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Beschaffung aktuell 09.2021

Nicht jeder Rohstoff ist

Nicht jeder Rohstoff ist kritisch zu betrachten , aber wenn, dann sollte man ihn ständig im Blick haben. Hier: Bergmann bei der Inspektion einer Bohrstelle in einer australischen Mine. Bild: Michael Evans /stock.adobe.com Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und Umweltrisiken Diese mineralischen Rohstoffe sollten Sie im Blick haben Seit Januar 2021 ist die Konfliktmineralienverordnung der Europäischen Union in Kraft. Erfahren Sie, was Sie bei der Beschaffung von mineralischen Rohstoffen auch unter Berücksichtigung der vorgelagerten Lieferketten beachten sollten. Sozial-ökologisches Risikopotenzial Umweltgefährdungspotenzial Berichte zu Menschenrechtsverletzungen Die Diskussion um menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von Unternehmen ist in aller Munde, und gesetzliche Vorgaben auf nationaler und europäischer Ebene sind kurz vor der Verabschiedung. Immer geht es dabei auch um die Verantwortung in globalen Lieferketten und damit wird das Thema für Einkaufsverantwortliche relevant. Sie stehen vor der Herausforderung, neben dem ohnehin derzeit besonders komplexen und dynamischen Tagesgeschäft diesen Anforderungen noch zusätzlich gerecht zu werden. Nachfragedruck EU-Liste kritischer Rohstoffe Rohstoffe für Energiewende Besonders im Fokus sind menschenrechtliche und umweltbezogene Aspekte bei der Beschaffung von mineralischen Rohstoffen oder von Komponenten, die diese Rohstoffe enthalten. Das Risikopotenzial entlang der Lieferkette variiert je nach Rohstoff, ist abhängig von Gewinnungs- und Verarbeitungs - methoden und den lokalen Bedingungen. Vor allem wenn Produkte eine Vielzahl von Rohstoffen enthalten, steht die Beschaffung damit vor einem Berg an ungelösten Aufgaben. Da ist die Frage: Wo soll man anfangen? Mit welchen ersten Schritten erreicht man bereits Wirkung und wie entspricht man gleichzeitig den regulatorischen Anforderungen? Bei der Priorisierung helfen öffentlich zugängliche Studien und Daten zu potenziellen Risiken im Zusammenhang mit Produktion, Verarbeitung und Handel mineralischer Rohstoffe. Beispielsweise zeigt eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes das Um- 18 Beschaffung aktuell » 09 | 2021

MANAGEMENT « weltgefährdungspotenzial von Mineralien und Metallen auf. Außerdem lohnt ein Blick auf Regulierungen und Politik instrumente, die sich auf den internationalen Handel von Rohstoffen auswirken. So ist seit Januar 2021 die Konfliktmineralienverordnung der Europäischen Union in Kraft. Sie soll dabei helfen, beim Handel mit vier Mineralien – Zinn, Tantal, Wolfram und Gold – Menschenrechtsverstöße wie die Finanzierung bewaffneter Konflikte oder Zwangsarbeit einzudämmen. Betroffene Unternehmen müssen seitdem für diese vier Mineralien die Herkunft offenlegen. Produktion Im industriellen Bergbau Förderung auch aus Kleinbergbau Erz/Metall Titan Nickel Eisenerz Molybdän Platin/Platin - gruppe Manganerz Silber Hauptproduktionsländer mit ESG-Länderrisiken China, Russland Indonesien, Philippinen, Russland Brasilien, China, Indien China Russland, Südafrika, Zimbabwe Südafrika, Gabun, Ghana Mexiko, Peru, China Zink Natürlicher Graphit Chromit China, Peru Aktuelle Liste kritischer Rohstoffe Angesichts der Umwelt- und Sozialrisiken bei der Gewinnung anderer Rohstoffe und gleichzeitig steigender Nachfrage ist davon auszugehen, dass weitere Vorgaben auf regulatorischer Ebene kommen werden. Zudem hat die EU ihre Liste an kritischen Rohstoffen 2020 aktualisiert. Dabei handelt es sich um Rohstoffe, die für die europäische Industrie zentrale Bedeutung haben, aber deren Zufuhr stark von wenigen Drittländern abhängt. Zinn, Tantal, Wolfram und Gold stehen also wie beschrieben durch die Konfliktmineralienverordnung im Fokus. Die Rohstoffe Kobalt, Lithium und Seltene Erden sowie die Basismetalle Kupfer und Aluminium sind ebenfalls bereits in der öffentlichen Diskussion und Ziel fokussierter Industrie-Initiativen mit Blick auf die soziale und ökologische Dimension der Gewinnung und Versorgung. Die kombinierte Betrachtung von Umweltgefährdungspotenzial mit weiteren Klassifizierungskriterien führt zu einer Liste von weiteren zehn mineralischen Rohstoffen, die Einkaufsverantwortliche im Blick behalten sollten: Titan, Nickel, Eisenerz, Molybdän, Platin/Platingruppe, Manganerz, Silber, Zink, Natürlicher Graphit und Chromit. Die Auswahl der Rohstoffe basiert auf einer Grundliste von 47 Rohstoffen, deren Umweltgefährdungspotenzial im Rahmen der Studie des Umweltbundesamtes analysiert wurde. Außerdem wurden eine länder- und branchenspezifische Menschenrechts-Risikoeinschätzung, die Kritikalität für die europäische Industrie und ein zu erwartender Nachfragedruck im Zuge der globalen Energiewende betrachtet. Die Liste wurde anschließend auf Rohstoffe begrenzt, die für die deutsche Automobil-, Maschinenbau-, Chemie- und Elektroindustrien relevant sind. Nachfragedruck beispielsweise in diesen Industrie - bereichen führt häufig dazu, das Rohstoffangebot möglichst schnell zu erhöhen durch neue und/oder größere Förderstätten. Dabei bleiben soziale und ökologische Risiken der Rohstoffproduktion außen vor. Erfolgreiches Management menschenrechtlicher China, Mozambique, Brasilien Südafrika, Türkei Beispiel – Ökologische Kritikalität von Rohstoffen (ÖkoRess 1 ) Als Forschungsvorhaben des Umweltbundesamtes trägt ÖkoRess dazu bei, Umweltaspekte bei der Versorgung mit primären mineralischen Rohstoffen stärker zu berücksichtigen . In seiner ersten Phase haben Experten eines Konsortiums von Projekt- Consult, deutschen Think Tanks und Politikberatungsunternehmen ein fundiertes und praktikables System entwickelt, das Ökoress eine zuverlässige vergleichende Bewertung verschiedener bergbaulicher Gewinnungsund Verarbeitungsaktivitäten ermöglicht. In der zweiten Phase wurde die Methodik zur Bewertung der ökologischen Verfüg - barkeit von 51 mineralischen Rohstoffen getestet. Die Ergebnisse erlauben eine erste fundierte Priorisierung und bringen einen Fokus auf ökologisch besonders kritische Rohstoffe in die Kritikalitätsdebatte ein. In der dritten Phase schließlich wurden 100 Minenstandorte von Kupfer, Bauxit und Einsen hinsichtlich ihrer Umweltrisiko - potenziale bewertet. Die Ergebnisse bereichern die laufende Debatte zum Thema nachhaltiges Ressourcenmanagement in Deutschland, Europa und international. 1 Umweltbundesamt (2020), Environmental Criticality of Raw Materials. An assessment of environmental hazard potentials of raw materials from mining and recommendations for an ecological raw materials policy, www.umweltbundesamt.de/publikationen. Beschaffung aktuell » 09 | 2021 19

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