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Automobilkonstruktion 01.2015

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FAHRWERK Walter Sackl,

FAHRWERK Walter Sackl, Director Product Management Driveline Systems bei Magna Powertrain, zum Flex 4-Allradkonzept „Allradsysteme sind noch längst nicht ausgereizt“ Das Flex 4-Allradkonzept von Magna verringert den Kraftstoff-Mehrverbrauch von Allradantrieben beträchtlich, sagt Walter Sackl, Director Product Management Driveline Systems bei Magna Powertrain. Daneben sollen auch Sicherheit, Fahrdynamik und Offroadvergnügen nicht zu kurz kommen. Das Interview führte Jürgen Goroncy, freier Mitarbeiter der AutomobilKonstruktion „Dank der vollelektronischen Regelung aller Trenn- und Kupplungsvorgänge laufen diese Prozesse sehr sanft ab.“ Walter Sackl, Director Product Management Driveline Systems bei Magna Powertrain den Kardanwelle und Achsgetriebe dabei wirklich stillgelegt, was die Schleppverluste und somit den Kraftstoff-Mehrverbrauch dramatisch verringert. Automobil Konstruktion Um wieviel? Sackl: Im Vergleich zu einem frontgetriebenen Fahrzeug beträgt der Mehrverbrauch eines Flex 4-Allradantriebs nur noch etwa zwei Prozent – und nicht mehr 7 bis 13 Prozent, wie bei einem permanenten Allradantrieb. Automobil Konstruktion Wie realisiert Magna die völlige Abschaltung des zweiten Achsantriebs? Sackl: Herkömmliche Allradantriebe trennen den festen Achsantrieb in der Regel vor dem Achsgetriebe der zuschaltbaren Achse. Des- Automobil Konstruktion Magna verspricht mit Flex 4 eine „Revolution“ in der Antriebstechnik. Was verbirgt sich hinter diesem hehren Anspruch? Sackl: Flex 4 ermöglicht eine vollvariable Verteilung des Antriebsmoments an Vorder- und Hinterachse und eine bedarfsgerechte Zu- oder Abschaltung der Allradunterstützung. Das ist an sich nichts Revolutionäres. Bei diesem variablen Allradantrieb läuft aber das Zu- und Abschalten erstens vollkommen automatisch und für den Fahrer nicht spürbar ab. Zweitens werhalb läuft dieses Achsgetriebe – angetrieben durch die Räder – immer mit und produziert dadurch Reibung und Planschverluste. Bei einer zuschaltbaren Hinterachse läuft zusätzlich die Kardanwelle noch mit, auch wenn gar kein Antriebsmoment auf die Hinterachse übertragen wird. All das bedeutet hohe, bisher unvermeidliche Verluste. Flex 4 operiert – als Beispiel sei ein Fronttriebler mit zuschaltbarer Hinterachse genannt – mit zwei Trennkupplungen. Die erste trennt vor dem Vorderachsabtrieb den restlichen Antriebsstrang nach hinten. Das heißt, der Winkeltrieb, die Kardanwelle und das Hinterachsgetriebe laufen nicht mit und produzieren dadurch auch kein Schleppmoment. Automobil Konstruktion Aber die Hinterachse treibt doch über die Halbwellen das Hinterachsgetriebe an? Sackl: Bei Flex 4 eben nicht. Dort ist die zweite Trennkupplung – eine Lamellenkupplung zwischen Hinterachsgetriebe und den Halbwellen zu den Rädern platziert. Somit ist das Hinterachsgetriebe von den Rädern entkoppelt, der wichtigste Teil des Allrad-Antriebsstrangs ist damit wirklich stillgelegt. Automobil Konstruktion Zwei Kupplungen, ruhende Kardanwelle – wie kann da das versprochene „praktisch nicht spürbare“ Zuschalten gewährleistet werden? Sackl: Indem man den Antriebsstrang intelligent aktiviert. Zunächst verbindet die Lamellenkupplung das Hinterachsgetriebe und die Kardanwelle wieder mit den Hinterrädern. Dabei wird deren Rotationsenergie genutzt, um den Antriebsstrang wieder in Schwung zu bringen. Sobald die Kardan-Drehzahl wieder mit der Drehzahl des Vorderachsabtriebs synchronisiert ist, wird auch die vordere Klauenkupplung wieder geschlossen. Dank der vollelektronischen Regelung aller Trenn- und Kupplungsvorgänge laufen diese Prozesse sehr sanft ab. Automobil Konstruktion Und wie schnell? Sackl: Diese Vorgänge dauern nur etwa 200 bis 300 Millisekunden. Zusätzlich zur raschen Verfügbarkeit des Allradantriebs agiert Flex 4 auch vorausschauend, statt nur zu reagieren. Erfolgt etwa bei einer Fahrt eine sehr schnelle Lenkbewegung, erkennt Flex 4 dies und schließt auf eine bevorstehende, fahrdynamisch anspruchsvolle Situation. Unverzüglich wird dann der Allradantrieb aktiviert, um sofort Drehmoment für 38 AutomobilKonstruktion 1/2015

Flex 4 reduziert den Mehrverbrauch im Vergleich zu einem permanenten Allradantrieb deutlich Bilder: Magna In 200 bis 300 Millisekunden schaltet Flex 4 von Allradantrieb ... ... auf Zweiradantrieb. Zusätzlich zur raschen Verfügbarkeit des Allradantriebs agiert das System vorausschauend, statt nur zu reagieren die bevorstehenden Fahrmanöver auf die zweite Achse zu bringen. Ähnliches erfolgt bei einem spontanen Beschleunigungsvorgang. Die Flex 4-Elektronik erkennt, wie schnell der Fahrer die ersten Millimeter des Gaspedals betätigt, und bereitet sofort die Momentenverteilung schon auf die bevorstehende Volllastanforderung an den Motor vor, ehe der Motor das Moment überhaupt liefert. Automobil Konstruktion Wie funktioniert das bei Fahrten auf Untergründen mit unterschiedlichen Reibwerten? Sackl: Die elektronische Regelung überwacht auch den Schlupf an den Rädern und erkennt so unverzüglich Schnee oder Eis. Dementspre- chend wird der Allradantrieb bei Reibwertverlusten automatisch zugeschaltet. Zusätzlich verhindern intelligente, selbstlernende Algorithmen, dass bei rasch wechselndem Untergrund der Allradantrieb laufend zu- oder abgeschaltet wird. Das führt zu mehr Fahrstabilität. Wann wird das erste Auto mit Flex Automobil Konstruktion 4-Allradantrieb in Serie gehen? Sackl: Ende 2015. Wir haben schon mehrere Aufträge, die ab 2016 mehr als 500 000 Einheiten pro Jahr garantieren. Für flexible Allradsysteme rechnen wir mit Wachstumsraten von 30 Prozent und mehr in den nächsten Jahren. www.magnapowertrain.com Zur Person Walter Sackl (45) stammt aus der Steiermark und absolvierte dort auch seine technischen Ausbildungen, bevor er 1989 der Steyr Daimler Puch AG beitrat. Er durchlief innerhalb des Konzerns (zunächst Steyr Daimler Puch AG, später Magna International Inc.) viele Stationen im Bereich Entwicklung und Projektleitung. 2006 wechselte er schließlich in das Produktmanagement, für das er 2009 zunächst die globale Leitung für AWD-Systeme des Geschäftsbereichs Magna Power train übernahm. Seit 2014 verantwortet er als Director Product Management weltweit das gesamte Produktportfolio für Driveline Systeme von Magna Powertrain. 1/2015 AutomobilKonstruktion 39

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