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elektro AUTOMATION 02.2022

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TRENDS » Trendinterview

TRENDS » Trendinterview Integrated Manufacturing Die Open Industry 4.0 Alliance zum Stand von Digitalisierung und Industrie 4.0 „Viele Lösungen, aber (noch) keine Interoperabilität“ Ziel der Open Industry 4.0 Alliance (OI4) ist, mit vereinten Kräften die Digitalisierung der Industrie voranzubringen und die Herausforderungen der Industrie 4.0 zu meistern. Nach rund 10 Jahren der Diskussion und Weiterentwicklung zeigt sich, dass der Digitalisierungszug nur langsam in Fahrt kommt und Interoperabilität weiter ein Problem bleibt. OPC UA kann hier viel bewirken, das Problem allein aber nicht lösen. Wie die Open Industry 4.0 Alliance das verändern will, berichten Vertreter der Allianz im Interview mit der Konradin Mediengruppe. Fragen: Armin Barnitzke, Chefredakteur Automationspraxis, Konradin Industrie elektro AUTOMATION: Wo steht die produzierende deutsche Industrie auf dem Weg in die Industrie 4.0? Sind wir schon so weit, wie wir sein könnten? Nils Herzberg (OI4/SAP): Industrie 4.0 wurde als eine Revolution vor 10 Jahren angekündigt, jedoch hat sie sich als Evolution entpuppt. Wenn man diese 10-jährige Evolution betrachtet, wird der große Quantensprung deutlich. Offensichtlich ist, dass die Vor- IM ÜBERBLICK Die OI4-Referenzarchitektur teile von Industrie-4.0-Konzepten in basiert auf dem RAMI- neueren Fabriken, Anlagen oder Logistikzentren zu sehen sind. Es gibt 4.0-Modell und ist so gestaltet, dass Daten über alle Schichten empfangen derungen – so würde beispielsweise jedoch auch immer noch Herausfor- und verarbeitet werden das neue Datengesetz aus Brüssel die können. Industrie vor eine nächste Welle relevanter Herausforderungen stellen. Marius Grathwohl (OI4/Multivac Group): Wir befinden uns aus meiner Sicht in einer Phase der Exploration und Pilotierung. Cyber-physische Systeme sind noch nicht breit im Einsatz, doch es werden die Grundlagen dafür geschaffen. Maschinen werden mit der für Konnektivität notwendigen Infrastruktur ausgestattet und vielfach sind sie auch schon Teil des Industrial Internet of Things (IIoT). Erstaunlich viele Firmen sind derzeit aber noch damit beschäftigt, traditionelle IT-Anbindungen des Shopfloors zu realisieren und zum Beispiel MES- und SCADA-Systeme auszurollen, da für den Einsatz dieser Systeme bereits zahlreiche Referenzen existieren. Gerade kleine und mittlere Firmen, die den initialen Invest in klassische On-Premise-Systeme scheuen, erproben allerdings die neuen Wege in die Cloud. elektro AUTOMATION: Ist der deutsche Maschinenbau denn schon im IoT oder IIoT angekommen? Dr. Christian Liedtke (OI4/Kuka): Sagen wir es mal so – der Digitalisierungszug kommt nur langsam in Fahrt. Es gibt viele Lösungen, aber keine Interoperabilität – also keine Fähigkeit, das Zusammenspiel unterschiedlicher Maschinen und Komponenten unter Einhaltung gemeinsamer technischer Standards auf die Schiene zu bringen. Viele Unternehmen finden sich mit der derzeitigen Situation ab. Die Prozesse laufen ok, sind in vielen Branchen vor allem mit Blick auf Europa, schon sehr gut ausgereift. Aber erste Pilotanwendungen haben oft nur marginale Verbesserungen aufgezeigt. Es braucht prozess- und fabrikübergreifende Lösungen, die das IoT gesamtheitlich betrachten. Nur so können sich Mehrwerte entwickeln. Individuelle Verbesserungen können Engpässe nur von einer Maschine zur nächsten verschieben. Eine Verbesserung der gesamten Produktion muss mit einem herstellerübergreifenden Austausch von Daten einhergehen. Hier gibt es durchaus noch Potenzial. elektro AUTOMATION: Wie lässt sich dieser herstellerübergreifende Austausch von Daten denn erreichen? Liedtke: Durch die schnellen technologischen Weiterentwicklungen sind einzelne Unternehmen – egal wie groß sie sind – nicht in der Lage, die Digitalisierung allein zu stemmen. Genau hier setzt deswegen ja der Gedanke der Open Industry 4.0 Alliance an. Als Umsetzungsallianz stellen wir sicher, dass sich die Mitgliedsunternehmen an einen Tisch setzen, um ge- 14 elektro AUTOMATION » 02 (Mai) | 2022

Bild: Alexander Limbach/stock.adobe.com Hohe Erwartungen sind mit Digitalisierung und Industrie 4.0 verbunden. Doch gerade die für die Optimierung ganzer Wertschöpfungsketten so wichtige Interoperabilität ist vielfach noch nicht gegeben – hier gilt es, noch viele Herausforderungen zu meistern. meinsam an einer übergreifenden Lösung zu arbeiten. Wir wollen, dass der Digitalisierungszug an Fahrt aufnimmt – und das eher als ICE. Deswegen setzen wir in der Allianz auf Offenheit. Die geht sogar so weit, dass Unternehmen noch nicht einmal Mitglied sein müssen, aber trotzdem auf den fahrenden Zug aufspringen und mitfahren können. Fest steht: Silodenken muss der Vergangenheit angehören. elektro AUTOMATION: Wie lassen sich die Datensilos aufbrechen, wie verhindert man den ‚Daten- Protektionismus‘? Liedtke: Es braucht den Mut der Kunden, um Unternehmen zu vertrauen. Es braucht zusätzlich Pioniere, die den Vorstoß wagen und darauf vertrauen, dass Licht am Ende des Tunnels ist und uns kein Zug im Tunnel entgegenkommt. Die Allianz vereint dazu unterschiedlichste Unternehmen, um die realen oder fiktiven Probleme zu lösen; um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. So entsteht ein Mehrwert der Zusammenarbeit. Gelingt uns – als Allianz – das anhand einfacher Use-Cases, können wir den nächsten Schritt machen. Der umfasst, dass wir uns an Wertschöpfungsnetzwerke herantrauen, um damit die Potentiale tatsächlich zu realisieren, von denen man seit mehr als 10 Jahren Industrie 4.0 träumt. elektro AUTOMATION: Nun sind Standards gerade im Bereich der M2M-Kommunikation ja nichts grundlegend Neues – kann denn speziell OPC UA nicht heute schon wesentlich mehr im Sinne einer ‚Plug&play-Vernetzung‘ bieten? Herzberg: Die Schaffung der sogenannten ‚Companion Specs‘ in Zusammenarbeit mit den Maschinenherstellern war und ist ein guter und zukunftsweisender Schritt in die richtige Richtung. Auch die ‚Unified Architecture‘ war zu ihrer Zeit eine gute Sache. Allerdings muss beachtet werden: Architekturen verändern sich im Eiltempo. Hier müssen die Standardisierungs-Organisationen zwingend Schritt halten. Entscheidend für den Erfolg von Industrie 4.0 ist die Umsetzung der Standards in den Maschinen und der Software – entscheidend ist nicht die Existenz der Standards an sich. Genau hier kommt wiederum die Open Industry 4.0 Alliance ins Spiel. OI4 hat sich die kohärente Umsetzung einer Gruppe von Standards auf die Fahne geschrieben. Wir wollen insbesondere unseren Mitgliedern – aber auch der Allgemeinheit –, Implementierungshinweise zu dem kohärenten Umgang mit Standards rund um Industrial Security, Datensicherheit, Souveränität oder Semantik geben. Dabei geht es uns nicht nur um technische Daten, sondern auch um Informationen elektro AUTOMATION » 02 (Mai) | 2022 15

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