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Beschaffung aktuell 11-12.2023

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» MANAGEMENT Jan Grothe, Chief Procurement Officer, Deutsche Bahn AG Es ist viel passiert, aber wir brauchen mehr Geschwindigkeit Hochkomplexe neue Projekte des Bundes, ausgelastete Lieferanten, Fachkräftemangel: Der Einkauf der Deutschen Bahn ist stark gefordert. Wir sprachen am Rande des Railway Forums Anfang September in Berlin mit Bahn-CPO Jan Grothe über den Stand der Digitalisierung, Probleme beim Datenaustausch mit Externen und über den Bereich Nachhaltigkeit. Welche Kriterien müssen Lieferanten heute schon erfüllen und wie steht es um die ab 2025 geforderten Mindest-Scores? Beschaffung aktuell: Herr Grothe, im August haben Sie auf dem Railway Forum in Berlin vor 2800 Railway-Experten gesprochen, darunter ein Großteil Lieferanten. Welche Signale und Hausaufgaben haben Sie den Branchenvertretern mit auf den Weg gegeben? Jan Grothe: Das sind zwei Sinnketten. Zum einen gilt es Vereinbarungen zu schließen und diese rascher umzusetzen. Noch reden wir zu lange. Zum anderen: Unser Anspruch ist es, gemeinsam, flexibel und vernetzt vorzugehen. Das hört sich nach einem Allgemeinplatz an, aber dahinter steht in einigen Fällen jahrelanges Warten, bis Lieferanten – vor allem große – ihre Schnittstellen offengelegt haben. »Man muss heute in der Gesamtkalkulation davon ausgehen, dass Preise bis zu 100 Prozent steigen könnten.« Alle wichtigen Geschäftspartner wissen mittlerweile, dass sie bei künftigen Aufträgen diesen Weg mit uns gemeinsam gehen müssen. Wir selbst fangen jetzt mutig an, Daten mit Externen auszutauschen. Jan Grothe, CPO der Deutschen Bahn AG, sprach auf dem Railway Forum in Berlin vor 2800 Experten. Bild: DB AG Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz? Eine große, weil KI eine echte Chance ist. Drei Beispiele: Wir nutzen KI für unser selbstlernendes Kartell-Screening-System. Demnächst wollen wir Lieferanten auf häufig gestellte Fragen KI-gestützt belastbare Antworten geben. Und in Sachen einfache Verhandlungen werden wir im Jahr 2024 erstmals automatisierte Tools einsetzen. 28 Beschaffung aktuell » 11-12 | 2023

Wie finden das Ihre Lieferanten? Im Hinblick auf die eben erwähnten Bereiche sind keine Widerstände zu vernehmen. Im Gegenteil. Wichtig ist, dass man transparent erklären kann, wofür Veränderungen gut sind. Viele finden unsere Schritte interessant und fortschrittlich. Wir stellen eine große Offenheit fest. Bei der Datenthematik sind die Lieferanten allerdings sehr vorsichtig. Für uns ist es zum Beispiel wichtig, Produktionssysteme zu vernetzen. Wir wollen beispielsweise bei der Herstellung von Schwellen frühzeitig und automatisiert anhand von Daten aus der Produktion Auffälligkeiten erkennen. Es sollte in Zukunft nicht mehr nötig sein, dass unsere Qualitätsingenieure alle drei Wochen zum Lieferanten fahren. Ziel ist ja auch, mit den knappen Ressourcen der Fachkräfte sorgsam umzugehen. Die wollen wir da einsetzen, wo echter Mehrwert entsteht. Jan Grothe fordert von den Lieferanten der Bahn ein Nachhaltigkeitszertifikat von Ecovadis. Die Deutsche Bahn will 2023 über 25.000 neue Mitarbeitende an Bord holen. Was braucht der Einkauf – und was ist tatsächlich genehmigt? Es stellt sich eher die Frage, inwieweit Digitalisierung und veränderte Arbeitsweisen auf Anzahl, Aufgaben und die Produktivität unseres Teams insgesamt Einfluss haben. Ziel ist es mit einer ähnlichen, bzw. leicht erhöhten Personallinie durch Automatisierung im operativen Bereich deutlich mehr Transaktionsvolumen zu schaffen und gleichzeitig die strategische Arbeit zu intensivieren. Im Übrigen sind bekanntermaßen nicht beliebig viele Expertinnen und Experten auf dem Markt verfügbar. Seit eineinhalb Jahren erleben wir auch ein aggressives Vorgehen beim Kampf um Fachkräfte, und jetzt sogar um strategische Einkäuferinnen und Einkäufer. Gefragt sind also andere Lösungen, die sich durch Digitalisierung, Prozessund Beschaffungsmodellveränderungen ergeben. Wir müssen kluge Ansätze finden, wie wir unsere Fachexpertinnen und -experten am sinnvollsten einsetzen und unterstützende Tätigkeiten idealerweise, soweit es geht, automatisieren. Das schafft Freiräume für mehr wertstiftende Arbeit. Auch Ihre Fachkräfte werden auf dem Markt heftig umworben. In vielen Bereichen ist woanders mehr zu verdienen als im DB-Konzern. Die Fluktuationsrate bei uns ist absolut im normalen Bereich, dennoch schmerzt jeder Abgang. Sie kennen wahrscheinlich unser Credo: Bindung ist das neue Recruiting. Wer geht, verdient in der Regel woanders mehr, das ist in der Tat derzeit noch der meistgenannte Grund für einen Wechsel. Aber wie wir wird jedes Unternehmen auch damit umgehen müssen, dass Menschen nicht mehr bis an ihr Lebens ende bei einem Arbeitgeber bleiben möchten. Wir wollen Gute anziehen, halten und kulturell ein „place to be“ sein. Wir müssen sie aber auch gut begleiten und genau dort punkten wir. Neben interessanten Aufgabenbereichen und einer Warengruppenvielfalt, die ihresgleichen sucht, bieten wir sozialverträgliche Arbeitsbedingungen und eine tolle Kultur in der Beschaffung. Es kommen auch wirklich gute Fachkräfte zu uns zurück, die zwischendurch mal fünf Jahre in die Industrie abgewandert sind. Und seien wir mal ehrlich: Das ist doch das Beste, was einem passieren kann, da diese Mitarbeitenden Neues gesehen haben. Sie bringen zusätzliche Erfahrungen ein, was uns bei der Deutschen Bahn zugutekommt. Geld ist nicht für alle das ausschlaggebende Element. Wir haben daneben viel zu bieten. Jan Grothe ist seit rund 23 Jahren bei der DB AG und seit März 2021 als CPO. Zuvor war er zwei Jahre lang Senior Vice President Procurement Infrastructure. Frühere Stationen waren u. a.: Senior Vice President Procurement Strategy + IT-Systems, Head of Supplier Management + Quality Assurance. Vor seiner Zeit bei der Bahn war der heute 50-Jährige Geschäftsführer bei JG Consult, Berlin. Bild: DB AG Beschaffung aktuell » 11-12 | 2023 29

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