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Beschaffung aktuell 11-12.2023

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» MANAGEMENT Auf dem

» MANAGEMENT Auf dem Railway Forum haben Sie unter anderem den DB Digital Procurement Roundtable gestaltet. Was wissen Sie heute noch nicht von Ihren Lieferanten? Wir haben in vielen Bereichen Fortschritte gemacht, doch bei den Produktionssystemen brauchen wir mehr Transparenz. Wenn wir in kleinen Schritten tiefere Vernetzung ausprobieren wollen, ist das für viele unserer Lieferanten erst einmal noch kein überzeugendes Argument. Wir müssen und werden das »Wir erkennen gegenseitig die Zertifikate unserer Lieferanten an. Das ist eine Riesenerleichterung für alle.« Datenaustauschthema intensiver nachverfolgen und Partnern mittels Anreizsystemen verdeutlichen, dass auch sie durch eine engere Verzahnung Vorteile haben. Welche Vorteile sind das? Beispielsweise Zeitersparnis, weil wir ihnen dann nicht mehr alle paar Wochen unsere Qualitätsingenieure auf den Hof und in die Produktion schicken. Das kann aber auch der Status „Preferred Supplier“ sein. Wir können uns dabei einiges von der Automotive-Branche abschauen, wo Verzahnung und Offenheit bereits ausgeprägter sind. Am anderen Ende der Skala gibt es aber noch eine ganze Reihe Firmen, die erschreckend analog unterwegs sind. Wie gehen Sie mit denen um? Wir hatten bis vor Covid noch immer 600 Lieferanten ohne eigene E-Mail-Adresse, das sind immerhin knapp drei Prozent unserer etwa 21.000 Partner mit Vertrag und Lieferbeziehung. Digitalisierung sei unnützes Teufelszeug, hieß es da zuweilen. Der Veränderungsdruck ist aber mittlerweile so massiv, dass die meisten Lieferanten dann doch reagieren. Das müssen sie auch, wenn sie die Deutsche Bahn weiterhin als Kunden behalten wollen. Seit der Krise ist viel passiert, auch in den Köpfen. Was sind die größten Schritte, die Sie zuletzt im Bereich Digitalisierung gemacht haben? Wir haben unseren internen Marktplatz um Guided Buying erweitert, dafür gab es sehr gutes Feedback. Dann haben wir im End-to-End-Sinne an der Schnittstelle zur Buchhaltung das Thema strukturierte digitale Rechnungen entscheidend nach vorn gebracht. Und auch unser Kartellschadenspräven - tionssystem ist zum Beispiel ein weiterer Meilenstein. Darüber haben wir ja in der Beschaffung aktuell mit Ihnen schon zu Beginn des Jahres ausführlich gesprochen. Wir haben inzwischen eine gute Datenbasis in unserem „Procurement Lake“, auf der wir kontinuierlich Use Cases aufbauen. Auf dem Railway Forum zuvor haben Sie – wen wundert’s – das Thema Nachhaltigkeit in den Ring geworfen. Was ist seitdem passiert? 2021 habe ich den Hochlaufplan verkündet, nach dem wir in absehbarer Zeit nicht mehr mit Lieferanten ohne ein Mindestmaß an eigenen Nachhaltigkeitsmaßnahmen zusammenarbeiten wollen. Ein Jahr lang hat es viele böse Briefe gegeben, weil das Vorgehen kritisch gesehen wurde. Was geben Sie als „Mindestmaß“ an, das Lieferanten zu erfüllen haben? Erst 60 und jetzt 80 Prozent unseres Einkaufsvolumen sind von Lieferanten zu erbringen, die ein Ecovadis- Nachhaltigkeitszertifikat vorbringen. Die Anforderung dehnen wir zeitnah auf 95 Prozent aus. Im ersten Schritt müssen sich die Lieferanten auditiert haben. Das ist kein Hexenwerk und kostet nur 400 Euro. Manche dorthin zu bringen, war vor ein paar Jahren noch extrem anstrengend, heute diskutiert keiner Bahneinkauf in Zahlen Einkaufsvolumen 2023: ca. 29 Mrd. Euro (in Verantwortung von Jan Grothe; Deutschland/Ausland; mit DB Schenker (Indirect Spend) Folgejahre (geplant): 2024: ca. 31 Mrd. Euro 2025: ca. 35 Mrd. Euro 2026: ca. 39 Mrd. Euro Mitarbeitende 2023: ca. 1300 (inkl. Projektingenieure/-innen, Supplier Quality Manager/-innen) Anzahl aktiver Lieferanten 2023: ca. 21.000 Erwartete Anzahl Bestellungen 2023: ca. 1,1 Mio. Folgejahre (erwartet): 2024: ca. + 5% 2025: ca. +10% 2026: ca. + 20% DB-Lieferantenportal: https://lieferanten.deutschebahn.com/lieferanten Nächstes Railway Forum: Berlin, 3./4. September 2025 30 Beschaffung aktuell » 11-12 | 2023

mehr lange darüber. Die zweite spannende Diskussion rankt sich um unsere branchenüblichen Mindest- Scores, die wir ab 2025 als Standard fordern. Die werden wir konsequent nachverfolgen, um das Nachhaltigkeitsniveau zu steigern. Im Übrigen betreiben wir im Rahmen der Brancheninitiative „Railsponsible“ Best Practice Sharings im Rail-Sektor und erkennen gegenseitig die Zertifikate unserer Lieferanten an. Das ist eine Riesenerleichterung für alle und verschont unseren Bahnsektor vor unnötiger Bürokratie. Das ist ein echter Schatz für alle Beteiligten und bringt das Thema Nachhaltigkeit mit großen Schritten voran. Und so tendieren auch die bösen Briefe mittlerweile gen null – eine wirkliche Trendwende also. Die geplanten Vergabemengen bis 2027 hängen maßgeblich auch von Preisentwicklungen ab. Wo und inwieweit bedroht bzw. verlangsamt Volatilität den Fortgang, etwa beim Brückenbau? Wir sprechen bei diesem Thema gerade intensiv mit dem Bund und den Verbänden. Die Heraus forderung: Was denken wir, wie sich die Nachfrage und Preise entwickeln werden? Welche Annahmen auch mit Blick auf Rohstoff- und Faktorkosten oder Kapazitäten legen wir zugrunde? Das war früher einfacher. Man muss heute in der Gesamtkalkulation davon ausgehen, dass in manchen stark nachgefragten Bereichen Preise ohne aktive Marktentwicklung bzw. Nachfrageglättung bis zu 100 Prozent steigen könnten. Hier gilt es am Beispiel der Brücken gesprochen, insbesondere für eine Glättung der Nachfrage zu sorgen, da wo wir es beeinflussen können. Denn wenn Bahn und Autobahn in Deutschland jeweils ihre Nachfrage bei knappem Angebot verdoppeln, wissen sie alle, was passiert. Was bedeutet das für sonstige Risiken? Wir bauen Stück für Stück Preisgleitklauseln mit einer fairen Risikoverteilung ein, um astronomische Mondpreise zur Risiko vorsorge zu vermeiden. Das macht uns aber das Leben für die Gesamtplanung nicht wirklich einfacher. Im Konzern müssen wir Szenarien unter Best- und Worst-Case-Betrachtung bilden und diese dann immer wieder entsprechend anpassen. Sie arbeiten derzeit mit fast 21.000 Lieferanten zusammen und haben zehntausende Vergaben pro Jahr zu managen. Stehen für die vom Bund angekündigten ehrgeizigen Projekte überhaupt ausreichend Kapazitäten bei lieferfähigen Lieferanten zur Verfügung? Das ist eine der größten Herausforderungen. Die Kapazitäten im Infrastrukturbereich sind bei den hinlänglich bekannten fähigen Bauunternehmen begrenzt. Es gibt nicht viele, die komplexe Hochleistungskorridore über einen längeren Zeitraum hinweg bearbeiten können. Derzeit ist mit der Riedbahn ein Korridor im Bau, die Zahl wird sich auf sechs gleichzeitig pro Jahr steigern. Lieferanten müssen wir also entwickeln. Und wir sind im Austausch mit den bestehenden Lieferanten zur Kapazitätserweiterung und auch mit neuen europäischen Marktteilnehmern, die in Zukunft für unsere Projekte in Frage kommen könnten. In Spanien ist beispielsweise gerade ein Hochleistungsnetz fertig geworden. In Madrid haben wir darum auch einen Lieferantentag abgehalten. Für 2024 und 2025 sind wir auf der halbwegs sicheren Seite, für den weiteren Hochlauf noch nicht. In der Zukunftsinitiative Bahnbau stellen wir zum Beispiel auch die Frage, wie wir unsere Branche gemeinsam attraktiver für Arbeitskräfte machen. Ansonsten verbleiben wir in einem Verdrängungswettbewerb, etwa mit dem Sektor Straße, wenn dort beispielsweise parallel mehrere hundert Brücken ausgeschrieben werden. Wir müssen mit der Industrie Standorte und Zeiträume viel besser koordinieren. Schalungen oder Bautechnik zum Beispiel ließen sich bei guter Planung im Anschluss direkt beim nächsten anstehenden Projekt in regionaler Nähe weiter einsetzen. Fakt ist: Wir brauchen als Sektor in allen Bereichen eine höhere Geschwindigkeit. Das Interview führte für Beschaffung aktuell Sabine Ursel, Journalistin, Wiesbaden. Jan Grothe: „Wir bauen Stück für Stück Preisgleitklauseln mit einer fairen Risikoverteilung ein, um astronomische Mondpreise zur Risikovorsorge zu vermeiden.“ Bild: DB AG Beschaffung aktuell » 11-12 | 2023 31

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