Beschaffung aktuell 01-02.2024
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Im Jahr 2022 waren rund 17,2<br />
Prozent der Bevölkerung Chinas<br />
zwischen 0 und 14 Jahre alt, rund<br />
69 Prozent zwischen 15 und 64<br />
Jahre und rund 13,7 Prozent 65<br />
Jahre und älter.<br />
Quelle: Statista 2023<br />
Vergangenheit erfolgreichen China-Strategien<br />
überdenken müssen. China bleibt<br />
ein unverzichtbarer aber tendenziell<br />
schwierigerer Wirtschaftspartner.<br />
De-Coupling von China<br />
oder eher De-Risking?<br />
In ihrem Monatsbericht Oktober 2023<br />
sieht die deutsche Bundesbank die Abhängigkeit<br />
der deutschen Industrie von<br />
Vorleistungsgütern aus China Sorge. „Angesichts<br />
steigender geopolitischer Spannungen<br />
und damit verbundener Risiken<br />
ist es für Unternehmen und Politik geboten,<br />
die gewachsene Struktur der Lieferketten<br />
und die weitere Ausweitung des<br />
Direktinvestitionsengagements in China<br />
zu überdenken“, heißt es. Nach einer Umfrage<br />
der Notenbank sind fast die Hälfte<br />
aller Industriefirmen bei der Produktion<br />
auf Vorprodukte aus China angewiesen.<br />
Dies gilt insbesondere für die umsatzstärkeren<br />
Unternehmen. Ein plötzliches De-<br />
Coupling (Entflechtung) von China wäre<br />
zumindest kurz- und mittelfristig mit<br />
weitreichenden Disruptionen der Lieferketten<br />
und der Produktion in Deutschland<br />
verbunden. Dies kommt für unsere Industrieunternehmen<br />
daher nicht infrage.<br />
Laut Bundesbank haben rund zwei Fünftel<br />
der Industriefirmen, die 2022 oder 2023<br />
wichtige Importe aus China bezogen, bereits<br />
Schritte eingeleitet, um den Bezug<br />
von chinesischen Vorprodukten oder Vorleistungen<br />
zu verringern. Bei sehr schwierig<br />
zu ersetzenden Vorprodukten z. B. seltenen<br />
Erden stehe aber ein Abbau der Abhängigkeiten<br />
noch aus.<br />
Rund achtzig Prozent der von der Bundesbank<br />
befragten Industriekonzerne, die<br />
unverzichtbare Vorprodukte aus China<br />
bezogen, halten einen Ersatz durch Produkte<br />
aus anderen Ländern für schwierig<br />
bis sehr schwierig. Industrieunternehmen,<br />
die die Ausweichmöglichkeiten als<br />
sehr gering einstufen, stehen für knapp<br />
ein Viertel des Umsatzes in der deutschen<br />
Industrie.<br />
In der deutschen Wirtschaft wird vor diesem<br />
Hintergrund ein De-Coupling von<br />
chinesischen Lieferquellen als unrealistisch<br />
angesehen, stattdessen kann es nur<br />
um ein De-Risking durch stärkere Diversifizierung<br />
der Lieferketten gehen. Hieran<br />
wird von den Einkaufsstrategen intensiv<br />
gearbeitet. Indien und die südostasiatischen<br />
Staaten werden in diesem Zusammenhang<br />
zu immer wichtigeren Lieferquellen.<br />
De-Risking kann aber in der derzeitigen<br />
Gemengelage geopolitischer und wirtschaftlicher<br />
Strategien nicht ohne die Politik<br />
gelingen, die dabei aber auch berücksichtigen<br />
sollte, das China in Anbetracht<br />
des strukturellen Nachfragedefizits auch<br />
ohne massive Exporte in den Westen<br />
nicht auskommt. Die Politik muss regionale<br />
Freihandelsabkommen vereinbaren,<br />
um die Abhängigkeit von einzelnen Ländern<br />
zu verringern. Diese würden es für<br />
Einkaufsstrategen in den Unternehmen<br />
leichter machen, ihre Bezugsquellen breiter<br />
aufzustellen. „So können die Unternehmen<br />
Abhängigkeiten von der Politik<br />
einzelner Staaten und das Risiko großflächiger<br />
Störungen von Lieferketten verringern“,<br />
schreibt die Bundesbank.<br />
Im heutigen Umfeld ist die Politik mehr<br />
denn je gefordert, die <strong>aktuell</strong>en geopolitischen<br />
Risiken besser zu managen und den<br />
Unternehmen dadurch eine hinreichende<br />
Planungssicherheit zu geben. Mit der Diversifizierung<br />
der Lieferketten geht es<br />
nicht um eine Deglobalisierung, sondern<br />
um eine resilientere Globalisierung. Und<br />
darauf kommt es heute mehr denn je an.<br />
Prof. Dr. Robert Fieten<br />
wissenschaftlicher<br />
Berater der<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>,<br />
Köln<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 1-2 | 2024 31