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Beschaffung aktuell 09.2021

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» MANAGEMENT Ingo Zschocke, CPO, Knauf Gruppe, Iphofen „Digitalisierung ist einer der wichtigen Treiber für Veränderungen“ Die Knauf Gruppe ist ein Familienunternehmen mit Sitz im unterfränkischen Iphofen und zählt zu den führenden Herstellern von Baustoffen und Bausystemen in Europa. Beschaffung aktuell sprach mit CPO Ingo Zschocke über das neue Lieferkettengesetz, den CO 2 -Footprint einer Platte Gipskarton und die Notwendigkeit, Einkauf und Logistik ganzheitlich zu betrachten. Beschaffung aktuell: Herr Zschocke, Sie leiten als CPO den Einkauf von Knauf. Wie ist Ihre Einkaufsorganisation strukturiert? Ingo Zschocke: Knauf ist grundsätzlich ein dezentrales Unternehmen, da wir uns in verschiedenen lokalen Märkten bewegen. Unsere Lieferanten agieren aber global, sodass wir bei uns eine dezentrale, beim Lieferanten dagegen häufig eine zentrale Struktur haben. Wir müssen also in einem dezentralen Umfeld zentralisieren, da es nicht zielführend ist, wenn jeder unserer Standorte einzeln mit den Lieferanten im jeweiligen Land verhandelt. Das bündeln wir und treffen mit unseren globalen Lieferanten ganzheitliche Vereinbarungen für alle Standorte. Von dem, was wir in Summe an dire kten und indirekten Materialien einkaufen, ist ein ungefähr ein Drittel zentral, aber das Gros ist dezentral. Bei Knauf gibt es zwei verschiedene Einkaufs - abteilungen unter dem Dach des globalen Einkaufs, eine für den direkten und die andere für den indirekten Ingo Zschocke ... studierte von 1988 bis 1994 Maschinenbau an der TU Darmstadt. Nach dem Abschluss als Diplom-Ingenieur arbeitete er bei Mannesmann VDO (später Siemens VDO, Continental) als Kosten- und Wertanaly - tiker und hatte danach verschiedene Rollen im Einkauf in mehreren Divisionen des gleichen Unternehmens. Nach drei Jahren als CPO bei Wincor Nixdorf leitet Ingo Zschocke seit 2017 den weltweiten Einkauf der Knauf Unternehmensgruppe. »Der Einkauf muss die Supply Chain langfristig als Ganzes betrachten .« Einkauf, für all das, was wir global zentralisieren. Darüber hinaus haben wir ein zentrales Qualitätsmanagement für die Lieferanten und auch ein zentrales Contract Management. Unsere dezentralen Einheiten berichten fachlich an mich, wir geben die Struktur und die Prozesse vor, auch die IT-Tools, und wir koordinieren alle Aktivitäten. Damit haben wir eine etwas losere Struktur als im Zentraleinkauf und schaffen so den Spagat zwischen all den Anforderungen. Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Lieferanten aus? Zschocke: Wir haben einen Total Cost of Ownership-Ansatz und versuchen damit fast alle Felder numerisch umzuwandeln. Aber natürlich ist es zunächst einmal ein Produkt, ein Material oder ein Service, das wir einkaufen. Wir bewerten das Produkt und seine Herstellung in einer Spezifikation. Dabei achten wir natürlich auf die Qualität und schauen uns auch an, wie wir Synergien nutzen können. Lieferanten werden bei uns klassifiziert und bewertet, das bildet die die Basis für die Lieferantenentwicklung. Ein wesentlicher Treiber ist natürlich der Preis, aber er ist bei weitem nicht alles. Die Verlässlichkeit des Lieferanten spielt ebenso eine Rolle wie die allgemeine Risikobewertung. Wir bewerten die finanziellen Risiken ebenso wie Umweltrisiken. Es ist also ein sehr holistischer Ansatz, mit dem wir unsere Lieferanten auswählen. Gab es aufgrund der Corona- Pandemie Engpässe in der Lieferkette? Zschocke: Es war natürlich, wie bei anderen Unternehmen auch, eng. Plötzlich waren wir mit Heraus forderungen konfrontiert, die so nicht in 14 Beschaffung aktuell » 09 | 2021

einem Risk Management berücksichtigt worden sind. Wer ist zum Beispiel davon ausgegangen, dass man für eine knappe Woche die serbische Grenze faktisch für den Güterverkehr schließt? Das war eine Komplexität, die wir, wie alle anderen auch, nicht auf dem Radar hatten. Wir haben damals sofort eine Task Force gegründet und die Lieferantenmärkte noch einmal gründlich analysiert. Dabei hat uns sicherlich geholfen, dass wir schon vor der Pandemie ein hohes Maß an Datentransparenz hatten und deshalb sehr schnell über ein genaues Bild der Warenströme verfügen konnten. So konnten wir verhindern, in der Corona krise Werke aufgrund fehlenden Materials stilllegen zu müssen. Welches sind Ihre wichtigsten Einkaufsmärkte? Zschocke: Grundsätzlich versuchen wir, lokal einzukaufen, da wir dann geringere Lieferkettenprobleme haben – auch Fragen der Inflation oder des Wechselkurses fallen weg. Außerdem kaufen wir zum Beispiel viel Sand ein, den wir nicht über Tausende von Kilometern transportieren wollen, es sei denn, wir müssen es, weil es in einem Land keinen Sand gibt. Inzwischen beginnt ja auch Sand ein knappes Gut zu werden, auch da werden wir uns vielleicht anpassen müssen. Aber wir versuchen natürlich auch die Opportunitäten der Märkte zu nutzen. Es gibt viele Produkte, die durch Global Player dominiert oder zumindest stark beeinflusst werden. Für uns ist es wichtig, so einzukaufen, dass unser Total Cost of Ownership richtig ist. Da spielen asiatische Märkte eine Rolle, der europäische Markt ist sehr wichtig für uns, aber auch der russische, je nachdem, wo wir Opport unitäten hinsichtlich einer nachhaltigen Belieferung sehen und in Bezug auf Preis und Kosten, Liefersicherheit, Qualität und Nachhaltigkeit über einen sehr langen Zeitraum sicher aufgestellt sind. Welchen Stellenwert hat die Nachhaltigkeit dabei? Zschocke: Wie für andere Unternehmen auch, wird das Thema Nachhaltigkeit für uns immer wichtiger. Zum Beispiel das neue Lieferkettengesetz: Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette spielen eine große Rolle, das halte ich sowohl persönlich als auch als Vertreter eines Unternehmens für essenziell. Wir müssen uns natürlich davor schützen, nicht in einen administrativen Moloch zu geraten, aber dass wir Verantwortung für unsere Produkte übernehmen und auch dafür, dass diese anständig produziert werden, ohne dass dabei jemand zu Schaden kommt oder ausgebeutet wird, ist für mich selbstverständlich. Es gibt ja auch schon vergleichbare Gesetze beispielsweise in England oder Frankreich, an denen man sich orientieren kann. Bild: Knauf Auch das Thema CO 2 -Footprint wird eine zunehmende Rolle spielen. Ich glaube, die Anforderungen des Marktes an uns als Hersteller und auch diejenigen von uns an unsere Lieferanten, den CO 2 -Ausstoß in der Lieferkette transparent zu gestalten, werden immer größer werden. Wie viel CO 2 steckt in einer Platte Gipskarton? Bisher gibt es diese Anforderungen bei uns noch nicht, aber ich glaube, das wird eine Zukunft sein, der wir uns nicht verschließen wollen. Welche Rolle spielt die Digitalisierung in Ihrer Organisation und in Ihrem Unternehmen? Zschocke: Das Thema Digitalisierung spielt bei uns eine sehr große Rolle. Wir haben sogenannte „Mustwin-battles“ ausgerufen – Themen, von denen wir überzeugt sind, dass sie für uns besonders wichtig sind und bei denen wir uns dementsprechend stark aufstellen müssen. Dazu gehört zum Beispiel das Thema People – wir wollen der beste Arbeitgeber für Ingo Zschocke leitet seit 2017 den weltweiten Einkauf der Knauf Unternehmensgruppe. Beschaffung aktuell » 09 | 2021 15

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