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DER BIEBRICHER, Ausgabe 288, November 2015

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Stadtteilmagazin für Wiesbaden-Biebrich

ART Brücken bauen und

ART Brücken bauen und Freundschaften schließen im „Café Hallo“ Sam erzählt von seiner Flucht aus Damaskus. Der freundliche Mann mit den schwarzen Locken lächelt immer noch, auch, als er von der gefährlichen Bootsfahrt auf dem Mittelmeer berichtet, von den unfreundlichen ungarischen Polizisten, von der langen Wegstrecke, die er zu Fuß ging, dem vielen Geld, das er für Boots-, Bus- und Taxifahrten bezahlen musste. Sam spricht ausgezeichnet Englisch, er war in Syrien leitender Vertriebler bei einer Telekommunikationsfirma. Lange habe er ausgehalten, sagt er. Dann habe er sich zur Flucht entschlossen. „Die Bomben. Die Raketen. Immer wieder, in den Straßen, in die Gärten. Ich konnte nicht mehr“. Sam ist alleinstehend. Nur seine Eltern sind noch in Damaskus. Frau und Kinder hat er nicht. „Ich will ja nicht für immer und ewig hier bleiben“, sagt er. „Nur, solange der Krieg in meinem Land dauert. Das verstehen die Leute in Ostdeutschland wohl nicht, die da so schreien“. Und dann steigen Sam doch die Tränen in die Augen, er wendet sich diskret ab und setzt sich wieder an den Tisch, wo Kaffee und Kuchen auf den Syrer warten. Wir sind beim „Café Hallo“, einem Angebot der evangelischen Oranier-Gedächtnis- Gemeinde und des BauHofs. Ins Gemeindehaus in der Bunsenstraße 25 kommen jeden Montagnachmittag für etwa zwei Stunden Flüchtlinge aus dem Toni-Sender-Haus, mittlerweile aber auch aus anderen Wiesbadener Unterkünften zum Kaffeetrinken, Plaudern und Kontakte knüpfen. Und zahlreiche Biebricher Ehrenamtliche, die mit Tatkraft und Ideen, aber auch einfach spontan mit Freundlichkeit und Mitmenschlichkeit auf das Angebot von Pfarrer Martin Roggenkämper und Walter Barth vom BauHof 8 DER BIEBRICHER / NOVEMBER 2015 reagiert haben. Seit dem Frühjahr gibt es das montägliche Café – „und es war sofort ein voller Erfolg“, sagt Roggenkämper, der nach eigenem Bekunden gar kein besonderes Konzept vor Augen hatte, „wir wollten es einfach machen.“ Diese Haltung hat sich ausgezahlt. Denn so niedrigschwellig, wie dieses Angebot ist, wird es auch tatsächlich von der Zielgruppe wahrgenommen. Und so haben sich inzwischen viele nette Kontakte ergeben, sogar von Freundschaften spricht der Pfarrer. „Brücken bauen“, „Kreise ziehen“ – das sind die Vokabeln, die hier zu hören sind. Schon sprechen ehrenamtliche Mitstreiter von einfachen Deutschkursen, die sie den Flüchtlingen anbieten wollen, es wurden gemeinsame Ramadan-Fastenbrechen-Essen zelebriert, der Geburtstag eines kleinen Mädchens aus Eritrea gemeinsam gefeiert. „Wir schauen nicht auf die Uhr“, sagt Maria Braun vom BauHof, die fast immer montags mit dabei ist. Offiziell hört der Nachmittag um 17 Uhr auf, aber manchmal ist sie auch noch länger im Gemeindehaus. Die gebürtige Portugiesin engagiert sich ebenso wie Henning Marquardt ganz selbstverständlich und mit viel Energie. Auch die Studentin Ela Temiz ist dabei. Und Tanja Illmann, die Mutter eines Konfirmanden der G emeinde e n g a g i e r t sich in der Gruppe, die demnächst Deutschunterricht erteilen will. Mit Pfarrer Roggenk ä m p e r schaut sie sich am Sam zeigt Walter Barth und Pfarrer Martin Roggenkämper (v.l.) auf einer Weltkarte seine Fluchtroute. Jeden Montagnachmittag ein Treffpunkt für Flüchtlinge und Einheimische: das „Café Hallo“ der Oranier-Gedächtnis-Gemeinde und des BauHofs im Gemeindehaus an der Bunsenstraße. Tag unseres B e s u c h e s e i n f a c h e s Unterrichtsmaterial an. Währenddessen treffen immer mehr Kaffee- und Kuchen-Gäste ein. Auch Fatma, eine Nachbarin, kommt mit ihrer Tochter vorbei, mit einer Schüssel Couscous-Salat und einem Teller Börek in den Händen. Der Blechkuchen auf dem Tisch stammt aus der Bau- Haus-Küche, von Klaus Dengler. „Das lässt er sich nicht nehmen“, sagt der Pfarrer und nimmt sich selbst ein Stück. Bald sind die Tische im Gemeindehaus voll besetzt. Sam, heute zum ersten Mal da, kommt gleich mit anderen ins Gespräch, unterhält sich auf Englisch. Am Nebentisch spielen ein paar Kinder, schauen in Bilderbücher oder probieren eins der kleinen Brettspiele aus. Ein Angebot „unter Nachbarn“, das einfach funktioniert. „Wir kommunizieren mit Händen und Füßen, auf Englisch, Französisch, Deutsch“, sagt Roggenkämper. Als erstes wurde eine Weltkarte an die Wand gepinnt. „Da zeigen die Besucher oft als Erstes, wo sie herkommen und auf welchem Weg sie nach Deutschland gelangt sind“. Oft ist das das erste Gesprächsthema. Aber es geht dann auch um praktische Hilfen, um das Erklären von Formularen, um Informationen über Wiesbaden. Und wer von den Biebrichern einmal Kontakte knüpfen oder sich engagieren möchte, darf gerne vorbeischauen. Wobei Pfarrer Roggenkämper zu bedenken gibt: „Mitmacher haben wir schon jede Menge. Macher sind gefragt – das bedeutet, eigene Ideen zu haben und sie mit unserer Hilfe zu verwirklichen.“ Ob das Kursangebote oder andere Pläne sind: Das kann man im Gespräch im „Café Hallo“ gerne gemeinsam klären. Kontakttelefon: (0611) 66881. (art) ART

23. Januar 2016 DER BIEBRICHER / NOVEMBER 2015 9

DER BIEBRICHER, DAS STADTTEILMAGAZIN AUS UND FÜR WIESBADEN-BIEBRICH

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