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Industrieanzeiger 10.2023

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» TECHNIK Vollautomatisiert: Neun Roboter-Achsen für das Raumwickeln Die Leichtbau-Revolution startet in der Raumfahrt Der Luxemburger Maschinenbauer Gradel hat im Mai die erste vollautomatisierte Fertigung für ultraleichte Raumwickel-Teile in Betrieb genommen. Dass die Linie primär für die Raumfahrt konzipiert ist, tut ihrer Bedeutung keinen Abbruch: Von den hochgesteckten Vorgaben dieser Branche profitieren alle Anwender der Ultraleichtbau-Technologie „xFK in 3D“. » Olaf Stauß, Redakteur Konradin Industrie Die Fertigungsanlage „Gradel Robotic Additive Manufacturing“ wickelt eine ‚xFK in 3D‘-Leichtbaustruktur. Direkt im Wickelkopf werden die Faserstränge mit Harz imprägniert – ein Novum. Bild: Gradel Es war ein harter Weg bis hierher“, fasste Claude Maack die vier Jahre bis zur Einweihung der Roboter-Anlage zusammen, geschäftsführender Gesellschafter der Gradel Sarl. In diesen vier Jahren hatte das in der Nuklear- und der Raumfahrttechnik tätige Unternehmen alles getan, um bei sich den Ultraleichtbau zu etablieren – die eigene Struktur umgebaut, investiert, Mitarbeiter eingestellt und dem Chef den Rücken freigeschaufelt. Anlass war die Begeisterung Maacks, als er bei Rainer Kurek die Raumwickel- Technologie „xFK in 3D“ für ultraleichte Teile kennenlernte. Kurek ist Geschäftsführer der Technologieberatung Automotive Management Consulting. Er war schon 2015 auf die Technologie aufmerksam geworden und treibt sie seither voran – vor allem im Automobilbau, der ureigensten Zielrichtung der AMC GmbH. Faszinieren konnte er Maack bei der ersten Begegnung 2018 mit dem manuell gewickelten „Shanghai-Bracket“: Mit rund 180 g hält die grazile Struktur fast 10 t Last stand. Die Inbetriebnahme des roboterisierten Raumwickelns durch Gradel ist nun der Schritt hin zur Industrialisierung für alle Branchen, ein Höhepunkt. „Ein großer Tag für uns“, sagte auch Kurek bei der „Inauguration“ der Roboter-Linie im luxemburgischen Hautcharage. Die dort installierte Anlage bietet optional neun Achsen und besteht aus drei Robotern, die auf einer 10 m langen X-Schiene verfahren und beim Raum - wickeln kooperieren können. Ein weiterer Roboter ist in einem Reinraum unter - gebracht für Aerospace-Anwendungen. Die Anlage wickelt vollautomatisiert und maßgeschneidert mit Geschwindigkeiten zwischen 25 und 600 mm/s. Zwei große Industrieöfen schließen sich an. Die Bedeutung dieser Technologie erschließen am besten die Duftmarken, die ihre Akteure immer wieder mit manuell gewickelten Strukturen ‚xFK in 3D‘ gesetzt haben. 2015 begann es mit einem Fahrrad-Flaschenhalter, der nur 9 g wiegt – aber die 500 g des halben Liters Wasser in der Flasche trägt. Später folgte ein Flaschenhalter für Le Mans, der mit 23 g Eigengewicht auch den hohen 44 Industrieanzeiger » 10 | 2023

Beschleunigungen im Motorsport standhält. Und derzeit entsteht ein Schul - pavillon mit 3 x 5 m² Grundfläche, der aus 72 Raumwickel-Teilen zusammen - gesetzt wird und nicht mehr als 80 kg wiegt. Vier starke Männer könnten ihn packen und wegtragen. Strukturen von klein bis extrem groß. Sie deuten das Potenzial der Technologie an. Allen ist eines gemein: Mit einem Minimum an Masse tragen sie Lasten, die ein hohes Vielfaches ihres Eigengewichts ausmachen. Eine ultraleichte Option für Satelliten und Raketen ebenso wie für Automobile, Flugzeuge und Anwendungen bis in die Architektur hinein. Gramm-Gewichte stemmen Tonnen- Lasten. In diesem Gewichts-Kontext verdeutlicht eine bloße Zahl, was die Roboter-Fertigung „Gradel Robotic Additive Manufacturing“ (Gram) in Luxemburg zu leisten vermag: „Gram kann pro Stunde bis zu 14 Kilogramm Struktur wickeln, ohne metallische Buchsen“, sagt Claude Maack. Ein ultraleichter Autositz wie ihn Gradel schon gewickelt hat, ließe sich in 15 bis 30 min fertigen, je nach Auslegung. Was verbirgt sich hinter ‚xFK in 3D‘? Das Prinzip ist leicht erklärt, aber nicht einfach umzusetzen: Dreidimensional im Raum verlegte Fasern folgen den errechneten Lastpfaden eines Bauteils – und verbleiben die einzige Masse der Struktur. Damit dies wirklich funktioniert, mussten Grundlagen erforscht, Know-how aufgebaut und diffizile Fragen gelöst werden bis heute: Wie lässt sich die Struktur aus FEM-Analysen entwickeln, wie entsteht der Wickelplan? Welche Harze und Fasern (für die das „x“ steht) sind möglich? Wie lassen sich die Strukturen auslegen und mit welchen Kennwerten wie reproduzierbar fertigen? Und zuletzt: Mit welchen Faser-Harz-Systemen werden sie nachhaltig, geht Flachs oder Basalt? Die AMC ertüchtigte diese Technologie mit ihren Partnern in einer digitalen Prozesskette bis in erste Automobil - anwendungen hinein, über die aber nicht oder nur schemenhaft geredet wird. Als Maack und Kurek im November 2018 ihre Kooperation beschlossen, begann eine neue Phase. Der Luxemburger entwickelte einen ambitionierten Plan, das Raum - Die automatisierte Roboteranlage Gram macht die Fertigung von Ultraleichtbauteilen reproduzierbar und serienfähig. Hier entstehen Antennenhalter für Satelliten. Bild: Stauß Claude Maack, CEO von Gradel: „Wir wollen diese Ultraleichtbau-Technologie multiplizieren. Dazu bieten wir Wissen, Maschinen und unsere intensive Begleitung an.“ wickeln in der Raumfahrt zu etablieren. Man könnte ihn eine Art Marschallplan nennen. Denn der Maackplan zielt direkt auf die Industrialisierung und will nichts dem Zufall überlassen. Den Anfang machte eine Marktstudie für die Raumfahrt. Aerospace signalisierte, dass automatisiertes Fertigen eine Grundvoraussetzung sei, ohne manuelle Elemente. Also beantragte Gradel ein Förderprojekt mit dem „Luxembourg Institute of Science & Technology“ (List), das die „Luxembourg Space Agency“ (LSA) bewilligte. Bild: Gradel Der 3D-gewickelte Antennenhalter für die Raumfahrt erzielt eine Gewichtseinsparung von 71 % gegenüber herkömmlichen Konstruktionen. Bild: Gradel Industrieanzeiger » 10 | 2023 45

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