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Beschaffung aktuell 11-12.2023

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» MANAGEMENT Ruben Conzelmann, Senior Vice President Production & Logistics, Pilz „In Krisensituationen braucht es Vertrauen“ Aufgrund von Unterbrechungen in der Lieferkette und dem Bauteilemangel der letzten Jahre hatte das Familienunternehmen Pilz in den Taskforce-Modus geschaltet. Ruben Conzelmann, Senior Vice President Production & Logistics und in dieser Position auch Leiter des Einkaufs, ist Teil dieser Lieferketten-Taskforce. Er berichtet, wie er die Beschaffung der vergangenen Jahre erlebt hat und wie sich die Zusammenarbeit im Unternehmen und mit den Lieferanten entwickelt hat. Beschaffung aktuell: Herr Conzelmann, würden Sie einmal Ihre Position und die Einkaufsorganisation bei Pilz beschreiben? Ruben Conzelmann: Wir haben im Juni diesen Jahres die Position des Einkaufsleiters, die ich seit 2018 begleitet habe, in den Produktionsbereich inte- griert. Seitdem bin ich in der Rolle des Senior Vice Presidents Production & Logistics tätig und für alle Pilz Werke, die Produktionstechnik sowie den Einkauf verantwortlich. In Ostfildern ist die Zentrale unseres Einkaufs. Hier haben wir Supplier Management, Material disposition, direktes Material mit Projektein- Als Senior Vice Presidents Production & Logistics ist Ruben Conzelmann für alle Pilz-Werke, die Produktionstechnik sowie den Einkauf verantwortlich. Bild: Pilz 32 Beschaffung aktuell » 11-12 | 2023

kauf und indirektes Material als separate Gruppen an einem Ort. Darüber hinaus ist der Einkauf strukturiert in eine Schweizer Niederlassung, die unsere Produktionsstätte betreut, und eine Niederlassung in China, wo wir lokal für unser chinesisches Werk sourcen und Lieferanten aufbauen. Wie haben sich die letzten Jahre auf die Strukturen und die Arbeit im Einkauf von Pilz ausgewirkt? Der Bauteilemangel war die letzten drei Jahre das bestimmende Thema. Wir mussten schnell komplett umdenken, neue Arbeitsweisen finden und Methodiken einführen, um vorher nie dagewesene Engpasssituationen zu lösen. Unsere Einkäufer und Disponenten haben in dieser Zeit eine hohe Flexibilität gezeigt und auch viel Verantwortung übernommen. Bestehende Prozesse waren nicht mehr anwendbar. Das heißt, die Kolleginnen und Kollegen mussten neue Wege erarbeiten und kurzfristig Entscheidungen treffen. Es war ein entsprechend großer Handlungsspielraum notwendig, um die Situationen erfolgreich zu meistern. Dieser wurde von den Kollegen gut angenommen. Das war sicherlich entscheidend für eine erfolgreiche Meisterung der Krise – und dafür bin ich sehr dankbar. Gibt es für die neuen Arbeitsweisen und Flexibilität konkrete Beispiele? Der erste Engpass entstand durch die erste Corona- Welle in China Anfang 2020. Ansässige Leiterplattenwerke wurden daraufhin geschlossen. Also mussten wir kurzfristig Second Sources ausbauen. Und ebenfalls sehr schnell einen Qualifizierungsprozess für diese Leiterplatten aufsetzen. Ein weiteres Beispiel ist das Sicherheitsrelais PNOZ. Aufgrund von Materialengpässen bei grünem Kunststoffgranulat haben wir in wenigen Wochen ein Entwicklungsteam aufgesetzt, um ein Re-Design durchzuführen. Herausgekommen ist ein PNOZ mit transparentem Gehäuse, anstatt dem grünen. Die Veränderung am Gerät sieht zwar simpel aus. Aber mit Veränderungen am Gehäuse steht und fällt auch das Thema Zulassung wie beispielsweise die CE-Zertifizierung. War das Re-Design beim PNOZ ein Einzelfall oder gab es das bei weiteren Produkten? Re-Designs haben wir nur bei ausgewählten Geräten gemacht – da, wo es Sinn ergeben hat. Ein Re-Design ist kein Allheilmittel. Wenn wir Halbleiter betrachten, muss beispielsweise der alternative Controller auch verfügbar sein – was oft nicht der Fall war. Und ein Re-Design braucht Zeit, um zum Beispiel Zulassungen zu erneuern. Wir sprechen da oft von einem halben Jahr oder mehr. Begriffe aus der Halbleiter-Fertigung Halbleiter sind komplexe Produkte mit stark arbeitsteiligen Schritten. Bevor ein Halbleiter zum Endkunden kommt, fliegt er in der Regel mehrfach um die Welt. Das Front End bezeichnet die Herstellung von einem Roh-Wafer zu einem fertigen Wafer. Die Fertigung findet vorrangig in Taiwan und China statt. Durch den European Chips Act wird versucht, verstärkt Front-End in Europa anzusiedeln. Das Back End stellt das Testen, Assembly and Packaging der Wafer dar. Dies findet vorrangig in Südostasien, wie z. B. in Malaysia oder auf den Philippinen statt. Strukturbreiten geben das kleinste mögliche Transistordesign auf einem Halbleiter wieder. Vereinfacht gesagt: Je kleiner die Strukturbreiten umso mehr Transistoren passen auf einen Halbleiter und desto größer ist die Leistung und die Ausbeute des Wafers. In der Industrie sind aus Robustheitsgründen Strukturbreiten von > 40 Nm notwendig. Diese Halbleiter stellen einen immer geringeren Anteil am Weltmarkt dar. Getrieben wird die Entwicklung von Strukturbreiten durch Mobile Applications. Derzeit liegen die kleinsten fertigbaren Strukturbreiten bei 3 Nm, die 2 Nm sind bereits in Planung Pilz hatte aufgrund der Engpässe eine Taskforce „Lieferkette“ eingesetzt. Können Sie diese einmal beschreiben? Der Einkauf war generell im Taskforce-Modus. Wir haben hier in agilen Sprints gearbeitet, zweimal wöchentlich die Situation bei den Engpassartikeln durchgesprochen und Maßnahmen dazu definiert. In der Entwicklung haben wir ebenfalls eine Taskforce aufgesetzt. Zusammengeführt wurden alle Maßnahmen in einer übergreifenden Taskforce aus Produktionstechnik, Vertrieb und Einkauf, in der definiert wurde, was wann gefertigt werden kann. Da ein Engpassartikel oft in mehrere hundert Enderzeugnisse eingeht, musste hier klar gesteuert werden, wie produziert wird und dabei auch die Wechselwirkung mit anderen Engpassartikeln betrachtet werden. Und dies natürlich in einem sehr dynamischen Umfeld. Ziel dabei war es, ein monatliches Kontingent an zu fertigenden Produkten zu definieren und dies für unsere Kunden möglichst stabil zu halten. Beschaffung aktuell » 11-12 | 2023 33

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