchte Werkstoff<br />

sogar technisch bessere Eigenschaften als<br />

das Original aufweist. Auch der praktische<br />

Einsatz war erfolgreich, sodass der<br />

Fahrzeughersteller eine weitere Bestellung<br />

über 10 Stück tätigte.<br />

Da das betreffende Bauteil bereits für den<br />

3D-Druck qualifiziert wurde und eine<br />

entsprechende Druckdatei erstellt und digital<br />

verfügbar ist, die zudem Informationen<br />

zu genutztem Material und Technologie<br />

enthält, können die Krümmer auch<br />

zukünftig jederzeit in gleichbleibender<br />

Qualität nachbestellt werden. Für MAN<br />

fallen dabei keine Fixkosten für Formen<br />

und Modelle, sowie Lagerhaltungskosten<br />

an. (ys)<br />

Einführung in mehreren Phasen<br />

Zulieferer entscheidet sich für Zusammenarbeit mit Jaggaer<br />

Continental setzt künftig die Source-to-<br />

Pay-Suite von Jaggaer ein. Diese soll soll<br />

den bisherigen Insellösungen entgegenwirken<br />

und die Bereiche Purchase-to-Pay,<br />

Source-to-Contract und Business Partner<br />

Management bündeln. Der Funktionsumfang<br />

von „Jaggaer One“ decke bereits viele<br />

bestehende Anforderungen des Automobilzulieferers<br />

ab. Besonders die Multi-<br />

ERP-Fähigkeit der Lösung überzeuge, da<br />

es in Summe mehr als 30 ERP-Systeme<br />

anzubinden gilt. Für die Implementierung<br />

ist ein mehrstufiger Rollout vorgesehen,<br />

der zunächst in Deutschland sowie den<br />

USA startet und anschließend schrittweise<br />

global ausgedehnt wird.<br />

Nach dem Startschuss des Projekts im<br />

letzten Jahr erfolgt die Einführung der<br />

Lösungen bei Continental in mehreren<br />

Phasen: Dabei legt das Unternehmen den<br />

Fokus im ersten Schritt auf die <strong>Beschaffung</strong><br />

von Nicht-Produktionsmaterial sowie<br />

Rohstoffen und beginnt mit der Optimierung<br />

des Source-to-Contract-Prozesses.<br />

Das umfasst zum einen die übergeordneten<br />

Bereiche Lieferantenmanagement,<br />

Performancemanagement, Sourcing,<br />

Vertragsmanagement und Reporting.<br />

Zum anderen zählen dazu die Erfüllung<br />

der ESG-Kriterien sowie die Grundlagenschaffung,<br />

um den Anforderungen an<br />

den CO 2 -Fußabdruck gerecht zu werden.<br />

In der anschließenden Projektphase fokussiert<br />

der Automobilzulieferer den Procure-to-Pay-Prozess:<br />

Dabei liegt das Ziel<br />

unter anderem darin, die Versorgungssicherheit<br />

der Mitarbeitenden weltweit<br />

über vordefinierte Kataloge weiterhin sicherzustellen<br />

sowie Folgeprozesse, wie<br />

die Rechnungsprüfung, durch Automatisierung<br />

zu verbessern. Zusätzlich zu den<br />

verschiedenen Ländern, in denen das Unternehmen<br />

aktiv ist, liegt die Herausforderung<br />

dabei insbesondere in der Verwaltung<br />

von mehreren 100 Katalogen. Neben<br />

dem globalen Rollout, ist zukünftig vorgesehen,<br />

den Softwareeinsatz auch auf<br />

den direkten Einkauf auszudehnen. (ys)<br />

10 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


B2B-Service-Unternehmen sind überwiegend optimistisch<br />

91 Prozent der Dienstleister planen Honorarerhöhungen<br />

Deutsche B2B-Service-Unternehmen blicken laut einer<br />

Blitzumfrage des Marktforschers Lünendonk &<br />

Hossenfelder trotz wirtschaftlicher Herausforderungen<br />

optimistisch auf das Jahr 2024. Führende<br />

Dienstleister der Segmente Managementberatung,<br />

Digitales und IT, Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung,<br />

Personaldienstleistungen und Real Estate Services<br />

rechnen für das Jahr 2024 mit einem Umsatzplus<br />

von durchschnittlich 9,5 Prozent. Während Anbieter<br />

von Real Estate Services von einem Umsatzplus<br />

im Mittel von 3,7 Prozent ausgehen, liegt die<br />

Spanne bei Digital- und IT-Dienstleistern bei durchschnittlich<br />

14,4 Prozent. Consulting-Häuser erwarten<br />

im Mittel ein Wachstum von 10,5 Prozent, Wirtschaftsprüfer<br />

von 8,0 Prozent und Personaldienstleister<br />

von 6,0 Prozent.<br />

Die Inflation stellt für viele Unternehmen weiterhin<br />

eine Herausforderung dar. Für 2023 wurde eine<br />

durchschnittliche Preissteigerung in Deutschland von<br />

sechs Prozent erwartet, für 2024 von etwa drei Prozent.<br />

Dies spiegelt sich auch in den Preisen und Gehältern<br />

der Dienstleistungsunternehmen wider: 86<br />

Prozent haben 2023 ihre Preise erhöht – überwiegend<br />

zwischen 2 und 10 Prozent. Auch 2024 planen<br />

91 Prozent, ihre Preise zu erhöhen, jedoch in einem<br />

geringeren Umfang. „Zwar hat die Inflation einen<br />

signifikanten Einfluss auf die Entwicklung der Honorare<br />

und Gehälter der Dienstleister. Gleichzeitig besteht<br />

nahezu in allen B2B-Service-Märkten eine hohe<br />

Nachfrage im Markt, sodass höhere Preise durchsetzbar<br />

sind“, kommentiert Lünendonk-Geschäftsführer<br />

Jörg Hossenfelder die Ergebnisse. (ys)<br />

Authentifizierung ohne technische oder optische Eingriffe<br />

Digitaler Fingerabdruck für Produkte<br />

Bild: Bosch Origify<br />

Die Produktauthentizität kann, sofern das Erzeugnis mit Origify erfasst<br />

wurde, per App abgefragt werden.<br />

Weltweit wächst die Produktpiraterie extrem.<br />

Allein im vergangenen Jahr wurde<br />

laut Bundeszollverwaltung gefälschte<br />

Markenware im Gesamtwert von 435 Millionen<br />

Euro beschlagnahmt. „Hersteller<br />

und Marken- wie Produktschützer suchen<br />

nach Schutzmechanismen, die idealerweise<br />

keine Eingriffe am Produkt erfordern<br />

und dennoch eine klare Unterscheidung<br />

zwischen Plagiat und echtem Produkt<br />

ermöglichen“, sagt Oliver Steinbis,<br />

Inventor + Project<br />

Lead für Origify,<br />

eine Entwicklung<br />

aus dem Bosch-<br />

Konzern.<br />

Die Lösung wurde<br />

zunächst zur<br />

Nachverfolgung<br />

sowie zum Schutz<br />

konzerninterner<br />

Produkte wie<br />

bspw. Sensorik aus<br />

dem Automotive-<br />

Sektor entwickelt<br />

und steht mittlerweile<br />

auch anderen<br />

Unternehmen<br />

zur Verfügung.<br />

Dazu wird jedes einzelne Produkt während<br />

der Fertigung optisch erfasst, die<br />

Daten werden in eine binäre Datei umgewandelt<br />

und in einer Cloud gespeichert.<br />

Später kann die Authentizität durch einen<br />

Abgleich mit diesem Datensatz bestätigt<br />

werden. Dazu nötig sind ein Smartphone<br />

und die Origify-App oder eine herstellerbezogene<br />

White-Label-Lösung mit Zugang<br />

zur Cloud-Datenbank. Mit einer optischen<br />

Erfassung jedes einzelnen Produktes<br />

während der industriellen Fertigung<br />

dreht Origify bisherige Schutzkonzepte<br />

um: „Zum Schutz vor Fälschungen<br />

gehören auch die Eintragung des geistigen<br />

Eigentums über Urheberrecht, Designschutz<br />

und Patente. Verletzungen<br />

müssen mit großem Aufwand identifiziert<br />

werden, Behörden wie der Zoll werden<br />

nur auf Antrag der Markenrechtsinhaber<br />

beispielsweise über einen Grenzbeschlagnahmeantrag<br />

aktiv. Wir setzen mit Origify<br />

direkt in der Produktion an und sind in der<br />

Lage, eine Authentizitätskette zwischen<br />

Hersteller und Endkunde aufzubauen“, erklärt<br />

Oliver Steinbis von Bosch.<br />

Während bei strittigen Fällen meist sofort<br />

teure Gutachter nötig sein können und<br />

häufig Aussage gegen Aussage steht, soll<br />

bei einem mit Origify erfasstem Produkt<br />

wesentlich schneller eine erste Analyse<br />

erstellt werden können. Ist ein Abgleich<br />

mit dem hinterlegten Datensatz erfolgreich,<br />

entspricht das Produkt seinem Auslieferungszustand<br />

beim originalen Hersteller.<br />

Erst bei einem negativen Resultat<br />

muss eine weitere Untersuchung angestrengt<br />

werden, an deren Ende möglicherweise<br />

die Enttarnung eines Plagiats<br />

steht. (ys)<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 11


» MAGAZIN<br />

Dr. Sebastian Kreft, Mitgründer von Metalshub<br />

„Nachfrage nach sauberem Schrott<br />

wird stark ansteigen“<br />

Beim Kauf und Verkauf von Rohstoffen in 130 Ländern ist Softwarespezialist<br />

Metalshub aktiv. Der Fokus liegt auf der globalen Metall- und Bergbauindustrie.<br />

Dr. Sebastian Kreft ist einer der Gründer der Plattform, er berichtet von<br />

Marktauffälligkeiten , Trends und dem Faktor KI.<br />

»Unsere Technologie<br />

bietet die Möglichkeit,<br />

mehr Wissen zu<br />

erlangen . Wissen ist<br />

vor allem in Krisen ein<br />

großer Vorteil.«<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Kreft, welche Auffälligkeiten<br />

und Trends haben Sie in den vergangenen<br />

Monaten festgestellt?<br />

Dr. Sebastian Kreft: Ich beginne mal mit einem<br />

Rückgriff auf 2022: Das Jahr war geprägt von der<br />

Nickelkrise an der London Metal Exchange (LME), darüber<br />

wurde bereits viel berichtet. Auf unserem<br />

Metalshub Summit im September 2023 hat der CEO<br />

der LME, Matthew Chamberlain, über Maßnahmen<br />

gesprochen, die seitdem ergriffen wurden, etwa die<br />

Einführung eines Tageslimits, um wie viel der Preis<br />

an einem Tag maximal steigen oder fallen kann und<br />

die Pflicht, Positionen im<br />

Over-The-Counter-Markt täglich<br />

an die LME zu berichten.<br />

Im Jahr 2023 war der kometenhafte<br />

Anstieg und dann der<br />

Fall des Ferromolybdänpreises<br />

am spektakulärsten. Der Preis<br />

lag Anfang Dezember 2022 bei<br />

ca. 50 USD pro kg. Bis Februar<br />

2023 stieg er auf 98 USD an,<br />

um im April wieder auf unter<br />

50 USD zu fallen. Derzeit (November<br />

2023; die Red.) bewegt sich der Preis zwischen<br />

45 und 55 USD pro kg ohne zu große Ausschläge.<br />

Was Metalshub selbst betrifft: Trotz wirtschaftlichen<br />

Abschwungs konnten wir starke Wachstumsraten<br />

verzeichnen und als Technologieunternehmen<br />

auch gegen den negativen Trend der massenhaften<br />

Personalentlassungen in der Softwarebranche<br />

agieren. Wir haben neue Arbeitsplätze geschafft<br />

und wollen weiter aufstocken.<br />

Sind die wesentlichen Player als Verkäufer und<br />

Käufer dabei? Und wer ist das?<br />

Gestartet haben wir 2<strong>01</strong>6 mit der Procurement Solution<br />

für rohstoffeinkaufende Unternehmen, vor allem<br />

Stahlwerke und Stahlgießereien. Kunden sind u. a.<br />

Outokumpu, Saarstahl, die Georgsmarienhütte Gruppe,<br />

Benteler, Schmidt + Clemens, Friedrich Lohmann,<br />

Metso, MAT Foundry Group, Natsteel in Singapur und<br />

andere. Die Unternehmen laden dann ihr jeweiliges<br />

Lieferantennetzwerk auf Metalshub ein. Weitere<br />

Nutzer sind führende Rohstoffproduzenten wie Vale,<br />

Elkem, Finnfjord, CBMM, Rio Tinto und Molymet. Und<br />

als Rohstoffhändler sind u. a. L&M, Trafigura und TSR<br />

aktiv. 2022 haben wir die Sales Solution entwickelt,<br />

die von führenden Bergbauunternehmen genutzt<br />

wird, zum Beispiel von Anglo American. Bisher haben<br />

rund 1600 Unternehmen weltweit über 7700 Transaktionen<br />

im Wert von über 2,9 Mrd. Euro über unsere<br />

Plattform getätigt.<br />

Welche Prozesse decken Sie ab?<br />

Auf der Procurement-Seite decken wir den Sourceto-Contract-Prozess<br />

und das Lieferantenmanagement<br />

ab. Mit der Sales Solution bieten wir eine Kombination<br />

aus CRM und CPQ. Bei CPQ – also Produktkonfiguration,<br />

Preiskalkulation, Angebotserstellung –<br />

geht es um das systematische Erfassen aller Anfragen<br />

und die Unterstützung bei Preiskalkulation und<br />

Angebotserstellung. Der Metalshub Intelligence Service<br />

– Metis – stellt Preis-Indizes und Marktinformationen<br />

bereit. Unsere Preisindizes beruhen auf realen<br />

Transaktionen und Geld-/Briefkursen, die über die digitale<br />

Plattform abgeschlossen werden. Zudem lassen<br />

sich Geschäfte von A bis Z abwickeln, einschließlich<br />

Versicherung, Transport, Finanzierung etc. Zusammengefasst<br />

ermöglichen wir Kunden auf der Einkaufsseite,<br />

noch bessere Entscheidungen auf Basis<br />

zentraler Daten und eines transparenten Prozesses<br />

zu treffen. Bei den Kunden steigt die Wahrscheinlichkeit,<br />

trotz volatiler Marktpreise signifikante Einsparungen<br />

zu erzielen.<br />

Was wird KI in Zukunft können – und woran arbeiten<br />

Sie derzeit als Dienstleister?<br />

12 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Wir arbeiten derzeit an verschiedenen spannenden<br />

Use Cases für den Einsatz von KI. Ein Beispiel ist das<br />

automatische Strukturieren unstrukturierter Daten,<br />

wie sie oft in E-Mails vorkommen. Demnächst werden<br />

sich tausende E-Mails in Sekunden auswerten<br />

lassen. Einen sehr interessanten KI-Use-Case haben<br />

ArcelorMittal und unser Partnerunternehmen Foresight<br />

Data Machines auf unserem Metalshub Summit<br />

präsentiert. Dabei ging es um die Nutzung von KI in<br />

Sachen „Zutaten“, also darum, die Mischung verschiedener<br />

Schrottsorten für die Produktion einer<br />

bestimmten Stahlrezeptur zu optimieren.<br />

Kommen wir zum Risikomanagement: Welche Rolle<br />

spielt Metalshub dabei für die Marktteilnehmer?<br />

Plattformen können helfen, Risiken zu minimieren.<br />

Metalshub führt zum Beispiel kontinuierliche Knowyour-Counterparty-Checks<br />

durch. Dabei soll sichergestellt<br />

werden, dass sanktionierte oder insolvente<br />

Unternehmen nicht zum Handel zugelassen werden.<br />

In einem Fall konnten wir sogar einen Betrugsversuch<br />

aufdecken: Ein Unternehmen hat versucht, unter<br />

Angabe einer falschen Identität Metall zu ergaunern.<br />

Plattformen sollten zudem ermöglichen, dass<br />

der Prozess der Vertrauensbildung zwischen Käufern<br />

und Verkäufern beschleunigt wird. Für diesen Zweck<br />

haben wir ein transparentes Bewertungssystem, mit<br />

dem sich Käufer und Verkäufer nach einer abgewickelten<br />

Transaktion gegenseitig bewerten können.<br />

Kann man eine solche Plattform an Risk-Systeme<br />

in den Unternehmen anbinden? Welche Voraussetzung<br />

muss es an den Schnittstellen geben?<br />

Ja, das lässt sich anbinden. Die großen ERP-Anbieter<br />

möchten gerne immer alle Lösungen für alles verkaufen,<br />

das ist aber selten der beste Weg. IT-Experten<br />

wie Gartner sind sich heute einig, dass es ein führendes<br />

System geben muss. Daran werden dann via APIs<br />

Spezialsysteme für unterschiedliche Aufgaben und<br />

Prozesse angebunden. Gemeinsam mit unseren Kunden<br />

erarbeiten wir in einem vier- bis sechswöchigen<br />

Projekt eine API-Schnittstelle in das jeweils genutzte<br />

ERP-System. So wird sichergestellt, dass Daten nahtlos<br />

übergeben werden und keine lästige manuelle<br />

Datendoppeleingabe mehr erfolgen muss. Motto:<br />

„Clean data is the new gold“.<br />

Wie schnell machen sich Naturkatastrophen wie<br />

Hochwasser oder Brände bemerkbar auf Plattformen<br />

wie Metalshub?<br />

Das kommt darauf an. Ereignisse, die signifikante<br />

Auswirkungen auf Supply beziehungsweise Demand<br />

haben, wirken sich schon innerhalb von Stunden auf<br />

die physischen Märkte aus. Ein Beispiel ist der Beginn<br />

Bild: Jan Ladwig<br />

des Ukraine-Kriegs, der ja auch Auslöser für die LME-<br />

Nickelkrise war. Bei anderen Ereignissen ist oft nicht<br />

sofort klar, wie stark die Auswirkungen sein werden<br />

und wie lange sie anhalten. Beispiel hierfür sind der<br />

Putsch im Niger im August in Bezug auf Manganexporte<br />

und das Erdbeben in der Türkei hinsichtlich<br />

Chromerz und Ferrochromexporte. Für Händler bieten<br />

solche Ereignisse oft große Chancen, hohe Gewinne<br />

einzufahren, vorausgesetzt, sie handeln rasch und<br />

positionieren sich richtig. Unsere Technologie bietet<br />

die Möglichkeit, mehr Wissen zu erlangen. Wissen ist<br />

vor allem in Krisenzeiten ein großer Vorteil.<br />

Welche Prognosen können Sie für die nahe<br />

Zukunft ableiten? Was fragen Kunden ab?<br />

Unsere Prognose: Die Nachfrage nach sauberem<br />

Schrott wird stark ansteigen. Hier besteht für viele<br />

Unternehmen, die auf ausreichend sauberen Schrott<br />

angewiesen sind, rascher Handlungsbedarf. Das Thema<br />

KI ist <strong>aktuell</strong> ein absolutes Hype-Thema, mit dem<br />

sich vieler unserer Kunden auseinandersetzen. Auch<br />

Sustainability ist ganz oben auf der Agenda. Etwa:<br />

Wie schafft man es, ein sauberes und vertrauenswürdiges<br />

CO 2 -Reporting aufzubauen? Über alles gesehen:<br />

„Digitale Transformation“ ist nach „Kosten senken“<br />

an zweiter Stelle der Priorität auf der Agenda<br />

der Chief Procurement Officer.<br />

Für <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> führte die Journalistin<br />

Sabine Ursel das Interview.<br />

Mitgründer von<br />

Metalshub ,<br />

Dr. Sebastian Kreft<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 13


» MANAGEMENT<br />

Gewinner des ISM-Awards „Business Network“: Altana<br />

Dezentrale Daten, zentrale Intelligenz:<br />

Altana vernetzt Einkaufswelten<br />

Das Spezialchemieunternehmen Altana setzt auf moderne Einkaufsentscheidungen<br />

mit Datenpower. Mit Hilfe der Plattform Empower erreicht das Unternehmen Transparenz<br />

über Ausgaben und ermöglicht Einblicke durch smarte Datenanalysen . So hebt<br />

Altana seine Einkaufsstrategien auf ein neues Level von Effizienz und Optimierung .<br />

Wir sprachen vor Ort mit den Machern des Projekts im Einkauf.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herzlichen<br />

Glückwunsch zum ISM-Award „Business<br />

Network“. Sie haben mit Empower eine<br />

hochmoderne Datenplattform entwickelt,<br />

heißt es in der Laudatio. Wie sind<br />

Sie darauf gekommen?<br />

Stefan Franke: Vielen Dank. Empower<br />

ist nicht nur ein Tool, es ist das Herzstück<br />

unserer Vision für einen digital transformierten<br />

Einkauf. Diese ruht im Wesentlichen<br />

auf drei Säulen: Kultur, Technologie<br />

und Agilität.<br />

Wir wollen eine Einkaufskultur fördern,<br />

die datenbasierte Einsichten als entscheidenden<br />

Wegweiser für unser Handeln<br />

sieht. Uns geht es darum, digitale Lösungen<br />

zu nutzen, die unsere Entscheidungen<br />

schärfen, fundierter und zukunftsorientierter<br />

machen. Technologie ist der<br />

Schlüssel zu dieser Transformation. Ganz<br />

wichtig ist dabei: Die Technologie muss<br />

klug eingesetzt werden. Deshalb streben<br />

wir an, unsere Datenprozesse so weit wie<br />

möglich zu automatisieren. Das minimiert<br />

Fehler und schafft neue Freiräume für unsere<br />

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen,<br />

um die Wertschöpfung im Einkauf zu erhöhen.<br />

Im Gespräch mit<br />

Jörg Mahn, Chief Sourcing Officer, Altana<br />

Stefan Franke, Head of Procurement Excellence, Altana<br />

Timo Scheller, Senior Project Manager Procurement<br />

Excellence, Altana<br />

Die dritte Säule, Agilität, ist in unserer<br />

schnelllebigen Welt unverzichtbar. Wir<br />

haben gelernt, dass die Nutzung vielfältiger<br />

Tools hilfreich sein kann, aber teilweise<br />

zu einem Netz aus manuellen Prozessen<br />

und Systembrüchen führen kann. Mit<br />

Empower als zentralen Data-Hub wollen<br />

wir das ändern und alle unsere Datenströme<br />

vereinen. Das dahinter liegende Datenmodell<br />

ist agil und ermöglicht uns,<br />

schnell auf neue Datenanforderungen zu<br />

reagieren und eine harmonische Datenlandschaft<br />

zu schaffen.<br />

Was war die Ausgangslage für Ihr Projekt?<br />

Franke: Die Entwicklung von Empower<br />

entsprang einer Reihe spezifischer, unternehmensinterner<br />

Herausforderungen. Als<br />

dezentrales Unternehmen, das seine Daten<br />

über eine Vielzahl verschiedener ERP-<br />

Systeme verteilt hatte, standen wir vor der<br />

Herausforderung, dass es keine zentralen<br />

Stammdaten gab. Die benötigen wir aber<br />

im Einkauf, um Synergien zu erkennen und<br />

zu nutzen. Genau hier setzt Empower an:<br />

„Empower soll Altana zeigen, was Altana<br />

eigentlich weiß“. Empower ermöglicht es<br />

uns, nicht nur unsere Daten aufzurufen,<br />

sondern unser kollektives Wissen zu bündeln<br />

und zu nutzen. Zudem wurde das<br />

Projekt maßgeblich von Nachhaltigkeitsaspekten<br />

geprägt. Empower unterstützt<br />

uns durch ein effektives Datenmanagement<br />

und erweiterte Analysefähigkeiten,<br />

die Anforderungen des deutschen Lieferkettengesetzes<br />

zu erfüllen.<br />

Welche Daten können Sie für die Plattform<br />

nutzen?<br />

Franke: Zunächst einmal bilden die<br />

klassischen ERP-Einkaufsdaten wie Rohstoffe,<br />

Lieferanten, Kategorien sowie<br />

Preise und Mengen unser „Data-Backbone“.<br />

Auf diesem Fundament haben wir<br />

zentrale Stammdaten geschaffen. Sie ermöglichen<br />

uns eine solide Datenbasis für<br />

analytische und strategische Einkaufsentscheidungen.<br />

Doch wir gehen noch einen Schritt weiter.<br />

Wir können zusätzliche Daten mit unserem<br />

„Data-Backbone“ verlinken. Dazu<br />

zählen beispielsweise Länder- und Industrierisiken<br />

unserer Lieferanten, die für die<br />

Einhaltung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes<br />

erforderlich sind.<br />

Die Möglichkeiten zur Integration und<br />

Analyse von Daten sind bei Empower nahezu<br />

unbegrenzt. Wir können praktisch<br />

jede Art von Daten einbeziehen, die für<br />

unsere Einkaufsaktivitäten und Geschäftsstrategien<br />

relevant sind. Die Plattform<br />

ist so konzipiert, dass sie flexibel<br />

und erweiterbar ist, um mit den sich ständig<br />

ändernden Anforderungen unseres<br />

Unternehmens Schritt zu halten.<br />

Timo Scheller: Von besonderer Bedeu-<br />

14 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Bild: Altana<br />

(v. l.) Jörg Mahn, Chief Sourcing Officer, Stefan Franke, Head of Procurement Excellence, und Timo Scheller, Senior Project Manager Procurement Excellence,<br />

setzen bei Altana auf moderne Einkaufsentscheidungen mit Datenpower.<br />

tung sind die Daten und Informationen,<br />

die aus externen Quellen integriert werden.<br />

Unsere Herausforderung besteht darin,<br />

diese externen Daten mit unseren internen<br />

Daten zu verlinken und dem Einkäufer<br />

oder der Einkäuferin in einem Tool<br />

eine übersichtliche Darstellung zu bieten.<br />

Empower – wie funktioniert das System?<br />

Franke: Empower dient als zentraler<br />

Data-Hub, der alle Datenströme bündelt.<br />

Dafür verbindet das System eine Graphdatenbank<br />

mit einer Data Factory. Die<br />

Graphdatenbank speichert Daten sowie<br />

deren Verbindungen, was die Analyse<br />

komplexer Beziehungen vereinfacht und<br />

uns die Möglichkeit bietet, unser Datenmodel<br />

schnell an unsere Anforderungen<br />

anzupassen. Die Data Factory hingegen<br />

kümmert sich um Datenimporte, -exporte<br />

und Transformationen, von Dashboards<br />

bis zu Predictive Analytics. Ein Beispiel ist<br />

unser neuronales Netz zur Preisvorhersage,<br />

das vielversprechende Ergebnisse liefert.<br />

Wir sind jedoch umsichtig und berücksichtigen<br />

die Grenzen maschineller<br />

Vorhersagen, da diese auf historischen<br />

Daten basieren und <strong>aktuell</strong>e Ereignisse<br />

nicht immer abbilden können. Momentan<br />

testen wir den Algorithmus intensiv.<br />

Können Sie uns etwas zur Graphdatenbank<br />

sagen? Wie sind Sie darauf gekommen?<br />

Franke: Die Entscheidung für eine<br />

Graphdatenbank war eine strategische,<br />

um den dynamischen und komplexen Anforderungen<br />

unserer Datenarchitektur<br />

gerecht zu werden. Sie eignen sich für<br />

Szenarien, in denen Daten und deren Beziehungen<br />

sich kontinuierlich ändern oder<br />

erweitern, ähnlich wie in sozialen Netzwerken.<br />

In solchen Umgebungen sind traditionelle<br />

tabellenbasierte Datenbanken<br />

oft nicht effizient.<br />

Vereinfacht kann man sich eine Graphdatenbank<br />

wie eine Mindmap vorstellen, in<br />

welcher verschiedene Datenpunkte, wie<br />

Lieferanten und ihre Rohstoffe, Bestellungen<br />

usw., miteinander verbunden sind.<br />

Das Arbeiten mit einer Graphdatenbank<br />

erlaubt uns, Abfragen von jedem Punkt im<br />

Netzwerk aus zu starten. Ein Klick auf den<br />

Knoten „Rohstoff“ kann beispielsweise<br />

sofort eine Baumstruktur mit allen zugehörigen<br />

Lieferanten und verknüpften Informationen<br />

aufzeigen. So können wir<br />

schnell und effizient Daten abrufen und<br />

analysieren, was für ein agiles und reaktionsfähiges<br />

Einkaufsmanagement unerlässlich<br />

ist.<br />

Verliert man bei so vielen Informationen<br />

nicht den Überblick?<br />

Franke: Die komplexe Graphstruktur<br />

unserer Datenbank bleibt für den Endnutzer<br />

im Frontend unsichtbar. Stattdessen<br />

haben wir eine benutzerfreundliche, explorative<br />

Web-Frontend-Oberfläche entwickelt,<br />

die an die intuitive Navigation<br />

von Plattformen wie Amazon erinnert.<br />

Diese ermöglicht es den Mitarbeitern und<br />

Mitarbeiterinnen, mit Leichtigkeit durch<br />

relevante Informationen zu surfen. Zur<br />

Aggregation dieser vielen Daten, setzen<br />

wir in einem nächsten Schritt ein Reportingsystem<br />

auf Empower auf, um unseren<br />

Usern maßgeschneiderte Dashboards für<br />

aggregierte Analysen anzubieten. Hier<br />

benutzen wir die SAP Analytics Cloud<br />

Technologie, die problemlos mit Empower<br />

zusammenarbeitet und Teil unserer Gesamtunternehmensstrategie<br />

ist.<br />

Wie hoch ist der Schulungsaufwand, um<br />

das Tool effektiv zu nutzen?<br />

Scheller: Die Benutzeroberfläche ist so<br />

intuitiv gestaltet, dass sie von jedem<br />

schnell verstanden wird. Unsere Erfahrungen<br />

haben gezeigt, dass eine einstündige<br />

Schulung ausreicht, um die grundlegenden<br />

Funktionen des Tools zu verstehen<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 15


» MANAGEMENT<br />

und zu erlernen, wie man es für den täglichen<br />

Gebrauch einsetzt.<br />

Allerdings bietet Empower schon jetzt eine<br />

beeindruckende Tiefe und Breite an<br />

Informationen , die durch die Integration<br />

von zahlreichen externen Datenquellen<br />

mit unseren internen Daten erst möglich<br />

wurde. Es ist daher verständlich,<br />

dass es etwas mehr Zeit<br />

in Anspruch nehmen wird, um<br />

das volle Potenzial, welches<br />

Empower bietet, vollständig<br />

zu erfassen und zu nutzen.<br />

Wie stellen Sie die Qualität<br />

Ihrer Daten sicher?<br />

Franke: Wir arbeiten <strong>aktuell</strong> daran, den<br />

Datenimport aus unserer vielfältigen Datenlandschaft<br />

vollständig zu automatisiert.<br />

Dabei nutzen wir alle technischen<br />

Möglichkeiten unseres neuen Systems,<br />

um die Datenqualität dauerhaft signifikant<br />

zu verbessern.<br />

Empower ist so konzipiert, dass es automatisch<br />

Inkonsistenzen beim Import neuer<br />

Daten erkennt. Wir haben zudem robuste<br />

Datenqualitätschecks implementiert,<br />

die nicht nur Abweichungen aufdecken,<br />

sondern uns auch ermöglichen, diese<br />

zeitnah zu korrigieren.<br />

Ein weiterer entscheidender Aspekt ist die<br />

von uns forcierte „Open-Data Culture“ im<br />

Einkauf. Da unsere Nutzer und Nutzerinnen<br />

vollen Zugriff auf unsere Daten haben,<br />

sind sie in der Lage, frühzeitig Fehler<br />

zu identifizieren, was enorm zur Datenintegrität<br />

beiträgt. Wir sind der Überzeugung,<br />

eine exzellente Datenqualität stellt<br />

eine gemeinschaftliche Aufgabe des gesamten<br />

Einkaufsnetzwerks dar. Oder kurz:<br />

Kultur schafft Datenqualität.<br />

»Man kann sich eine Graphdatenbank<br />

wie eine Mindmap vorstellen,<br />

in der verschiedene Datenpunkte<br />

miteinander verbunden sind.«<br />

Altana Empower<br />

Herr Scheller, Sie sind für die Rohstofftransformation<br />

bei Altana verantwortlich.<br />

Was bedeutet das?<br />

Scheller: Als Projektleiter für unsere<br />

Rohstofftransformation geht es um Themen<br />

wie den CO 2 -Ausstoß und andere<br />

Nachhaltigkeitsaspekte unserer Rohmaterialien.<br />

Dabei handelt es sich um Angelegenheiten,<br />

die nicht ausschließlich den<br />

Einkauf betreffen, sondern immer Schnittstellen<br />

zu anderen Bereichen haben.<br />

Wir integrieren CO 2 immer stärker in unsere<br />

Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten.<br />

Mit dem klaren Ziel, unsere Produkte<br />

umweltfreundlicher zu gestalten. In einem<br />

anderen Bereich sind auch soziale Aspekte<br />

der Nachhaltigkeit relevant, die mit dem<br />

Personalwesen und anderen Kollegen und<br />

Kolleginnen zusammenhängen. In allen<br />

Bereichen entstehen Daten, die wir handhaben<br />

müssen. Einerseits müssen wir den<br />

Einkäufern und Einkäuferinnen Informationen<br />

zur Verfügung stellen, wenn sie sich<br />

mit ihren Lieferanten treffen, beispielsweise<br />

in Bezug auf soziale Risikobewertungen<br />

oder Umweltthemen. Zum anderen müssen<br />

wir zunehmend externe Berichte erstellen,<br />

in denen wir einen Gesamtüberblick<br />

über unsere vier Divisionen<br />

benötigen. In diesem<br />

Zusammenhang bietet die Verwaltung<br />

aller Daten in einer<br />

einzigen Datenbank den Vorteil,<br />

dass Berichte einfacher erstellt<br />

werden können. Gleichzeitig<br />

ermöglicht sie, einen umfassenden Überblick<br />

über Lieferanten, ohne zwischen verschiedenen<br />

Systemen hin- und herwechseln<br />

zu müssen.<br />

Wie hoch ist die Akzeptanz der Nachhaltigkeitsthemen<br />

bei den Einkäufern<br />

und Einkäuferinnen?<br />

Scheller: Das Rollenverständnis strategischer<br />

Einkäufer und Einkäuferinnen hat<br />

sich verändert. Neben Preis, Qualität und<br />

Verfügbarkeit sind insbesondere auch<br />

Themen wie Nachhaltigkeit und Innovation,<br />

sowohl in ökologischer als auch sozialer<br />

Hinsicht, in der Lieferantenbewertung<br />

und damit auch in den Lieferantengesprächen<br />

maßgeblich. Besonders im Hinblick<br />

auf Umweltaspekte wie CO 2 beschäftigen<br />

sich viele Kollegen und Kolleginnen<br />

auch privat mit dem Thema. Und<br />

Sie sind stolz, wenn sie ihren Freunden<br />

sowie Freundinnen und der Familie erzählen<br />

können: „Ich arbeite in einem Chemieunternehmen<br />

im Einkauf, und wir setzen<br />

uns intensiv mit Nachhaltigkeitsaspekten<br />

auseinander.“<br />

Altana, ein weltweit führendes Unternehmen der Spezialchemie,<br />

hat über 35 Einkaufsabteilungen mit 100 Mitarbeitern<br />

und Mitarbeiterinnen in 15 Ländern. Um die<br />

<strong>Beschaffung</strong>s aktivitäten der einzelnen Rechtseinheiten zu<br />

konsolidieren und analysieren, entwickelte Altana eine<br />

(Meta-)Plattform für Knowledge Engineering. Die erste Version<br />

von „Empower“ wurde 2022 fertig. Ziel war nicht nur<br />

die hundertprozentige Transparenz über alle Unternehmensausgaben,<br />

sondern – durch die Analyse der verfügbaren<br />

Daten – auch die Möglichkeit detaillierte Einblicke zu<br />

erhalten. Die zweite Version soll KI-Algorithmen integrieren.<br />

Können Sie mehr über Ihre Bemühungen<br />

und Pläne im Bereich Nachhaltigkeit<br />

berichten?<br />

Jörg Mahn: Unser erster Fokus liegt darauf,<br />

Transparenz hinsichtlich des <strong>aktuell</strong>en<br />

Status zu schaffen, was bereits eine komplexe<br />

Aufgabe darstellt. Dabei müssen wir<br />

zahlreiche Kriterien berücksichtigen, die<br />

teilweise miteinander konkurrieren und<br />

uns vor die Herausforderung stellen, was<br />

Nachhaltigkeit genau bedeutet. Denn es<br />

geht nicht nur um die Reduktion von<br />

16 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


CO 2 -Emissionen. Wir müssen auch andere<br />

Aspekte der Nachhaltigkeit wie den Einsatz<br />

biobasierter Rohstoffe und deren Auswirkungen<br />

auf Umwelt und Biodiversität berücksichtigen.<br />

Dies erfordert eine sorgfältige<br />

Abwägung, um sicherzustellen, dass unsere<br />

Nachhaltigkeitsbemühungen nicht<br />

ungewollte negative Auswirkungen haben.<br />

Die Zusammenarbeit zwischen unserer<br />

Forschung und Entwicklung (R&D) und<br />

dem Einkauf wird entscheidend sein, um<br />

Wege zur Senkung des CO 2 -Gehalts in<br />

unseren Rohstoffen zu finden und gleichzeitig<br />

andere Nachhaltigkeitsaspekte zu<br />

berücksichtigen. Dies kann durch Materialsubstitution,<br />

innovative Ideen von unseren<br />

Lieferanten und die Nutzung erneuerbarer<br />

Energiequellen in deren Produktion<br />

erreicht werden.<br />

Um realistische und valide Reduktionsziele<br />

festzulegen, müssen wir unsere gesamte<br />

Rohstoffbasis gründlich analysieren<br />

und sicherstellen, dass unsere<br />

Ziele im Einklang mit den tatsächlichen<br />

Möglichkeiten stehen.<br />

Dies erfordert eine präzise<br />

Bottom-up-Kalkulation.<br />

Ist Alatana mit der Plattform<br />

resilienter geworden?<br />

Franke: Ja, mit Empower hat<br />

Altana definitiv an Resilienz gewonnen.<br />

Als dezentrales Unternehmen, in dem einzelne<br />

Standorte manchmal nicht mehr als<br />

200 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />

zählen, ist der direkte Zugriff auf unser<br />

Portfolio mit über 17.000 Lieferanten und<br />

mehr als 40.000 Rohstoffen entscheidend.<br />

Empower hat die Hürden des Datenzugangs<br />

eliminiert und dadurch die<br />

inhärente Resilienz von Altana maßgeblich<br />

gefestigt. Diesen Ansatz wollen wir<br />

besonders im Bereich der Nachhaltigkeit<br />

nutzen: Datentransparenz kann die<br />

schnelle und effiziente Integration nachhaltiger<br />

Rohstoffe in unsere Produkte<br />

deutlich steigern, was unsere Position in<br />

einem umweltbewussten Markt stärkt<br />

und unsere Anpassungsfähigkeit an künftige<br />

Herausforderungen erhöht.<br />

Scheller: Bisher funktioniert Empower<br />

unidirektional: Daten werden zentralisiert<br />

zur Verfügung gestellt und können von<br />

den Benutzern und Benutzerinnen abgerufen<br />

und in ihren Arbeitsalltag integrieren<br />

werden. Die wahre Stärke einer resilienten<br />

Organisation zeigt sich jedoch in<br />

der Fähigkeit, schnell auf Veränderungen<br />

zu reagieren und Kommunikation in alle<br />

Richtungen zu ermöglichen.<br />

In der nächsten Entwicklungsphase wird<br />

Empower zu einer bidirektionalen Plattform<br />

ausgebaut. Das bedeutet, Informationen<br />

fließen nicht nur von einer zentralen<br />

Quelle zu Nutzern und Nutzerinnen,<br />

sondern diese werden ebenfalls in der Lage<br />

sein, entscheidende Informationen<br />

zeitnah ins Netzwerk einzuspeisen. Dazu<br />

gehören zum Beispiel Force-Majeure-<br />

Meldungen oder Informationen über Lieferausfälle.<br />

Diese Art der Echtzeitkommunikation<br />

wird Altana einen weiteren großen<br />

Schritt nach vorne bringen, indem sie<br />

die Reaktionsfähigkeit des Unternehmens<br />

in einer dynamischen Marktumgebung<br />

erhöht.<br />

»Die wahre Stärke einer resilienten<br />

Organisation zeigt sich in der<br />

Fähigkeit , schnell auf Veränderungen<br />

zu reagieren und Kommunikation in<br />

alle Richtungen zu ermöglichen.«<br />

Was sind die nächsten Schritte?<br />

Mahn: Für die erfolgreiche digitale<br />

Transformation des Altana Einkaufsnetzwerks<br />

ist eine nahtlose Integration in unsere<br />

Organisationsstruktur entscheidend.<br />

Es geht dabei nicht nur darum, Informationen<br />

zur Verfügung zu stellen, sondern<br />

insbesondere darum, unsere Mitarbeiter<br />

und Mitarbeiterinnen aktiv in den Prozess<br />

zu integrieren. Wir streben danach, dass<br />

sie Mitgestalter und Mitgestalterinnen<br />

der digitalen Möglichkeiten sind. So gewährleisten<br />

wir, dass die Transformation<br />

von allen getragen und mit Leben gefüllt<br />

wird.<br />

Hilft diese Plattform beim entscheidenden<br />

Schritt vom reinen Einkauf zum<br />

Wertebringer?<br />

Franke: Absolut, diese Plattform ist weit<br />

mehr als nur ein Hilfsmittel für den Einkauf;<br />

sie ist ein entscheidender Faktor für<br />

die Transformation hin zu einem echten<br />

Wertebringer. Die Komplexität <strong>aktuell</strong>er<br />

Herausforderungen übersteigt oft die Kapazitäten<br />

einzelner Personen – hier ermöglicht<br />

die Plattform eine Kollaboration,<br />

die essenziell ist. Auch angesichts wachsender<br />

regulatorischer Anforderungen<br />

bietet die Plattform eine unverzichtbare<br />

zentrale Lösung. Zudem unterstützt sie<br />

eine integrierte Strategie, die Kostenoptimierung,<br />

Resilienz und Nachhaltigkeit<br />

nicht nur adressiert, sondern sie zu Kernzielen<br />

unseres Handelns macht.<br />

Mahn: Empower markiert einen entscheidenden<br />

Wendepunkt für unseren<br />

Einkauf – von einer reinen <strong>Beschaffung</strong>sfunktion<br />

hin zu einem echten Wertebringer.<br />

Früher waren es oft fehlende Informationen,<br />

die unsere Einkäufer und Einkäuferinnen<br />

daran hinderten, ihr volles<br />

Potenzial auszuschöpfen. Jetzt ist es unsere<br />

Priorität, sie zu befähigen, die Plattform<br />

effektiv zu nutzen. Viele der Daten,<br />

die jetzt leicht zugänglich<br />

sind, hätten schon früher genutzt<br />

werden können, um<br />

Mehrwert zu schaffen. Unsere<br />

Einkäufer und Einkäuferinnen<br />

wissen in vielen Fällen bereits,<br />

wie sie mit diesen Daten umgehen<br />

müssen. Für die neuen<br />

Möglichkeiten, die die Plattform<br />

und das erweiterte Wissen eröffnen,<br />

bieten wir jedoch zusätzliche Schulungen<br />

an. Dadurch wird sichergestellt, dass jeder<br />

im Team versteht, wie man die Daten für<br />

maximale Vorteile nutzt und wie wir gemeinsam<br />

durch diese neue Transparenz<br />

und das vertiefte Verständnis einen echten<br />

Wert für das Unternehmen generieren<br />

können.<br />

Franke: Im Einkauf müssen wir uns<br />

klarmachen, dass sich die Rolle des Einkäufers,<br />

der Einkäuferin zwar nicht<br />

grundlegend wandeln wird, sie jedoch<br />

durch neue regulatorische Bestimmungen<br />

und ein dynamisches Marktumfeld deutlich<br />

vielschichtiger gestaltet sein wird.<br />

Durch die digitale Transformation stellen<br />

wir das notwendige Werkzeug bereit, um<br />

den kommenden Herausforderungen erfolgreich<br />

begegnen zu können.<br />

Das Gespräch führte Sabine Schulz-<br />

Rohde, <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 17


Der bürokratische Aufwand für<br />

ein aussagekräftiges Reporting<br />

lässt sich mit den richtigen<br />

Hilfsmitteln meistern.<br />

Bild: lin/stock.adobe.com<br />

Risiken als Chance erkennen<br />

ESG-Risiken digital managen<br />

und meistern<br />

Um Risiken in der Lieferkette managen zu können, müssen diese zunächst erkannt<br />

werden. Nicht alle Lieferanten können bis ins Detail betrachtet werden. Das ist auch<br />

gar nicht nötig. Allerdings ist für das geforderte Risikomanagement eine digitale Lösung<br />

unerlässlich, denn nur so kann eine große Anzahl an Lieferanten erfasst werden.<br />

Auch in 2024 werden die Gesetzgebungen<br />

zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten,<br />

zur Berichterstattung und<br />

Nachhaltigkeit weiter ausgebaut. So ging<br />

beispielsweise am 1. Januar 2024 das<br />

deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

(LkSG) in die zweite Runde der<br />

Umsetzung. Ab sofort sind nicht mehr nur<br />

Unternehmen ab 3000, sondern schon ab<br />

1000 Mitarbeitenden verpflichtet, menschenrechtliche<br />

und umweltbezogene<br />

Sorgfaltspflichten in ihrer Lieferkette zu<br />

beachten. Außerdem wirft die EU-Richtlinie<br />

Corporate Sustainability Reporting<br />

Directive (CSRD) ihre Schatten voraus. In<br />

Kraft getreten ist diese bereits am 5. Januar<br />

2023, in nationales Recht umsetzen<br />

müssen die EU-Mitgliedstaaten die Direktive<br />

nun bis spätestens Juli 2024. Bis<br />

2028 werden schrittweise insgesamt circa<br />

49.000 Unternehmen über Nachhaltigkeit<br />

– auch in der Lieferkette – berichten<br />

müssen.<br />

Nach einer Umfrage von Statista sehen<br />

Unternehmen die größten Hürden zum einen<br />

im zeitlichen Aufwand, den die Datenerfassung,<br />

-auswertung und die Berichterstattung<br />

mit sich bringen, zum anderen<br />

in der nötigen Datenqualität, die<br />

für ein aussagekräftiges Reporting notwendig<br />

ist. Die gute Nachricht ist: Der<br />

bürokratische Aufwand lässt sich mit den<br />

richtigen Hilfsmitteln meistern. Denn es<br />

gibt eine Vielzahl von Wegen, wie Unternehmen<br />

die Einhaltung ihrer Sorgfaltspflichten<br />

umsetzen und im besten Fall<br />

dabei sogar unternehmerischen Mehrwert<br />

erzielen können.<br />

Software schafft<br />

Transparenz und Effizienz<br />

Unternehmen arbeiten oft mit Zehntausenden<br />

von direkten Lieferanten zusammen.<br />

Hinzu kommen mittelbare Zulieferer<br />

und die eigenen Geschäftspraktiken, die<br />

sie im Blick behalten müssen. Analog ist<br />

die Informationsmasse, die allein durch<br />

die Lieferantenstammdaten entsteht, für<br />

die betroffenen Unternehmen ohne externe<br />

Unterstützung oft nicht zu bewältigen.<br />

Viele Unternehmen greifen deshalb auf<br />

18 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


MANAGEMENT «<br />

spezialisierte Softwareanbieter zurück,<br />

die bei der Einhaltung von Sorgfaltspflichten<br />

kompetent unterstützen und einen<br />

übersichtlichen Risikomanagementprozess<br />

bieten.<br />

Eine systematische Erfassung relevanter<br />

Daten ist die Grundlage für eine automatisierte<br />

Datenanalyse und -auswertung.<br />

Damit verschaffen sich Unternehmen einen<br />

Überblick über die Gesamtheit ihrer<br />

Lieferantenbasis. Die Auswertung ist wiederum<br />

wichtig, um eine aussagekräftige<br />

Dokumentation zu gewährleisten, die für<br />

Reportings, wie sie beispielsweise im<br />

LkSG oder der CSRD gefordert sind, notwendig<br />

ist.<br />

Der Prozess des<br />

ESG-Risikomanagements<br />

Die Analyse und Dokumentation der Daten<br />

sind allerdings nur ein, wenn auch<br />

sehr wichtiger, Schritt. Um Risiken in der<br />

Lieferkette frühzeitig zu erkennen, reicht<br />

er allein, häufig einmal im Jahr durch eine<br />

Bestandsanalyse ausgeführt, nicht aus.<br />

Nur ein kontinuierliches Monitoring bietet<br />

die Möglichkeit, Risiken seriös und<br />

nachvollziehbar bewerten und sofort einschreiten<br />

zu können, wenn Veränderungen<br />

des Risikostatus erkennbar sind.<br />

Hierfür eigen sich Plattformlösungen besonders<br />

gut, auf denen alle Daten in einem<br />

Dashboard zusammenlaufen. Diese<br />

Art von Control Panel ermöglicht einen<br />

Überblick sowohl über verschiedene ESG-<br />

Kategorien als auch über die Lieferanten.<br />

Somit versetzt die Plattform Unternehmen<br />

in die Lage, Reporting- und Offenlegungspflichten<br />

im Einklang mit den relevanten<br />

Standards zu erfüllen.<br />

Eine dezidierte Software zur Überwachung<br />

der Lieferkette bietet zudem eine<br />

hohe Skalierbarkeit. Neue Lieferanten<br />

können leicht ergänzt, bestehende ohne<br />

großen Aufwand angepasst werden. Auf<br />

Basis der Daten, die auf der Plattform gesammelt<br />

werden, können Unternehmen<br />

zielgerichtete Handlungsweisen und<br />

Maßnahmen ableiten. Die gesammelten<br />

Daten tragen zur Transparenz im Unternehmen<br />

und entlang der Lieferkette bei.<br />

Unternehmen erhalten wichtige Einblicke,<br />

die sich wiederum auf andere Unternehmensbereiche,<br />

wie Forschung, Entwicklung<br />

oder die Produktion, auswirken. So<br />

können zum Beispiel schädliche oder risikobehaftete<br />

Rohstoffe und Materialien<br />

kritisch untersucht und gegebenenfalls<br />

durch nachhaltigere Alternativen ersetzt<br />

werden.<br />

Die Anforderungen aus dem LkSG und anderen<br />

Gesetzgebungen bieten eine gute<br />

Gelegenheit, bestehende Prozesse im unternehmensinternen<br />

Lieferkettenmanagement<br />

genau unter die Lupe zu nehmen.<br />

Im Grunde machen die Sorgfalts- und Berichtspflichten<br />

eine digitale Lösung unumgänglich.<br />

Die Einführung einer Monitoring-Software<br />

leistet somit einen großen<br />

Beitrag zur Digitalisierung im Unternehmen<br />

– ein willkommener Mehrwert<br />

für viele Unternehmen.<br />

Um den Sorgfalts- und Berichtspflichten<br />

nachzukommen, müssen Unternehmen<br />

Auskunft über die eigenen Geschäftspraktiken,<br />

direkte Zulieferer und in anlassbezogenen<br />

Fällen auch über ihre mittelbaren<br />

Lieferanten geben. Dazu bedarf es<br />

umfassender Analysen. Das LkSG schreibt<br />

jährliche Risikoanalysen für die eigenen<br />

Geschäftspraktiken und die direkte Lieferkette<br />

vor. Zudem sind auch anlassbezogene<br />

Analysen nötig, sobald sich die Geschäftstätigkeit<br />

ändert. Wertvoll zu wissen<br />

ist, dass beim LkSG mittelbare Zulieferer<br />

nur bei substanziellen Hinweisen<br />

auf mögliche Verletzungen analysiert<br />

werden müssen. Grundsätzlich gilt nämlich<br />

das Prinzip der Angemessenheit. Das<br />

bedeutet, dass Unternehmen nur das tun<br />

müssen, was ihnen angesichts ihres individuellen<br />

Kontextes möglich ist, sich also<br />

auf die wesentlichen Risiken konzentrieren<br />

können.<br />

Risiken in der Lieferkette<br />

zeitnah identifizieren<br />

Digitale Lösungen können maßgeblich bei<br />

der Umsetzung der Sorgfaltspflichten unterstützen<br />

und ermöglichen die Durchführung<br />

regelmäßiger Risikoanalysen sowie<br />

das Ableiten und Verwalten von erforderlichen<br />

Präventions- und Abhilfemaßnahmen.<br />

Außerdem erleichtern sie<br />

die Dokumentation und Berichterstattung.<br />

Unternehmen sollten sich daher<br />

frühzeitig auf die Suche nach einer geeigneten<br />

Lösung machen.<br />

ESG-Risikomanagement: Nachhaltigkeitsmonitoring über Plattformen.<br />

Bild: IntegrityNext<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 19


» MANAGEMENT<br />

Mit Hilfe eines mehrstufigen Modells<br />

lässt sich schnell identifizieren, wo sich<br />

Risikopotenzial verbirgt. Bei IntegrityNext<br />

beispielsweise, einer cloudbasierten<br />

Plattform für nachhaltige Lieferketten,<br />

erfolgt zunächst eine automatisierte Einstufung<br />

der Nachhaltigkeitsrisiken aller<br />

Lieferanten auf Basis von mehr als 45 Industrie-<br />

und Länder-KPIs zu Themen wie<br />

Kinderarbeit, Arbeitssicherheit und Umweltverschmutzung.<br />

Gleichzeitig durchforstet<br />

eine KI täglich Medien und soziale<br />

Netzwerke nach kritischen Lieferantenmeldungen.<br />

Stellen sich bei einem Lieferanten<br />

erhöhte Risiken heraus, kann dieser<br />

zu einem vertieften, themenbezogenen<br />

Assessment eingeladen werden. Der<br />

Lieferant muss dann über Zertifikate und<br />

die Beantwortung von Fragebögen nachweisen,<br />

dass er ESG-Risiken erkennen und<br />

minimieren kann. Ein Expertenteam hilft<br />

bei der Validierung der Ergebnisse, prüft<br />

eingehende Auskünfte wie Zertifikate und<br />

Belegdokumente und stellt bei Bedarf<br />

Korrekturanfragen an die Lieferanten.<br />

Nachfolgend kann der Kunde über die<br />

Plattform Präventiv- und Abhilfemaßnahmen<br />

einleiten und den Fortschritt kontinuierlich<br />

verfolgen. Abgerundet wird das<br />

Ganze durch einen automatisiert erstellten<br />

Nachhaltigkeitsbericht, der beispielsweise<br />

für gesetzliche Offenlegungspflichten,<br />

wie die des deutschen Lieferkettengesetzes<br />

oder der europäischen Corporate<br />

Sustainability Reporting Directive (CSRD),<br />

genutzt werden kann.<br />

Nick Heine, Integrity Next<br />

Wesentliche Aspekte bei der Auswahl geeigneter Tools<br />

Nick Heine, Co-Founder und COO bei<br />

Integrity Next<br />

Bild: IntegrityNext/Matthias Haslauer<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Warum ist<br />

kontinuierliches Monitoring<br />

entscheidend , um Risiken in der<br />

Lieferkette frühzeitig zu erkennen,<br />

im Vergleich zu einer jährlichen<br />

Bestands analyse?<br />

Nick Heine: Kontinuierliches, proaktives<br />

Monitoring in der Lieferkette<br />

ist entscheidend für ein erfolgreiches<br />

Risikomanagement, da man so Risiken<br />

in Echtzeit erkennen und schnell<br />

reagieren kann – im Gegensatz zur<br />

jährlichen Analyse, die Probleme<br />

möglicherweise erst spät erkennt. Es<br />

identifiziert Trends frühzeitig,<br />

reduziert potenzielle Auswirkungen<br />

von Störungen und ermöglicht<br />

kontinuierliche Verbesserungen im<br />

Risikomanagement .<br />

Welche Kriterien sollten Unternehmen<br />

bei der Auswahl einer geeigneten<br />

Softwarelösung für die Sorgfaltspflichten<br />

in Lieferketten beachten?<br />

Heine: Eine der größten Herausforderungen<br />

des LkSG liegt im administrativen<br />

Aufwand. Eine Software lösung<br />

muss daher große Mengen an Lieferantendaten<br />

verwalten und verarbeiten<br />

können und sollte effiziente Risikomanagementprozesse<br />

von Lieferantenmanagement,<br />

Datenerfassung und -analyse<br />

über Risikobewertung bis hin zur Berichterstattung<br />

abbilden können. Bestenfalls<br />

unterstützt eine solche Lösung<br />

automatisiert abstrakte Risiko- und<br />

Wesentlichkeitsanalysen, sodass Ressourcen<br />

durch eine intelligente Lieferantenpriorisierung<br />

optimal genutzt<br />

werden. Das Thema Dokumentation und<br />

Berichterstattung ist ein wesentlicher<br />

Aspekt. Hier sollte man darauf achten,<br />

dass ein Tool die Methodik und Maßnahmen<br />

dokumentiert und berichtsfähige<br />

KPIs zur Verfügung stellt, um die<br />

Effektivität der angewandten Maßnahmen<br />

zu messen und das Berichten zu<br />

erleichtern. Eine Softwarelösung sollte<br />

flexibel gestaltet sein, um sich den<br />

ständig ändernden gesetzlichen Anforderungen<br />

und spezifischen Prozessen<br />

des Unternehmens anzupassen. Außerdem<br />

sollte sie sich nahtlos in bestehende<br />

Systeme und Arbeitsabläufe integrieren<br />

lassen. Nicht zuletzt spielt für<br />

die Akzeptanz im Unternehmen sowie<br />

beim Lieferanten die Benutzerfreundlichkeit<br />

eine große Rolle.<br />

Welche konkreten Maßnahmen<br />

können Unternehmen ergreifen, um<br />

auf erhöhte Risiken in der Liefer -<br />

kette zu reagieren, und wie wird der<br />

Fortschritt überwacht?<br />

Heine: Das kann mit Kontrollmechanismen<br />

anfangen, beispielsweise über<br />

Selbstauskünfte oder Vor-Ort Audits,<br />

um tiefere Einblicke in die Praktiken<br />

der Lieferanten zu bekommen. Unternehmen<br />

können Schulungen und<br />

Trainings für ihre Lieferanten anbieten,<br />

um das Bewusstsein zu stärken und<br />

das notwendige Know-how aufzubauen.<br />

Die Kommunikation mit den Lieferanten<br />

ist besonders wichtig – tritt<br />

tatsächlich eine Verletzung ein, sollte<br />

man gemeinsam Maßnahmen zur Minimierung<br />

oder Beendigung entwickeln.<br />

Diese können über ein Tool wie<br />

IntegrityNext verwaltet, dokumentiert<br />

und nachverfolgt werden . Man kann<br />

aber auch früher ansetzen, um Risiken<br />

von vorneherein zu minimieren. Das<br />

kann zum Beispiel durch vertragliche<br />

Zusicherungen wie Code of Conducts<br />

geschehen oder indem bereits bei der<br />

Auswahl der Lieferanten ESG-Aspekte<br />

berücksichtigt werden.<br />

20 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Transformation des Einkaufs<br />

Die neue Ökonomie der <strong>Beschaffung</strong><br />

Klimaziele, Sorgfaltspflichten, Inflation und Materialkrisen haben ein Umfeld geschaffen,<br />

in dem der Einkauf viele Zielkonflikte verhandeln muss. Im Balanceakt von Versorgung,<br />

Innovation, Kosten, Qualität, Nachhaltigkeit und Resilienz hilft ein Deep-Dive in<br />

die Warengruppenstruktur.<br />

Multiple Krisen haben die Rahmenbedingungen<br />

für Unternehmen spürbar verändert. Aus der<br />

Pandemie und dem Ukrainekrieg entstanden Lieferengpässe<br />

und Preissteigerungen, die den Energieund<br />

Materialzukauf deutlich verteuert und erschwert<br />

haben. Hinzu kommen die Klimakrise und die umwelt-<br />

und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten.<br />

Auf Missstände in den Lieferketten wie moderne<br />

Sklaverei und Kinderarbeit hat der Gesetzgeber reagiert<br />

und die Lieferkettenverantwortung seit 2023<br />

gesetzlich festgeschrieben. Die EU legt mit einer eigenen<br />

Regelung jetzt nach.<br />

CO 2 hat ein Preisschild<br />

Aus dieser Komplexität ergeben sich Zielkonflikte: Es<br />

geht nicht mehr nur um die Balance eines Dreiecks<br />

aus Kosten, Qualität und Zeit. Es geht – in einem<br />

Sechseck – gleichzeitig um Nachhaltigkeit, Resilienz<br />

und Innovation.<br />

Diese neue Ökonomie der <strong>Beschaffung</strong> hat Auswirkungen<br />

auf Kostenprojekte, Kostenstrukturen und die<br />

Ausgestaltung der Liefernetzwerke. Gleichzeitig ist<br />

sie die adäquate Reaktion auf Klimakrise, Geopolitik<br />

und Gesetzgebung sowie auf die Notwendigkeit die<br />

Liefernetzwerke nachhaltig und resilient umzugestalten.<br />

Der Wandel wird durch die Regulatorik getrieben. In<br />

Deutschland gilt das Lieferkettengesetz als Auftakt<br />

für eine neue Art des Wirtschaftens, die die externalisierten<br />

Kosten in die Rechnung einbezieht. Die Verantwortung<br />

der Unternehmen wird mit der EU-Lieferkettenregulatorik<br />

deutlich ausgeweitet. Die Regelung<br />

gilt auch für die vorgelagerten Lieferketten und<br />

umfasst Klimaziele. Für die Umsetzung der Klimaziele<br />

spielt die EU-Taxonomie eine wichtige Rolle. Sie legt<br />

fest, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als nachhaltig<br />

gelten und soll Kapitalströme entsprechend<br />

umlenken. Mit der ab 2025 geltenden Richtlinie zur<br />

nachhaltigen Berichterstattung (CSRD) kommen<br />

weitere Berichtspflichten. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />

wird der finanziellen Berichtspflicht<br />

gleichgestellt und unterliegt einer externen Prüfung.<br />

Ein Instrument, um in Europa die Klimaziele zu erreichen,<br />

ist der Emissionshandel (EU-ETS). Dabei bildet<br />

sich der CO 2 -Preis als Knappheitspreis am Markt.<br />

2022 wurde erstmals die 100 Euro-Marke für eine<br />

Tonne CO 2 -Äquivalent erreicht. Hinzu kommt die<br />

CO 2 -Steuer, die für fossile Brennstoffe bis 2025 in<br />

Deutschland auf 55 Euro je Tonne CO 2 -Äquivalent<br />

ansteigen soll. Das europäische CO 2 -Grenzausgleichssystem<br />

belegt seit Herbst 2023 auch die Emissionen<br />

importierter Rohstoffe und Vorprodukte mit<br />

einer CO 2 -Abgabe. Der Carbon Border Adjustment<br />

Mechanism (CBAM) betrifft Eisen, Stahl, Zement,<br />

Aluminium, Elektrizität, Düngemittel, Wasserstoff<br />

sowie bestimmte vor- und nachgelagerte Eisen- und<br />

Stahlprodukte. Ab 2026 sind die CBAM-Zertifikate<br />

für den Import verpflichtend. CO 2 ist also längst mit<br />

einem Preisschild versehen. Und der Preis wird weiter<br />

steigen.<br />

Unbestritten ist: Der moderne Einkauf ist sehr erfahren<br />

darin die Einkaufspreise mit der Materialqualität<br />

Das Zukunftswerkstatt Summit am 13. März 2024<br />

in Bonn setzt den Diskurs um die „Neue Ökonomie<br />

der <strong>Beschaffung</strong>“ in interaktiven Vortragsund<br />

Workshopformaten fort und begleitet Einkauf<br />

& SCM bei der Transformation.<br />

Anmeldung: zukunftswerkstatt-einkauf.de<br />

Bild: amc<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 21


» MANAGEMENT<br />

Die Hebel für die Transformation<br />

• Analyse: Im Warengruppenstrategieprozess werden<br />

<strong>Beschaffung</strong>smärkte, Länderrisiken, Technologietrends,<br />

Preisentwicklung und der Status der Transformation<br />

(Umsetzung der Klimaziele, Reduktionsmaßnahmen<br />

im Landes- und Wettbewerbsumfeld)<br />

intensiv beleuchtet. Aus den Erkenntnissen leitet<br />

sich die angepasste Warengruppenstrategie ab.<br />

• Gesprächsbasis: Mit einer ausgearbeiteten Warengruppenstrategie<br />

ist der Einkauf auf Transformationsgespräche<br />

optimal vorbereitet und kann Nachhaltigkeits-<br />

und Kostenziele gegenüber Lieferanten<br />

realistisch adressieren.<br />

• Optionen: Wer die <strong>Beschaffung</strong>smärkte, die Preisentwicklung<br />

und den Reifegrad der Unternehmen<br />

im Hinblick auf die Transformation (Klimaziele,<br />

Maßnahmen zur Reduktion) und die Länderrisiken<br />

von Warengruppen kennt, kann mit strategischen<br />

Lieferanten auf partnerschaftlicher Ebene die<br />

besten Handlungs- und Preisoptionen erarbeiten.<br />

• Relevanz: Der Strategieprozess erlaubt es Warengruppen,<br />

Untergruppen und relevante Artikel in<br />

einer Kraljic-Matrix nach Relevanz der Waren -<br />

gruppe und Komplexität des <strong>Beschaffung</strong>smarktes<br />

in Hebel- und Engpassmaterialien, strategische und<br />

kritische Materialien zu unterteilen und hieraus die<br />

entsprechenden Maßnahmen abzuleiten.<br />

• Nutzen: Die Erfahrungen zeigen : Das strategische<br />

Warengruppenmanagement hilft durch die Erkenntnisse<br />

auch bei der Sicher stellung der Versorgung<br />

und dem Aufbau resilienter Lieferketten.<br />

und Versorgung abzugleichen. Mit der ESG-Regulatorik<br />

und den Klimazielen versucht man nun einen<br />

Teil der externen Kosten zu internalisieren. Auch die<br />

Resilienz von Lieferketten erfordert eine neue Bewertung<br />

der Kosten und Risiken, die die ausgelagerte<br />

Wertschöpfung mit sich bringt. Damit werden Kostenprojekte<br />

im Einkauf mehrdimensional. Und sie<br />

brauchen, um optimale Entscheidungen daraus abzuleiten,<br />

einen crossfunktionalen und unternehmensübergreifenden<br />

Ansatz. Unbestritten ist auch:<br />

Für die Dekarbonisierung der Lieferketten spielt der<br />

Einkauf eine zentrale Rolle. Genauso wie für die Stabilität<br />

der Materialkosten. Wichtig ist es, die Abhängigkeiten<br />

zu verstehen. Dazu gehören Fragen wie:<br />

• Wo entsteht in den einzelnen Warengruppen der<br />

Großteil der Emissionen?<br />

• Welche dieser Emissionen lassen sich weitgehend<br />

kostenneutral reduzieren?<br />

• Welche Reduktionsmaßnahmen verursachen nur<br />

geringe Mehrkosten?<br />

• Für welche Hebel sind aufwändige Umstellungen,<br />

Innovationen im Produktdesign, bei der Materialauswahl,<br />

in den Fertigungsprozessen und weitere<br />

knappe grüne Energiequellen nötig? Und: Wie<br />

werden diese Mehrkosten entlang der Wertschöpfungskette<br />

verteilt?<br />

Woher kommen Ihre Ausgaben?<br />

Die Abhängigkeiten werden in kleinen, überschaubaren<br />

Pilotprojekten greifbar. Nachfolgend ist exemplarisch<br />

das Vorgehen für eine CO 2 -Initiative skizziert:<br />

1. Über eine zunächst spendbasierte Scope-3 Ermittlung<br />

und eine CO 2 -Hotspot-Analyse werden Pilotlieferanten<br />

ausgewählt.<br />

2. Der Projektbetrieb startet mit einer Brainstorming-<br />

Phase zur Sammlung von Ideen zur CO 2 -Reduzierung.<br />

Um die richtige Absprungbasis zu definieren, werden<br />

im Vorfeld Reifegrad der bisherigen Nachhaltigkeitsaktivitäten<br />

sowie die Klimaperformance ermittelt.<br />

3. Die Ideen werden im nächsten Schritt in quantifizierbare<br />

Initiativen überführt, deren Machbarkeit bewertet<br />

und ein Umsetzungszeitrahmen für die Maßnahmen<br />

festgelegt wird. Im besten Fall dient ein Product<br />

Carbon Footprint zur Dokumentation des Ist-<br />

Zustandes (vorher)<br />

4. Der Maßnahmenfortschritt wird dokumentiert, die<br />

Ergebnisse in einem Härtegradmodell festgehalten,<br />

die PCF-Kalkulation aktualisiert und die Einsparungen<br />

ermittelt (nachher).<br />

5. Das Wissen und die Erfahrungen werden festgehalten<br />

und auf Folgeprojekte übertragen.<br />

Woher die Emissionen?<br />

Je mehr Faktoren in <strong>Beschaffung</strong>sentscheidungen<br />

einfließen, desto wichtiger ist Transparenz, sowohl<br />

bezogen auf die Kosten, als auch – im Fall der Klimaziele<br />

– auf die Emissionen. Im Idealfall liegen wie<br />

oben beschrieben nicht nur unternehmensbezogene,<br />

sondern auch materialbezogene Emissionsdaten vor.<br />

Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten:<br />

• Die Chemiebranche hat einen eigenen Standard<br />

zur Berechnung des Product Carbon Footprint<br />

(PCF) entwickelt.<br />

• Andere Branchen und Unternehmen nutzen die<br />

Metrik der ISO 14067.<br />

• Das Greenhouse Gas Protocol (GHG) für die<br />

CO 2 -Bilanzierung von Unternehmen wird ebenfalls<br />

zur Produktbilanzierung herangezogen.<br />

22 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Bild: Francesco Scatena/stock.adobe.com<br />

Doch längst sind nicht alle Lieferanten „reif“ genug,<br />

ihre Emissionen produktbezogen berechnen zu können.<br />

Viele insbesondere mittelständische Firmen<br />

steigen jetzt erst in die zunächst unternehmensbezogene<br />

Bilanzierung ein.<br />

Lässt sich beides senken?<br />

Der Druck auf die Unternehmen in der Transformation<br />

ist hoch. Hohe Energie- und Materialpreise lasten<br />

auf den Ergebnissen und wirken sich in vielen Branchen<br />

auf die Nachfrage aus. Angesichts steigender<br />

Kosten und Zukaufquoten von 70 Prozent und mehr<br />

wird der Einkauf auch künftig nicht nur als Nachhaltigkeits-,<br />

sondern weiterhin als zuverlässiger Kostengarant<br />

gebraucht. Damit das funktioniert, müssen<br />

Kosteninitiativen an die neuen Anforderungen angepasst<br />

werden. Der größte Unterschied ist, dass Unternehmen<br />

sich mit Lieferanten, im Idealfall mit<br />

mehreren Wettbewerbern, deutlich früher als bislang<br />

an einen Tisch setzen und die Potenziale gemeinsam<br />

erarbeiten müssen. Die Betrachtungen brauchen eine<br />

langfristige Perspektive, Lieferanten entsprechend<br />

langfristige Verträge. Der Grund: Die für die Transformation<br />

notwendigen Innovationssprünge – auch<br />

kostenseitig – entstehen vor allem aus dem gegenseitigen<br />

Verständnis der Geschäftsmodelle.<br />

Aus den Leuchtturmprojekten entstehen weitere<br />

Kosten- und Nachhaltigkeitsinitiativen. Der ganzheitliche<br />

Blick ist entscheidend. Die Lösungen stecken<br />

in Fertigungsprozessen, im Produktdesign, in<br />

der Logistik. Die Ideen entstehen im Austausch. Gleiches<br />

gilt für die Gestaltung resilienter Lieferketten<br />

und die mit Regionalisierung und Diversifizierung<br />

verbundenen Mehrkosten. Auch dieser Widerspruch<br />

lässt sich nur im Austausch und in einer gemeinsamen<br />

Strategie der kleinen Schritte auflösen.<br />

Grundlegend für die Strategieentwicklung sind Kostenstrukturanalysen<br />

in Kombination mit Risiko- und<br />

Nachhaltigkeitsbetrachtungen. Die Analysen zeigen,<br />

wo Kosten, Emissionen und Risiken entstehen und<br />

zeigen die Abhängigkeiten. Voraussetzung ist ein<br />

systematisches Warengruppenmanagement und ein<br />

unternehmensweit harmonisierter, detaillierter Warengruppenschlüssel.<br />

Der Strategieprozess schafft<br />

den notwendigen Überblick über die Ausgabenverteilung<br />

der Vergangenheit und die künftige Nachfrage<br />

in den Warengruppen. Materialkosten, Risiken und<br />

Emissionen werden in Warengruppendossiers systematisch<br />

zusammengefasst und bewertet.<br />

Sind die Kriterien und Ziele in der Warengruppenstrategie<br />

festgelegt, lassen sie sich in Initiativen und<br />

Vergabeprojekten gegeneinander abwägen: Starten<br />

Sie mit überschaubaren Piloten (siehe oben), sammeln<br />

Sie Erfahrungen und gehen Sie die Veränderungen<br />

schrittweise an.<br />

Wichtig: Kostenstrukturanalysen<br />

Die Ergebnisse der Warengruppenstrategie und aus<br />

den Kosten- und Nachhaltigkeitsprojekten münden in<br />

eine nachhaltige Lieferantenstrategie und Weiterentwicklung<br />

der Lieferantenbasis. Auch hierfür ist zum<br />

Start ein Deep Dive mit einzelnen Firmen sinnvoll:<br />

• Mit den Schlüssellieferanten alle Wertschöpfungsstufen<br />

anschauen.<br />

• Gemeinsame Analyse der Kosten- und Emissions -<br />

strukturen .<br />

• Risiken bewerten.<br />

• Handlungsoptionen, um Risiken, Emissionen und<br />

Kosten zu reduzieren, erarbeiten.<br />

Georg Rinkens<br />

amc Group<br />

Bild: amc<br />

In vielerlei Hinsicht<br />

hat die neue Ökonomie<br />

der <strong>Beschaffung</strong><br />

Auswirkungen auf<br />

Kostenprojekte,<br />

Kosten strukturen und<br />

die Ausgestaltung der<br />

Liefernetzwerke.<br />

Maximilian Droste<br />

amc Group<br />

Bild: amc<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 23


» MANAGEMENT<br />

Jörg Hülsmann, CPO, Kaeser Kompressoren<br />

„In der <strong>Beschaffung</strong> wurden Helden<br />

gemacht“<br />

Kaeser Kompressoren ist ein mittelständisches Familienunternehmen und einer der<br />

weltweit führenden Hersteller von Produkten und Dienstleistungen im Bereich<br />

Druckluft . Mit dem Leiter des Strategischen Einkaufs Jörg Hülsmann sprach <strong>Beschaffung</strong><br />

<strong>aktuell</strong> über den geänderten Stellenwert des Einkaufs in Krisenzeiten, Kommunikation<br />

als Game-Changer und das „Neue Normal“.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Hülsmann, der Einkauf<br />

ist in den letzten drei Jahren in vielen Unternehmen<br />

zu einem der wichtigsten Player geworden …<br />

Jörg Hülsmann: Ja, das ist richtig. In „normalen“<br />

Zeiten liegt der Fokus im Unternehmen<br />

meist auf dem Vertrieb.<br />

In den letzten (Krisen-)<br />

Jahren bekamen Einkauf und<br />

Produktion deutlich mehr Gewicht.<br />

Für uns steht ganz klar<br />

die Produktionsversorgung im<br />

Vordergrund, und in den letzten<br />

drei Jahren kam es dabei<br />

vor allem auf gute Kommunikation<br />

und auf Schnelligkeit<br />

an. Wären wir nicht in der Lage gewesen, auf Zuruf<br />

sofort zu handeln, dann hätten wir mit der Versorgung<br />

sicher Schwierigkeiten gehabt.<br />

Wir sind ein Familienunternehmen, haben kurze Wege<br />

in der Kommunikation und Mitarbeiter, die einander<br />

zum größten Teil schon sehr lange und dementsprechend<br />

gut kennen. Das ist uns in den letzten Jahren<br />

sicherlich zu Gute gekommen, denn so waren wir<br />

in der Lage, schnell und flexibel zu reagieren. Und<br />

was man natürlich auf jeder Ebene braucht, sind be-<br />

Jörg Hülsmann<br />

... studierte Maschinenbau an der TU München. Er<br />

graduierte als Diplom-Ingenieur im Maschinenbau<br />

und absolvierte anschließend ein Aufbaustudium mit<br />

dem Abschluss Diplom-Wirtschaftsingenieur. Seit<br />

1999 ist er bei der Kaeser Kompressoren SE, Coburg<br />

tätig, erst als Assistent der Einkaufsleitung und seit<br />

2<strong>01</strong>4 als Leiter des Strategischen Einkaufs.<br />

»Wären wir nicht gut<br />

vernetzt gewesen, dann<br />

hätten wir die letzten<br />

Jahre nicht so gut<br />

überstanden.«<br />

wertete Informationen. Wenn mir drei Experten im<br />

Unternehmen sagen, bei den unkritischen Teilen ist<br />

alles gut, aber bei den kritischen Teilen wird es<br />

brenzlig, dann hilft mir das viel mehr als eine neutrale<br />

Zahl, die mir sagt, unsere<br />

Ausfallquote beträgt insgesamt<br />

vielleicht 20 Prozent. So<br />

etwas geht nur, wenn man<br />

schnell und unkompliziert<br />

miteinander spricht, und das<br />

ist in einem Familienunternehmen<br />

sicher leichter als in<br />

einem Konzern mit starren<br />

Strukturen. Ich persönlich<br />

glaube, dass die Unternehmen,<br />

die flexibel und agil und gut in der Zusammenarbeit<br />

waren, besser durch die Krise gekommen sind als Unternehmen,<br />

die an Strukturen und festen Kommunikationswegen<br />

festgehalten haben. Wir haben insbesondere<br />

am Anfang der Schwierigkeiten in der Supply<br />

Chain gemerkt: Schnelligkeit ist alles. Wer schnell<br />

ist, kann produzieren und hat keine Kurzarbeit. In der<br />

<strong>Beschaffung</strong> reden wir immer auch über Verteilungskämpfe.<br />

Hat das auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit<br />

mit Ihren Lieferanten?<br />

Wir arbeiten mit unseren Lieferanten partnerschaftlich<br />

zusammen, das ist ein Kernpunkt unserer Einkaufsstrategie.<br />

So etwas kann den Unterschied machen<br />

zwischen Erfolg und Insolvenz. Und wir haben in den<br />

letzten Jahren deutlich gesehen, dass der Abstand<br />

zwischen Erfolg und Insolvenz wesentlich kleiner<br />

geworden ist. Sprich: Fehlt ein wichtiges Teil und fehlt<br />

es über einen längeren Zeitraum, dann hat das Unternehmen<br />

ein riesiges Problem. Denn in den letzten<br />

Jahren war es nicht wirklich möglich zu wechseln, alle<br />

Ressourcen waren komplett ausgeschöpft.<br />

24 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Welches sind Ihre wichtigsten Einkaufsmärkte?<br />

Unsere Lieferanten sitzen hauptsächlich in Mitteleuropa,<br />

vor allem in Deutschland, Italien und Tschechien.<br />

Das hat uns in den letzten Jahren durchaus<br />

geholfen, wir waren beispielsweise von den Schließungen<br />

chinesischer Häfen kaum betroffen. Vorprodukte<br />

kommen aus Asien, keine Frage. Die Lieferketten<br />

wurden teilweise sehr transparent, und wenn irgendwo<br />

in Deutschland noch ein oder zwei Lieferanten<br />

Ware liegen hatten, konnte das schon den entscheidenden<br />

Unterschied machen. Wir haben in der<br />

Zeit auch unsere Lagerhaltung massiv ausgebaut.<br />

Bild: Kaeser<br />

Und wo liegt der Fokus nun?<br />

In den letzten Jahren ging es vor allem darum, die<br />

Produktion sicherzustellen. Die Jahre 2<strong>01</strong>8 und 2<strong>01</strong>9<br />

waren mehr oder weniger der Normalzustand. Dann<br />

kam Corona mit abgerissenen Supply Chains, Chaos,<br />

explodierten Preisen etc. Die große Frage ist nun, wie<br />

sich das Ganze entwickeln wird. Wie wird die „neue<br />

Normalität“ aussehen? So wirklich klar lässt sich das<br />

noch nicht sagen. Die Lieferketten werden langsam<br />

wieder stabiler, sind allerdings noch nicht wieder auf<br />

dem Niveau wie vor Corona. Preise sind ein großes<br />

Thema, Inflation und die Marktverschiebungen zwischen<br />

Europa, Asien und den USA. Diese volkswirtschaftlichen<br />

Parameter zeigen sich erst allmählich,<br />

und sie werden sicher anders aussehen als vor drei<br />

oder vier Jahren. Das „neue Normal“ wird also definitiv<br />

nicht wie das alte sein. Wie das Neue aussieht<br />

und wie man sich darauf einstellen kann, das ist jetzt<br />

die spannende Frage. Und je schneller man versteht,<br />

was das neue Normal ist, desto besser steht das Unternehmen<br />

natürlich wirtschaftlich da.<br />

Das hieße, man muss so flexibel und gleichzeitig so<br />

vorbereitet sein wie nur möglich …<br />

Das ist schwer zu sagen, denn vorbereitet zu sein kostet<br />

immer Geld, und die Frage ist doch, ob sich der Investitionsaufwand<br />

im Verhältnis zum Erfolg lohnt<br />

oder nicht. Die Lagerbestände, die wir in den letzten<br />

Jahren aufgebaut haben, werden wir sicher nicht auf<br />

dem gleichen Niveau weiterführen können, das wäre<br />

viel zu teuer. Also müssen wir uns die Preise ansehen<br />

und vor allem mit unseren Lieferanten reden. Trotzdem<br />

kann jederzeit etwas Unvorhergesehenes passieren<br />

und viele Fragen lassen sich derzeit einfach nicht<br />

beantworten: Was macht China, wie entwickelt sich<br />

die Versorgung mit Vormaterial von dort, was passiert<br />

im Bereich Elektronik und bei Seltenen Erden? Und in<br />

Deutschland: Wie geht es mit den Energiepreisen<br />

weiter? Das sind viele spannende Fragen, auf die man<br />

sich nur bedingt vorbereiten kann. Was wir tun, ist,<br />

unsere Lieferantenbasis zu diversifizieren. Wir haben<br />

zum Beispiel unsere Gießereien bisher alle in Mitteleuropa<br />

gehabt, da werden jetzt der Energiepreis und<br />

vor allem die Versorgungssicherheit zum Thema. Deshalb<br />

suchen wir nach Alternativen, nicht in China,<br />

sondern in der Türkei, in Spanien und auch in Indien.<br />

So verbreitern wir unsere Lieferantenbasis, nicht global,<br />

sondern sehr bewusst mit Blick auf die Risiken,<br />

die wir <strong>aktuell</strong> erkennen können.<br />

Binden Sie Ihre Lieferanten auch in die Entwicklung<br />

neuer Produkte mit ein?<br />

Ja, wir binden sie sogar sehr intensiv mit ein. Die<br />

meisten unserer Lieferanten kennen wir seit vielen<br />

Jahren und sie kennen uns und unsere Anforderungen<br />

sehr genau. Vielleicht ist das nicht immer die<br />

Jörg Hülsmann hat als<br />

CPO in den vergangenen<br />

Jahren die<br />

Einkaufs strategie bei<br />

Kaeser Kompressoren<br />

bestimmt.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 25


» MANAGEMENT<br />

Jörg Hülsmann ist seit<br />

2<strong>01</strong>4 CPO bei Kaeser<br />

Kompressoren.<br />

kostengünstigste Lösung, aber wenn wir mit Partnern<br />

arbeiten, die uns kennen, dann sind wir in der Entwicklung<br />

viel schneller und das Qualitätsniveau liegt<br />

meist deutlich höher. Time to market lässt sich durch<br />

langjährige Partnerschaften, gegenseitiges Verständnis<br />

und eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit<br />

mit den Lieferanten einfach enorm beschleunigen.<br />

Außerdem haben wir einen Innovationsvorteil,<br />

wenn zum Beispiel ein Unternehmen für uns forscht<br />

und entwickelt. Savings sind ja nicht alles; wir legen<br />

den Fokus lieber auf Qualität, Innovation und Kundenorientierung.<br />

Wir können preislich nicht mit einem<br />

Unternehmen mithalten, das seine Kompressoren<br />

in der chinesischen Provinz herstellt, denn dort<br />

gibt es ganz andere Kostenfaktoren. Dafür laufen unsere<br />

Maschinen länger, sind energieeffizienter und<br />

unsere Kunden erhalten einen exzellenten Service.<br />

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für<br />

Ihr Unternehmen, Ihre Organisation und sich selbst<br />

als Einkaufsverantwortlichen in den kommenden<br />

Jahren?<br />

Ich sehe, dass der Einkauf und vor allem seine gute<br />

Vernetzung, sowohl intern als auch extern, immer<br />

Bild: Kaeser<br />

wichtiger werden. Wären wir nicht gut vernetzt gewesen,<br />

dann hätten wir die letzten Jahre nicht so gut<br />

überstanden. Das Digitalisierung wichtig ist, muss<br />

man, glaube ich, gar nicht extra erwähnen – wer hier<br />

den Anschluss verpasst, der hat verloren. Ein großes<br />

Thema für uns sind auch neue gesetzliche Regelungen<br />

wie beispielsweise das LkSG und der richtige<br />

Umgang damit. Es gibt eine ganze Reihe für uns relevanter<br />

Vorschriften, zum Beispiel die EU-Verordnung<br />

über fluorierte Treibhausgase, die uns stark tangiert,<br />

da wir mit Kältemitteln arbeiten. Generell gibt es viele<br />

gesetzliche Regelungen, mit denen sich Unternehmen<br />

extrem schwer tun. Es kostet nicht nur jede<br />

Menge Geld, sondern schwächt auch das eigene Unternehmen<br />

im Vergleich zur Konkurrenz aus Asien,<br />

Indien oder den USA, die das viel entspannter sieht.<br />

Und, wie ich schon sagte: Die neue Normalität fängt<br />

gerade erst an, sich zu zeigen. Man kann sehen, dass<br />

in der jetzigen Zeit mit all den Problemen in der Supply<br />

Chain in der <strong>Beschaffung</strong> Helden gemacht wurden.<br />

Hier zeigen sich die Leute, die wirklich Biss haben,<br />

die schnell denken können, kreative Lösungen<br />

suchen und finden und die niemals aufgeben. In den<br />

letzten drei Jahren haben mich viele Mitarbeiter sehr<br />

überrascht, indem sie den Stab aufgenommen und<br />

nicht aufgegeben haben. Das waren dann letztendlich<br />

die Kollegen, die dafür gesorgt haben, dass wir<br />

ohne Kurzarbeit durch die Krise gekommen sind.<br />

Für <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> führte die Journalistin<br />

Ulrike Dautzenberg das Interview.<br />

Kaeser Kompressoren<br />

Das Familienunternehmen Kaeser<br />

Kompressoren ist einer der weltweit<br />

führenden Hersteller und Anbieter von<br />

Produkten und Dienstleistungen im<br />

Bereich Druckluft. Im Jahr 1919 als<br />

Maschinen bauwerkstatt gegründet,<br />

produziert Kaeser heute an zwei<br />

Produktions standorten in Deutschland.<br />

Auf der ganzen Welt beschäftigt das<br />

Unternehmen rund 7500 Mitarbeiter.<br />

Kaeser stellt seine Produkte in Coburg<br />

(Nordbayern) und Gera (Thüringen)<br />

her und vertreibt seine Kompressoren<br />

mittlerweile in über 140 Ländern mittels<br />

Niederlassungen und exklusiven<br />

Partnerfirmen.<br />

26 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


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Bild: scrioo<br />

Effektiv LkSG-Risiken managen<br />

Zu den Sorgfaltspflichten nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)<br />

gehört die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen, was viele Unternehmen vor<br />

Herausforderungen stellt. Mit scrioo gibt es eine kostengünstige und vor allem<br />

wirksame Lösung.<br />

Der Ansatz, bei Lieferanten mittels Fragebogen eine<br />

Selbstauskunft einzuholen, ist nicht nur prozessual<br />

heraufordernd – z.B., wenn ein Zulieferer aus<br />

Indien befragt werden soll. Befragungen sind<br />

schlichtweg nicht effektiv. Denn neben den Sprachhürden<br />

gibt es Interpretationsspielräume und der<br />

Prozess ist langatmig und bürokratisch.<br />

Ein wirksamer Ansatz vereint vorhandene interne Daten<br />

(z.B. eigene Risikometriken), externe Datenquellen<br />

(z.B. Sanktionslisten) und eine effektive Medienbeobachtung<br />

in Echtzeit. All dies findet sich in der<br />

scrioo-Plattform (www.scrioo.com).<br />

Via Online Media Monitoring werden verschiedenste<br />

Quellen und Medien systematisch beobachtet: Mitarbeiter,<br />

Kunden und Partner des Zulieferers sowie<br />

auch Journalisten, NGOs, Sanktionslisten. Insgesamt<br />

werden über 150 Millionen Online-Quellen via KI gefiltert,<br />

kategorisiert und bewertet. Und es lassen sich<br />

über die Erfordernisse des LkSG hinaus weitere Daten<br />

in die Plattform integrieren, etwa Credit Scores,<br />

Standortdaten oder branchenspezifische Aspekte.<br />

Das Setup geht schnell: in fünf Werktagen ist scrioo<br />

für Ihr Unternehmen eingerichtet. Alles, was es dazu<br />

braucht, ist eine Liste der zu beobachtenden Lieferanten<br />

sowie ggf. Themen (z.B. kritische Rohstoffe,<br />

Fachbegriffe). Dazu ist scrioo äußerst preiswert und<br />

Sie bleiben flexibel, da die Vertragsbindung bei nur<br />

einem Monat liegt.<br />

KONTAKT<br />

scrioo – eine Marke der CURE S.A<br />

Ansprechpartner: Marco Feiten<br />

Managing Director<br />

Telefon: 0651 561 52 334<br />

Mobil: 0049 174 38 41 336<br />

E-Mail: m.feiten@scrioo.com<br />

Web: www.scrioo.com<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 27


» MANAGEMENT<br />

China als Wirtschaftspartner<br />

Strategien im Umgang mit<br />

China : Zukunftsaussichten<br />

Über viele Jahre hinweg war auf China als Wachstumsmotor der Weltwirtschaft<br />

Verlass . Die deutsche Wirtschaft profitierte hiervon in erheblichem Maße, und der<br />

deutsch-chinesische Handel wuchs in 2022 auf stolze 299,6 Mrd. Euro. Die Volks -<br />

republik China war im Jahr 2022 zum siebten Mal in Folge Deutschlands wichtigster<br />

Handelspartner. Außerdem zog das Reich der Mitte deutsche Direktinvestitionen in<br />

erheblichem Umfang an. In jüngster Zeit ziehen dunkle Wolken auf, die ein<br />

Überdenken der China-Strategien erfordern.<br />

Wie ist der Aufstieg Chinas zur<br />

zweitgrößten Volkswirtschaft zu<br />

erklären? Nach der Stagnation in den<br />

1960er und 1970er Jahren unter Mao<br />

Tse-tung öffnete sich China der Welt in<br />

den 1980er Jahren, und Chinas Wirtschaft<br />

startete von einem sehr niedrigen<br />

Niveau aus in einer nicht für möglich gehaltenen<br />

Weise durch. Chinas Anteil an<br />

der globalen Wirtschaftsleistung stieg in<br />

dreißig Jahren um das Zehnfache von ur<br />

zwei Prozent im Jahre 1990 auf 18,4 Prozent<br />

im Jahr 2021. Keine andere Volkswirtschaft<br />

in der Welt erreichte ein derartiges<br />

Wachstum. China wurde so zur<br />

zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.<br />

Einerseits entwickelte sich China zur bedeutendsten<br />

Werkbank der westlichen Industrieländer;<br />

China-Sourcing war die<br />

unbestrittene Devise auch bei deutschen<br />

Einkäufern. Andererseits wurde das Reich<br />

der Mitte für die westlichen Industrieunternehmen<br />

immer wichtiger als Absatzmarkt<br />

und in den letzten Jahren auch als<br />

Produktionsstandort.<br />

Auch die globale Finanzkrise von 2007 bis<br />

2009 konnte Chinas Aufstieg nicht aufhalten.<br />

Die chinesische Regierung legte<br />

ein in der ganzen Welt höchst willkommenes<br />

massives Konjunkturprogramm<br />

auf, das die Infrastruktur, den Wohnungsbau<br />

und später auch Technologie in den<br />

Fokus nahm. China konnte dank der Anstrengungen<br />

der Regierung die Finanzkrise<br />

schnell hinter sich lassen. Die Zentral-<br />

regierung in Peking wollte mit einer beispiellosen<br />

Investitionsoffensive den großen<br />

Sprung nach vorne machen. Den lokalen<br />

Regierungen in China wurden von<br />

der Zentralregierung in Peking ambitionierte<br />

Wachstumsziele vorgegeben. Die<br />

lokalen Regierungen gingen vor diesem<br />

Hintergrund vor allem große Infrastruktur-<br />

und Bauinvestitionen an und finanzierten<br />

zusammen mit Schattenbanken<br />

die anstehenden Projekte, indem sie in<br />

gewaltigem Umfang Kredite bei den chinesischen<br />

Banken und der chinesischen<br />

Öffentlichkeit (reichen Chinesen) aufnahmen<br />

und dabei auch im Sinne einer kreativen<br />

Buchführung neue Finanzierungsinstrumente<br />

nutzten, um die von der Zentralregierung<br />

in Peking auferlegten Kreditbeschränkungen<br />

zu umgehen. Dies<br />

ging lange Zeit gut. Doch in 2023 ist<br />

deutlich geworden, dass das von staatlichen<br />

Investitionen getriebene chinesische<br />

Wirtschaftsmodell an seine Grenzen gestoßen<br />

ist.<br />

Die Erholung der chinesischen Wirtschaft<br />

nach dem brutalen Corona-Lockdown<br />

erwies sich als unerwartet zäh,<br />

und China bekam auch die weltweite<br />

Wachstumsschwäche der letzten beiden<br />

Jahre sowie die geopolitisch induzierten<br />

Handelsbeschränkungen schmerzhaft zu<br />

spüren. Im Ergebnis schrumpft der Anteil<br />

Chinas an der Weltwirtschaftsleistung in<br />

2023 deutlich auf rund 17 Prozent. Chinas<br />

Wirtschaft läuft nicht mehr rund!<br />

Nicht zuletzt haben Chinas Wettbewerber<br />

aus Südostasien kräftig aufgeholt<br />

und können China auf der Kostenseite<br />

unterbieten.<br />

Chinas Wirtschaft vor<br />

einem Berg von Problemen<br />

Chinas Wirtschaft steht 2023 vor großen<br />

Problemen: eine Immobilienblase, gigantische<br />

Schuldenberge der lokalen Regierungen,<br />

ein fragiles Finanzsystem und<br />

sinkendes Vertrauen der Verbraucher und<br />

Unternehmer in die weitere Wirtschaftsentwicklung<br />

mit der Konsequenz eines<br />

eklatanten Nachfragedefizits. Im Juli<br />

2023 ist China in die Deflation gerutscht.<br />

Deflation ist ein Zeichen von Kaufzurückhaltung<br />

von privaten Verbrauchern und<br />

Unternehmen. Chinas Importe gaben bis<br />

Mitte des Jahres im Jahresvergleich um<br />

mehr als 12 Prozent nach, die Exporte um<br />

15 Prozent. Auch die ausländischen Direktinvestitionen<br />

in China sind in jüngster<br />

Zeit stark rückläufig, und die Großinvestoren<br />

zeigen der Börse in Shanghai die<br />

kalte Schulter.<br />

Chinas Wirtschaft wird ausgebremst<br />

durch das langsame globale Wachstum<br />

und nicht zuletzt durch die geopolitischen<br />

Spannungen, die beide die chinesischen<br />

Exporte belasten. So kann es kaum<br />

verwundern, dass der staatliche chinesische<br />

Einkaufsmanagerindex für die Industrie<br />

seit Monaten unter der kritischen<br />

50er Marke bleibt.<br />

28 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Bild: pixfly/stock.adobe.com<br />

In 2023 ist deutlich geworden, dass das von staatlichen Investitionen getriebene chinesische Wirtschaftsmodell an seine Grenzen gestoßen ist.<br />

Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP), das im<br />

Jahr 2021 noch 75 Prozent des BIP der<br />

USA ausmachte, ist im dritten Quartal<br />

2023 auf 64 Prozent gesunken auf ein Niveau<br />

wie bereits im Jahr 2<strong>01</strong>7.<br />

Weltweit nicht zuletzt in Deutschland<br />

stellen sich die Konzernchefs, die zu einem<br />

großen Teil in den Boomjahren die<br />

China-Karte gespielt haben, bange Fragen:<br />

Wohin steuert Chinas Wirtschaft?<br />

Platzt die Immobilienblase mit einem lauten<br />

Knall? Oder gelingt es der Regierung,<br />

ohne heftige Turbulenzen langsam die<br />

Luft herauszulassen? Wie fragil ist das<br />

chinesische Finanzsystem? Wann fassen<br />

die chinesischen Konsumenten aber auch<br />

die Unternehmer, die von der rigorosen<br />

Pandemiepolitik der Regierung schwer<br />

gebeutelt wurden, wieder Vertrauen, um<br />

zu konsumieren und zu investieren, sodass<br />

die viel zu schwache Binnennachfrage<br />

wieder in Gang kommt? Oder bleibt<br />

vor lauter Zukunftsangst der chinesischen<br />

Wirtschaftsakteure die Sparquote weiterhin<br />

auf einem viel zu hohen Niveau bei<br />

mehr als 30 Prozent des verfügbaren Einkommens?<br />

Wann kehren die internationalen<br />

Investoren, die in den vergangenen<br />

Jahren viel Kapital nach China brachten,<br />

zurück? Wie wirkt sich die demografische<br />

Entwicklung insbesondere die Folgen der<br />

Ein-Kind-Politik auf die Wirtschaftsentwicklung<br />

im Reich der Mitte aus?<br />

Eindeutige Antworten auf diese Fragen<br />

gibt es nicht. Klar ist heute: Die hohen<br />

Wachstumsraten der „goldenen“ Jahre<br />

sind (endgültig?) vorbei. Statt der sieben<br />

bis acht Prozent Wachstum im Jahr, die<br />

für China in der letzten Dekade normal<br />

waren, halten viele Experten nun rund<br />

vier Prozent für realistisch. Die Weltbank<br />

erwartet, dass Chinas jährliches Wachs-<br />

tum in den nächsten zwei Jahren durchschnittlich<br />

4,5 Prozent betragen wird. Der<br />

Internationale Währungsfonds sieht ein<br />

Wachstum von durchschnittlich nur 3,9<br />

Prozent in den nächsten fünf Jahren.<br />

China muss sein Wirtschaftsmodell<br />

umbauen<br />

Für die Experten steht fest, dass China<br />

sein auf massiven staatlichen Investitionen<br />

basierendes Wirtschaftsmodell völlig<br />

umbauen muss, und dass in diesem Zusammenhang<br />

die massive Kontrolle und<br />

Bevormundung der Wirtschaft durch die<br />

Kommunistische Partei überdacht werden<br />

muss. Stattdessen müssten die Marktkräfte<br />

ein stärkeres Gewicht finden. Doch<br />

danach sieht es zurzeit nicht aus.<br />

Tatsache ist, dass die chinesische Wirtschaft<br />

massiv an einem Nachfragedefizit wegen<br />

fehlender Konsumneigung der chinesischen<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 29


» MANAGEMENT<br />

Purchasing Manager Index (PMI) für<br />

Chinas Industrie<br />

Bild: National Bureau of Statistics of China<br />

Haushalte leidet. In China basieren laut<br />

Financial Times nur 37 Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />

auf konsumtiver Nachfrage<br />

verglichen mit 68 Prozent in den USA.<br />

Beim erforderlichen Umbau des chinesischen<br />

Wirtschaftsmodells käme es zudem<br />

auch auf eine Stärkung der privaten betriebswirtschaftlich<br />

durchgerechneten Investitionen<br />

an. Diese müssen an die Stelle<br />

der zu oft wirtschaftlich nicht sinnvollen<br />

und unsolide finanzierten Bauprojekte der<br />

Lokalregierungen treten. In der Tat wurde<br />

Chinas Betonsucht zu einer schweren<br />

Krankheit für das Land. Die Lokalregierungen<br />

haben für ihre überdimensionierten<br />

Bauprojekte, die in zwischen zu erheblichen<br />

Leerständen geführt haben,<br />

Billionen an Schulden angehäuft, nur um<br />

die Zielsetzung der von Zentralregierung<br />

geforderten Wachstumszahlen zu erreichen.<br />

Derjenige, der die Gunst der Kommunistischen<br />

Partei erheischen konnte,<br />

erhielt auch Geld. Wirtschaftliche Kalküle<br />

spielten dabei – wenn überhaupt – nur<br />

eine nachgeordnete Rolle, und vor allem<br />

fehlte bei den Entscheidungsträgern die<br />

Einsicht, dass Kapital in jeder Wirtschaft<br />

auch in der chinesischen ein knappes Gut<br />

ist und effizient eingesetzt werden muss.<br />

Im Herbst 2023 ist zudem deutlich geworden,<br />

dass auch viele chinesische Immobilienkonzerne<br />

und Projektentwickler<br />

mit unvorstellbar hohen Schulden belastet<br />

sind. Dies bringt die chinesischen Banken<br />

und vor allem die in die Projektfinanzierung<br />

involvierten Schattenbanken in<br />

die Bredouille. Der Schattenbanksektor ist<br />

ein wichtiger Bestandteil der chinesischen<br />

Finanzbranche und wird auf insgesamt<br />

rund drei Billionen US$ taxiert. Bei<br />

nicht wenigen Schattenbanken so etwa<br />

Zhongzhi überschreiten die Verbindlichkeiten<br />

die immer weiter schrumpfenden<br />

Vermögenswerte sehr deutlich. Hier liegt<br />

Insolvenz wegen Überschuldung vor.<br />

Chinas Bevölkerung altert<br />

und schrumpft<br />

Neben der Immobilienkrise ist Chinas<br />

schrumpfende und alternde Bevölkerung<br />

ein großes Problem, das zum strukturellen<br />

Nachfragedefizit beiträgt. Das Ausmaß<br />

des Problems wird in jüngster Zeit immer<br />

deutlicher. Im Jahr 2<strong>01</strong>7 lag die Fertilitätsrate<br />

bei etwa 1,6 und damit deutlich<br />

unter der Rate 2,1, die für die Erhaltung<br />

einer stabilen Bevölkerung erforderlich<br />

wäre. Nachdem Peking seine Ein-Kind-<br />

Politik abgeschafft hatte, prognostizierte<br />

die Regierung, dass die Fertilitätsrate<br />

zwischen 2020 und 2030 auf etwa 1,8<br />

ansteigen würde. Stattdessen fiel sie im<br />

vergangenen Jahr auf 1,1 – eine der niedrigsten<br />

der Welt. Die Gründe hierfür sind<br />

nicht abschließend bekannt. Es gibt jedoch<br />

Indikationen dafür, dass die pessimistischen<br />

Zukunftserwartungen der<br />

Frauen im gebärfähigen Alter hierfür ver-<br />

antwortlich sind. Infolgedessen sank Chinas<br />

Bevölkerung im vergangenen Jahr<br />

zum ersten Mal seit den 1960er Jahren.<br />

Dieser Prozess geht weiter in den kommenden<br />

Jahren und wird das Wirtschaftswachstum<br />

belasten.<br />

In Anbetracht der hier nur kurz skizzierten<br />

Schwächen der chinesischen Wirtschaft<br />

ist abzusehen, dass die chinesische<br />

Regierung offenbar viel weniger haushaltspolitischen<br />

Spielraum für eine massive<br />

Stimulierung der Wirtschaft hat als<br />

allgemein angenommen wird. Es dürfte<br />

ihr daher ohne grundlegende strukturelle<br />

Reformen, die aber nicht kompatibel sind<br />

mit ihrer Ideologie, kaum gelingen, ihre<br />

sehr ambitionierten Vorhaben in der Industriepolitik,<br />

in der militärischen Aufrüstung<br />

und auch in der Belt-and-Road-Initiative<br />

zu finanzieren. Xi-Lingpin müsste<br />

auch ein klares Bekenntnis zur regelbasierten<br />

Globalisierung geben.<br />

Vor diesem Hintergrund sind die Wirtschaftsaussichten<br />

für die Volksrepublik<br />

China verhalten. Sollten sich unsere Unternehmen<br />

daher von China abwenden?<br />

Sicherlich nicht, denn der Markt ist zu<br />

groß, auch wenn er nicht mehr boomt. Sicher<br />

ist jedoch, dass sich die westlichen<br />

Unternehmen der zunehmenden nicht zuletzt<br />

politisch bedingten Risiken einer<br />

überproportional hohen Abhängigkeit von<br />

China auf der Absatz- und <strong>Beschaffung</strong>sseite<br />

bewusst sein müssen und ihre in der<br />

30 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Im Jahr 2022 waren rund 17,2<br />

Prozent der Bevölkerung Chinas<br />

zwischen 0 und 14 Jahre alt, rund<br />

69 Prozent zwischen 15 und 64<br />

Jahre und rund 13,7 Prozent 65<br />

Jahre und älter.<br />

Quelle: Statista 2023<br />

Vergangenheit erfolgreichen China-Strategien<br />

überdenken müssen. China bleibt<br />

ein unverzichtbarer aber tendenziell<br />

schwierigerer Wirtschaftspartner.<br />

De-Coupling von China<br />

oder eher De-Risking?<br />

In ihrem Monatsbericht Oktober 2023<br />

sieht die deutsche Bundesbank die Abhängigkeit<br />

der deutschen Industrie von<br />

Vorleistungsgütern aus China Sorge. „Angesichts<br />

steigender geopolitischer Spannungen<br />

und damit verbundener Risiken<br />

ist es für Unternehmen und Politik geboten,<br />

die gewachsene Struktur der Lieferketten<br />

und die weitere Ausweitung des<br />

Direktinvestitionsengagements in China<br />

zu überdenken“, heißt es. Nach einer Umfrage<br />

der Notenbank sind fast die Hälfte<br />

aller Industriefirmen bei der Produktion<br />

auf Vorprodukte aus China angewiesen.<br />

Dies gilt insbesondere für die umsatzstärkeren<br />

Unternehmen. Ein plötzliches De-<br />

Coupling (Entflechtung) von China wäre<br />

zumindest kurz- und mittelfristig mit<br />

weitreichenden Disruptionen der Lieferketten<br />

und der Produktion in Deutschland<br />

verbunden. Dies kommt für unsere Industrieunternehmen<br />

daher nicht infrage.<br />

Laut Bundesbank haben rund zwei Fünftel<br />

der Industriefirmen, die 2022 oder 2023<br />

wichtige Importe aus China bezogen, bereits<br />

Schritte eingeleitet, um den Bezug<br />

von chinesischen Vorprodukten oder Vorleistungen<br />

zu verringern. Bei sehr schwierig<br />

zu ersetzenden Vorprodukten z. B. seltenen<br />

Erden stehe aber ein Abbau der Abhängigkeiten<br />

noch aus.<br />

Rund achtzig Prozent der von der Bundesbank<br />

befragten Industriekonzerne, die<br />

unverzichtbare Vorprodukte aus China<br />

bezogen, halten einen Ersatz durch Produkte<br />

aus anderen Ländern für schwierig<br />

bis sehr schwierig. Industrieunternehmen,<br />

die die Ausweichmöglichkeiten als<br />

sehr gering einstufen, stehen für knapp<br />

ein Viertel des Umsatzes in der deutschen<br />

Industrie.<br />

In der deutschen Wirtschaft wird vor diesem<br />

Hintergrund ein De-Coupling von<br />

chinesischen Lieferquellen als unrealistisch<br />

angesehen, stattdessen kann es nur<br />

um ein De-Risking durch stärkere Diversifizierung<br />

der Lieferketten gehen. Hieran<br />

wird von den Einkaufsstrategen intensiv<br />

gearbeitet. Indien und die südostasiatischen<br />

Staaten werden in diesem Zusammenhang<br />

zu immer wichtigeren Lieferquellen.<br />

De-Risking kann aber in der derzeitigen<br />

Gemengelage geopolitischer und wirtschaftlicher<br />

Strategien nicht ohne die Politik<br />

gelingen, die dabei aber auch berücksichtigen<br />

sollte, das China in Anbetracht<br />

des strukturellen Nachfragedefizits auch<br />

ohne massive Exporte in den Westen<br />

nicht auskommt. Die Politik muss regionale<br />

Freihandelsabkommen vereinbaren,<br />

um die Abhängigkeit von einzelnen Ländern<br />

zu verringern. Diese würden es für<br />

Einkaufsstrategen in den Unternehmen<br />

leichter machen, ihre Bezugsquellen breiter<br />

aufzustellen. „So können die Unternehmen<br />

Abhängigkeiten von der Politik<br />

einzelner Staaten und das Risiko großflächiger<br />

Störungen von Lieferketten verringern“,<br />

schreibt die Bundesbank.<br />

Im heutigen Umfeld ist die Politik mehr<br />

denn je gefordert, die <strong>aktuell</strong>en geopolitischen<br />

Risiken besser zu managen und den<br />

Unternehmen dadurch eine hinreichende<br />

Planungssicherheit zu geben. Mit der Diversifizierung<br />

der Lieferketten geht es<br />

nicht um eine Deglobalisierung, sondern<br />

um eine resilientere Globalisierung. Und<br />

darauf kommt es heute mehr denn je an.<br />

Prof. Dr. Robert Fieten<br />

wissenschaftlicher<br />

Berater der<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>,<br />

Köln<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 31


» MANAGEMENT<br />

Reduzierter Aufwand und einheitliche Prozesse<br />

Globale Lieferantensuche auf<br />

Knopfdruck<br />

Verlorene Potenziale und ineffiziente Recherchen sind Folgen des manuellen<br />

Sourcings. Die <strong>Beschaffung</strong>sabteilung von DMG Mori wandte sich deshalb an<br />

das Start-up Matchory, um ihre globale Lieferantensuche zu verbessern. Der<br />

Anspruch des Werkzeugmaschinenherstellers: Lieferanten sollen auch außerhalb<br />

der bekannten und bestehenden Netzwerke gefunden werden.<br />

Die Matchory-Datenbank<br />

bietet umfangreiche<br />

Informationen<br />

zu rund 10,5 Millionen<br />

Lieferanten.<br />

Als ein weltweit führender Hersteller von Werkzeugmaschinen<br />

hat DMG Mori sein Kerngeschäft<br />

mehr und mehr um Automations- und Digitalisierungslösungen<br />

erweitert. Aber auch abseits der<br />

eigenen Produkte setzt das Unternehmen verstärkt<br />

auf die Digitalisierung – zum Beispiel in der <strong>Beschaffung</strong>.<br />

2<strong>01</strong>7 hat das Unternehmen eine Initiative gestartet,<br />

um alle wesentlichen Prozesse im Einkauf zu<br />

digitalisieren. Diese sei inzwischen weitestgehend<br />

abgeschlossen. Und das zahlt sich aus: „Wir haben<br />

seit 2<strong>01</strong>6 ein um 40 Prozent gesteigertes Einkaufs -<br />

volumen abgewickelt, ohne Personal aufzubauen“,<br />

betont Timo Rickermann, Chief Purchasing Officer<br />

des Maschinenbauers.<br />

Der Einkauf von DMG Mori für Europa ist in einer<br />

Matrix organisiert. Das jährliche Einkaufsvolumen<br />

liegt bei bis zu 1,2 Milliarden Euro. Rickermann: „Wir<br />

haben circa 100 Mitarbeiter, etwa 20 davon im zentralen<br />

Bereich. Diese kümmern sich um klassische<br />

Aufgabengebiete, wie Lieferanten- und Materialgruppenmanagement,<br />

aber auch um Themen wie<br />

Value Engineering, Digitalisierung, Nachhaltigkeit,<br />

Dekarbonisierung.“ Grundsätzlich sei es die Aufgabe<br />

des Einkaufs, optimale Kostenstrukturen durch eine<br />

frühzeitige Lieferanteneinbindung in den Entwicklungsprozess<br />

sicherzustellen. Aber auch der Aufbau<br />

widerstandsfähiger, agiler Lieferketten wird immer<br />

wichtiger. Im Zuge dessen arbeitet DMG Mori daran,<br />

Kernkomponenten verstärkt intern herzustellen bzw.<br />

strategische Produktgruppen abzusichern, indem<br />

man sich an Partnern beteiligt.<br />

„Um die Resilienz darüber hinaus weiter zu stärken,<br />

arbeiten wir seit mehreren Jahren mit Matchory zusammen<br />

und pflegen eine intensive Entwicklungs-<br />

Bild: Matchory<br />

32 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Bild: DMG Mori<br />

Timo Rickermann ist Chief Purchasing Officer der<br />

DMG Mori AG.<br />

partnerschaft. Das hat uns auch in der Coronakrise<br />

dabei geholfen, ad hoc neue Lieferanten zu finden,<br />

wenn es mal eng wurde“, betont Rickermann.<br />

Das junge Software-Unternehmen Matchory möchte<br />

Transparenz in globale Lieferketten bringen und bietet<br />

dem strategischen Einkauf eine automatisierte,<br />

KI-basierte Lieferantensuche. Mithilfe von Big Data<br />

werden Lieferantendaten aggregiert, aufbereitet und<br />

in einer Datenbank zusammengestellt. Durch intelligente<br />

Suchalgorithmen soll die Suche permanent<br />

verbessert und auf den Nutzer angepasst werden.<br />

Lieferantensuche um bis zu<br />

85 Prozent beschleunigen<br />

Bei der Digitalisierung der strategischen Einkaufsprozesse<br />

von DMG Mori, haben Rickermann und sein<br />

Team festgestellt, dass das Lieferanten-Scouting als<br />

Prozess bisher nicht einheitlich definiert war. „Bevor<br />

wir mit Matchory zusammengearbeitet haben, gab es<br />

insbesondere für unsere strategischen Einkäufer<br />

keine einheitlichen, strukturierten Mittel für die Lieferantensuche.<br />

So hat jeder Einkäufer individuelle<br />

Lösungen entwickelt – zum Beispiel Internetrecherchen,<br />

Messebesuche oder Branchenbücher. Der<br />

Bedarf nach einer effizienteren, standardisierten<br />

Lösung mit einheitlichen Vorgaben war daher groß“,<br />

beschreibt der Chief Puchasing Officer.<br />

Das konnte mit der Einführung von Matchory behoben<br />

werden. Der Werkzeugmaschinenhersteller verfügt<br />

nun über eine globale Lieferantenrecherche –<br />

auf einen Klick in Echtzeit. „Wir bekommen hundertmal<br />

mehr Lieferanten weltweit pro Anfrage und<br />

konnten den Prozessaufwand um 85 Prozent reduzieren“,<br />

erzählt Rickermann. Ist die Longlist potenzieller<br />

Lieferanten erstellt, kann über Filterfunktionen<br />

eine Auswahl der interessantesten Lieferanten<br />

zu einer Shortlist zusammengestellt werden. Aktuell<br />

arbeite man mit Matchory daran, die Shortlist ohne<br />

weiteren manuellen Aufwand an SAP Ariba zu übergeben,<br />

um dort die Ausschreibungen abzuschließen<br />

und die Lieferantenqualifizierung sowie -registrierung<br />

machen zu können. Ein Schwerpunkt der Lieferantensuche<br />

mit Matchory bei DMG Mori liegt auf<br />

dem Produktionsmaterial. Anfangs stand besonders<br />

die Suche nach geeigneten Gusslieferanten für<br />

Maschinen teile in globalen Märkten, wie Indien,<br />

China und Osteuropa im Fokus. Die Datenbank wird<br />

inzwischen aber auch für Nicht-Produktionsmaterial<br />

genutzt.<br />

Rickermann und sein Team haben das Tool in den<br />

Materialgruppenstrategie-Findungsprozess eingebaut:<br />

Einmal jährlich erstellt der Materialgruppenmanager<br />

für seine Warengruppe ein Strategie-<br />

Update und eine globale Lieferantenrecherche. Dadurch<br />

kann er immer wieder aufzeigen, wie sich der<br />

Markt entwickelt und baut für jeden Artikel in seiner<br />

Warengruppe eine globale Suche auf. Diese kann<br />

dann von den betroffenen Einkäufern genutzt werden,<br />

wenn ein entsprechendes Projekt ansteht. Der<br />

Standorteinkäufer ergänzt seine spezifischen Anforderungen<br />

und hat in relativ kurzer Zeit ein valides<br />

Suchprojekt. Der Zentraleinkauf kann so sicherstellen,<br />

dass die im Konzern definierten Suchkriterien<br />

Anwendung finden.<br />

Eine Matchory-Funktion die im DMG-Mori-Einkauf<br />

auf großen Zuspruch stößt, ist die sogenannte Ähnlichkeitssuche.<br />

Dabei handelt es sich um ein KI-Modell,<br />

welches das Start-up selbst entwickelt hat.<br />

Wenn Nutzer ein Produkt suchen und hierfür ihre Referenzlieferanten<br />

eingeben, analysiert das System<br />

das Datenprofil der Lieferanten und macht einen Ab-<br />

Bild: Matchory<br />

Aiko Wiegand ist CEO<br />

und Co-Gründer der<br />

KI-basierten Lieferantensuche<br />

Matchory.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 33


» MANAGEMENT<br />

Von der Anfrage zur<br />

Lieferanten-Longlist<br />

Sourcing-Anfrage: Im ersten Schritt definiert der Werkzeugmaschinenhersteller<br />

ein Anforderungsprofil für seinen<br />

spezifischen Sourcing-Fall, wobei mehr als 50 verschiedene<br />

Datenpunkte ausgewertet werden können. Dazu gehören<br />

neben relevanten Keywords z. B. auch relevante Wettbewerber<br />

und HS-Codes.<br />

Datenanalyse und Vergleich: Durch das Echtzeit-Screening<br />

von mehr als 10 Milliarden Datenpunkten werden die Lieferanten<br />

mit der größten Schnittmenge entsprechend der<br />

Nachfrage ermittelt. Als Ergebnis der Datenanalyse erhält<br />

das Unternehmen innerhalb von Minuten eine Liste potenzieller<br />

Lieferanten, die zu den Anforderungen passen.<br />

Bewerten und Anpassen der Longlist: Auf Basis der Longlist<br />

kann DMG Mori analysieren und bewerten, welche Lieferanten<br />

am besten zu den Projektanforderungen passten und<br />

die Liste verfeinern. Die Ergebnisse erweiterten die bestehende<br />

Lieferantenliste um neue und bisher unbekannte<br />

Lieferanten.<br />

gleich über die gesamte Datenbank um ähnliche Firmen<br />

zu identifizieren.<br />

Um relevante Lieferanten zu identifizieren, die zu den<br />

Anforderungen des Kunden passen, greift Matchory<br />

fast ausschließlich auf öffentliche Daten zurück. „Wir<br />

gehen systematisch durch das gesamte Web und<br />

sammeln öffentlich verfügbare Lieferanteninformationen“,<br />

erklärt Aiko Wiegand, CEO und Mitgründer<br />

von Matchory. „Wir suchen also gezielt nach dem digitalen<br />

Fußabdruck eines Lieferanten und erstellen<br />

daraus ein digitales Lieferantenprofil. Diese Datenprofile<br />

werden dann mit zusätzlichen Informationen<br />

angereichert.“<br />

Mehr als 10 Millionen Lieferanten<br />

in der Datenbank<br />

Aber welche Informationen erhalten Anwender über<br />

die einzelnen Zulieferer? In den Lieferantenprofilen<br />

finden sich allgemeine Daten wie Firmenname,<br />

Standort und Website, sowie spezifische Informationen<br />

zu Produkten, Zertifikaten oder Nachhaltigkeitskriterien.<br />

Insgesamt sind 10,5 Millionen Lieferanten in<br />

der Datenbank hinterlegt. Damit habe man eine sehr<br />

hohe Abdeckung in der Breite. „Wir arbeiten jetzt daran,<br />

dass wir für die einzelnen Lieferanten noch mehr<br />

in die in die Tiefe kommen. Da sprechen wir mit verschiedenen<br />

Partnern um deren Datenpunkte für eine<br />

bessere Entscheidungsfindung miteinzubinden. Wir<br />

wollen nicht selbst in jede Kategorie so tief eintauchen“,<br />

betont der CEO. Konkret gehe es dabei um<br />

Finanz- , Risiko- und ESG-Daten sowie Kontaktinformationen,<br />

die integriert werden sollen.<br />

Weitere Informationen liefern Zolldaten, mit denen<br />

Matchory intensiv arbeitet. Wenn ein Container von<br />

Europa in die USA verschifft wird, gibt es dazu ein<br />

entsprechendes Frachtdokument (Bill of Lading).<br />

„Wir haben mehrere 100 Millionen dieser Fracht -<br />

dokumente gesammelt und in die Datenbank eingebunden.<br />

Dadurch bekommen wir sehr viel Transparenz<br />

über die Lieferanten und die Lieferketten“, sagt<br />

Wiegand. So könne Matchory nachvollziehen, welche<br />

Lieferanten in welchen Kategorien bzw. Produkten<br />

weltweit führend oder entsprechend spezialisiert<br />

sind. Wie haben sie sich im Zeitverlauf entwickelt?<br />

Welche Kunden werden beliefert? Wie oft haben diese<br />

Kunden nachbestellt? All das sind laut Wiegand<br />

sehr wertvolle Informationen aus den Frachtdokumenten<br />

für die Algorithmen, die das Matching übernehmen.<br />

Das Ganze soll weiter angereichert werden,<br />

zum Beispiel mit einer Risikoeinschätzung oder ausgewerteten<br />

Finanzkennzahlen.<br />

Das bringt dem Maschinenbauer<br />

die Zusammenarbeit<br />

Oberste Priorität hat dem Gründer zufolge die Unabhängigkeit.<br />

Man werde keine Sichtbarkeit verkaufen.<br />

So soll ein neutrales Ergebnis gewährleistet werden.<br />

„Perspektivisch planen wir, dass Lieferanten weitere<br />

Informationen für ihr Profil bereitstellen, die wir<br />

dann bei Bedarf verwenden können“, so Wiegand.<br />

Aber was bringt Matchory nun konkret? Aiko Wiegand:<br />

„Unsere Anwender haben deutliche Kosteneinsparungen<br />

bis zu 35 Prozent, allein dadurch, dass sie<br />

mit uns den gesamten, globalen Markt anschauen.<br />

Wir können bis zu hundertmal mehr Firmen in die<br />

Analyse miteinbeziehen und so letztendlich auch Lieferanten<br />

finden, die bessere Konditionen anbieten.<br />

Diese Ergebnisse können aber auch in der Preisverhandlung<br />

mit bestehenden Lieferanten eingesetzt<br />

werden. Damit sind erhebliche Einsparungen erzielt<br />

worden.“<br />

Timo Rickermann von DMG Mori sieht den großen<br />

Vorteil vor allem in der Geschwindigkeit und dem<br />

Umfang der Suche: „Mit Matchory bringen wir Informationstransparenz<br />

in den Lieferantenmarkt. Ich<br />

weiß heute viel schneller, welche Anbieter es überhaupt<br />

gibt und kann sie direkt vergleichen und besser<br />

bewerten. Das ist mittlerweile ein absoluter<br />

Mehrwert.“<br />

Yannick Schwab, <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />

34 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Die Zukunft beginnt 2024<br />

Einkauf 2030: Perspektiven<br />

und Impulse<br />

Die Herausforderungen der letzten Jahre haben den Einkauf präsenter und<br />

selbstbewusster werden lassen. Um jedoch wahre strategische Relevanz zu erlangen,<br />

ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung entscheidend. Die gezielte Analyse von<br />

Wettbewerbspotenzialen spielt dabei eine Schlüsselrolle, erfordert aber einen<br />

vorausschauenden Blick. Die Hochschule München präsentiert Prognosen für den<br />

„Einkauf 2030“ und gibt konkrete Handlungsempfehlungen für 2024.<br />

Das Zitat „Prognosen sind schwierig, vor allem,<br />

wenn sie die Zukunft betreffen“ unterstreicht<br />

die Schwierigkeit von Zukunftsvorhersagen und impliziert,<br />

dass es möglicherweise besser ist, sich erst<br />

gar nicht auf solche Vorhersagen einzulassen. Doch<br />

um die vom Einkauf angestrebte strategische Anerkennung<br />

zu erzielen, reicht es nicht, auf das steigende<br />

externe <strong>Beschaffung</strong>svolumen zu verweisen. Es ist<br />

vielmehr entscheidend, sich frühzeitig mit den Entwicklungen<br />

der Zukunft auseinanderzusetzen, um<br />

diese bewerten, nutzen und gestalten zu können. Der<br />

Anspruch besteht nicht zwangsläufig darin, eine<br />

vollkommen präzise Prognose abzugeben. Selbst<br />

kleine Schritte in die richtige Richtung können langfristig<br />

zu Wettbewerbsvorteilen führen, insbesondere<br />

wenn man sie früher geht als andere.<br />

Vor diesem Hintergrund befragte ein Team der Hochschule<br />

München im Jahresverlauf 2022 über 50 Führungskräfte<br />

aus dem Einkaufsumfeld zu deren Einschätzung<br />

über die Eintrittswahrscheinlichkeit wesentlicher<br />

Zukunftstrends. Aus diesen Befragungen<br />

konnten vier zentrale Schwerpunkte herausgearbeitet<br />

werden, die sich zu einem facettenreichen Bild<br />

der zukünftigen Entwicklungen im „Einkauf 2030“<br />

zusammenfügen.<br />

Die Studie Einkauf 2030<br />

Erstes Schwerpunktfeld sind die Strategie und Ziele,<br />

wobei hier besonders zusätzliche Ziele wie Nachhaltigkeit<br />

und Innovation sowie die zukünftige Rolle<br />

des Einkaufs als Wertschöpfungspartner erwartet<br />

werden. Wichtiger Baustein hierfür ist die Entlastung<br />

Bild: HS München/Prof. Kleemann<br />

Vier Schwerpunkte konnten bei der Befragung „Einkauf 2030“ herausgearbeitet werden und fügen sich zu einem vielschichtigen Zukunftsbild.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 35


Bild: MarutStudio/stock.adobe.com<br />

Basierend auf einer<br />

Studie der Hochschule<br />

München prognostiziert<br />

dieser Artikel die<br />

Entwicklungen im<br />

„Einkauf 2030“ und<br />

gibt gleichzeitig<br />

präzise Handlungsempfehlungen<br />

für das<br />

Jahr 2024.<br />

durch Digitalisierung von Prozessen, primär im Bereich<br />

der operativen und taktischen <strong>Beschaffung</strong>.<br />

Hier werden sogar vollständig eigenständig, also autonom<br />

ablaufende Prozesse erwartet.<br />

Zentrales Element für den Erfolg<br />

Zentrales Element des Einkaufs bleibt dabei die Zusammenarbeit<br />

mit Lieferanten, die verstärkt in Partnerschaften<br />

und mehr innovationsorientiert gestaltet<br />

werden dürfte. Regionale Lieferketten sind zudem<br />

ein wichtiger Baustein für mehr Nachhaltigkeit, welches<br />

mit hoher Priorität erwartet wird.<br />

Getragen werden diese Veränderungen auch zukünftig<br />

von einer professionellen, agilen Einkaufsorganisation,<br />

die über spezialisiertere Mitarbeitenden,<br />

dynamischere Führung einerseits sowie eine gezieltere<br />

Personalgewinnung und -entwicklung andererseits<br />

verfügt.<br />

Im Gesamtblick zeigen sich hier eine Vielzahl von<br />

wichtigen Themen, die den Einkauf (auch) zukünftig<br />

prägen werden. Kritisch betrachtet fehlen jedoch –<br />

trotz des zeitlichen Horizonts von knapp zehn Jahren<br />

– „echte“ Neuerungen und Innovationen. Mehr Kreativität<br />

und unternehmerisches Denken für den Einkauf<br />

sind gefragt. Außerdem sollte auch gezielt „über<br />

den Tellerrand“ geblickt werden.<br />

Dazu gehören zum Beispiel bewusst erweiterte Analysen<br />

zu Megatrends im Unternehmensumfeld, die<br />

nicht in erster Linie den Einkauf betreffen. Daneben<br />

kann der Blick in andere Managementfunktionen<br />

(wie IT oder Vertrieb) und dortige Entwicklungen<br />

wertvolle Impulse geben.<br />

Des Weiteren spiegeln sich in dem dargestellten Zukunftsbild<br />

auch zeitgebundene Einflüsse der während<br />

der Befragungszeiträume herrschenden Situationen<br />

wider. Insbesondere lässt sich eine klare Verbindung<br />

zwischen der wahrgenommenen Wichtigkeit<br />

von Versorgungsengpässen und Risikomanagement<br />

herstellen, die auf den zu diesem Zeitpunkt gerade<br />

begonnenen Russland-Ukraine-Krieg und die<br />

noch spürbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie<br />

zurückzuführen ist. Die im späteren Jahresverlauf<br />

2022 extrem starke öffentliche Fokussierung auf<br />

Nachhaltigkeit oder das in 2023 aufkommende Thema<br />

„Künstliche Intelligenz“ (KI) sind demnach (noch)<br />

nicht enthalten.<br />

Natürlich werden auch für 2024 schon Voraussagen<br />

zu den wesentlichen Einkaufstrends getroffen. Fol-<br />

36 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


MANAGEMENT «<br />

gende Entwicklungen werden dabei am häufigsten<br />

als „Top-Themen“ genannt:<br />

• Ausbau der Nutzung von KI, z. B. für Preis- und<br />

Kostenanalysen sowie intelligente Prozessautomatisierung,<br />

zudem prozessunterstützender Einsatz<br />

von generativer KI wie ChatGPT, z. B. beim<br />

Entwerfen von Verträgen oder der Entwicklung<br />

von Verhandlungsstrategien. Ebenso kann diese<br />

Technologie im operativen Bereich bei Bestellungen<br />

in elektronischen Katalogen assistieren.<br />

• Professionalisierung des Lieferantenmanagements<br />

für stabile Versorgung, gemeinsame<br />

Bestands optimierung sowie mehr Innovationen<br />

auch in der digitalen Vernetzung.<br />

• Ausbau von Nachhaltigkeitsansätzen und erhöhter<br />

Lieferkettentransparenz, unter anderem getrieben<br />

durch immer mehr regulative Vorgaben zur<br />

Reduzierung von Emissionen sowie Verbesserung<br />

der Arbeitsbedingungen bei Zulieferern.<br />

• Fachkräftemangel im Einkaufsbereich wegen des<br />

demografischen Wandels, aber ebenfalls durch<br />

Zunahme der zu berücksichtigenden Umfeldeinflüsse<br />

(wie Nachhaltigkeit und Risikomanagement).<br />

Diese überblicksartige Auswahl unterstreicht noch<br />

einmal, wie vielfältig die Herausforderungen für den<br />

Einkauf in absehbarer Zeit sein werden. Welche Themen<br />

genau den Einkauf prägen, bleibt dabei allein<br />

schon deswegen mit Unsicherheit behaftet, weil<br />

starke Einflüsse aus Umfeld und Märkten bestehen.<br />

Mit Herausforderungen rechnen<br />

Daraus zu schließen, der Einkauf sollte sich doch lieber<br />

auf die Gegenwart konzentrieren, würde allerdings<br />

die bereits erwähnten Differenzierungspotenziale<br />

für den Einkauf außer Acht lassen. Um als strategisch<br />

relevant angesehen zu werden, muss der Einkauf<br />

andere Dinge tun. Es geht nicht nur darum, die<br />

<strong>aktuell</strong>en (Versorgungs-)Probleme zu lösen, sondern<br />

auch einen Beitrag zur Bewältigung zukünftiger Herausforderungen<br />

zu leisten.<br />

Für die konkrete Umsetzung ergibt sich die Empfehlung,<br />

sich über Netzwerke, Publikationen, Webinare,<br />

Gespräche und weitere Instrumente regelmäßig<br />

(aber nicht zwingend häufig!) über Trendentwicklungen<br />

zu informieren. Als relevant erachtete Einflüsse<br />

sind anschließend gezielter zu beobachten bzw. zu<br />

begleiten und sukzessive in konkrete Maßnahmen zu<br />

überführen. Damit steigen die erforderlichen Investitionen<br />

auch erst mit zunehmender Umsetzungswahrscheinlichkeit.<br />

Genau hier ist das verstärkte unternehmerische<br />

Denken des Einkaufs gefragt: Investitionen<br />

bedeuten Aufwand, aber auch Chancen auf<br />

Mehrwerte. Nur durch eine dynamischere und zukunftsorientierte<br />

Vorgehensweise lassen sich diese<br />

Potenziale optimal ausschöpfen. Dies ermöglicht<br />

dem Einkauf, möglicherweise nicht erst im Jahr<br />

2030, eine tatsächlich anerkannte strategische Bedeutung<br />

zu erlangen und somit seinen Beitrag zum<br />

Gesamterfolg des Unternehmens weiter zu stärken.<br />

Um als strategisch<br />

relevant angesehen zu<br />

werden, muss der<br />

Einkauf einen Beitrag<br />

zur Bewältigung<br />

zukünftiger<br />

Herausforderungen<br />

leisten.<br />

Bild: HS München<br />

Bild: privat<br />

Bild: privat<br />

Bild: HS München/Prof. Kleemann<br />

Prof. Dr. Florian C. Kleemann<br />

lehrt an der HS München Einkauf<br />

& <strong>Beschaffung</strong>, berät zudem<br />

Unternehm en bei deren Einkaufs -<br />

transformation.<br />

Ramona Niederschweiberer<br />

Absolventin der HS München,<br />

Einkäuferin in der Automobilindustrie.<br />

Florian Diermeier<br />

Master-Student im Programm<br />

„Digital Sustainable Procurement<br />

& Supply Management“ an der<br />

HS München.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 37


» MANAGEMENT<br />

CO 2 -Emissionswerte entlang der Lieferkette managen<br />

„Verantwortung für die<br />

eigene Lieferkette übernehmen“<br />

Mit Sigreen stellt Siemens ein Softwaretool bereit, mit dem CO 2 -Emissionswerte<br />

entlang der Lieferkette managebar werden – einschließlich vertrauenswürdiger<br />

Abfrage, Berechnung und Weitergabe realer CO 2 -Fußabdrucksdaten eines Produktes.<br />

Als Erfinder von Sigreen erläutert Dr. Gunter Beitinger, was das Softwaretool <strong>aktuell</strong><br />

so „einzigartig“ macht und warum sich der Einsatz lohnt.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Dr. Beitinger, Sie<br />

sagen: „Bis zu 90 % aller CO 2 -Emissionen der<br />

Industrie entstehen nicht bei der Produktion,<br />

sondern entlang der Lieferketten.“ Ist das der<br />

Impuls und die Ausgangslage<br />

gewesen, die Sigreen-Software<br />

zu entwickeln?<br />

Dr. Gunter Beitinger: Je<br />

nach Wertschöpfungstiefe<br />

und Position des Unternehmens<br />

in der Lieferkette können<br />

mehr als 90 % der<br />

CO 2 -Emissionen außerhalb des<br />

eigenen Betriebes entstehen.<br />

Das sehen wir beispielsweise<br />

hier bei Siemens an unserem<br />

Simatic-Portfolio. Natürlich kann der Prozentsatz<br />

auch bei 70 % oder 60 % liegen. Wir wollen jedenfalls<br />

auf ein entscheidendes Thema hinweisen – und<br />

zwar: Verantwortung für die eigene Lieferkette zu<br />

übernehmen.<br />

Woran liegt es, dass bis zu 90 % aller industrieller<br />

CO 2 -Emissionen in der Wertschöpfungskette liegen?<br />

Und was folgt daraus?<br />

Das liegt an den Zukaufteilen, also an den Modulen<br />

und Komponenten, die außerhalb des eigenen Einflussbereiches<br />

gefertigt werden. Durch die Kaufentscheidung<br />

ist man aber durchaus für diese Emissionen<br />

verantwortlich. Insofern werden vom Gesetzgeber<br />

und der Gesellschaft immer mehr Forderungen<br />

laut, dieser Verantwortung bei den Produkten<br />

gerecht zu werden.<br />

Auf welche Hürden stoßen Unternehmen bei der<br />

Ermittlung des Gros an Emissionswerten?<br />

Zum einen müssen die Informationen vom Lieferan-<br />

»Wir wollen auf ein<br />

entscheidendes Thema<br />

hinweisen – und zwar:<br />

Verantwortung für die<br />

eigene Lieferkette zu<br />

übernehmen.«<br />

Dr. Gunter Beitinger<br />

ten bereitgestellt werden. Der steht dann meistens<br />

vor der gleichen Herausforderung wie man selbst.<br />

Die erste Hürde besteht also darin, ob er überhaupt<br />

entsprechende Informationen zu den Emissionen liefern<br />

kann. Sollte der Lieferant<br />

dies lösen können, eventuell<br />

durch auf sogenannte<br />

Lifecycle- Assessment (LCA)-<br />

Daten basierende Berechnungen,<br />

kann er eine Abschätzung<br />

liefern. Diesen Werten<br />

muss man am Ende allerdings<br />

vertrauen können. Das wäre<br />

gegeben, wenn der Lieferant<br />

ergänzend zu den berechneten<br />

Werten auch Hintergrundinformationen<br />

zu Prozessen, Datenquellen<br />

oder Ermittlungsverfahren, also zu seiner Lieferantenstruktur,<br />

preisgeben würde oder preisgibt. In der<br />

Regel wird er das allerdings nicht tun, da dies seine<br />

eigene Wettbewerbsfähigkeit einschränken könnte.<br />

Somit steckt man schon im zweiten Dilemma. Sollte<br />

das trotzdem gelöst werden – möglicherweise aufgrund<br />

von Machtverhältnissen oder Abhängigkeiten<br />

– muss man immer noch sicherstellen, dass die Daten,<br />

die der Zulieferer dann bereithält, aggregierbar<br />

sind. Dahinter steht folgende Frage: Hat der Lieferant<br />

wirklich die gleichen Regeln und Methoden angewandt,<br />

sodass man die Daten entlang der Lieferkette<br />

aufsummieren kann? Das wäre die dritte Hürde,<br />

die man nehmen muss.<br />

Sehen Sie weitere Herausforderungen?<br />

Es ist sehr aufwendig und die Verfügbarkeit von<br />

Expertenwissen spielt eine Rolle. Das ist aber lösbar.<br />

Nur diese drei Aufgaben, die mit den erwähnten Hürden<br />

verbunden sind, sind essenziell.<br />

38 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Bild: Siemens<br />

Aus dieser Einsicht heraus haben Sie eine Lösung<br />

erarbeitet, die nun unter dem Namen Sigreen am<br />

Markt verfügbar ist – eben aus dem eigenen<br />

Wunsch heraus, die Produkte, die Sie in den Werken<br />

fertigen, CO 2 -neutral anbieten zu können. Wie<br />

also schaffen Sie die notwendige Transparenz?<br />

Hier gilt die Regel: Nur, was man misst, was man<br />

transparent macht, kann man aktiv beeinflussen.<br />

Und nur so lassen sich gezielt Maßnahmen ableiten.<br />

Ansonsten ist man im Blindflug. In der Regel werden<br />

heute produktbezogene Emissionswerte mithilfe<br />

der erwähnten Lifecycle-Assessment-Daten ermittelt.<br />

Es handelt sich dabei um in Datenbanken<br />

verfügbare Durchschnittswerte. Über einen Dreisatz<br />

kann man damit bereits den eigenen CO 2 -Wert abschätzen.<br />

Das ist ein guter Startpunkt – vor allem,<br />

wenn das Produkt physisch noch gar nicht existiert<br />

und man dies in der Design- beziehungsweise in der<br />

Konstruktionsphase machen will, aber keine realen<br />

Daten hat. Wenn mein Lieferant noch nicht in der<br />

Lage ist, mir Werte zu nennen, kann das ein sehr<br />

guter Start sein, weil man damit einen Anker gesetzt<br />

hat.<br />

Inwieweit lassen sich mit Sigreen denn wirklich<br />

Emissionen reduzieren?<br />

Von Durchschnittswerten müssen wir zu realen<br />

Daten kommen, um Maßnahmen ergreifen zu können,<br />

die nachhaltig wirken. Der CO 2 -Fußabdruck soll<br />

nachhaltig gesenkt werden. Entgegnen könnte man,<br />

dass in einem Produkt nun so viele Module und Komponenten<br />

existieren würden, dass man nicht alle<br />

berücksichtigen könne. Hier verweise ich auf das<br />

Pareto-Prinzip: 80–20 oder 70–30. Wenn man<br />

anfängt, kann man bei 20 bis 30 % der Komponenten<br />

70 bis 80 % der Emissionswerte erfassen und abdecken,<br />

wenn man diese Werte beim Lieferanten<br />

anfragt. Über die Zeit kann man überlegen, wie weit<br />

man das vorantreibt. Man kann zumindest schnell<br />

für über 20 bis 30 % seiner Komponenten 70 bis<br />

80 % des CO 2 -Fußabdrucks entlang der Lieferkette<br />

mit Realdaten abdecken und sich durch die gewonnene<br />

Transparenz Ziele setzen. Aus den Zielen heraus<br />

können Maßnahmen eingeleitet werden, deren Wirksamkeit<br />

überprüfbar wird. Diese Wirksamkeit kann<br />

durch Sigreen verifiziert werden, da Realdaten verifiziert<br />

von Lieferanten übermittelt werden können.<br />

Dr. Gunter Beitinger<br />

hat das CO 2 -Management-Tool<br />

namens<br />

Sigreen entwickelt.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 39


» MANAGEMENT<br />

Liegt die Besonderheit von Sigreen gerade in den<br />

gelösten Fragen zur Verifizierbarkeit?<br />

Das ist es, was Sigreen an sich so einzigartig macht.<br />

Also um vertrauenswürdige CO 2 -Emissionswerte entlang<br />

der gesamten Lieferkette zu verfolgen, brauche<br />

ich bestimmte Mechanismen. Dabei geht es um Folgendes:<br />

Lieferanten wollen die Datenfreiheit nicht<br />

aufgeben und aus Wettbewerbsgründen keine vertraulichen<br />

Informationen austauschen. Gleichzeitig<br />

muss man diesen Informationen aber vertrauen können,<br />

also müssen sie verifiziert sein. Zusätzlich<br />

bedarf es der Möglichkeit, anzugeben, nach welchen<br />

Methoden diese Informationen zur Verfügung<br />

gestellt werden sollen, da Unternehmen beispielsweise<br />

nicht allein die Chemieindustrie, sondern auch<br />

die Automobilindustrie beliefern. Noch gibt es hier<br />

keine universellen Standards, weswegen Informationen<br />

entsprechend industriespezifisch weitergeben<br />

werden, um aggregierbar zu sein.<br />

Welche Rolle spielen Zertifikate und Zertifizierungen<br />

bei all dem?<br />

Zertifikate sind für uns so wichtig, weil sie zum einen<br />

ermöglichen, dass Informationen weitergegeben<br />

werden, die vertrauenswürdig sind, ohne dass Details<br />

bekannt werden, ohne dass vertrauliche Informationen<br />

weitergegeben werden. Zum anderen können<br />

die verifizierbaren Zertifikate, die Verifiable Credentials,<br />

wieder zurückgezogen werden, sollte sich<br />

im Prozess etwas geändert haben. Die verifizierbaren<br />

Zertifikate werden von einer unabhängigen dritten<br />

Partei, von Akkreditierern, ausgestellt. Und das passiert<br />

über ein sogenanntes dezentrales Netzwerk.<br />

Hat ein Zertifikat seine Gültigkeit verloren, kann es<br />

mit neuem und verlässlichem Wert ausgestellt und<br />

versendet werden. Dem kann man wieder vertrauen<br />

– und hat eben die Sicherheit, seinen CO 2 -Fußabdruck<br />

immer <strong>aktuell</strong> halten zu können. Die Information<br />

des CO 2 -Wertes wird entlang bereits bestehender<br />

Geschäftsbeziehungen ausgetauscht, das Zertifikat<br />

aber über eine dezentrale Infrastruktur, wo man<br />

die Informationen mit Private Keys verschlüsselt und<br />

mit Public Keys verifizieren kann, die eben in dieser<br />

dezentralen Infrastruktur liegen. Wir nutzen das IDunion-Netzwerk<br />

beziehungsweise nennen wir es<br />

auch das Estainium-Netzwerk, weil wir dort einen<br />

sogenannten TSX, also einen Connector, eine Anbindung<br />

entwickelt und zum Patent gebracht haben.<br />

Dieser ermöglicht die Verbindung zwischen Sigreen<br />

und dem dezentralen Netzwerk, damit die Verifizierungszertifikate<br />

ausgestellt werden können. Der TSX<br />

– wir nennen ihn Trustworthy Supply Chain Exchange<br />

Connector – bildet ein wesentliches Differenzierungsmerkmal<br />

zu Lösungen, die wir bisher gesehen<br />

haben.<br />

Was ist daten- und workflowmäßig erforderlich,<br />

um den CO 2 -Produktfußabdruck beeinflussen zu<br />

können?<br />

Eingangs nutzen Sie eine Materialliste, in der die<br />

entsprechenden Detailinformationen zu Gewicht,<br />

Dimensionen und weiteren Details vermerkt sind.<br />

Die Siemens-Software<br />

Sigreen bietet<br />

Mechanismen , um<br />

vertrauenswürdige<br />

CO 2 -Emissionswerte<br />

entlang der gesamten<br />

Lieferkette zu managen.<br />

Bild: Siemens<br />

40 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Auch die Lieferanten sind hinterlegt. Diese Materialliste,<br />

die aus unserer Teamcenteranwendung – unserem<br />

Backbone für das Engineering – bereitgestellt<br />

wird, wird über Sigreen abgegriffen. Anschließend<br />

kann man seine Anfrage direkt an die Lieferanten<br />

rausschicken, mit der Bitte, den CO 2 -Fußabdruck zu<br />

einem bestimmten Produkt, zu einer gelieferten<br />

Komponente zu bekommen. Was man im Vorfeld tun<br />

kann, sind erste Lebenszyklus-, kurz: LCA-Berechnungen<br />

des CO 2 -Fußabdrucks, um eine Vorabschätzung<br />

und klare Indikation zu haben, auf welche Baugruppen<br />

man sich fokussieren sollte, weil sie<br />

„CO 2 -auffällig“ sind. So kann die Reise gezielt beginnen,<br />

um ein Produkt umweltfreundlicher zu bekommen.<br />

Deswegen sagen wir, es handelt sich um ein<br />

Product-Carbon-Footprint-Management-Tool, weil<br />

es eben Transparenz sowie Fokussierung und letztlich<br />

die Beeinflussung des CO 2 -Fußabdrucks ermöglicht.<br />

Bild: Siemens<br />

Es wird nicht gang und gäbe sein, dass Lieferanten<br />

diese Daten bereithalten.<br />

So ist es. Was wir allerdings sehen, ist ein wachsender<br />

Druck seitens Regulierungsbehörden, Interessensgruppen<br />

und unserer Gesellschaft allgemein,<br />

sodass die Awareness, die Bereitschaft bei den Industrieunternehmen<br />

da ist und viele vorbereitet sind. Es<br />

hängt aber auch von der Größe eines Unternehmens<br />

und davon ab, welche Produkte mit welchen Materialien<br />

ausgeliefert werden. Und zusammenfassend:<br />

Die Emissionen, die unter der direkten Kontrolle der<br />

Unternehmen stehen, also die Scope-1-Emissionen<br />

sowie die Emissionen aus der außerhalb des Unternehmens<br />

erzeugten gekauften Energie, also Scope 2,<br />

sind bekannt. Sie sind erfasst und können offengelegt<br />

werden. Damit werden die gesamten Fehler über<br />

die Kette bereits geringer und der Anteil an Real -<br />

daten erhöht sich. Das ist schon ein Mehrwert, wenn<br />

man in die Reise einsteigt. Darüber hinaus werden<br />

zunehmend die sogenannten Scope-3-Emissionen<br />

erfasst – die Emissionen entlang der Wertschöpfungskette.<br />

Vielleicht hat ein Unternehmen auch<br />

schon ein Umweltziel kommuniziert. Falls ja, findet<br />

man in den Unternehmen bereits Strukturen vor, die<br />

eine systematische Ermittlung und Bereitstellung der<br />

Daten eben ermöglichen.<br />

Und wenn dem nicht so ist?<br />

Dann sollten die Unternehmen Tools wie Sigreen zur<br />

Unterstützung in Erwägung ziehen, da die Erfassung<br />

und Analysen dieser Daten und des Energieverbrauchs<br />

einschließlich der Endanwendung den Rahmen<br />

der manuellen Techniken immer sprengen.<br />

Durch den Einsatz geeigneter Softwarewerkzeuge<br />

kann sich ein Unternehmen viel Wiederholungsarbeit<br />

ersparen, weil Daten systematisch erfasst werden.<br />

Welche Unternehmen können Sigreen einsetzen?<br />

Die industriellen Lieferketten kreuzen sich, teilen<br />

sich, drehen Schleifen. Daher ist Sigreen an sich erstmal<br />

industrieagnostisch. Auf der anderen Seite können<br />

wir als Start-up innerhalb von Siemens, das seit<br />

etwa zwei Jahren auf dem Markt ist, nicht alle Industrien<br />

gleichzeitig und gleich intensiv bedienen sowie<br />

deren spezifische Anforderungen sofort im Detail<br />

erfüllen. Aktuell fokussieren wir uns sehr stark auf<br />

die Prozessindustrie, die Chemieindustrie, die Automobilindustrie<br />

und die Lebensmittelindustrie. Vor<br />

allem deren Regelwerke bilden wir heute bereits in<br />

Sigreen ab.<br />

Wer sind die Anwender der Sigreen-Software in<br />

den Unternehmen?<br />

Einkäufer, Produktmanager, Werkleiter, das General<br />

Management sowie das Sustainability Management.<br />

Wir stellen diesen Anwendern mit ihren unterschiedlichen<br />

Anforderungen bei der Informationsaufbereitung<br />

und Darstellung spezifische Bedienermasken<br />

zur Verfügung.<br />

Das Interview führte Nico Schröder,<br />

Korrespondent <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>, Augsburg.<br />

Dr. Gunter Beitinger ist<br />

seit 2<strong>01</strong>5 für die Werke<br />

der Geschäftseinheit<br />

Factory Automation bei<br />

Siemens Digital Industries<br />

verantwortlich –<br />

unter anderem auch für<br />

das Siemens-Werk in<br />

Amberg.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 41


» MANAGEMENT<br />

Versorgungssicherheit in der Elektromobilität<br />

Warum stabile Lieferketten<br />

eine Herausforderung sind<br />

Mit Standorten in China, den USA und Deutschland sowie einem Joint Venture in<br />

der Türkei hat Farasis Energy eine internationale Präsenz aufgebaut. Dennoch<br />

sind stabile Lieferketten eine Herausforderung. Die Elektromobilitätsbranche<br />

wächst, doch die Lieferanten müssen sich weiterentwickeln, um mit dem Tempo<br />

der Elektrifizierung Schritt zu halten.<br />

Bild: Farasis Energy Europe<br />

Beispiele verschiedener Schäume.<br />

Die Einkaufsorganisation von Farasis<br />

Energy am Hauptsitz in Ganzhou<br />

(China) ist in das „Supply Chain Management<br />

Center“ integriert, das übergreifend<br />

agiert und sich auch um Bereiche wie<br />

Qualität, Logistik und Ressourcenentwicklung<br />

kümmert. Hier wird die <strong>Beschaffung</strong><br />

von Zellrohstoffen, Batteriemodul-<br />

und Packkomponenten sowie Maschinen<br />

und Ausrüstungen für die Standorte<br />

in China verwaltet. Die Standorte in<br />

den USA und Europa fokussieren sich – im<br />

Gegensatz zu China – nur auf einen bestimmten<br />

Teilbereich der Produktpalette<br />

des Unternehmens.<br />

In Zusammenarbeit mit dem türkischen<br />

Automobilunternehmen Togg gründete<br />

Farasis Energy 2021 das Joint Venture Siro,<br />

das sich auf die Entwicklung von Energiespeicherlösungen<br />

konzentriert. Siro<br />

begann im März 2023 mit der Massenproduktion<br />

von Batteriemodulen und<br />

-packs im Batteriewerk in Gemlik (Türkei),<br />

ab 2026 ist die Zellproduktion geplant.<br />

Das europäische Einkaufsteam arbeitet<br />

eng mit dem Siro-Team zusammen und<br />

konzentriert sich hauptsächlich auf die<br />

<strong>Beschaffung</strong> von Batteriemodul- und<br />

Packkomponenten, einschließlich Aluminium-<br />

und Kupferteilen, die durch Stanzen,<br />

Gießen, Bearbeitung, Extrusion und<br />

diverse Fügeverfahren hergestellt werden,<br />

sowie auf elektronische Komponenten,<br />

Kunststoffteile, verschiedene Baugruppen,<br />

wie z. B. Kabelbäume und mehr. Zu<br />

den großen strategischen Partnern zählen<br />

neben Togg ebenfalls Unternehmen wie<br />

Mercedes-Benz und Geely.<br />

Die Produktion in der Türkei bringt verschiedene<br />

Vorteile. So ist es das einzige<br />

Land in Europa, das über vier wichtige<br />

Rohstoffe verfügt, die für die Zellchemie<br />

benötigt werden: Lithium, Nickel, Kobalt<br />

und Grafit. Die von vielen Kunden, besonders<br />

im Automobilbereich, geforderte europäische<br />

Produktion reduziert zudem<br />

Abhängigkeiten, Volatilität sowie Kosten<br />

wie zum Beispiel Zölle. Ausschlaggebend<br />

hierfür sind unter anderem die stabileren<br />

Lieferketten, die kürzeren Lieferwege, damit<br />

verbunden weniger CO 2 -Ausstoß und<br />

geringere Logistikkosten, sowie der Seezugang<br />

für die Verfrachtung per Schiff.<br />

Nachhaltigkeit als Standard<br />

Die Zusammenarbeit, besonders mit<br />

OEMs, bringt mit sich, dass Farasis Energy<br />

als Zulieferer für die Automobilindustrie<br />

die vom Kunden gesetzten ESG-Standards<br />

übernimmt. Weitere Maßnahmen wie die<br />

Verwendung von „grünem“ Strom, die Reduzierung<br />

von Verpackungsmaterial, die<br />

Auswahl möglichst lokaler Lieferanten,<br />

um Transportwege kurzzuhalten, ergänzen<br />

das Nachhaltigkeitskonzept.<br />

Die Gewinnung von Rohstoffen ist ein<br />

wichtiger Faktor, wenn es um die ethischen<br />

Auswirkungen von Batterietechnologie<br />

geht. Farasis Energy ist Mitglied in<br />

der Responsible Cobalt Initiative (RCI), einer<br />

Organisation, die sich für die Einhaltung<br />

ethischer Standards beim Kobaltabbau<br />

engagiert und der Initiative for Responsible<br />

Mining Assurance (IRMA) für<br />

Lithium- und Kobaltminen. Durch das eigene<br />

Direct-Recycling-Verfahren für die<br />

Zurückgewinnung von Rohstoffen wird<br />

42 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


der Kreislauf dem Unternehmen zufolge<br />

geschlossen.<br />

Lieferkette hält noch nicht<br />

mit dem Wandel Schritt<br />

In den letzten Jahren hat die Elektrifizierung<br />

des Automotive-Sektors deutlich an<br />

Geschwindigkeit aufgenommen, doch die<br />

Automobilzulieferkette in Europa ist in<br />

vielen Bereichen noch verstärkt auf die<br />

Herstellung von „Verbrennern“ ausgerichtet.<br />

Die Lieferkette für E-Fahrzeuge ist<br />

noch nicht so weit entwickelt, wie die für<br />

Verbrennungsmotoren. Das macht es zu<br />

einer Herausforderung, Lieferanten zu<br />

finden, die zum einen Elektrofahrzeuge<br />

verstehen und zum anderen die Anforderungen<br />

an Rohmaterialien, Zellen, Module<br />

und Packs. Ebenso müssen die Lieferanten<br />

definierten Anforderungen und Standards<br />

entsprechen und im Vergleich zum Verbrennungsmotor<br />

sind die Liefertermine<br />

oft kürzer, sodass auch die Entwicklung<br />

von Komponenten deutlich schneller erfolgen<br />

muss, wie im Bereich der Verbrennungsmotoren.<br />

Die <strong>Beschaffung</strong> von<br />

Komponenten für Lithium-Ionen-Batterien<br />

ist ein komplexer Prozess. Die Branche<br />

verzeichnet eine starke Nachfrage,<br />

die hauptsächlich durch die Elektrofahrzeug-Revolution<br />

getrieben ist. Diese<br />

Nachfrage hat die Lieferkette beeinflusst<br />

und sich auf Preise und Lieferzeiten ausgewirkt.<br />

Vor diesem Hintergrund spielt die<br />

Forschung mit alternativen Rohstoffen<br />

und Entwicklung neuer Zellchemien eine<br />

wichtige Rolle, um sich breiter aufzustellen<br />

und eine stabile Lieferkette zu gewährleisten.<br />

Die Batterie-Modul- und<br />

Packproduktion von Siro<br />

in Gemlik (Türkei).<br />

So soll sichergestellt werden,<br />

dass die Batterien einen ausreichenden<br />

Druck erfahren,<br />

um vorzeitige Alterung zu vermeiden,<br />

Dickenänderungen<br />

während des Ladens und Entladens<br />

der Zellen zu kompensieren, sowie<br />

die Wärmeisolation von Zelle zu Zelle zu<br />

gewährleisten.<br />

Der Produktionsprozess von Schaumstoff<br />

selbst ist nicht besonders komplex, aber<br />

<strong>Beschaffung</strong> von hochwertigem Material,<br />

um die Anforderungen zu erfüllen, ist ein<br />

fordernder Prozess. Die Qualität des endgültigen<br />

Schaumstoffprodukts wird von<br />

mehreren Faktoren bestimmt, darunter<br />

die Auswahl der Rohstoffe, die Stabilität<br />

der Formulierung, Mischverhältnisse und<br />

der Prozess des Schäumens. Die Vielfalt<br />

der Schaumstoffprodukte und Barrierematerialien<br />

auf dem Markt und ihre unterschiedliche<br />

Eignung für verschiedene<br />

Anwendungen hat die <strong>Beschaffung</strong>sprozesse<br />

komplexer gemacht. Diese Komplexitäten<br />

können wie folgt kategorisiert<br />

werden:<br />

• Unzureichende Schaumstoffdichte, die<br />

zu unzureichender Druckfestigkeit<br />

führt<br />

• Technische Reinheit der Bauteiloberflächen,<br />

was zum Teil die Verwendung<br />

zusätzlicher Einkapselungen erforderlich<br />

macht, wodurch wiederum die<br />

Kosten erhöht werden<br />

Bild: Siro<br />

• Toleranzen in den Abmessungen, insbesondere<br />

in der Dicke, die das Verhalten<br />

unter Druckbelastung beeinflussen<br />

• Hohe Transportkosten bedingt durch<br />

anspruchsvolles Handling von Schaumstoffen<br />

und Barrierematerialien, bedingt<br />

durch deren Eigenschaften<br />

• Geforderte Lebensdauer der verwendeten<br />

Materialien<br />

Fazit<br />

Die <strong>Beschaffung</strong> von Batteriekomponenten<br />

ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Farasis<br />

Energy hat über Jahre ein Netzwerk an<br />

Lieferanten aufgebaut, um die benötigten<br />

Materialien aus mehreren Quellen beziehen<br />

zu können und so Lieferengpässe zu<br />

vermeiden. Die Präsenz auf den internationalen<br />

Branchenmessen hat sich als<br />

hilfreich bei der Suche nach Partnern erwiesen.<br />

So konnten starke Lieferantenbeziehungen<br />

aufgebaut werden, um eine<br />

stabile Versorgung sicherzustellen. Die<br />

kontinuierliche Überwachung von Markttrends,<br />

bildet die Grundlage, um fundierte<br />

Entscheidungen zu treffen. Das Vorgehen<br />

wird auch für Geschäftsfelder wie den<br />

Non-Automotive-Bereich angewendet.<br />

<strong>Beschaffung</strong>sbeispiel<br />

Schaumstoff<br />

Farasis bietet Pouch-Zellen an, die durch<br />

ihre flexible äußere Form charakterisiert<br />

sind und aufgrund ihrer Fähigkeit zur<br />

thermischen Ausdehnung, häufig in Batterien<br />

für Elektrofahrzeuge verwendet<br />

werden. Beim Einbau von Zellen in Module<br />

sind zusätzliche Schutz- und Sicherungsmaßnahmen<br />

erforderlich. Typischerweise<br />

werden Schaumstoffmatten und<br />

Barrierematerialien ausgewählt, um die<br />

Zwischenräume zwischen den einzelnen<br />

Zellen in einem Batteriemodul zu füllen.<br />

Farasis Energy<br />

... ist ein Entwickler und Produzent von Lithium-Ionen-<br />

Batterietechnologie sowie Pouch-Zellen für die Elektromobilität<br />

und weiteren Energiespeicherlösungen. Das 2002 von<br />

Dr. Keith Kepler und Dr. Yu Wang in Kalifornien gegründete<br />

Unternehmen betreibt heute Forschungs- und Entwicklungszentren<br />

in China, Deutschland und den USA. Derzeit gibt es<br />

zwei Produktionsstätten in Ganzhou und Zhenjiang (China).<br />

Weitere sind bis 2025 in der Entstehung mit einer geplanten<br />

Gesamtkapazität von 145 GWh/a.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 43


» MANAGEMENT<br />

Elektronische Rechnung wird verpflichtend<br />

eRechnung für alle<br />

Die öffentliche Verwaltung sowie viele Großunternehmen digitalisieren ihre<br />

Zahlungsprozesse seit Jahren. Jetzt kommt die gesetzliche Verpflichtung zur<br />

elektronischen Rechnung für alle Unternehmen. Übergangsfristen erleichtern<br />

die Umstellung, von der auch der Einkauf profitiert.<br />

Auch wenn der Bundesrat das<br />

Wachstumschancengesetz Ende<br />

vergangenen Jahres statt zur Verkündung<br />

zunächst in den Vermittlungsausschuss<br />

schickte: Die Pflicht zur elektronischen<br />

Rechnung wird kommen. Geplant war der<br />

1.1.2025, aber der Länderkammer schienen<br />

die Zumutungen für die deutsche<br />

Wirtschaft zu groß, die Umsetzungsfrist<br />

zu kurz; nun kommt sie vielleicht erst<br />

2027. Dabei ist das Thema eRechnung bereits<br />

seit rund einer Dekade existent und<br />

weicht nicht mehr aus den Köpfen.<br />

Denn die Zahlen sprechen für sich:<br />

„Schätzungen gehen von Kosteneinsparungspotenzialen<br />

in Höhe von 60 bis 80<br />

Prozent aus“, sagt Dr. Axel T. Schulte, Abteilungsleiter<br />

„Einkauf & Finanzen im<br />

SCM“ beim Fraunhofer-Institut für Materialfluss<br />

und Logistik (IML) in Dortmund.<br />

Laut dem Verband elektronische Rechnung<br />

(VeR) wiederum kann ein durchschnittliches<br />

Unternehmen zwischen 9,50<br />

und 15 Euro pro verarbeiteter Rechnung<br />

sparen, die Bearbeitungsdauer soll sich<br />

auf ein Drittel reduzieren lassen. Doch das<br />

ist noch nicht alles.<br />

Serie Einkaufsrecht<br />

RA Anja Falkenstein stellt<br />

<strong>aktuell</strong>e und einkaufs -<br />

relevante Rechtsthemen vor.<br />

http://hier.pro/<br />

5hmjZ<br />

Dr. Axel T. Schulte, Abteilungsleiter<br />

„Einkauf & Finanzen im SCM“ beim<br />

Fraunhofer-Institut für Materialfluss<br />

und Logistik (IML) in Dortmund.<br />

Neben der Zeit- und Kostenersparnis ist<br />

der schnelle und bedienungsfreundliche<br />

Verarbeitungsprozess ein enormer Vorteil.<br />

Er ermöglicht größtmögliche Transparenz.<br />

Fehler beim Verarbeiten und Abgleichen<br />

der Belege werden vermieden, Compliance-Anforderungen<br />

sind durch die transparenten<br />

Prozesse leichter zu erfüllen,<br />

und die Rechnungsdaten sind durch die<br />

Automatisierung besser und strenger geschützt.<br />

Transparenz und Sicherheit<br />

Dabei spielt die E-Rechnung ihr wahres<br />

Potenzial erst dann aus, wenn sie zentraler<br />

Bestandteil einer durchgängig digitalen<br />

Kette vom Lieferanten bis zum Kunden<br />

ist – ja sogar „von der Auftragserteilung<br />

über die Auftragsbestätigung, den<br />

Lieferschein, den Wareneingang bis zur<br />

Rechnung und Bezahlung“, wie IML-<br />

Fachmann Schulte sagt, „denn alle<br />

Schritte betreffen dieselbe Einkaufstransaktion<br />

und müssen gegeneinander abgeglichen<br />

werden können.“<br />

Bild: IML<br />

Tim Roßky, Geschäftsführer von<br />

Cegedim eBusiness, einem Dienstleister<br />

für den digitalen Belegaustausch<br />

mit Sitz in München.<br />

Voraussetzung dafür sind strukturierte<br />

elektronische Daten, die eine durchgängige<br />

Verarbeitung ohne Medienbrüche ermöglichen.<br />

Dabei helfen soll die europäische<br />

CEN-Norm EN 16931, die festlegt,<br />

wie das Datenformat aussehen soll. „Durch<br />

diese Standardisierung kommunizieren<br />

dann alle Unternehmen nach den gleichen<br />

Spielregeln“, hofft Tim Roßky, Geschäftsführer<br />

von Cegedim eBusiness, einem<br />

Dienstleister für den digitalen Belegaustausch<br />

mit Sitz in München. „So lässt sich<br />

die gesamte <strong>Beschaffung</strong>s- und Lieferkette<br />

in Zukunft ganz einfach digitalisieren.“<br />

Den Standard der CEN-Norm erfüllen<br />

gängige Formate wie xRechnung oder<br />

ZUGFeRD (für „Zentraler User Guide des<br />

Forums elektronische Rechnung Deutschland“).<br />

Sie werden von spezialisierten<br />

Dienstleistern zur Verfügung gestellt, die<br />

eingangs- und ausgangsseitig alle Rechnungsformate<br />

– ob Papier, PDF oder ein<br />

anderes Datenformat – digitalisieren, vereinheitlichen<br />

und innerhalb von Sekunden<br />

wieder direkt in die betrieblichen<br />

Bild: Cegedim<br />

44 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Wie der Einkauf von der eRechnung profitiert<br />

Dr. Axel T. Schulte, Abteilungsleiter<br />

„Einkauf & Finanzen im SCM“<br />

beim Fraunhofer-Institut für Materialfluss<br />

und Logistik, benennt<br />

die Potenziale der eRechnung<br />

für den Einkauf:<br />

• Ganzheitlich digitalisierter<br />

Purchase-to-Pay- oder<br />

Procurement- Prozess<br />

• Chance, frühzeitig Rechnungsdaten<br />

in strukturierter Form zu<br />

erhalten, somit effiziente<br />

Daten verarbeitung und weitergehende<br />

Analyse möglich<br />

• Automatischer Abgleich von<br />

Bestellung, Auftrags -<br />

Prozesse einspeisen. Experte Roßky ist<br />

sich sicher: „Wenn alle Systeme richtig<br />

konfiguriert und die Prozesse sauber ausgeführt<br />

werden, ist eine hohe Dunkelverbuchungsquote<br />

zu erzielen, die das<br />

Hauptziel eines jeden Unternehmens ist:<br />

Vorfälle zu verbuchen, ohne manuell eingreifen<br />

zu müssen.“<br />

Der rechtliche Zeitrahmen<br />

Die EU hat mit „ViDA“ (für „VAT in the Digital<br />

Age“) eine große Initiative gestartet, die<br />

europaweit das Mehrwertsteuerrecht harmonisieren<br />

und<br />

modernisieren<br />

will und dafür<br />

als zentralen Bestandteil<br />

eine<br />

standardisierte<br />

eRechnung benötigt.<br />

Im Vorgriff<br />

darauf will<br />

der deutsche Gesetzgeber<br />

die<br />

Pflicht zur elektronischen Rechnung bereits<br />

jetzt im Umsatzsteuergesetz festschreiben.<br />

Laut Gesetzentwurf gilt diese ab<br />

1.1.2025, allerdings soll es Übergangsfristen<br />

geben, die bis 2027 gestaffelt sind. Bis<br />

Ende 2026 bleiben Papierrechnungen zulässig,<br />

ebenso elektronische Rechnungen in<br />

bestätigung, Lieferschein und<br />

Rechnung möglich<br />

• Durch Abgleich von Rechnung<br />

und Stammdaten Minimierung<br />

von Betrugsrisiken möglich<br />

• Nutzung der strukturierten<br />

Daten für Tax-Reporting<br />

möglich<br />

• Durch schnellere Bearbeitung<br />

der Eingangsrechnungen<br />

Skontoabzug möglich<br />

• Nutzung der Rechnungsdaten<br />

für Finanzierung von Lieferanten:<br />

Supply Chain Finance, insbesondere<br />

Reverse Factoring<br />

und Dynamic Discounting<br />

»Durch diese<br />

Standardisierung<br />

kommunizieren dann alle<br />

Unternehmen nach den<br />

gleichen Spielregeln .«<br />

Tim Roßky, Cegedim<br />

„alten“ Formaten. Diese Frist verlängert<br />

sich für Rechnungsaussteller mit einem<br />

Vorjahresumsatz von nicht mehr als<br />

800.000 Euro auf Ende 2027. Ab 2028 wird<br />

es endgültig Ernst, die Pflicht trifft dann<br />

alle Unternehmen mit Sitz im Inland. Der<br />

Zeitplan könnte sich allerdings aufgrund<br />

der Intervention des Bundesrates noch verschieben.<br />

Doch Zurücklehnen ist trotz der großzügig<br />

bemessenen Umsetzungsfristen nicht angesagt:<br />

Weil der Rechnungsaussteller die<br />

oben genannten Übergangsfristen nicht in<br />

Anspruch nehmen<br />

muss, sondern<br />

sofort auf<br />

die eRechnung<br />

umstellen kann,<br />

muss jeder<br />

Rechnungsempfänger<br />

bereits<br />

ab 1.1.2025 in<br />

der Lage sein,<br />

die Daten empfangen<br />

und verarbeiten zu können.<br />

Tim Roßky empfiehlt, die Umstellung in<br />

kleinere Häppchen zu zerteilen, etwa zunächst<br />

überall da, wo noch einfache PDF-<br />

Rechnungen versandt werden, auf das<br />

ZUGFeRD-Format umzusteigen. „Der Empfänger<br />

behält sein Sichtdokument und ihm<br />

geht nichts verloren“, erläutert der Experte.<br />

„Im Idealfall kann er die mitgelieferten<br />

strukturierten Daten schon nutzen und<br />

seine Prozesse beschleunigen.“<br />

Wertvolle Daten<br />

Stellt sich die E-Rechnung auf den ersten<br />

Blick vor allem für Buchhaltung und<br />

Rechnungsabteilung als Vereinfachung<br />

dar, so ergeben sich doch auch für den<br />

vorgeschalteten Einkauf ungeahnte Möglichkeiten.<br />

Insbesondere das Einkaufscontrolling<br />

erhält Zugriff auf einen Datenschatz<br />

von bisher unbekannter Quantität,<br />

Qualität und Aktualität. „Diese Daten sind<br />

die Basis für eine Vielzahl von Analysen<br />

zur Unterstützung des Einkaufsprozesses“,<br />

erläutert Fraunhofer-Forscher<br />

Schulte, „von der Einkaufsplanung über<br />

Budgetierungen bis hin zu Logistikplanungen<br />

und Finanzierungen.“<br />

Idealerweise gelingt es, sich mit seinen<br />

Lieferanten auf einen durchgängig digitalen<br />

Prozess zu einigen – und auf ein Datenformat.<br />

Auch nach der Neuregelung<br />

im Umsatzsteuergesetz bleibt es zulässig,<br />

das Format für den Belegaustausch zwischen<br />

Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger<br />

individuell zu vereinbaren,<br />

solange die umsatzsteuerrechtlichen<br />

Anforderungen erfüllt werden. Die gesetzlichen<br />

Vorgaben sind in dieser Hinsicht<br />

technologieoffen gestaltet. So kann<br />

auch auf Lieferantenseite die elektronische<br />

Rechnung die Abwicklung vereinfachen<br />

und manuelle Prozesse ablösen.<br />

Wer als Lieferant immer noch zögert, den<br />

überzeugt vielleicht die simple Formel<br />

„Schnelle Prüfung – schnelle Zahlung!“<br />

von der smarten Rechnung.<br />

Anja Falkenstein,<br />

Rechtsanwältin,<br />

Karlsruhe<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 45


TITEL » Intralogistik<br />

Bild: Haro<br />

Mit der Möglichkeit zur flexiblen Erweiterung der<br />

Förderanlagen profitiert Caratgas von einem<br />

wesentlichen Vorteil des Haro-Baukastensystems.<br />

Baukastensystem für die Fördertechnik<br />

In Spitzenzeiten<br />

flexibel erweitern<br />

In kaum einer Branche dürfte die Forderung nach einem flexibel<br />

erweiterbaren Materialfluss in den vergangenen Monaten größer<br />

gewesen sein als in der Energiewirtschaft: Die Sorge um Versorgungsengpässe<br />

ließ die Nachfrage in die Höhe steigen. Dank des Bau -<br />

kastensystems des Fördertechnikherstellers Haro konnte, die bei<br />

Caratgas in Krefeld installierte Förderanlage zur Abfüllung von Gas -<br />

flaschen mit den gestiegenen Kapazitätsauslastungen mitwachsen.<br />

46 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


»Die Anforderungen in Industriebetrieben verändern sich rasant.<br />

Umso wichtiger ist es, den innerbetrieblichen Materialfluss flexibel<br />

und unkompliziert den Veränderungen angleichen zu können.«<br />

Christoph Hackländer, Geschäftsführer der Haro-Gruppe<br />

Die Westfalen Gruppe ist in den Bereichen Technische<br />

Gase, Kälte und Wärme, Tankstellen und<br />

Mobilität sowie respiratorische Heimtherapie aktiv.<br />

Mit ihren Produkten und Dienstleistungen bietet sie<br />

zunehmend Lösungen an, die Kundinnen und Kunden<br />

dabei helfen, nachhaltiger zu werden. Das 1923 in<br />

Münster gegründete Familienunternehmen ist heute<br />

mit zahlreichen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften<br />

an über 20 Produktionsstandorten in<br />

Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich,<br />

der Schweiz und Österreich vertreten – so auch in<br />

Krefeld.<br />

Dort fokussiert sich die Tochtergesellschaft Caratgas<br />

GmbH primär auf die Lagerung, Abfüllung und den<br />

Umschlag von Flüssiggas (Propan). Bereits 2020<br />

wandte sich das Unternehmen mit einer Anfrage<br />

über die Installation zweier Förderanlagen an die Rüthener<br />

Haro-Gruppe. Benötigt wurde zum einen eine<br />

angetriebene Fördertechnik für leere und volle Stahlpaletten<br />

mit einem automatischen Ausschubsystem<br />

zur De-Palettierung von leeren Gasflaschen und einem<br />

automatischen Einschubsystem zur Palettierung<br />

befüllter Gasflaschen. Die zweite, ebenfalls angetriebene<br />

Fördertechnik dient zum Transport leerer und<br />

voller Stahlpaletten mit einem automatischen Ausschubsystem,<br />

allerdings ausschließlich für leere TÜVfällige<br />

Gasflaschen.<br />

Die Haro-Gruppe konzipierte für die beiden Anforderungen<br />

jeweils ein intelligentes Konzept, bestehend<br />

aus den beiden Hauptkomponenten angetriebener<br />

Rollenbahnen und Kettenförderer, welche die Gasflaschen<br />

jeweils vor und nach ihrer Befüllung vollautomatisiert<br />

depalettieren und palettieren.<br />

Der Materialfluss im Detail<br />

Die Details des Materialflusses an der ersten Anlage:<br />

Die Aufgabe der entweder einzelnen oder gedoppelten<br />

Stahlpaletten erfolgt zunächst manuell mithilfe<br />

eines Gabelstaplers. Nachdem der Mitarbeiter die<br />

Aufgabe des Fördergutes mittels Schalter quittiert<br />

hat, verfährt die einzelne Palette mithilfe der angetriebenen<br />

Rollenbahnen unmittelbar zur Ausschiebeeinheit,<br />

während die gedoppelte Palette nach einer<br />

automatischen Höhenprüfung zunächst zur Entdoppelungseinheit<br />

befördert wird. „Eine Vertikalhubeinheit,<br />

die mit Gabelstaplerzinken bestückt ist, vereinzelt<br />

die Paletten anschließend und verfährt die untere<br />

Stahlpalette unmittelbar zur Ausschiebeeinheit“,<br />

erklärt der Konstruktionsleiter der Haro-Gruppe,<br />

Markus Löseke, die technischen Details des Vorgangs.<br />

Währenddessen wird die obere Palette angehoben<br />

und nach dem Abtransport der unteren Palette abgesenkt<br />

und ebenfalls in Richtung Ausschiebeeinheit<br />

zur De-Palettierung der Gasflaschen befördert.<br />

An der Ausschiebeeinheit angekommen, wird die<br />

Transportsicherung der Stahlpaletten zunächst nach<br />

oben gehoben, anschließend werden die Flaschen<br />

automatisch von der Stahlpalette auf den Kettentransportstrang<br />

abgeschoben und zur Befüllungsanlage<br />

transportiert. Die leere Palette wird auf die<br />

nächsten freien Rollenbahnplätze verfahren.<br />

Zur Palettierung der befüllten Gasflaschen werden<br />

die leeren Stahlpaletten an der Vollflaschen-Einschiebeeinheit<br />

zuerst mittels einer Stopper-Puscher-<br />

Kombination positioniert und fixiert. Danach wird die<br />

Transportsicherung erneut nach oben gehoben, sodass<br />

die vollen Flaschen vom Kettenfördererstrang in<br />

die Palette eingeschoben werden. Nach dem erfolgreichen<br />

Palettiervorgang senkt sich die Sicherheitsvorrichtung<br />

wieder ab und die befüllten Paletten<br />

werden über die angetriebenen Rollenbahnen zur Lagerung<br />

transportiert.<br />

Zur Separierung und Palettierung der TÜV-fälligen-<br />

Propangasflaschen installierte die Caratgas GmbH<br />

Bild: Haro<br />

Blockabnahme von vier<br />

Gitterboxen mit dem<br />

Gabelstapler.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 47


TITEL » Intralogistik<br />

Bereits 2020 wandte<br />

sich das Unternehmen<br />

Caratgas mit einer<br />

Anfrage über die<br />

Installation zweier<br />

Förderanlagen an<br />

Haro .<br />

eine zweite Förderanlage, die in ihrer Funktionsweise<br />

der ersten Anlage ähnelt: „An dieser Anlage werden<br />

die unbestückten Stahlpaletten zunächst mithilfe eines<br />

Gabelstaplers aufgegeben und entlang der Rollenbahnen<br />

zur Position der TÜV-fälligen-Leerflaschen-Einschiebeeinheit<br />

befördert“, heißt es aus der<br />

Haro-Konstruktion. Nach dem automatischen Öffnen<br />

der Sicherheitsvorrichtung an der Palette werden die<br />

leeren Flaschen vom Kettenförderer in die Palette<br />

eingeschoben. Nachdem der Palettiervorgang abgeschlossen<br />

ist, senkt sich die Sicherheitsvorrichtung<br />

und die mit den TÜV-fälligen Flaschen befüllte Stahlpalette<br />

wird über die Rollenbahnen automatisiert<br />

zum Abnahmeplatz befördert.<br />

Bild: Haro<br />

Bestehende Förderanlagen flexibel<br />

erweitern<br />

Mit wachsenden Kapazitätsauslastungen wandte<br />

sich Caratgas zwei Jahre nach der Installation der<br />

beschriebenen Förderanlagen erneut an die Haro-<br />

Gruppe mit dem Ziel, die Puffermöglichkeiten an den<br />

Anlagen zu vergrößern und die Abhängigkeit der<br />

Auf- und Abnahme durch den manuellen Stapler zu<br />

entkoppeln. „Durch die Implementierung zusätzlicher<br />

Kettenförderer und damit Pufferplätze an den Aufund<br />

Abnahmestellen der Anlage konnten wir diesen<br />

Anforderungen gerecht werden, zusätzlich weist die<br />

Anlage damit einen hohen Grad an Automatisierung<br />

auf. Die Depalettierung und Palettierung der Gasflaschen<br />

läuft komplett automatisch, es sind keine manuellen<br />

Eingriffe erforderlich“, so Markus Löseke.<br />

Mit der Möglichkeit zur flexiblen Anpassung und Erweiterung<br />

der Förderanlagen, die insbesondere in<br />

den energieversorgenden Unternehmen wichtiger<br />

denn je geworden ist, bedient sich die Caratgas einem<br />

elementaren Vorteil des Haro-Konzeptes: „Die<br />

Anforderungen in heutigen Industriebetrieben verändern<br />

sich rasant, umso wichtiger ist es, den innerbetrieblichen<br />

Materialfluss flexibel und unkompliziert<br />

den Veränderungen angleichen zu können“, weiß<br />

auch der Geschäftsführer der Haro-Gruppe, Christoph<br />

Hackländer. „Deshalb bieten wir unseren Kunden<br />

stets die Möglichkeit, bereits bestehende Förderanlagen<br />

mithilfe unseres Baukastensystems zu erweitern<br />

– und zwar ohne, dass dabei große Eingriffe<br />

in die laufende Produktion notwendig sind“.<br />

Platzsparendes Anlagenlayout für den Kreislauf der Einschleusung,<br />

Entladung, Befüllung, Beladung und abschließender Ausschleusung.<br />

Bild: Haro<br />

48 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


INTRALOGISTIK «<br />

Gesteigerte Effizienz in der Auftragsabwicklung<br />

Hunderte AMR transportieren<br />

Paletten und Behälter<br />

Dematic hat die Implementierung von 299 autonomen mobilen Robotern (AMR) für den Omnichannel-Einzelhändler<br />

Radial Europe in dessen Logistikzentrum in Groningen abgeschlossen.<br />

Das Unternehmen erwartet damit eine erheblich höhere Effizienz bei der Auftragsabwicklung<br />

als bislang. Für Dematic stellt dieser AMR-Auftrag den bisher größten seiner Art dar.<br />

Radial setzt die mobilen Roboter<br />

hauptsächlich für die Abwicklung<br />

von E-Commerce-Bestellungen im Textilbereich<br />

ein. „Unsere maßgeschneiderte<br />

End-to-End-Lösung wird Radial dabei<br />

unterstützen, die Effizienz zu steigern, die<br />

Flexibilität zu erhöhen und die zukünftige<br />

Skalierbarkeit zu gewährleisten“, erklärt<br />

Kevin Heath, Globaler Vertriebsingenieur<br />

für Robotik bei Dematic.<br />

Die Lösung ist in drei Schlüsselanwendungsbereiche<br />

unterteilt und umfasst drei<br />

Arten von AMR: Zunächst transportieren<br />

Pallet-to-Picker-Roboter die Paletten<br />

vom Eingang zu einem großen Lagerfeld.<br />

Von dort werden sie zu den Umfüllstationen<br />

und den Regalen der Kommissionierplätze<br />

an den Packstationen befördert.<br />

Anschließend läuft derselbe Vorgang umgekehrt<br />

ab. Zusätzlich übernehmen<br />

Bin-to- Picker-Roboter die Lagerung von<br />

Paletten in einem automatisierten Hochregallager<br />

und den Transport zu den Kommissionierplätzen<br />

für die Ausführung von<br />

Split-Case-Aufträgen, also Bestellungen,<br />

die aus einer Vielzahl von Einzelprodukten<br />

oder Artikelvarianten bestehen. Hierfür<br />

verfügt die Regalanlage über eine<br />

Kapazität von rund 65.000 Stellplätzen.<br />

Zuletzt übernehmen Order-Shelf-Transport-Roboter<br />

die Beförderung von Aufträgen<br />

auf einem Regal mit mehreren Ebenen,<br />

die schließlich an die Packstationen<br />

geliefert werden.<br />

Mitarbeitende und Kunden<br />

profitieren<br />

„Das ist ein doppelter Gewinn für Radial“,<br />

betont Dries De Love, Executive Vice<br />

President bei Radial Europe. „Die Lösung<br />

Bild: Dematic<br />

Die Dematic-Lösung in Groningen umfasst drei Arten von AMR: Pallet-to-Picker-Roboter,<br />

Bin-to-Picker- AMR und Order-Shelf-Transport-Roboter.<br />

erhöht die Effizienz, was zu verbesserten<br />

Dienstleistungen und niedrigeren Kosten<br />

für unsere Kunden führt. Darüber hinaus<br />

sehen wir ergonomische Verbesserungen<br />

und Sicherheitsvorteile für unsere Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter. Das führt zu<br />

einer höheren Gesamtleistung.“<br />

Das Projekt bei Radial in Groningen markiert<br />

für Dematic einen Meilenstein, auch<br />

mit Blick auf den Kion-Partner Quicktron,<br />

der von Dematic mit der Bereitstellung<br />

der AMR sowie der Projektdurchführung<br />

beauftragt wurde. Kevin Heath resümiert:<br />

„Durch diesen Großauftrag haben wir bewährte<br />

Sicherheitspraktiken für diese<br />

innovativ e Technologie etablieret sowie<br />

eine Strategie für den Kundenservice und<br />

die Ersatzteilbereitstellung in der EMEA-<br />

Region entwickelt.“ Darüber hinaus habe<br />

das Projekt dem Anbieter von intelligenter<br />

Automatisierungstechnik wertvolle<br />

Einblicke in die Anwendung, das Design<br />

und die Implementierung von AMR-Systemen<br />

ermöglicht. „Wir haben unsere<br />

Expertise erheblich erweitert, auch dahingehend<br />

wie man AMR-Auftragsabwicklungssysteme<br />

anwendet, gestaltet und<br />

implementiert. Nun beabsichtigen wir,<br />

diese Sparte weltweit weiter auszubauen“,<br />

so Heath abschließend. (ys)<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 49


» INTRALOGISTIK<br />

Forschungsprojekt der TH Aschaffenburg und Linde Material Handling<br />

Autonome Outdoor-Stapler<br />

setzen auf Schwarmintelligenz<br />

Im Forschungsprojekt KAnIS haben der Warenumschlagspezialist Linde Material<br />

Handling und die TH Aschaffenburg Lösungen für den Einsatz autonomer Gegengewichtsstapler<br />

im Innen- und Außenbereich entwickelt. Die Ergebnisse wurden<br />

Anfang Dezember auf dem Testgelände im Werk Aschaffenburg präsentiert.<br />

Autonome Fahrzeuge werden nach<br />

und nach immer mehr Transportaufgaben<br />

übernehmen. Davon ist Stefan<br />

Prokosch, Initiator des Projektes „KAnIS –<br />

Kooperative Autonome Intralogistik Systeme“<br />

bei Linde Material Handling (MH),<br />

überzeugt. Daher will das Unternehmen<br />

die Vorteile autonomer Fahrzeuge in Zukunft<br />

auch denjenigen Kunden zugänglich<br />

machen, die Gegengewichtsstapler<br />

zum Warentransport oder zum Be- und<br />

Entladen von Lkw im Einsatz haben.<br />

„Die Anforderungen an Stapler im Außenbereich<br />

sind jedoch weitaus höher, als<br />

dies bei reinen Indoor-Geräten der Fall ist.<br />

Dazu gehören Gefälle und Steigungen, ein<br />

deutlich höheres Personen- und Verkehrsaufkommen,<br />

aber auch Wettereinflüsse<br />

und Temperaturgegebenheiten“, erläutert<br />

Prokosch. „Durch die gemeinsame Forschungsarbeit<br />

mit der TH AB konnten wir<br />

tragfähige Lösungen für diese komplexen<br />

Anforderungen erarbeiten. Die Erkenntnisse<br />

bilden nach dem Abschluss des Projekts<br />

eine wesentliche Grundlage für weitere<br />

Entwicklungsprojekte.“<br />

In mehreren Teilprojekten haben Linde<br />

MH und die TH Aschaffenburg im Projekt<br />

KAnIS daher Lösungen für die anspruchsvollen<br />

Einsätze autonomer Gegengewichtsstapler<br />

entwickelt, die sowohl im<br />

Innen- als auch im Außenbereich Lasten<br />

bewegen. Ein Schwerpunkt lag auf deren<br />

kooperativem Verhalten: Über ein<br />

5G-Netz und einen Edge-Server tauschen<br />

die Fahrzeuge Informationen in Echtzeit<br />

aus und können sich gegenseitig vor Hindernissen<br />

warnen. Das über knapp vier<br />

Jahre laufende Vorhaben wurde im Rahmen<br />

des FuE-Programms Informations-<br />

und Kommunikationstechnik des Freistaates<br />

Bayern mit rund 2,8 Mio. Euro gefördert.<br />

Übergeordnetes Projektziel war es, herauszufinden,<br />

wie sich betriebliche Zuverlässigkeit<br />

und Umschlagsleistung<br />

durch ein kooperatives Verhalten vernetzter,<br />

autonomer Fahrzeuge verbessern<br />

lassen. Zur Lösung dieser umfassenden<br />

Aufgabenstellung wurden mehrere<br />

Teilprojekte gebildet, die sich mit der Lokalisierung<br />

sowie Steuerung und Regelung<br />

der Fahrzeuge, der Kooperation der<br />

Stapler untereinander, dem Erkennen der<br />

Ladungsträger, dem Umgang mit Witterungseinflüssen,<br />

der vorausschauenden<br />

Wartung, der Routenoptimierung sowie<br />

dem automatischen Lademanagement<br />

beschäftigten.<br />

Betriebsnahe Testszenarien<br />

unter Realbedingungen<br />

Automatisiert wurden vier Elektro-Gegengewichtsstapler<br />

Linde E20, E25 und<br />

E30 mit 2,0 bis 3,0 Tonnen Tragfähigkeit,<br />

ausgestattet mit elektrohydraulischer<br />

Lenkung (Linde Steer Control), dem Assistenzsystem<br />

Linde Safety Pilot mit elektronischem<br />

Lastdiagramm sowie einem integrierten<br />

Zinkenverstellgerät. „Die praktische<br />

Umsetzung der Forschungserkenntnisse<br />

war für Linde MH und die TH<br />

Aschaffenburg ein wichtiger Aspekt“, betonte<br />

Mark Hanke, Abteilungsleiter im<br />

Bereich Vorentwicklung bei Linde MH. Ab<br />

dem kommenden Jahr sollen die Fahrzeuge<br />

weiterentwickelt und getestet werden,<br />

um zukünftig vier konkrete Materialfluss-<br />

Aufgaben im Werk zu übernehmen: den<br />

Transport von Gitterboxen sowie den<br />

Transport von Paletten mit Batterien, außerdem<br />

die Transporte von Fahrzeugrahmen<br />

und Fahrerschutzdächern, die auf<br />

speziellen Ladungsträgern von den Vormontage-<br />

an die Hauptmontagelinien gebracht<br />

werden. Die beiden ersten Anwendungsfälle<br />

sind reine Outdoor-Einsätze.<br />

Bei den beiden anderen fahren die Stapler<br />

sowohl in als auch zwischen den Hallen.<br />

Zu überwinden sind Steigungen von acht<br />

Prozent, außerdem fahren in den Hallen<br />

weitere AGVs und manuell bediente Fahrzeuge.<br />

Damit die vier Stapler Paletten, Gitter -<br />

boxen und Metallgestelle mit ihren Gabelzinken<br />

auch dann aufnehmen können,<br />

wenn diese nicht exakt am Boden ausgerichtet<br />

sind, verfügen die Fahrzeuge über<br />

eine verfahrbare Kamera, die zwischen<br />

den Gabelzinken montiert ist. Sie vermisst<br />

die Taschen des Lastträgers, damit die<br />

Zinken korrekt über den Seitenschieber<br />

positioniert werden können. Konstruktiv<br />

angepasst wurden außerdem der Fahrzeugrahmen,<br />

die Batterietür und das<br />

Gegengewicht . „Unser Anspruch war,<br />

Sicherheits scanner, Kameras und Sensoren<br />

weitestgehend in die Fahrzeugkontur zu<br />

integrieren, damit die Abmessungen<br />

möglichst nah am Standardstapler bleiben“,<br />

so Hanke.<br />

In den Hallen lokalisieren sich die Fahrzeuge<br />

über Laserscanner, im Außenbereich<br />

über Differential-GPS (Global Positioning<br />

System), ein Verfahren zur Genauigkeitssteigerung<br />

bei GPS, sowie zusätzliche<br />

lokale Sensoren beim Übergang vom<br />

Innen- zum Außenbereich. Anders als die<br />

manuellen Stapler fahren die automatisierten<br />

Fahrzeuge auf den fest definierten<br />

50 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Bild: Linde MH<br />

Ein Schwerpunkt des Forschungsprojekts lag auf dem kooperativen Verhalten der autonomen Stapler: Über ein 5G-Netz und einen Edge-Server tauschen die<br />

Fahrzeuge Informationen aus und können sich bei kritischen Situationen warnen.<br />

Strecken immer rückwärts, damit die Last<br />

im Fall einer Notbremsung nicht von den<br />

Zinken rutschen kann.<br />

Echtzeitkommunikation mit<br />

Staplern und Infrastruktur<br />

raussetzung dafür ist eine echtzeitfähige<br />

Übermittlung der Perzeptionsdaten. Um<br />

diese geringen Latenzen zu erreichen,<br />

wurde im Aschaffenburger Werk ein<br />

5G-Netzwerk aufgebaut. Die Perzeptionsdaten<br />

werden von den Staplern an einen<br />

Edge-Server übertragen, der aus den lokal<br />

erkannten Objekten eine globale Liste aller<br />

erkannten Objekte erstellt und diese<br />

zurück an die Stapler sendet.<br />

Getestet wurde mit einem Crashtest-<br />

Dummy, der plötzlich hinter einer Wand<br />

hervorkommt und in den Fahrweg läuft.<br />

Ohne kooperatives Verhalten kann der<br />

automatisierte Stapler nicht rechtzeitig<br />

stoppen und fährt gegen die Puppe. Erhält<br />

er die Echtzeitinformation eines in der<br />

Nähe befindlichen Staplers, ist das Fahrzeug<br />

in der Lage, die Gefahrensituation<br />

im Voraus zu erkennen, und kann rechtzeitig<br />

abbremsen.<br />

Funknetze als<br />

Voraussetzung<br />

Da aber nicht immer davon ausgegangen<br />

werden kann, dass ein zweiter Stapler in<br />

der Nähe ist, wurden entlang der Wege,<br />

welche die Stapler zukünftig fahren sollen,<br />

acht stationäre 3D-Laserscanner an<br />

Kreuzungen und Tordurchfahrten installiert.<br />

Auch die lokalen Objektlisten der<br />

Ein besonderer Fokus des Forschungsprojektes<br />

lag auf der Umgebungswahrnehmung<br />

der automatisierten Stapler, um deren<br />

zuverlässiges Agieren mit anderen<br />

Verkehrsteilnehmern zu gewährleisten.<br />

Dazu verfügen die Fahrzeuge zusätzlich<br />

zu den Sensoren der Personenschutzeinrichtung<br />

über weitere 3D-Scanner und<br />

HD-Kameras. Die Kameradaten bilden die<br />

Basis, um Objekte mithilfe von KI-Algorithmen<br />

zu erkennen und zu klassifizieren<br />

sowie anschließend zu lokalisieren, um<br />

die Fahrgeschwindigkeit des Staplers anzupassen<br />

und ihn bis zum Stillstand abbremsen<br />

zu können. Eine weitergehende<br />

Fragestellung befasste sich mit kritischen<br />

Situationen, die entstehen, wenn sich<br />

Verkehrsteilnehmer in verdeckten Bereichen<br />

aufhalten, die von den Sensoren des<br />

Staplers nicht einzusehen sind und sich<br />

auf den Fahrweg des Staplers zubewegen.<br />

Hier kommt die Kommunikation zwischen<br />

den Staplern ins Spiel, denn wenn ein anderer<br />

Stapler in der Nähe ist, könnte er<br />

entsprechende Informationen liefern. Vostationären<br />

Laserscanner werden auf dem<br />

Edge-Server fusioniert und die Informationen<br />

allen Fahrzeugen zur Verfügung<br />

gestellt. „Schnelle Funknetze sind die Voraussetzung,<br />

damit autonome Stapler im<br />

Außenbereich kooperativ agieren und in<br />

Echtzeit auf unvorhergesehene Verkehrssituationen<br />

reagieren können“, betonte<br />

Prof. Dr. Klaus Zindler, Vizepräsident Forschung<br />

und Transfer an der TH Aschaffenburg,<br />

auf der Veranstaltung. „Unser Ziel<br />

ist, allgemeine Standards und Algorithmen<br />

unter Verwendung von KI-Methoden<br />

zu entwickeln, die dann flexibel auf unterschiedliche<br />

Fahrzeuge oder Applikationen<br />

angewendet werden können und<br />

weiterlernen.“<br />

In einem weiteren Arbeitspaket wurde<br />

untersucht, wie die bodennahen, optischen<br />

Sensoren gesäubert werden können,<br />

wenn sie durch Spritzwasser bei Regen<br />

oder nasser Fahrbahn verschmutzt<br />

wurden. Denn ist eine zuverlässige Objekterkennung<br />

nicht mehr möglich, bringt<br />

die Personenschutzanlage den Stapler automatisch<br />

in den sicheren Zustand und er<br />

hält an. Um dies zu verhindern, entwickelte<br />

das Projektteam ein Reinigungssystem,<br />

das die auf den Laserscannern<br />

angesammelten Schmutzwassertropfen<br />

einfach mittels Druckluft wegbläst. (ys)<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 51


» INTRALOGISTIK<br />

Neuheiten in der C-Teile-Versorgung<br />

Systeme lösen Bestellung selbst aus<br />

Der Spezialist für die industrielle Versorgung mit C-Teilen, Keller & Kalmbach, präsentiert zwei<br />

neue, sich selbst steuernde Systeme, die Nachbestellungen automatisch auslösen: „takeLOG<br />

compact“ und „distanceLOG“. Diese sollen für eine effizientere, transparentere und nachhaltigere<br />

<strong>Beschaffung</strong> sowie Lagerung und Bereitstellung sorgen.<br />

Die Warenausgabesysteme der „take-<br />

LOG compact-Serie“ beinhalten eine<br />

intelligente Lagerverwaltungssoftware.<br />

Diese ermöglicht Keller & Kalmbach zufolge<br />

die präzise Überwachung und<br />

Steuerung der Bestell- und Lagerprozesse.<br />

Die modulare Gestaltung erlaubt Anpassungen<br />

an spezifische Anforderungen und<br />

die Lagerung verschiedener MRO-Artikel.<br />

Die Boxen sind laut dem Unternehmen für<br />

95 Prozent der Standardverpackungseinheiten<br />

verwendbar und sind selbst einteilbar.<br />

Ein nachträglicher Artikelaustausch<br />

ist einfach möglich.<br />

Die verringerten Suchzeiten und der<br />

schnelle Zugriff sollen die Prozesskosten<br />

um bis zu 40 Prozent reduzieren – bei<br />

einer 24/7-Verfügbarkeit der MRO-Artikel.<br />

Gleichzeitig führen Zugriffskontrolle und<br />

Bestellmanagement zu einer Reduzierung<br />

des Werkzeugverbrauchs um bis zu 28<br />

Prozent, so das Unternehmen. Die Lean-<br />

Software bietet eine intuitive Menüführung,<br />

wodurch Mitarbeitende ohne Einlernphase<br />

mit dem Automaten arbeiten<br />

können.<br />

Bestellauslösung nach<br />

Entnahme<br />

Eine neue Möglichkeit zum automatischen<br />

Auslösen einer Bestellung bietet<br />

„distanceLOG“. Bei der Entnahme von<br />

Behältern wird die Distanzveränderung<br />

mittels Abstandsmessung per Infrarotsensor<br />

in Echtzeit erfasst. Es erfolgt eine<br />

automatische Bestellauslösung, ohne<br />

manuelles Eingreifen. Der neu gelieferte,<br />

befüllte Behälter wird im Anschluss von<br />

hinten wieder bereitgestellt. Das System<br />

ist geeignet für mobile und feststehende<br />

Infrastrukturen sowie verschiedene Anwendungen<br />

in der Lagerlogistik – unabhängig<br />

von der Art des Behälters. Es kann<br />

mit anderen Logistiksystemen kombiniert<br />

werden, um eine effiziente Gesamtlösung<br />

zu gewährleisten. LED-Anzeigen sorgen<br />

für visuelle Hinweise.<br />

Fazit<br />

Die neuen Lösungen „takeLOG compact“<br />

und „distanceLOG“ bieten Keller & Kalmbach<br />

zufolge nicht nur<br />

operative Vorteile, sondern<br />

tragen auch zur Umsetzung<br />

nachhaltiger Geschäftspraktiken<br />

bei.<br />

Unternehmen , die auf der<br />

Suche nach innovativen<br />

Ansätzen für ihr Logistikmanagement<br />

sind, finden<br />

in diesen Systemen eine<br />

zukunftsweisende Lösung,<br />

heißt es vonseiten des<br />

C-Teile-Spezialisten.<br />

Interessierte können beide<br />

Systeme vom 19.-21. März<br />

auf der Messe Logimat live<br />

erleben. (ys)<br />

Bild: Keller & Kalmbach<br />

Die Kompaktheit des Warenausgabesystems<br />

„takeLOG compact“ erhöht den Raumnutzen.<br />

Bild: Keller & Kalmbach<br />

Das „distanceLOG“-System<br />

bietet Keller & Kalmbach<br />

zufolge eine autonome<br />

Energieversorgung über<br />

zehn Jahre.<br />

52 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


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<strong>Beschaffung</strong> Das Stellenportal <strong>aktuell</strong> » für 1-2 Ihren | 2024 Erfolg! 53


Um zu verstehen, was für das neue<br />

<strong>Beschaffung</strong>sjahr relevant sein wird,<br />

lohnt sich ein Blick auf die Entwicklungen<br />

im Energiemarkt seit 2020.<br />

Bild: amnaj/stock.adobe.com<br />

Herausforderungen und Chancen für den Energieeinkauf im Jahr 2024<br />

Der Energiemarkt nach der Krise<br />

Der Blick auf die letzten vier Jahre zeigt, dass sich beim Strom- und Gaseinkauf viel<br />

verändert hat – mit einer Dynamik wie kaum zuvor. Der Gastbeitrag von enPortal erläutert<br />

diese Entwicklungen im Energiemarkt. Zudem beantwortet der IT-Dienstleister<br />

die Fragen: Was ist das Erbe der Energiekrise und welche Maßnahmen empfehlen sich<br />

bei der Energiebeschaffung, um mehr Effizienz, Sicherheit und Erfolg zu generieren?<br />

Die Corona-Jahre 2020 und 2021 waren geprägt<br />

durch niedrige Energiepreise und einen großen<br />

Wettbewerb unter den Energieversorgern. Die reinen<br />

Arbeitspreise sanken im ersten Lockdown auf 3,7<br />

Cent je Kilowattstunde an der Börse für das Folgejahr.<br />

Die Anzahl der gelaufenen Ausschreibungen<br />

über die Energieplattform „enPortal connect“ erreichte<br />

im Jahr 2020 ein Rekordhoch von 3000. Viele<br />

Unternehmen deckten sich für mehrere Jahre mit<br />

Strom und Gas ein. Es lag ein klassischer Käufermarkt<br />

vor, d. h. die Energieversorger gingen auf viele Anforderungen<br />

vonseiten der Einkaufsabteilungen ein.<br />

Günstige Energiepreise sorgten für ausreichend Liquidität<br />

im Markt. Die Risiken wurden auf die Lieferanten<br />

übertragen, die Aufschläge waren gering und<br />

Festpreis-Lieferverträge für kleinere und mittlere Unternehmen<br />

typische Produkte, die gehandelt wurden.<br />

Ukraine-Krieg sorgt für<br />

Energiekrise im Jahr 2022<br />

Mit dem Ukraine-Krieg im Jahr 2022 änderte sich<br />

nahezu alles im Energiemarkt. Es herrschten explodierende<br />

Preise am Markt: Statt 3,7 ct/kWh waren in<br />

der absoluten Spitze rund 100 ct/kWh fällig. Das<br />

stellte unzählige Unternehmen vor den finanziellen<br />

Abgrund. Der Markt switchte in einen Verkäufermarkt,<br />

die Bedingungen wurden von den Lieferanten<br />

bestimmt, die ebenfalls von den politischen Entwicklungen<br />

betroffen waren. Angebotsstopp-Wochen, eine<br />

neu eingeführte Gasspeicherumlage und gesetzlich<br />

neue Energiepreisbremsen sorgten für Unsicherheit<br />

und Unruhe auf Versorger- und Kundenseite.<br />

Viele Unternehmen hatten Schwierigkeiten, geeignete<br />

Lieferanten zu finden, vor allem, wenn die Bonität<br />

nicht passabel war. Zudem waren kleinere Unternehmen<br />

mitunter aufgefordert, von Festpreis-Lieferungen<br />

auf Tranchen- oder Spotmarkt-Lieferungen zu<br />

wechseln, was wiederum zu internen Prozessanpassungen<br />

und Unsicherheit führte. Der Energieeinkauf<br />

war längst kein Thema der Einkaufsabteilungen<br />

mehr, sondern rückte in den Fokus von Geschäftsführungen<br />

und Vorständen.<br />

Energiemarkt 2023: Beruhigung<br />

und Kleinteiligkeit<br />

Im Jahr 2023 entspannte sich die Lage. Es zeigten<br />

sich Energiepreise auf höherem Niveau, aber Anfang<br />

Dezember 2023 für 2024 mit rund 10 ct/kWh an der<br />

Börse deutlich niedriger als in den Krisenjahren zuvor.<br />

Die Fixierung von Börsenprodukten für die Zu-<br />

54 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


ENERGIE «<br />

kunft ist hingegen mit einem größeren Risiko, mehr<br />

finanziellem Aufwand und gestiegenen Finanzierungskosten<br />

behaftet. Daraus folgen erheblich gestiegene<br />

Aufschläge der Energieversorger, die sich<br />

beim Endverbraucher deutlich bemerkbar machten.<br />

Die gesetzlich geregelte Energiepreisbremse, die Unternehmen<br />

entlasten sollte, führte auf Seiten der<br />

Energieversorger dazu, dass weniger Personalkapazität<br />

im Vertrieb spürbar war. Der Wettbewerb bei Ausschreibungen<br />

flaute dementsprechend ab, was sich<br />

auf die Energiepreise zusätzlich auswirkte. Die Bonität<br />

spielte eine große Rolle und bei größeren Energiemengen<br />

war eine Zurückhaltung auf Seiten der<br />

Versorger zu verzeichnen. Zum Jahresende 2023<br />

zeigte sich, dass der Markt mit wesentlich kleinteiligeren<br />

Produkten (Spotmarktkomponenten und vertikale<br />

Tranchen) agierte und sich Kunden sowie Versorger<br />

auf diese neue Situation einstimmen mussten.<br />

Wechsel der <strong>Beschaffung</strong>smodelle<br />

und notwendige Marktkenntnis<br />

Wer sich im Jahr 2024 mit der <strong>Beschaffung</strong> von Strom<br />

und Gas für die Folgejahre beschäftigt, sollte folgendes<br />

Erbe der letzten Marktjahre berücksichtigen:<br />

• Die Situation erfordert weiterhin schnelles und<br />

flexibles Handeln. Wer seine Energiedaten nicht<br />

jederzeit vollständig vorliegen hat, kann die am<br />

Markt auftauchenden Chancen schwer nutzen.<br />

• Das Handeln kleinteiliger Produkte und der häufige<br />

Wegfall von Toleranzbändern wird alle weiterhin<br />

begleiten. Auch für Unternehmen, die weniger<br />

als 5 Gigawattstunden pro Jahr verbrauchen, werden<br />

verschiedene <strong>Beschaffung</strong>smodelle von Energieversorgern<br />

angeboten. Daher ist die Kenntnis<br />

dieser (z. B. Festpreis, Tranche horizontal, Tranche<br />

vertikal, Spotmarkt, anteilig Spotmarkt oder reine<br />

Spotmarktbeschaffung) vonnöten. Wer dieses Wissen<br />

nicht besitzt, kann auf Plattformen mit Energieexperten<br />

zurückgreifen, die bei der Strategiefindung<br />

unterstützen.<br />

• Energieversorger werden sich ihre Kunden weiterhin<br />

akribisch aussuchen. Vollständige Energieverbrauchsdaten<br />

mit historischer Entwicklung sind<br />

hier klar im Vorteil. Gut aufgestellt ist dasjenige<br />

Unternehmen, das alle Energiedaten digitalisiert<br />

und die Verbräuche aller Abnahmestellen stets <strong>aktuell</strong><br />

vorliegen hat – idealerweise verknüpft mit<br />

öffentlichen Netzentgelten, Steuern , Umlagen oder<br />

Abgaben. Der Wandel von Excel-Tabellen zu digitalen,<br />

sich selbst automatisierbaren Daten ist heutzutage<br />

in wenigen Stunden vollzogen. Über digitale<br />

Marktplätze sind Ausschreibungen bei günstigen<br />

Börsenkursen jederzeit möglich.<br />

• Die letzten Jahre haben gezeigt, wie schnelllebig<br />

Tipps für den Energieeinkauf<br />

1. Bündeln und digitalisieren Sie Ihre Energiedaten aller<br />

Abnahmestellen auf einer Plattform und sorgen Sie ggf.<br />

dafür, dass sich die Energiedaten automatisch updaten.<br />

2. Verknüpfen Sie Ihre Energiedaten automatisch mit<br />

veröffentlichten Netzentgelten, Steuern, Umlagen und<br />

Abgaben. Über digitale Plattformen können Sie diese<br />

Daten verknüpfen, was schnelle Wirtschaftsprognosen<br />

und ein effizienteres Controlling ermöglicht.<br />

3. Lassen Sie täglich die Energiebörsenkurse beobachten<br />

und nutzen Sie günstige Einkaufszeitpunkte. Mit<br />

Plattformbetreibern lassen sich Börsenpreise auf Ihr<br />

Abnahme verhalten übertragen. Damit Sie informiert<br />

werden , wann Ihre Zielpreise erreicht werden.<br />

4. Nutzen Sie den Wettbewerb im Energiemarkt mit<br />

digitalen Energiemarktplätzen, um möglichst viele<br />

Energie preise miteinander vergleichen zu können.<br />

Wichtig : Für jedes Unternehmen erstellt ein Energieversorger<br />

einen individuellen Energiepreis, der abhängig ist<br />

von Größe, Renommee, Bonität und Verbrauchsprofil.<br />

5. Profitieren Sie von KI-gestützten Energiepreis -<br />

prognosen für Ihr individuelles Abnahmeverhalten, um<br />

Forecasts vornehmen und Kaufentscheidungen besser<br />

treffen zu können.<br />

6. Prüfen Sie Ihr Einkaufsmodell und passen Ihre<br />

<strong>Beschaffung</strong>s strategie an den Markt an. Mit dem kurz -<br />

fristigen Switchen des <strong>Beschaffung</strong>smodells können Sie<br />

auf die Anforderungen im Energiemarkt reagieren und<br />

Ihre Energiekosten optimieren.<br />

der Markt ist. Wer nicht permanent informiert ist,<br />

kann Chancen nicht ergreifen und Energiekosten<br />

nicht senken. Hier empfiehlt sich die Zusammenarbeit<br />

mit Netzwerken oder Dienstleistern, die den<br />

Energiemarkt und die Bedürfnisse von Unternehmen<br />

als auch von Energieversorgern gut kennen.<br />

Wenn die Entwicklungen des Energiemarktes eines<br />

gezeigt haben, dann: Mit umfassender Marktkenntnis<br />

oder der Zusammenarbeit mit Energieexperten<br />

sowie digitalen Energiedaten lassen sich die Herausforderungen<br />

gut meistern. Es liegt an den Einkaufsabteilungen,<br />

das Know-how auf Unternehmensseite<br />

so zu gewährleisten, dass sie den Marktanforderungen<br />

gerecht werden. Wer das verstanden hat, kann<br />

von Marktchancen profitieren und Erfolg in seine<br />

Energiebeschaffung bringen.<br />

Jan-Philipp Eckhoff, Justine Neumann und<br />

Wilfried Rademaker, enPortal GmbH<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 55


» ENERGIE<br />

Energieeffizienz-Index des EEP – Wintererhebung 2023<br />

Das Energieeffizienzgesetz<br />

pusht die Transformation<br />

Das Institut für Energieeffizienz in der Produktion EEP der Universität Stuttgart<br />

erhebt halbjährlich <strong>aktuell</strong>e und geplante Aktivitäten der deutschen Industrie<br />

zur Energieeffizienz. Der Index wird in Zusammenarbeit mit der Deutschen<br />

Energie- Agentur, dem BDI, dem Fraunhofer IPA und dem TÜV Rheinland sowie<br />

weiteren Partnern erstellt. Im Fokus der <strong>aktuell</strong>en Erhebung standen das neue<br />

Energieeffizienzgesetz sowie der Brückenstrompreis in Deutschland.<br />

Das neue Energieeffizienzgesetz verpflichtet bestimmte Unternehmen ein Energie- oder Umweltmanagementsystem einzuführen.<br />

Bild: winyu/stock.adobe.com<br />

Die Relevanz von Energieeffizienz<br />

wächst stetig und der Bedeutungsindex<br />

übertrifft die bisherige Höchstwerte.<br />

Parallel dazu steigt der Investitionsindex<br />

um 0,75 Punkten auf einen Indexwert<br />

von 1,61. In der letzten Erhebung hatte<br />

dieser Teilindex mit 0,86 einen historischen<br />

Tiefstand. Aufgrund der <strong>aktuell</strong> unsicheren<br />

Rahmenbedingungen für Investitionen<br />

rechnen Unternehmen mit kürzeren<br />

Amortisationszeiten für Energieeffizienzmaßnahmen.<br />

Etwa 70 Prozent der<br />

Unternehmen gehen davon aus, dass sich<br />

solche Maßnahmen innerhalb von fünf<br />

Jahren amortisieren sollten.<br />

Das neue Energieeffizienzgesetz (EnEfG)<br />

verpflichtet Unternehmen mit einem Energieverbrauch<br />

von mehr als durchschnittlich<br />

7,5 Gigawattstunden (GWh) in den<br />

letzten drei Jahren, ein Energie- oder Umweltmanagementsystem<br />

einzuführen. Etwa<br />

27 Prozent der teilnehmenden Unternehmen<br />

der <strong>aktuell</strong>en Indexerhebung sind<br />

damit angehalten zu handeln. Zusammen<br />

mit den Unternehmen, die einen jährlichen<br />

durchschnittlichen Energieverbrauch von<br />

über 2,5 GWh im gleichen Zeitraum haben,<br />

müssen sie innerhalb von drei Jahren konkrete<br />

Umsetzungspläne von als wirtschaftlich<br />

identifizierten Endenergieeinspar-<br />

maßnahmen erstellen und veröffentlichen.<br />

Aus der Erhebung geht hervor, dass dies<br />

auf insgesamt etwa die Hälfte der befragten<br />

Unternehmen zutrifft.<br />

Jetzt ist konkretes Handeln<br />

gefragt<br />

Ebenfalls etwa die Hälfte der teilnehmenden<br />

Unternehmen gibt an, über ausreichende<br />

interne Kompetenzen für die Umsetzung<br />

eines Energiemanagementsystems<br />

(EnMS) zu verfügen. Etwa ein Drittel<br />

zieht externe Unterstützung heran oder<br />

baut eigene Kapazitäten für die Implementierung<br />

auf. Drei Viertel der Befrag-<br />

56 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


ten befürchten zu hohe Umsetzungs -<br />

kosten, während nahezu ein Drittel der<br />

Unternehmen angab, durch die Einführung<br />

von Energiemanagementsystemen<br />

Vorteile in der erhöhten Transparenz bezüglich<br />

dem Energieverbrauch trotz der<br />

damit verbundenen Kosten zu sehen.<br />

Das Gesetz fordert weiterhin Unternehmen<br />

auf, Abwärme zu vermeiden oder zu<br />

nutzen. Etwa 36 Prozent der befragten<br />

Unternehmen geben an, solche Maßnahmen<br />

bereits anzuwenden oder sich in der<br />

Umsetzungsphase zu befinden. Zusätzlich<br />

haben 11 Prozent der Unternehmen angegeben,<br />

das Potenzial zur Nutzung von Abwärme<br />

zwar ermittelt, aber noch nicht erschlossen<br />

zu haben. Wärmeübertragung,<br />

Wärmespeicherung oder Wärmepumpen<br />

werden häufig als geeignete Technologien<br />

genannt, wobei die Eigennutzung oft<br />

im Vordergrund steht.<br />

Anreiz für nachhaltige<br />

Transformationsvorhaben<br />

Die Mehrheit der Unternehmen erkennt in<br />

einem gedeckelten Strompreis die Möglichkeit,<br />

ihre Wettbewerbsfähigkeit zu<br />

steigern. Ungefähr ein Drittel schätzt,<br />

dass sie damit ihre Produktionskapazitäten<br />

aufrechterhalten könnten. Besonders<br />

hervorzuheben ist, dass viele Unternehmen<br />

in einem gedeckelten Industriestrompreis<br />

einen zusätzlichen Anreiz für<br />

nachhaltige Transformationsvorhaben<br />

sehen . Zum Beispiel müssten geplante<br />

Investitionen zur Steigerung von Energieeffizienz<br />

nicht aufgeschoben werden,<br />

Dekar bonisierungsmaßnahmen könnten<br />

intensiviert und Strategien zur Energieautarkie<br />

beschleunigt werden.<br />

„Im Verlauf der letzten Erhebungen sehen<br />

wir eine immer differenziertere Auseinandersetzung<br />

der Unternehmen mit dem<br />

Thema Energieeffizienz. Das ist eine sehr<br />

positive Entwicklung. Der regulatorische<br />

und bürokratische Bogen darf aber auch<br />

nicht überspannt werden. Die Pflicht zur<br />

Einführung von Energiesystemen ist hier<br />

meines Erachtens an der Grenze“, so Professor<br />

Alexander Sauer, Leiter des Instituts<br />

für Energieeffizienz in der Produktion<br />

(EEP). Über 820 Teilnehmer haben sich im<br />

<strong>aktuell</strong>en Erhebungszeitraum zu den drei<br />

Teilindizes geäußert. (ys)<br />

Dreiviertel der befragten Unternehmen haben bei der Einführung eines Energiemanagementsystems<br />

Bedenken hinsichtlich der Umsetzungskosten.<br />

Für die Befragten kommen verschiedene Formen der Abwärmenutzung in Frage.<br />

Knapp zwei Drittel der Befragten sehen in einem „Brückenstrompreis“ eine Steigerung der eigenen<br />

Wettbewerbsfähigkeit.<br />

Bild: EEP/Uni Stuttgart<br />

Bild: EEP/Uni Stuttgart<br />

Bild: EEP/Uni Stuttgart<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 57


Wir<br />

präsentieren<br />

Ihnen<br />

PARTNER der<br />

Industrie<br />

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C-TEILE-MANAGEMENT<br />

C-TEILE-MANAGEMENT<br />

Ferdinand Gross GmbH & Co. KG<br />

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Ferdinand Gross ist Spezialist für Verbindungstechnik<br />

und C-Teile-Management und bietet Kunden und<br />

Partnern aus der Industrie maßgeschneiderte Dienstleistungen.<br />

Unser Sortiment reicht von Verbindungselementen<br />

über Werkzeuge bis zu Sonder anfertigungen.<br />

Wir sorgen für schnellste Verfügbarkeit von über<br />

107 000 Artikeln. Im Bereich C-Teile-Management<br />

bietet Ferdinand Gross kunden spezifische Lösungen<br />

zur Senkung Ihrer <strong>Beschaffung</strong>s kosten um bis zu 70 %.<br />

Keller & Kalmbach GmbH<br />

www.keller-kalmbach.com<br />

Breite Produktpalette für Produktion & Instandhaltung:<br />

Schrauben, Dübel, Hand-/Elektrowerkzeuge, Hebetechnik,<br />

Arbeitsschutz, Betriebseinrichtungen, Chemische<br />

Produkte, Sonder- und Zeichnungsteile und<br />

Industrieteile.<br />

Produkte & Lösungen aus einer Hand:<br />

Maßgeschneiderte Logistiksysteme, individuelle<br />

E-Business-Lösungen, anwendungstechnische Beratung,<br />

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58 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


C-TEILE-MANAGEMENT<br />

C-TEILE MANAGEMENT<br />

PARTNER DES EINKAUFS «<br />

DOKUMENTENMANAGEMENT<br />

Lederer GmbH<br />

www.c-teile-management.info<br />

Wenn es um C-Teile-Management geht, Kanban, Konsignation<br />

& Co., ist Lederer Ihr Partner: Norm- und Standardteile,<br />

Sonder- und Zeichnungsteile, Verbindungselemente<br />

u.v.m. auf Basis aller logistischen Lösungen<br />

und Systeme (eBusiness, RFID, Ein- und Mehr-Behälter-<br />

Kanban etc.). Lederer übernimmt für Sie die Lieferantensuche,<br />

Bestellung und <strong>Beschaffung</strong>, Bevorratung<br />

und Bereitstellung, Lagerbewirtschaftung und Qualitäts<br />

sicherung, Systempflege und Prozessverbesserung.<br />

– Verbindungselemente<br />

– Norm- und Standardartikel<br />

– Sonder- und Zeichnungsteile<br />

– C-Teile-Management<br />

OTTO ROTH GmbH & Co KG<br />

www.ottoroth.de<br />

OTTO ROTH ist sowohl traditionsreiches Handelshaus<br />

für mechanische Verbindungselemente als<br />

auch zertifizierter Hersteller hochpräziser Drehund<br />

Feinbearbeitungsteile.<br />

Das Portfolio von OTTO ROTH umfasst:<br />

- Großhandel mit Verbindungselementen<br />

- Komplettlösungen für Zeichnungsteile<br />

- C-Teile-Management<br />

- Fertigung von Präzisionsdrehteilen<br />

Mit einem umfassenden Sortiment von 100.000<br />

ständig verfügbaren Artikeln, Niederlassungen<br />

in ganz Deutschland sowie einem eigenen Fertigungsstandort<br />

ist OTTO ROTH für sämtliche Anforderungen<br />

rund um die Verbindungstechnik der<br />

ideale Partner.<br />

xSuite Group GmbH<br />

www.xsuite.com<br />

Procure-to-Pay-Software<br />

xSuite ist Softwarehersteller von standardisierten,<br />

digitalen und durchgängigen Lösungen für dokumentenbasierte<br />

Prozesse. Kernkompetenz ist die SAPintegrierte<br />

Rechnungsverarbeitung für den Mittelstand,<br />

Konzerne u. öffentliche Auftraggeber. Anwendungen<br />

für Einkaufs- u. Auftragsprozesse sowie<br />

Archivierung ergänzen das Portfolio. Die Software wird<br />

in der Cloud, on-premises oder hybrid betrieben.<br />

Regelmäßige SAP-Zertifizierungen bestätigen den<br />

Qualitätsstandard und gelten für die verschiedenen<br />

SAP-Deployment-Modelle. 300.000 User verarbeiten<br />

mit xSuite pro Jahr mehr als 80 Mio. Dokumente.<br />

EINKAUFSCONTROLLING<br />

EINKAUFSSOFTWARE<br />

HEBEMITTEL<br />

SoftconCIS GmbH<br />

www.softconcis.de, www.Einkaufscontrolling.de<br />

SoftconCIS ist mit über 400 Kunden weltweit und mehr<br />

als 25 Jahren Erfahrung der führende Anbieter von<br />

Informationssystemen für Einkaufscontrolling und<br />

strategischen Einkauf.<br />

Dabei ist SoftconCIS der einzige Anbieter, der intelligente<br />

Software mit mehr als 450 Kennzahlen und Dashboards,<br />

fertigen Schnittstellen, Fachwissen/Consulting,<br />

Hosting im eigenen zertifizierten, deutschen Rechenzentrum<br />

und Weiterbildung zu folgenden Themen<br />

vereint:<br />

– Einkaufscontrolling & Einkaufsplanung<br />

– Erfolgsmessung & Dashboarding<br />

– SRM, Lieferantenbewertung & RM<br />

– Maßnahmenmanagement u. v. m.<br />

veenion GmbH<br />

www.veenion.de<br />

Die veenion GmbH hat sich auf Lösungen rund um das<br />

elektronische <strong>Beschaffung</strong>s- und Handelswesen spezialisiert.<br />

Durch den individuellen Einsatz der multifunktionalen<br />

Softwarelösungen impact ordering und<br />

open ordering werden sämtliche operative <strong>Beschaffung</strong>s-,<br />

Rechnungs- und Handelsprozesse optimiert<br />

und an Ihre Bedürfnisse und Anforderungen angepasst.<br />

Neben privaten Unternehmen gehören auch<br />

zahlreiche Non-Profit-Organisationen und öffentliche<br />

Auftraggeber zu den Kunden von veenion-Anwendungen.<br />

Mitari Hebetechnik GmbH<br />

http://www.anschlagmittel-shop.de/<br />

Anschlagmittel-Shop zählt zu den führenden Online-<br />

Anbietern von hochwertigen Hub- und Hebezeugen.<br />

Unser inhabergeführtes Unternehmen liefert alle Produkte,<br />

die für sicheres Heben erforderlich sind. Dabei<br />

bieten wir eine große Auswahl an Produkten an, die<br />

durch ihre Qualität und ihren Preis überzeugen. Unsere<br />

Kunden können auf umfassende Beratung und Lösungen<br />

nach Maß vertrauen, unser Motto lautet: „Was wir<br />

nicht haben, können wir machen!“ Sollten wir für<br />

besondere Hebeaufgaben keine vorgefertigte Lösung<br />

im Sortiment haben, entwickeln wir sie gemeinsam<br />

mit Ihnen.<br />

KOMPONENTEN + SYSTEME<br />

SUPPLY CHAIN-SOFTWARE<br />

www.industrie.de<br />

RCT® Reichelt Chemietechnik GmbH + Co.<br />

www.rct-online.de<br />

Reichelt Chemietechnik steht für das Prinzip<br />

„Angebot und Vertrieb der kleinen Quantität“ gepaart<br />

mit einer viele Bereiche umfassenden Produktvielfalt<br />

und einem hohen technischen Beratungsservice.<br />

Das Angebot von Reichelt Chemietechnik umfasst<br />

ca. 80 000 Artikel, die aus den Bereichen Schlauchtechnik,<br />

Verbindungselemente, Durchflusstechnik,<br />

Labor technik, Halbzeuge, Befestigungselemente,<br />

Filtration und Antriebstechnik stammen.<br />

Reichelt Chemietechnik GmbH + Co.<br />

Englerstraße 18, 69126 Heidelberg<br />

Tel. 0 62 21/3 12 50, info@rct-online.de<br />

EURO-LOG AG<br />

www.eurolog.com<br />

Integration, Collaboration und Realtime Visibility kennzeichnen<br />

die DNA der plattformbasierten Software für<br />

Supply Chain Management von EUROLOG. Der IT-<br />

Dienstleister und Spezialist für Datenintegration<br />

vernetzt alle Partner einer Lieferkette auf seiner<br />

eigenen Logistik-Plattform. Auf Basis dieses gemeinsamen<br />

Datenpools optimieren und steuern die digitalen<br />

Lösungen von EUROLOG über verschiedenste<br />

Geschäftsbereiche, Regionen und Verkehrsträger hinweg<br />

die logistischen Prozesse weltweiter Lieferketten –<br />

End-to-End in Echtzeit!<br />

EUROLOG Software-Lösungen sind schnell und flexibel<br />

einsetzbar und mit allen ERP-Systemen kompatibel.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 59


» BME AKTUELL<br />

1. Deutscher Lieferkettentag in Berlin<br />

Bürokratie abbauen – Digitalisierung vorantreiben<br />

Bild: Kamil Janus<br />

„Wir müssen besonders den Mittelstand<br />

von Bürokratie entlasten und dafür dringend<br />

die Digitalisierung technologieoffen<br />

vorantreiben.“ So lautete die einhellige<br />

Forderung der Veranstalter des 1. Deutschen<br />

Lieferkettentages am 18. Oktober<br />

in Berlin. Zur Veranstaltung mit etwa 150<br />

Teilnehmern hatten der Bundesverband<br />

Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen<br />

(BGA), der Bundesverband E-Commerce<br />

und Versandhandel Deutschland<br />

(bevh), der Bundesverband Materialwirtschaft,<br />

Einkauf und Logistik (BME) und<br />

DER MITTELSTANDSVERBUND eingeladen,<br />

um über Regulierung und Digitalisierung<br />

des globalen Handels zu diskutieren.<br />

„Die bürokratischen Herausforderungen<br />

für die Unternehmen sind groß und die<br />

Entlastung für kleine und mittelständische<br />

Unternehmen wirkt de facto nicht,<br />

weil Berichtspflichten weitergegeben<br />

werden. Digitale Lösungen wie <strong>Beschaffung</strong>splattformen<br />

und KI-basierte Risikoanalysen<br />

für Lieferketten schaffen auf der<br />

anderen Seite Transparenz in den Wertschöpfungsketten<br />

und helfen, die richtigen<br />

Prioritäten zu setzen“, sagte Gero<br />

Furchheim, Präsident des bevh, zur Eröffnung.<br />

Marius Müller-Böge, Leiter Mittelstandspolitik<br />

DER MITTELSTANDSVER-<br />

BUND, sprach in seinem Panel mit Vertre-<br />

Brachte ihre Expertise<br />

in das Podium „Lieferketten<br />

und Zeiten -<br />

wende – wie gelingt<br />

die Neujustierung“ auf<br />

dem 1. Deutschen<br />

Lieferkettentag in<br />

Berlin ein: BME-<br />

Vorstandsvorsitzende<br />

Gundula Ullah (3.v.l.).<br />

ter:innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft<br />

über Auswirkungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes<br />

(LkSG)<br />

sowie die Bedeutung eines umfassenden<br />

Lieferkettenmonitorings.<br />

„Uns ist bewusst, was das für einen Umsetzungsumfang<br />

für die Unternehmen bedeutet.<br />

Gerade bei den Berichtspflichten<br />

gibt es Sorgen und Nöte. Wir wollen<br />

handhabbare Regelungen schaffen, die<br />

umsetzbar und zumutbar sind. Wir treten<br />

dabei für eine europäische Regelung ein”,<br />

so Lilian Tschan, Beamtete Staatssekretärin<br />

im Bundesministerium für Arbeit<br />

und Soziales (BMAS). Dr. Michael Eßig,<br />

Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre<br />

an der Universität der Bundeswehr<br />

München, dazu: „Es ist nicht nur<br />

eine normative Frage, sondern vor allem<br />

auch wirtschaftliche Frage, wie man Lieferketten<br />

organisiert. Der Handel spielt<br />

dabei eine wichtige Rolle.“<br />

Torsten Safarik, Präsident des Bundesamtes<br />

für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle<br />

(BAFA), warnte im Rahmen der Fachveranstaltung<br />

Unternehmen eindringlich<br />

davor, ihre Sorgfaltspflichten auf ihre Zulieferer<br />

und Intermediäre abzuwenden.<br />

Das LkSG lege ausdrücklich eine Bemühenspflicht<br />

für jedes Unternehmen fest,<br />

die Lieferkettenüberwachung zu einer<br />

Kernkompetenz im eigenen Haus zu machen.<br />

„Die bestehenden Herausforderungen<br />

lassen sich nur im engen Schulterschluss<br />

von Politik und Wirtschaft meistern.<br />

Der Mittelstand steht hier besonders<br />

im Fokus, denn die oft kleinen und mittleren<br />

Unternehmen sind essenziell auf lieferkettenfreundliche<br />

Rahmenbedingungen<br />

angewiesen.“<br />

BME-Messekalender 2024<br />

Kostenfreier Zugang zu Messen mit<br />

BME-Fachvorträgen<br />

Der BME informiert auch 2024 auf Fachmessen unterschiedlicher Größen<br />

und Ausrichtungen über <strong>aktuell</strong>e Trends und Innovationen in der <strong>Beschaffung</strong>.<br />

Im Rahmen der Messen können Verbandsmitglieder an den BME-Einkäufertagen<br />

kostenlos teilnehmen. Freuen Sie sich auf hochinformative<br />

Fachvorträge und Podiumsdiskussionen:<br />

• Nortec – 25.<strong>01</strong>.2024, Hamburg<br />

• Eisenwarenmesse – 05.03.2024, Köln<br />

• wire & Tube – 15.04.2024, Düsseldorf<br />

• Hannover Messe – 24.04.2024, Hannover<br />

• CastForge – 05.06.2024, Stuttgart<br />

Ausführliche Informationen: frithjof.kilp@bme.de<br />

Impressum: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME)<br />

Frankfurter Straße 27, 65760 Eschborn, Tel. 06196 5828-0, Fax –399,<br />

E-Mail: info@bme.de, Internet: www.bme.de<br />

60 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


BÜCHER «<br />

Die Biografie des Selfmade-Milliardärs und Tesla-Gründers<br />

Elon Musk – Unternehmer zwischen<br />

Genie und Wahnsinn<br />

Walter Isaacson, der vor Jahren schon eine viel beachtete Biografie des legendären Apple-<br />

Gründers Steve Jobs vorlegte, hat nun eine neue Biografie des Selfmade-Milliardärs und Tesla-<br />

Gründers Elon Musk herausgebracht. Er legt offen, wie Elon Musk tickt, und auch wie er sein<br />

Imperium führt.<br />

Elon Musk – Die Biografie.<br />

Walter Isaacson,<br />

C. Bertelsmann Verlag, München 2023,<br />

832 Seiten, 38,00 Euro<br />

ISBN: 978–3–570–10484–2<br />

Bild: Bertelsmann<br />

„Der Umgang mit seinem Leben ist wie<br />

der Versuch, Notizen zu machen, während<br />

man aus einem Feuerwehrschlauch<br />

trinkt“, so beschrieb Walter Isaacson, der<br />

auf eine lange journalistische aber auch<br />

wissenschaftliche Karriere zurückblicken<br />

kann, seine Arbeit an der vorliegenden<br />

Biografie. Diese ist nach Ansicht des Verlages<br />

„die erstaunlich intime Geschichte<br />

des faszinierendsten und umstrittensten<br />

Innovators der Welt, eines Visionärs, der<br />

alle Grenzen gesprengt und die Welt in<br />

das Zeitalter der Elektrofahrzeuge, der<br />

privaten Weltraumforschung und der<br />

künstlichen Intelligenz geführt hat“.<br />

Besessenheit als Triebfaktor<br />

ne Fabriken und führte Interviews mit ihm,<br />

seiner Familie, seinen Freunden, Kollegen<br />

und auch mit seinen Gegnern. Herausgekommen<br />

ist ein aufschlussreiches Buch<br />

voller bemerkenswerter<br />

Erfolgsgeschichten<br />

aber<br />

auch Flops, das die<br />

Frage aufwirft: Ist<br />

die offenkundige<br />

Besessenheit (im<br />

Amerikanischen der<br />

Demon Mood), die Musk antreibt, auch<br />

das, was man braucht, um Innovation und<br />

Fortschritt voranzubringen? Die Antwort<br />

des Biografen lautet ja.<br />

Er ist für seine Mitarbeiter sicherlich ein<br />

sehr fordernder, wenig empathischer<br />

Chef. Jenseits der Einblicke in die Persönlichkeit<br />

gibt die Schrift Einblicke in die Erfolgsprinzipien<br />

von Musk. Im Mittelpunkt<br />

steht der von ihm geprägte sogenannte Algorithmus<br />

der Produktentwicklung, der allen<br />

Mitarbeitern eingeimpft wird und einen<br />

erheblichen Beitrag dazu leistet, dass Tesla<br />

eine unfassbar hohe Gewinnmarge erzielt,<br />

und dass SpaceX-Raketen wesentlich kostengünstiger<br />

als Konkurrenzprodukte gebaut<br />

werden. Der „Algorithmus“ ist ein<br />

neuer Lean -Manage ment-Ansatz. Er beinhaltet<br />

einen Fünf-Punkte-Plan, mit dem<br />

Musk jedes Problem angeht, sei es in der<br />

Produktion oder in der Produktentwicklung.<br />

Ganz oben steht das Prinzip: Vorgaben<br />

jeder Art hinterfragen. Für Elon Musk<br />

gilt nur das „First Principle“. Dementsprechend<br />

sind etwa bei der Konstruktion nur<br />

die grundlegenden Gesetze der Physik zu<br />

befolgen. Jede regulatorische oder organisationsintern<br />

kreierte Vorschrift wird ange-<br />

»Gnadenlos feuert er<br />

Mitarbeiter, schreit sie<br />

an und ist allgemein<br />

gefürchtet.«<br />

Zwei Jahre lang begleitete der Biograf Elon<br />

Musk, besichtigte gemeinsam mit ihm seizweifelt<br />

und auf ihre Logik und Richtigkeit<br />

überprüft. Das nächste Prinzip lautet:<br />

möglichst viel weglassen, seien es Teile<br />

oder Fertigungsprozesse. Es soll alles so<br />

einfach und schnell<br />

wie möglich sein.<br />

Dies wiederum ist<br />

Voraussetzung für<br />

das dritte Prinzip:<br />

die Produktion optimieren<br />

allerdings<br />

stets unter Beachtung<br />

der Prinzipien 1 und 2. Nach Musks<br />

Meinung werden zu oft Produktionsprozesse<br />

verbessert, die später wegfallen. Die<br />

letzten beiden Prinzipien sind die Beschleunigung<br />

und die Automatisierung<br />

der einzelnen Produktionsabschnitte. Auch<br />

hier gilt: Zuerst sind die vorhergehenden<br />

Prinzipien zu beachten. Diesen Fünf-Punkte-Plan<br />

setzt Musk überall konsequent um.<br />

Hinzu kommt seine Designversessenheit.<br />

Musk lässt mit großem Erfolg Designer und<br />

Ingenieure Hand in Hand arbeiten, wie<br />

man dies auch von Apple kennt.<br />

Der Fünf-Punkte-Plan<br />

Abgesehen von diesen Erfolgsprinzipien<br />

geht die Biografie intensiv auf Musks<br />

ruppigen Führungsstil ein. Musk erzeugt<br />

eine „irrsinnige Dringlichkeit“, wie er es<br />

ausdrückt. Er zeigt in der Führung Härte:<br />

Gnadenlos feuert er Mitarbeiter, schreit<br />

sie an und ist allgemein gefürchtet.<br />

Die Lektüre – auch kursorisch – lohnt sich<br />

und bietet Firmenchefs Anschauungsmaterial.<br />

Sie sollten dann aber sorgfältig abwägen,<br />

was sie davon umsetzen.<br />

Prof. Dr. Robert Fieten<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 61


INSERENTENVERZEICHNIS<br />

IMPRESSUM<br />

Böllhoff GmbH, Bielefeld 67<br />

CURE S.A., LU-Grevenmacher 27<br />

Euro-Log AG, Hallbergmoos 59<br />

Ferdinand Gross GmbH & Co KG,<br />

Leinfelden-Echterdingen 9, 58<br />

Keller & Kalmbach GmbH,<br />

Unterschleißheim 2, 58<br />

Lederer GmbH, Ennepetal 6, 59<br />

Mitari Hebetechnik GmbH, Kleve 59<br />

NB Ventures, US-Clark 68<br />

Otto Roth GmbH & Co. KG, Stuttgart 59<br />

VORSCHAU<br />

CONTROLLING<br />

Bild: Körber<br />

Um den Einkaufserfolg zu jedem Zeitpunkt<br />

darstellen zu können, ist ein<br />

kontinuierliches Tracking jeder Einkaufsinitiative<br />

an festgelegten Meilensteinen<br />

erforderlich. Das Tracking des Einkaufs -<br />

erfolgs setzt sich dabei aus zwei<br />

Bestandteilen zusammen: der Planung<br />

der Einkaufsinitiativen und dem Nachverfolgen<br />

des Erfolgs.<br />

RCT Reichelt Chemietechnik GmbH + Co.,<br />

Heidelberg 59<br />

SoftconCIS GmbH, Oberhaching 59<br />

veenion GmbH, Kaiserslautern 59<br />

xSuite Group GmbH, Ahrensburg 59<br />

WISSENSTRANSFER<br />

Wenn jemand wie Michael<br />

Stietz innerhalb eines Unternehmens<br />

vom Einkauf (CPO)<br />

in die Produktion (COO) wechselt,<br />

kann er interessante Einblicke<br />

teilen , darunter auch,<br />

was die Operations-Abteilung<br />

vom Einkauf lernen kann.<br />

INTRALOGISTIK<br />

Mobile Robotik gewinnt für effiziente<br />

Materialflüsse in der Intralogistik<br />

zunehmend an Bedeutung. Gleichwohl<br />

stellen Wirtschaftlichkeitsanalyse,<br />

Systemauswahl , Implementierung und<br />

Flottenmanagement potenzielle<br />

Anwender und Interessenten oft vor<br />

einige Herausforderungen.<br />

Das Magazin für Einkauf, Material wirtschaft und Logistik<br />

ISSN 0341–4507<br />

Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />

Verlag: Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH<br />

Ernst-Mey-Straße 8,<br />

70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />

Geschäftsführer: Peter Dilger<br />

Verlagsleiter: Peter Dilger<br />

Chefredakteur:<br />

B. A. Alexander Gölz (ag), Phone +49 711 7594–438<br />

Ernst-Mey-Straße 8, 70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />

Redaktion:<br />

Dipl.-Ing. (FH) Sabine Schulz-Rohde (sas),<br />

Phone +49 711 7594–252;<br />

Yannick Schwab (ys), Phone +49 711 7594–537<br />

Korrespondent:<br />

M.A. Nico Schröder (sc), Phone +49 170 64<strong>01</strong>879<br />

Freie Mitarbeit:<br />

Ass. Jur. Ulrike Dautzenberg, RA Anja Falkenstein,<br />

Dipl. Ing. (FH) Michael Grupp, M.A. Annette Mühlberger,<br />

M.A. Sabine Ursel<br />

Fachliche Beratung: Prof. Dr. Robert Fieten<br />

Redaktionsassistenz:<br />

Daniela Engel, Phone +49 711 7594–452,<br />

Fax –1452, E-Mail: daniela.engel@konradin.de<br />

Layout: Jennifer Martins, Phone +49 711 7594–262<br />

Gesamtanzeigenleitung:<br />

(Verantwortlich für den Anzeigenteil)<br />

Joachim Linckh, Phone +49 711 7594–565<br />

Auftragsmanagement:<br />

Katja Mayr, Phone +49 711 7594–5843<br />

Leserservice: <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>, Postfach 810580 70522<br />

Stuttgart, Phone +49 711 7252-254, Fax –399,<br />

E-Mail: leserservice@konradin.de<br />

Erscheinungsweise: 9 x jährlich<br />

Bezugspreis jährlich: Inland 178,20 € inkl. MwSt. und<br />

Versandkosten; Ausland 183,60 € inkl. Versandkosten;<br />

Einzelheft Inland: 19,90 € inkl. MwSt. und Versandkosten.<br />

Einzelheft Ausland: 20,55 € inkl. Versandkosten.<br />

Für Schüler, Studenten und Auszubildende gegen Nachweis:<br />

Inland 89,10 € inkl. MwSt. und Versandkosten,<br />

Ausland 94,50 € inkl. Versandkosten.<br />

Bestellungen beim Verlag oder beim Buchhandel. Sofern das<br />

Abon nement nicht für einen bestimmten Zeitraum ausdrücklich<br />

bestellt war, läuft das Abonnement bis auf Widerruf.<br />

Bezugszeit: Das Abonnement kann erstmals vier Wochen<br />

zum Ende des ersten Bezugsjahres gekündigt werden. Nach<br />

Ablauf des ersten Jahres gilt eine Kündigungsfrist von jeweils<br />

vier Wochen zum Quartalsende. Bei Nichterscheinen<br />

aus technischen Gründen oder höherer Gewalt entsteht kein<br />

Anspruch auf Ersatz.<br />

Die Mitglieder des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf<br />

und Logistik e.V. ( BME ) und des ÖPWZ erhalten die Zeitschrift<br />

„<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>“ im Rahmen einer Kooperation.<br />

Auslandsvertretungen: Großbritannien: Jens Smith Partner -<br />

ship, The Court, Long Sutton, Hook, Hamp shire, RG29 1TA,<br />

GB, Phone <strong>01</strong>256 862589, Fax <strong>01</strong>256 862182, E-Mail:<br />

jsp@trademedia.info; USA, Kanada: D.A. Fox Advertising<br />

Sales, Inc., Detlef Fox, 5 Penn Plaza, 19th Floor, New York, NY<br />

100<strong>01</strong>, Phone +1 212 89 63 881, Fax +1 212 62 93 988,<br />

E-Mail: detleffox@comcast.net<br />

Druck:<br />

Konradin Druck, Kohlhammerstraße 1–15,<br />

70771 Leinfelden-Echterdingen, Printed in Germany<br />

© 2024 by Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH,<br />

Leinfelden-Echterdingen<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> 03/2024 erscheint am 22.<strong>02.2024</strong><br />

Anzeigenschluss ist am 29.<strong>01</strong>.2024<br />

62 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


BÜCHER «<br />

Bild: Verlag Dr. Kovac<br />

Bild: BusinessVillage<br />

Bild: Schmidt Veralg<br />

E-Procurement-Lösungen<br />

Diese Dissertation gewährt umfassende<br />

Einblicke in die Einführung von E-Procurement-Lösungen<br />

in einem multinationalen<br />

Unternehmen. Sie besteht aus vier Studien:<br />

Literaturanalyse: Die Charakteristika der<br />

bisherigen E-Procurement-Forschung<br />

werden deskriptiv analysiert.<br />

Top-Manager-Einfluss: Die zweite Studie<br />

erforscht den Einfluss von Top-Managern<br />

auf die E-Procurement-Implementierung.<br />

Projektteam-Dynamik: In der dritten Studie<br />

werden 16 Einflussfaktoren auf strategischer,<br />

struktureller, soziokultureller und<br />

kontextueller Ebene identifiziert, die die<br />

Umsetzung des Projektteams beeinflussen.<br />

Nutzungsfaktoren: Die vierte Studie analysiert<br />

mithilfe von IT-Akzeptanzforschungstheorien<br />

16 determinierende Elemente, die<br />

die Nutzung von E-Procurement-Lösungen<br />

beeinflussen.<br />

Die Dissertation erörtert abschließend Implementierungshürden<br />

unter Anwendung<br />

von Organisationstheorien und diskutiert<br />

Lösungsansätze für eine effizientere Umsetzung.<br />

Die Ergebnisse erweitern das Wissen<br />

über E-Procurement und bieten wertvolle<br />

Einblicke in den multinationalen Implementierungskontext.<br />

(sas)<br />

KI im Unternehmen<br />

In den kommenden Jahren wird künstliche<br />

Intelligenz Unternehmen und deren<br />

Beschäftigte sämtlicher Branchen radikal<br />

verändern. Doch welche Technologien erwarten<br />

uns in naher Zukunft? Wie lässt<br />

sich KI in die Unternehmensprozesse integrieren?<br />

Und welche neuen Chancen entstehen<br />

durch den Einsatz von KI?<br />

Antworten liefert Dr. Jens-Uwe Meyers<br />

Buch. Es illustriert, wie Unternehmen Anwendungsfälle<br />

für künstliche Intelligenz<br />

finden, die Machbarkeit evaluieren und<br />

die wirtschaftlichen Vorteile berechnen.<br />

Das kann nur gelingen, wenn die Organisation<br />

fit für die Zukunft ist und Beschäftigte<br />

und Führungskräfte in diese Prozesse<br />

eingebunden werden.<br />

Die KI-Roadmap ist ein praxisorientiertes<br />

Planungstool, das dabei hilft, die richtigen<br />

Fragen zu stellen, um die erfolgversprechenden<br />

Antworten auf den Wandel<br />

zu finden. Dr. Jens-Uwe Meyer zählt zu<br />

den bekanntesten und einflussreichsten<br />

Vordenkern für Innovation, Digitalisierung<br />

und künstliche Intelligenz. Im Verlag<br />

Business Village sind unter anderem seine<br />

Bücher „Digitale Disruption, Digitale Gewinner“<br />

und „reset – Wie sich Unternehmen<br />

und Organisationen neu erfinden“<br />

erschienen. (sas)<br />

Neue Normalität<br />

„Polykrise“ war ein Schlüsselwort des Jahres<br />

2023. Damit wurde deutlich gemacht,<br />

dass Krisen, die die Kontinuität des Geschäftsbetriebs<br />

ernsthaft bedrohen, im<br />

heutigen von Klimawandel, Pandemien und<br />

geopolitischen Machtproben geprägten<br />

Umfeld an der Tagesordnung sind. Darauf<br />

müssen Organisationen vorbereitet sein.<br />

Wie auf stürmischer See bedarf es in den<br />

Organisationen kompetenter Krisennavigatoren,<br />

die die Konzepte des Business Continuity<br />

Managements anwenden. Dafür<br />

wirbt das vorliegende lesenswerte Sammelwerk.<br />

Unter der Ägide von Frank Roselieb<br />

(geschäftsführender Direktor des Krisennavigator-Instituts<br />

in Kiel) haben sich<br />

15 Experten aus unterschiedlichen Organisationen<br />

zusammengefunden, um konkrete,<br />

in der Praxis erprobte Strategien des<br />

Notfall- und Krisenmanagements inklusive<br />

Krisenkommunikation aufzuzeigen. Roselieb<br />

erläutert am Anfang ausführlich sein<br />

Konzept des Business Continuity Managements.<br />

Für die Leserinnen und Leser in der<br />

Praxis dürfte die Lektüre der Fallbeispiele<br />

anregend sein. Einige Autoren zeigen anschaulich,<br />

wie ihre Organisationen mit den<br />

Disruptionen umgingen, die die Corona-<br />

Pandemie auslöste. Robert Fieten<br />

Exploring Multinational Cross-Site<br />

Implementation and Usage of<br />

E-Procurement Solutions<br />

Results of Current Studies<br />

Oliver Sommer<br />

Verlag Dr. Kovac, Hamburg, 2023.<br />

Softcover, 354 Seiten, 99,80 €<br />

ISBN 978-3-339-13766-1<br />

Die KI-Roadmap: Künstliche<br />

Intelligenz im Unternehmen<br />

erfolgrei ch einsetzen<br />

Dr. Jens-Uwe Meyer<br />

BusinessVillage Verlag, Göttingen, 2023<br />

240 Seiten, 34,95 €<br />

ISBN 978–3–86980–725–6<br />

Business Continuity Management in<br />

der Praxis. Mit Krisen erfolgreich<br />

umgehen – erfolgreiche Konzepte<br />

und Fallbeispiele<br />

Frank Roselieb (Hrsg.)<br />

Erich Schmidt Verlag, Berlin, 2022,<br />

Softcover , 266 Seiten, 54,95 €<br />

ISBN 978–3–503–20960–6<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 63


» KARRIERE<br />

Strategien und Taktiken für Fortgeschrittene<br />

Einkaufsverhandlungen in den<br />

BRICS-Staaten<br />

Die BRICS-Staaten gewinnen immer mehr an Gewicht. Dadurch wird auch die<br />

Zusammen arbeit mit Unternehmen aus diesen Regionen immer wichtiger. Aufgrund<br />

der verschieden kulturellen Hintergründe müssen nun die traditionellen, westlich<br />

ausgerichteten , Verhandlungsansätze infrage gestellt werden.<br />

nutzt auf dem Verhandlungstisch liegenzulassen<br />

oder – noch schlimmer –<br />

schlechtere Verhandlungsergebnisse bis<br />

hin zum Verhandlungsabbruch zu riskieren,<br />

wenn sie ihre Verhandlungsstrategien<br />

und Einkaufspraktiken nicht auf die<br />

spezifischen Gegebenheiten ihrer Zielregionen<br />

ausrichten.<br />

Praxistipps für Verhandlungen in Brasilien und Südafrika vom Negotiation-Experten Raphael<br />

Schoen helfen, auch erfahrenen Einkäufern zu guten Ergebnissen.<br />

Zulieferer in den BRICS-Staaten verhandeln<br />

bedingt durch die unterschiedlichen<br />

Geschäftspraktiken und<br />

Mentalitäten anders. Dies wird durch die<br />

sich immer mehr zugunsten der Zulieferer<br />

verschiebende Verhandlungsmacht – bedingt<br />

durch die zunehmende wirtschaftliche<br />

und technologische Stärke der Unternehmen<br />

– noch potenziert. Dabei sind die<br />

Verhandlungstechniken, wie sie immer<br />

noch von vielen Trainern und Dozenten für<br />

Verhandlungen in den BRICS-Nationen<br />

Bild: HockleyMedia/peopleimages.com/stock.adobe.com<br />

empfohlen werden, sehr oft westzentriert<br />

und dadurch deutlich weniger wirksam.<br />

Ein Paradebeispiel dafür ist das berühmte<br />

Harvard-Konzept. Dieses besitzt zweifellos<br />

Stärken in der westlichen Geschäftswelt,<br />

jedoch ist es, wie eine neue in den<br />

USA erschienene Studie zeigt – in der<br />

Nicht-Westlichen Welt – und dazu zählen<br />

alle BRICS-Nationen – nur schwer<br />

anwendbar. Multinationale Einkaufsabteilungen<br />

laufen daher Gefahr, entweder<br />

viel Potenzial in Verhandlungen unge-<br />

Harvard-Konzept überdenken<br />

Daher ist es für Einkäufer heute unabdingbar,<br />

nicht nur ihren strategischen<br />

Ansatz zu überdenken, sondern sich auch<br />

weiter zu perfektionieren und sich mit<br />

neuesten Best Practices für das internationale<br />

Geschäft vertraut zu machen. Dazu<br />

gehört, die Verhandlungsstile an die<br />

Regionen anzupassen. Was sich auf den<br />

ersten Blick kompliziert anhört, lässt sich<br />

jedoch sehr gut kategorisieren und<br />

anwenden . Nur so können wir unseren<br />

Einkauf auch in diesen Regionen der Welt<br />

effizient aufstellen.<br />

Fallbeispiel Brasilien<br />

Ein mittelständisches Unternehmen aus<br />

dem Technologie-Sektor erlebte dies beim<br />

Versuch, über den strategischen Einkauf<br />

in Brasilien Kosten zu sparen, stieß jedoch<br />

bei den Verhandlungen auf unerwartete<br />

Probleme.<br />

In der ersten Angebotsrunde legte der<br />

favorisierte brasilianische Lieferant und<br />

die beiden gewählten lokalen Alternativen<br />

Angebote vor, die weit über der<br />

markt üblichen Preisspanne lagen. Dies<br />

kam für das deutsche Unternehmen unerwartet,<br />

da man übliche, an den globalen<br />

Marktpreisen entsprechend ausgerichtete<br />

Angebote erwartet hatte. Ernüchtert dis-<br />

64 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


Der Autor<br />

Der langjährige Praktiker und zertifizierte Harvard Negotiator<br />

Raphael Schoen trainiert Manager im Führen von Verhandlungen.<br />

Er arbeitet mit Kunden wie Verbänden, DAX-Konzernen,<br />

KMUs und dem Bundesministerium für Wirtschaft und<br />

Klimaschutz zusammen. Schoen ist bekannt für einen neuen<br />

Ansatz zur Maximierung von Verhandlungsergebnissen,<br />

der die strategische Analyse und Positionierung von Unternehmen<br />

mit der taktischen Verhandlung verzahnt.<br />

und am ehesten mit dem indischen Stil<br />

vergleichbar ist. Hier werden Information<br />

seltener direkt am Verhandlungstisch<br />

offen geteilt. Zudem ist hier das Konzept<br />

der „Gesichtswahrung“ stark verwurzelt.<br />

Beides bestimmt die Art und Weise des<br />

Informationsaustausches sehr stark. Das<br />

führt dazu, dass über besonders heikle,<br />

wichtige Themen oder strittige Punkte<br />

meist nicht auf offener Bühne verhandelt<br />

wird, sondern hinter verschlossenen Türen<br />

in vertrauter Umgebung.<br />

kutierten die Einkäufer die Optionen und<br />

erwogen, die Verhandlungen abzubrechen.<br />

Letztendlich konnte die deutsche<br />

Firma die gesteckten Einsparziele nicht<br />

erreichen und nur durch erhebliche Zugeständnisse<br />

bei Menge, Liefer- und<br />

Zahlungs bedingungen überhaupt einen<br />

Abschluss erreichen.<br />

Hintergrund: hohe Anker<br />

Das erste Angebot – d. h. mehr zu fordern,<br />

um sein Ziel zu erreichen – wissenschaftlich<br />

Ankern genannt – bestimmt zu einem<br />

erheblichen Teil das Verhandlungsergebnis.<br />

In den BRICS-Ländern gibt es hierbei<br />

jedoch deutliche Unterschiede: Verglichen<br />

mit Deutschland wird dort oft deutlich<br />

höher geankert, was dann zu systematisch<br />

höheren Erstangeboten und zu<br />

längeren Verhandlungen führt und daher<br />

die Gefahr besteht, dass sich dies in<br />

höheren Einkaufspreisen niederschlägt.<br />

Selbst das Einholen von Alternativangeboten<br />

führt hier nicht weiter, da diese mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls überhöht<br />

sind. Brasilianische Einkäufer wissen<br />

das und lassen sich selbst von beträchtlichen<br />

Nachlässen nicht beeinflussen und<br />

behalten Ihr Ziel im Auge.<br />

Praxistipps Beispiel Brasilien<br />

(1) Bereiten Sie sich auf hohe Erstangebote<br />

vor und ankern Sie in den Verhandlungen<br />

direkt gegen.<br />

(2) Bereiten Sie über das Cost-Engineering<br />

eine Analyse der Preisstruktur vor Ort<br />

vor und definieren Sie so Ihr Verhandlungsziel.<br />

(3) Vergleichen Sie Ihre Berechnungen<br />

mit dem Cost-Breakdown der Lieferanten<br />

(Vorsicht: Auf übertriebene Overheadkosten<br />

achten!).<br />

(4) Die Unterschiede (Deltawerte) zwischen<br />

Cost-Engineering und Cost-Breakdown<br />

geben Ihnen genug Argumente für<br />

die Verhandlung in die Hand.<br />

(5) Lassen Sie sich selbst von größeren<br />

Nachlässen nicht beeindrucken. Behalten<br />

Sie immer Ihr Ziel im Auge. Nicht die<br />

Höhe der Rabatte, sondern das Erreichen<br />

Ihres Ziels ist maßgeblich.<br />

Fallbeispiel Südafrika<br />

Ein Automobilzulieferer stand in Südafrika<br />

bei Verhandlungen vor ähnlichen Herausforderungen.<br />

Vorausschauend wurde<br />

vor der Verhandlung noch das Verhandlungsteam<br />

in der Harvard-Methode trainiert,<br />

das sich daran machte, mit den<br />

südafrikanischen Partnern die Einsparziele<br />

zu realisieren. Die Firma stand jedoch<br />

vor dem Problem, dass der Lieferant bei<br />

den Gesprächen am Verhandlungstisch<br />

zwar überaus freundlich war, jedoch<br />

kaum Informationen teilte und auch offensichtlich<br />

taktierte. Daher war es gar<br />

nicht möglich, das Win-Win-Potenzial<br />

überhaupt zu adressieren, so, wie es<br />

eigentlich die Harvard Methode vorsieht.<br />

Der Hintergrund<br />

Wer in Südafrika verhandelt, muss genau<br />

genommen zwischen zwei Südafrikas<br />

unterscheiden. Dem Afrikaans Südafrika –<br />

Nachfahren europäischer Einwanderer –<br />

deren Verhandlungsstil sehr an den europäischen<br />

angelehnt ist und den Südafrikanern,<br />

die kulturell den Stämmen zuzuordnen<br />

sind, deren Verhandlungsstil sich<br />

sehr von dem deutschen unterscheidet<br />

Tipps Beispiel Südafrika<br />

(1) Suchen Sie den informellen Austausch<br />

mit ihrem Verhandlungspartner parallel<br />

zu den eigentlichen Verhandlungen:<br />

Backchannel.<br />

(2) Diskutieren Sie dort die wirklich wichtigen<br />

und strittigen Punkte.<br />

(3) Hier können Sie Informationen sammeln,<br />

Kompromisslinien ausloten und<br />

Win-Win-Potenziale adressieren.<br />

(4) Bauen Sie Vertrauen auf! Je mehr Vertrauen<br />

zwischen Ihnen und Ihrem Verhandlungspartner<br />

besteht, desto besser<br />

wird Ihnen die Umsetzung gelingen.<br />

In einer Welt, in der die BRICS-Staaten<br />

zunehmend an wirtschaftlichem und<br />

technologischem Einfluss gewinnen, ist es<br />

für Unternehmen unabdingbar, sich auf<br />

diese ändernden Rahmenbedingungen<br />

einzustellen. Das bedeutet, traditionell –<br />

westlich ausgerichtete – Verhandlungsansätze<br />

kritisch zu hinterfragen und<br />

durch praxisnahe, an die Zielregion angepasste<br />

Methoden zu ersetzen, die sowohl<br />

die lokalen Mentalitäten und Geschäftspraktiken<br />

berücksichtigen. So können wir<br />

die anstehenden Veränderungen strategisch<br />

zu unserem Vorteil nutzen.<br />

Bild: HHL – Daniel Reiche<br />

Raphael Schoen<br />

Verhandlungsexperte<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 65


» MEINUNG<br />

Deutschland 2024: Fitness für<br />

den Champion<br />

Die deutsche Konjunktur war in der zweiten Jahreshälfte 2023 nicht Fisch nicht<br />

Fleisch. In das neue Jahr starten wir aus einer technischen Rezession (Bruttoinlandsprodukt<br />

in zwei aufeinander folgenden Quartalen rückläufig im Vergleich zu den jeweiligen<br />

Vorjahresquartalen) heraus. Ein kräftiger Aufschwung ist für das erste Halbjahr<br />

2024 kaum zu erwarten. Unsere exportorientierte Industrie leidet unter der schwachen<br />

Auslandsnachfrage, die nicht zuletzt auch auf die in dieser Ausgabe analysierte Abkühlung<br />

der chinesischen Wirtschaft zurückzuführen ist. Die zu Beginn 2023<br />

noch beachtlichen Auftragspolster sind inzwischen abgearbeitet. Schon<br />

seit Monaten stagniert der Auftragseingang. Belastend für die Industrie<br />

wirken auch die nach den kräftigen Zinssteigerungen hohen Finanzierungskosten,<br />

die die privaten Investitionen und damit auch die Nachfrage<br />

nach Industriegütern und besonders nach Bauleistungen dämpfen.<br />

Von der Geldpolitik wird es 2024 kaum Rückenwind für die Konjunktur<br />

geben. Die erhofften Zinssenkungen dürften bescheiden ausfallen, da die<br />

EZB ein Wiederauflodern der Inflation (berechtigterweise) nicht ausschließt.<br />

Die volkswirtschaftliche Nachfrage in unserem Lande dürfte durch das<br />

jüngste Karlsruher Urteil deutlich beeinträchtig werden. Es wird weniger<br />

öffentliche Aufträge geben; das Wegfallen von Subventionen für die<br />

»Der exportorientierte<br />

Champion Deutschland<br />

mit seiner starken industriellen<br />

Basis war sich zu<br />

lange zu siegessicher.«<br />

Prof. Dr. Robert Fieten,<br />

grüne Transformation wird die Investitionsneigung der Unternehmen<br />

bremsen, und nicht zuletzt werden weniger konsumtive Staatsausgaben<br />

die Kaufkraft vieler privater Haushalte schwächen. Immerhin stabilisiert<br />

der bisher noch sehr robuste Arbeitsmarkt das Wirtschaftsgeschehen in<br />

Deutschland. Der Personalmangel geht einher mit kräftigen Lohnkostensteigerungen<br />

in Verbindung mit Arbeitszeitverkürzungen. Nach dem Abklingen der Lieferkettenprobleme<br />

der letzten Jahre treten wir ein in eine für die Wettbewerbsfähigkeit<br />

des Standortes gefährliche Lohn-Preis-Spirale, der man<br />

nur durch nachhaltige Produktivitätssteigerungen beikommen<br />

könnte. Doch danach sieht es nicht aus.<br />

In dem auch in 2024 konjunkturell schwierigen Umfeld werden<br />

die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft<br />

mehr als deutlich. Viele davon z. B. Bürokratie sind hausgemacht.<br />

Recht treffend hieß es hierzu in der Wirtschaftswoche<br />

vom 6. November 2023: „We were the champions.“ In der Tat<br />

sind wir lahm geworden und laufen in eine strukturelle<br />

Wachstumsschwäche hinein. Der exportorientierte Champion<br />

Deutschland mit seiner starken industriellen Basis war sich zu lange zu siegessicher; er<br />

verfrühstückte die Dividenden der Globalisierung und vergaß darüber, seine Fitness zu<br />

trainieren. Nicht überraschend hat er nun Schwierigkeiten, mit der ökonomischen<br />

Weltspitze mitzuhalten. Wenn man dies näher analysiert, kommt man zu dem Ergebnis,<br />

dass die Fehlentwicklungen nicht nur ein Problem der Unternehmen und der Wirtschaftspolitik,<br />

sondern auch des Mindsets in unserer Gesellschaft sind. Es muss ein<br />

Ruck durch Land und Leute gehen: Weniger Verlass auf den All-Problemlöser Staat und<br />

mehr Privatinitiative – von jedem Einzelnen. Die anhaltend schwache Konjunktur bietet<br />

die Chance, das deutsche Wirtschaftsmodell einer Runderneuerung zu unterziehen.<br />

Dies ist Priorität 1 für 2024.<br />

wissenschaftlicher Berater der<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>, Köln<br />

66 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024


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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 67


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68 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024

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