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Beschaffung aktuell 11-12.2023

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» MANAGEMENT Vaillant Die Vaillant Group ist ein international tätiges Unternehmen mit Hauptsitz in Remscheid, Deutschland, das in den Bereichen Heiz-, Lüftungs- und Klimatechnik tätig ist. Das Produktportfolio reicht von effizienten Heizgeräten auf Basis herkömmlicher Energieträger bis hin zu Systemlösungen zur Nutzung regenerativer Energien. Im Geschäftsjahr 2022 erzielte das Unternehmen, das sich seit seiner Gründung 1874 in Familienbesitz befindet, mit 17.000 Beschäftig ten einen Umsatz von rund 3,7 Mrd Euro. Wie viel Prozent Ihrer Lieferanten sind jetzt über das SAP-Netz angebunden? Thum: Wir haben in kurzer Zeit knapp 7000 Lieferanten erfolgreich ins SAP Business Netzwerk integriert (vormals Ariba Netzwerk). Im Bereich des Produktionsmaterialeinkaufs decken wir 90 Prozent unseres Einkaufsvolumens sowie 95 Prozent der Anzahl der Bestellungen über das Netzwerk ab. Allein im Direkteinkauf sind das rund 800 Lieferanten. Im Vergleich zu anderen Unternehmen sind wir in dieser Hinsicht sehr weit. Im indirekten Einkauf wickeln wir mit etwa 6000 Lieferanten fast alle Transaktionen über Ariba und das SAP Business Netzwerk ab. Heinisch: Auch bei Produktionsmateriallieferanten haben wir die Anbindung schrittweise durchgeführt, nicht alle 800 Lieferanten auf einmal, sondern in Tranchen von jeweils hundert. Dies ermöglichte es, den Ansturm für die Mitarbeiter und die IT besser zu bewältigen. Einige Lieferanten waren bereits im Ariba-Netzwerk und freuten sich, dass sie jetzt dieselbe Plattform wie wir nutzen konnten. Was sagen Sie als IT-ler zu SAP? Teckenbrock: Über die Jahre wurde ein gewisser Systemstandard etabliert, den man heute kaum umgehen kann. Das hat zwar einen gewissen Zwang, aber Sie haben die Möglichkeit, die Systeme an Ihre Bedürfnisse anzupassen, ohne sie komplett zu verändern. Sie können sie nach Ihren Prozessen gestalten. Es gibt immer Mängel in jeder Software, aber heutzutage ist es unerlässlich, eine reibungslose Integration zu haben. Isolierte Systeme mit wiederholter Stammdatenpflege oder manuellem Datenimport und -export sind heutzutage nicht mehr tragbar. SAP ist in dieser Hinsicht ein etablierter Standard, der diese Anforderungen erfüllt. Thum: Wir wurden von einem sehr engagierten SAP-Team und Implementierungspartner betreut, die sich um unsere Anliegen gekümmert haben. Ein wichtiger Erfolgsfaktor war, dass wir während »Die Lieferanten profitieren davon, dass sie nun nur noch einen Kommunikations weg mit uns haben.« Manuela Heinisch des gesamten Projekts einen konstanten Ansprechpartner hatten, einschließlich unseres Key Account Managers und unseres Sales Account Managers. Früher hatten wir bei der Vaillant Group ein stark individualisiertes System, das genau auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten war. Unsere neue Systemumgebung basiert auf einer Cloud-Lösung, die von SAP aktualisiert wird. Wenn man diese Lösung stark anpasst, können Software-Updates nur mit erheblichem Aufwand eingespielt werden. Daher haben wir entschieden, dass es wichtig ist, den Standard von SAP anzunehmen, um Flexibilität für zukünftige Funktionen, Soft- ware und Effizienzgewinne zu gewährleisten. Wir haben es geschafft, in 18 Ländern und in sieben bis acht Werken einen einheitlichen Standardprozess im indirekten und direkten Einkauf einzuführen, ohne signifikante lokale Abweichungen. Dies ist ein einzigartiger Erfolg, auf den wir stolz sind. Was war die größte Herausforderung? Thum: Eine so groß angelegte Prozessund IT-Umstellung ist eine „Operation am offenen Herzen“, bei der die Business Operations nicht gefährdet werden dürfen. Parallel gab es viele interne Stakeholder abzuholen, 7000 Lieferanten die beim Wechsel zum SAP Business Netzwerk mitgenommen werden mussten und die Corona-Pandemie. Dies hat die Umsetzung komplex gemacht, aber wir haben es gemeistert. Wir haben die Vertriebsgesellschaften in 18 Ländern aktiv eingebunden und mit den jeweiligen Landes-Chefs Gespräche geführt, um sie von der Idee zu überzeugen, einen globalen Standard einzuführen. Heinisch: Besonders die Disponenten mussten davon überzeugt werden, dass dies der richtige Weg ist. Oft arbeiten die Menschen seit 20 Jahren auf eine bestimmte Art und Weise. Wir haben intensiv auf Kommunikation und Schulungen gesetzt, um sie abzuholen. Davor haben wir genau analysiert, wie sich ihre Arbeitsweise vorher und nachher ändert, und darauf abgestimmte Schulungsmaterialien entwickelt. Diese Schulungen wurden mehrfach durchgeführt. Teckenbrock: Beim Change-Management wurde versucht, die Beteiligung der Mitarbeiter von Anfang an sicherzustellen. Wir haben klar kommuniziert, dass dies das System ist, ohne viele Anpassungsmöglichkeiten. Gleichzeitig haben wir die Mitarbeiter ermutigt, Feedback zu geben und ihre Bedenken zu äußern. Wir haben aber die Richtung erklärt und vorgegeben. Dadurch konnten wir vermeiden, dass grundlegende Diskussionen über die Notwendigkeit des neuen Systems auftraten. 16 Beschaffung aktuell » 11-12 | 2023

Wie ist die Akzeptanz jetzt? Thum: Es gab viele positive Rückmeldungen für die Implementierung unserer Strategie und tolle Unterstützung von den Nutzern, die auch in Celonis bestätigt wurden. Die Durchlaufzeiten für Katalogbestellungen haben sich um 80 Prozent auf drei Stunden verbessert, während Freitextbestellungen im Durchschnitt dreieinhalb Tage benötigen. Daneben war die Einführung von IT-Tools nicht die einzige Veränderung. Wir haben auch unsere Arbeitsweise angepasst. Beispielsweise haben wir in der Unterschriftenrichtlinie das Vier-Augen-Prinzip für kleinere Artikel aufgehoben, um den Bestellprozess zu vereinfachen. Anfangs hatten wir Bedenken, dass dies zu mehr Bestellungen und höheren Ausgaben führen könnte, aber diese Sorge hat sich nicht bewahrheitet. Natürlich arbeiten wir kontinuierlich auch an weiteren Verbesserungen. Welche Rolle sehen Sie für KI im Einkauf? Thum: Ich habe aufregende Anwendungen von Künstlicher Intelligenz gesehen. Bei ChatGPT habe ich beeindruckende Demos gesehen. Sie laden fünf Verträge hoch, und das System liest diese automatisch und beantwortet Fragen dazu, wie Ablaufdatum und Zahlungsbedingungen, oder es erstellt eine Tabelle und vergleicht die fünf Verträge automatisch miteinander. Das hat mich beeindruckt und zeigt, dass in Zukunft vielleicht nicht mehr über herkömmliche Tools bestellt wird. Stattdessen könnten Bots verwendet werden, um Einkaufsprozesse per Chat zu steuern. Ich sehe ein enormes Potenzial in dieser Richtung. Im Einkauf gibt es viele transaktionale Aufgaben, aber ich glaube auch, dass KI eine große Unterstützung für strategische Aspekte wie Lieferantensicherheit und Risikobewertungen sein kann. Was Big Data Analytics betrifft und das Verstehen von Trends, da hat KI meiner Meinung nach das Potenzial, einen großen Schritt nach vorne zu machen. Wir stehen jedoch noch am Anfang dieser Entwicklung, und das wird wahrscheinlich das nächste große Gebiet sein. Arbeiten Sie mit Start-ups zusammen? Thum: Wir verfolgen aktiv die Entwicklungen im Markt und sind offen. Dennoch ist es für uns von größter Bedeutung, die Stabilität unserer Systeme und die kontinuierliche Versorgung sicherzustellen. Daher würden wir die Ausweitung eines Start-ups auf 18 Länder nur in Betracht ziehen, wenn es sehr überzeugende Gründe gibt. »Die Liefermärkte werden volatil bleiben. Darauf müssen wir uns einstellen [...]. Dazu gehört das Denken in Szenarien.« Sven Thum Heinisch: Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Integration. Oftmals handelt es sich bei solchen Lösungen um isolierte Systeme, die zwar sehr leistungsfähig sind, jedoch nur schwer oder mit erheblichem Aufwand in unsere bestehenden Prozesse eingebunden werden können. Wir suchen mehr nach Lösungen, die nahtlos in unsere Abläufe integriert werden können. Teckenbrock: Zudem legen wir großen Wert darauf, dass die Lösungen, die wir implementieren, im laufenden Betrieb einfach handhabbar sind. Wir möchten vermeiden, dass unsere Supportkosten explodieren oder dass wir die Kontrolle über unsere Prozesse verlieren, indem wir zu viele Schnittstellen haben. Dies hat auch finanzielle Auswirkungen, da wir nicht mehrere Systeme und Server für dieselben Stammdaten unterhalten möchten. Wir bevorzugen daher integrierte Lösungen mit einem zentralen System, auf das wir zugreifen können. Dies ist ein wichtiger Faktor, den wir immer im Blick haben. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass wir nicht ausschließlich auf SAP-Lösungen setzen. Wenn wir einen Bedarf für eine Software haben und SAP keine passende Lösung in ihrem Portfolio hat, werden wir auch andere Softwareanbieter in Betracht ziehen und versuchen, diese in unsere Prozesse zu integrieren. Welche Projekte stehen als nächstes an? Thum: Im Bereich Einkauf 4.0 haben wir bereits viel erreicht. Die nächsten bedeu- tenden Vorhaben liegen für mich im Bereich strategische Prozesse und Tools, gegebenenfalls mit KI-Unterstützung, sowie die erweiterte Implementierung von Celonis Process Mining in unseren Abläufen. Wir haben bisher nur die Spitze des Eisbergs gesehen, und es gibt noch erhebliches ungenutztes Potenzial. Heinisch: Ich würde das Thema Simulation noch hinzufügen, um diverse Szenarien durchspielen zu können. Das ist gerade im Supply Chain Management auch in der engen Zusammenarbeit mit dem Einkauf wichtig. Simulation ermöglicht es, verschiedene Szenarien und Entscheidungen in einer virtuellen Umgebung zu analysieren, bevor sie in der realen Welt umgesetzt werden. Dadurch können Lieferkettenprozesse optimiert werden, um Kosten zu reduzieren, Lieferzeiten zu verkürzen und die Effizienz zu steigern. Thum: Die Liefermärkte werden volatil bleiben. Darauf müssen wir uns einstellen, reagieren können und unsere Supply Chain flexibel gestalten. Dazu gehört das Denken in Szenarien. Es gibt verschiedene Szenarien, wohin sich etwas entwickeln kann, und wir müssen unsere Supplier Basis darauf vorbereiten. Unsere Hausaufgaben mit den IT-Tools haben wir gemacht. Das ist die Basis, um das überhaupt bewerkstelligen zu können. Jetzt geht es konkret um Prozesse: Wie gehen wir mit Mengenentwicklungen in Zukunft um? Welche Bedarfe werden benötigt? Da helfen uns Simulationen fundierte Entscheidungen zu treffen. Konkretes Beispiel: Was würde es für unsere Bedarfe bedeuten, wenn sich der Produktmix kurzfristig massiv verändern würde? Was würde das für unsere Lieferantenkapazitäten bedeuten? Diese Antworten brauchen wir heute nicht mehr innerhalb von Tagen oder Wochen, sondern innerhalb von Stunden. Teckenbrock: Zudem werden Themen wie Cyber Security in Zukunft massiv wichtiger werden. Das Gespräch führte Sabine Schulz- Rohde, Beschaffung aktuell. Beschaffung aktuell » 11-12 | 2023 17

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