Beschaffung aktuell 01-02.2024
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» MANAGEMENT<br />
CO 2 -Emissionswerte entlang der Lieferkette managen<br />
„Verantwortung für die<br />
eigene Lieferkette übernehmen“<br />
Mit Sigreen stellt Siemens ein Softwaretool bereit, mit dem CO 2 -Emissionswerte<br />
entlang der Lieferkette managebar werden – einschließlich vertrauenswürdiger<br />
Abfrage, Berechnung und Weitergabe realer CO 2 -Fußabdrucksdaten eines Produktes.<br />
Als Erfinder von Sigreen erläutert Dr. Gunter Beitinger, was das Softwaretool <strong>aktuell</strong><br />
so „einzigartig“ macht und warum sich der Einsatz lohnt.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Dr. Beitinger, Sie<br />
sagen: „Bis zu 90 % aller CO 2 -Emissionen der<br />
Industrie entstehen nicht bei der Produktion,<br />
sondern entlang der Lieferketten.“ Ist das der<br />
Impuls und die Ausgangslage<br />
gewesen, die Sigreen-Software<br />
zu entwickeln?<br />
Dr. Gunter Beitinger: Je<br />
nach Wertschöpfungstiefe<br />
und Position des Unternehmens<br />
in der Lieferkette können<br />
mehr als 90 % der<br />
CO 2 -Emissionen außerhalb des<br />
eigenen Betriebes entstehen.<br />
Das sehen wir beispielsweise<br />
hier bei Siemens an unserem<br />
Simatic-Portfolio. Natürlich kann der Prozentsatz<br />
auch bei 70 % oder 60 % liegen. Wir wollen jedenfalls<br />
auf ein entscheidendes Thema hinweisen – und<br />
zwar: Verantwortung für die eigene Lieferkette zu<br />
übernehmen.<br />
Woran liegt es, dass bis zu 90 % aller industrieller<br />
CO 2 -Emissionen in der Wertschöpfungskette liegen?<br />
Und was folgt daraus?<br />
Das liegt an den Zukaufteilen, also an den Modulen<br />
und Komponenten, die außerhalb des eigenen Einflussbereiches<br />
gefertigt werden. Durch die Kaufentscheidung<br />
ist man aber durchaus für diese Emissionen<br />
verantwortlich. Insofern werden vom Gesetzgeber<br />
und der Gesellschaft immer mehr Forderungen<br />
laut, dieser Verantwortung bei den Produkten<br />
gerecht zu werden.<br />
Auf welche Hürden stoßen Unternehmen bei der<br />
Ermittlung des Gros an Emissionswerten?<br />
Zum einen müssen die Informationen vom Lieferan-<br />
»Wir wollen auf ein<br />
entscheidendes Thema<br />
hinweisen – und zwar:<br />
Verantwortung für die<br />
eigene Lieferkette zu<br />
übernehmen.«<br />
Dr. Gunter Beitinger<br />
ten bereitgestellt werden. Der steht dann meistens<br />
vor der gleichen Herausforderung wie man selbst.<br />
Die erste Hürde besteht also darin, ob er überhaupt<br />
entsprechende Informationen zu den Emissionen liefern<br />
kann. Sollte der Lieferant<br />
dies lösen können, eventuell<br />
durch auf sogenannte<br />
Lifecycle- Assessment (LCA)-<br />
Daten basierende Berechnungen,<br />
kann er eine Abschätzung<br />
liefern. Diesen Werten<br />
muss man am Ende allerdings<br />
vertrauen können. Das wäre<br />
gegeben, wenn der Lieferant<br />
ergänzend zu den berechneten<br />
Werten auch Hintergrundinformationen<br />
zu Prozessen, Datenquellen<br />
oder Ermittlungsverfahren, also zu seiner Lieferantenstruktur,<br />
preisgeben würde oder preisgibt. In der<br />
Regel wird er das allerdings nicht tun, da dies seine<br />
eigene Wettbewerbsfähigkeit einschränken könnte.<br />
Somit steckt man schon im zweiten Dilemma. Sollte<br />
das trotzdem gelöst werden – möglicherweise aufgrund<br />
von Machtverhältnissen oder Abhängigkeiten<br />
– muss man immer noch sicherstellen, dass die Daten,<br />
die der Zulieferer dann bereithält, aggregierbar<br />
sind. Dahinter steht folgende Frage: Hat der Lieferant<br />
wirklich die gleichen Regeln und Methoden angewandt,<br />
sodass man die Daten entlang der Lieferkette<br />
aufsummieren kann? Das wäre die dritte Hürde,<br />
die man nehmen muss.<br />
Sehen Sie weitere Herausforderungen?<br />
Es ist sehr aufwendig und die Verfügbarkeit von<br />
Expertenwissen spielt eine Rolle. Das ist aber lösbar.<br />
Nur diese drei Aufgaben, die mit den erwähnten Hürden<br />
verbunden sind, sind essenziell.<br />
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