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dei – Prozesstechnik für die Lebensmittelindustrie 05.2022

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Die Fachzeitschrift dei - Prozesstechnik für die Lebensmittelindustrie berichtet über Verfahren, Anlagen, Apparate und Komponenten für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Weitere Themen sind Hygienic Design, Industrie 4.0, digitale Produktion, MSR- und Automatisierungstechnik und die Verpackungstechnik. Abgerundet wird das inhaltliche Spektrum durch Nahrungs- und Genussmittelmaschinen, roboterbasierte Verpackungslösungen sowie Food Design und Getränkekonzepte.

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dei TREND ALTERNATIVE PROTEINQUELLEN Bild: Framestock stock.adobe.com Ist In-vitro-Fleisch eine nachhaltige Alternative? FLEISCH AUS DEM BIOREAKTOR Die weltweite Nachfrage nach Fleisch wird in den nächsten Jahren voraussichtlich weiter steigen. Eine Lösung für die damit einhergehenden Umweltprobleme könnte die In-vitro-Produktion von Fleisch sein. Das behaupten zumindest die vielen Start-ups, die in den letzten Jahren in diesem Bereich entstanden sind. Doch was bringt kultiviertes Fleisch wirklich und welche Hürden sind auf dem Weg zur Marktreife noch zu überwinden? 8 dei 05-2022

Das Verfahren, Gewebe aus Zellkulturen zu züchten, stammt aus der regenerativen Medizin. Beim sogenannten Tissue Engineering werden aus einem Spenderorganismus Stammzellen gewonnen, im Labor vermehrt und schließlich als Gewebeersatz im Körper eingepflanzt. Mit dieser Technik lässt sich auch Fleisch in vitro herstellen. Dabei werden zunächst mit einer Biopsie dem Tier Stammzellen entnommen. Anschließend werden die Zellen mit einem Nährmedium in einem Bioreaktor vermehrt, durchlaufen dabei verschiedene Stadien und entwickeln sich schließlich zu Muskelfasern. Über ein Trägergerüst wachsen die Muskelfasern dann zu einer größeren Masse zusammen. Bisher lassen sich mit dieser Methode allerdings erst sehr dünne Muskelschichten erzeugen. Von der Produktion kultivierter Steaks in größerem Maßstab ist man noch weit entfernt. Zahl der Start-ups wächst 2013 präsentierte der niederländische Pharmakologe Mark Post, der das Start-up Mosa Meat leitet, den ersten kultivierten Burger aus Rindfleisch. 2016 stellte Memphis Meat kultivierte Fleischbällchen aus Rinderstammstellen vor und 2017 folgte das erste In-vitro-Geflügelfleisch des US-amerikanischen Start-ups, das sich heute Upside Foods nennt. Ende 2020 wurde schließlich das erste kultivierte Fleischprodukt in Singapur behördlich zugelassen und dort in einem Restaurant angeboten. Es handelt sich dabei um Chicken-Nuggets des US-amerikanischen Start-ups Eeat Just, die mit pflanzlichen Proteinen gestreckt werden. „2020 markiert einen Meilenstein in der Geschichte von Fleisch, da in diesem Jahr zum ersten Mal kultiviertes Fleisch auf die Speisekarte eines Restaurants kam“, schreibt das Good Food Institut (GFI) in einem Branchenreport. Das GFI ist eine internationale gemeinnützige Organisation, die sich nach eigenen Angaben für den Aufbau eines nachhaltigen, sicheren und gerechten Lebensmittelsystems einsetzt und dafür sowohl mit Unternehmen als auch mit Investoren zusammenarbeitet. Nach Angaben des GFI beliefen sich die Investitionen in Unternehmen, die im Bereich kultiviertes Fleisch tätig sind, im vergangenen Jahr auf 1,2 Mrd. Euro. Anfang März 2022 gab es weltweit 95 Unternehmen, die sich mit der Entwicklung von kultiviertem Fleisch beschäftigten. Davon sind 30 in Europa ansässig. „Das Interesse an kultiviertem Fleisch nimmt rapide zu, und wir haben 2021 eine Reihe von großen Lebensmittelunternehmen gesehen, die in die Vermarktung von kultiviertem Fleisch in Europa investieren“, sagt Carlotte Lucas, Corporate Engagement Manager bei GFI Europe. Beispielsweise hat im Oktober 2021 das brasilianische Fleischunternehmen JBS das spanische Start-up Biotech Foods übernommen. Ebenso wächst die Zahl der B2B-Unternehmen, die in den Markt für kultiviertes Fleisch einsteigen und sich auf die Weiterentwicklung verschiedener Aspekte der zugrundeliegenden Technologie konzentrieren. So haben die Schweizer Firmen Bühler, Migros und Givaudan, ein Aroma- und Duftstoffhersteller, im Herbst 2021 die Gründung eines Cultured Food Innovation Hubs in Kamptthal bei Zürich bekanntgegeben. Ziel des neuen Unternehmens ist es, Technologien wie Zellkultur- und Fermentationskapazitäten, aber auch Wissen bereitzustellen, um Start-ups auf ihrem Weg zu kultiviertem Fleisch und anderen kultivierten Produkten zu unterstützen. Der Cultured Food Innovation Hub soll Ende 2022 betriebsbereit sein. Dickere Fleischstücke noch ein Problem Doch auch wenn immer mehr Unternehmen an der Entwicklung von kultiviertem Fleisch arbeiten, steckt diese Art der Fleischerzeugung aktuell noch in den Kinderschuhen. „Ein Problem ist zum Bei- Christian Dieckmann, selbstständiger Ernährungswissenschaftler: „Ein Problem ist zum Beispiel, die Kosten für die Nährlösungen auf ein akzeptables Niveau zu bekommen.“ spiel, die Kosten für die Nährlösungen auf ein akzeptables Niveau zu bekommen“, erklärt der Ernährungswissenschaftler Christian Dieckmann, der Lebensmittelunternehmen bei der Produktentwicklung berät. Fetales Kälberserum, das nicht nur ethisch problematisch, sondern auch sehr teuer ist, wird heute zwar in der Regel nicht mehr verwendet. Dennoch bewegen sich die Preise für die Nährstofflösungen laut Dieckmann aktuell noch auf Pharmaniveau. Erste Ansätze, die Nährlösungen in Filtersystemen aufzubereiten und so Kosten zu sparen, gibt es aber bereits. Auch die gemeinsame Skalierung von Fett- und Muskelzellen in einem Fleischstück ist laut Dieckmann ein Problem. „Aktuell werden Muskel- und Fettzellen noch getrennt kultiviert, zum Beispiel auf Pellets, und dann zusammengebracht“ sagt Dieckmann. Daher sieht der Ernährungswissenschaftler auch für kultivierte Hackfleisch- und Brätprodukte die besten Chancen, in nicht allzu ferner Zukunft in Restaurantküchen oder Supermarktregalen zu landen. „Für Hackfleisch braucht man keine Marmorierung oder Fett äderchen, sondern es reicht, wenn man die Fett-, Muskel- oder auch Bindegewebezellen einfach nur mischt.“ Um dickere Fleischstücke herzustellen sind dagegen Gerüste notwendig, die auch die Zellen in der Mitte des Fleischstücks mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen. „Diese Gerüste müssen in einen wirklich skalierbaren Prozess integriert werden. Das ist aktuell das dickste Brett, das noch zu bohren ist“, so Dieckmann. Zwar werde auch mit Bioprinting versucht Schichten zu erzeugen, die eine Marmorierung bilden, aber die Integration von Fett- und Muskelzellen in einem Fleischstück sei auch mit dem 3-D-Druck noch jenseits einer marktfähigen Lösung. Ein weiteres Problem ist die Größe der Bioreaktoren, in denen das In-vitro-Fleisch wachsen soll. Sie werden schon lange in der medizinischen Gewebezüchtung verwendet, jedoch braucht man in diesem Bereich nur sehr kleine Gewebestücke und deshalb auch sehr kleine Bioreaktoren. Selbst wenn einige Unternehmen schon erste Pilotanlagen gebaut haben, die größere Fleischmengen erzeugen können das israelische Start-up Future Meat Technologies zum Beispiel gibt für seine Anlage eine Produktionsmenge von 500 kg pro Tag an ist die Skalierung der Bioreaktoren auf einen industriellen Maßstab noch eine technische Herausforderung. Bild: Christian Dieckmann dei 05-2022 9

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