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KEM Konstruktion 11.2019

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Trendthemen: Messe SPS 2019, Machine Learning, Digitalisierung, Verwaltungstools, Additive Manufacturing, Predictive Maintenance; KEM Porträt: Peter Lutz, Director Field Level Communications, OPC; KEM Perspektiven: Digitale Pioniere - Rolls-Royce nutzt Virtual und Augmented Reality bereits

TRENDS PERSPEKTIVEN

TRENDS PERSPEKTIVEN Bild: Rolls-Royce Um eine Situation, die verschiedene Abteilungen betrifft, gemeinsam betrachten zu können, nutzen Rolls-Royce-Ingenieure eine VR-Cave Rolls-Royce – in Sachen Digitalisierung bereits weit fortgeschritten Digitale Pioniere Am Rolls-Royce-Standort Dahlewitz, eine halbe Stunde südlich von Berlin, hat die Zukunft schon begonnen: Viele Trends wie etwa Virtual Reality (VR) oder Augmented Reality (AR) sind hier bereits im praktischen Alltag der Ingenieure angekommen. Predictive Maintenance, unterstützt per Machine Learning, ist ebenfalls schon in Reichweite. Tobias Meyer, freier Mitarbeiter der KEM Konstruktion In einem VR-Raum, der ganze Triebwerke raumfüllend in 3D darstellen kann, treffen sich bei Rolls-Royce Spezialisten aus unterschiedlichen Fachbereichen, um etwa Änderungen zusammen zu besprechen. Benötigt die Hydraulikabteilung etwas mehr Platz für eine zusätzliche Leitung, schaut sie zusammen mit anderen Disziplinen, wo man diesen schaffen könnte. Die Bewilligung des Raums gab die Geschäftsführung frei, als man Studien vorlegte, die zeigen, dass in VR-Umgebungen das Erfassen von Zusammenhängen wesentlich schneller abläuft: „Am Monitor werden bis zu 40 % der Details nicht schnell genug wahrgenommen, in einer immersiven 3D-Umgebung dagegen nur 10 %“, erklärt Marius Swoboda, Head of Engineering Science and Capability bei Rolls-Royce. Mit den Steuergeräten in der Hand können die Ingenieure ein im Maßstab 1:1 dargestelltes Triebwerk wie eine Zwiebel Schicht für Schicht auseinandernehmen oder nur für sie relevante Elemente anzeigen lassen. Da ihre Position im Raum selbst durch ihre 3D-Brille erkannt wird, passt sich der Blickwinkel automatisch an, etwa wenn man in die Knie geht, um ein Bauteil weiter unten zu begutachten. Zudem wird in der zusammen mit der TU Cottbus entwickelten VR- Cave die Planung der Arbeitsplätze – bis zu ganzen Hallen – und der entsprechenden Montageschritte überprüft, bevor ein Triebwerk in Serie gebaut wird. Denn so eliminiert man eventuelle Schwierigkeiten schon im Vorfeld – bevor sie in der Realität auftreten. Vielseitige Simulationsmöglichkeiten Ganz am Anfang des Entwicklungsprozesses steht aber das Design des Kerntriebwerks: „Wir entwickeln nicht in jedem Fall ein komplett neues Triebwerk, sondern bauen auf unseren bisherigen Erfahrungen auf und bieten den Kunden für ihre Ansprüche optimierte Varianten an“, sagt Uwe Minkus, Head of Systems Design. Dabei werden vorgegebene Parameter wie Gewicht, Lärm, Preis, Treibstoffverbrauch oder die maximal mögliche Flugstrecke berücksichtigt. Die Optimierung erfolgt mit Hilfe eines komplexen Algorithmus, der quasi mit den Maßen des vorausgewählten Typs spielt und so eine Vielzahl möglicher Designs errechnet. Das erste Ergebnis hat er in fünf Minuten parat. „Wir lassen uns in ein bis zwei Tagen bis zu 2500 Entwürfe generieren, zu jedem gibt es dann automatisch eine erste CAD-Zeichnung. Die Auswertung nehmen wir aber über Diagramme vor, in denen wir die Entwürfe mit den vielversprechendsten, vom Kunden als wichtig angesehenen Parametern – Lärm, Verbrauch usw. – vergleichen. Würden diese Daten manuell erstellt, ergäben sie etwa 1000 gedruckte Seiten“, verdeutlicht Minkus die Zeitersparnis des Entwurfsalgorithmus. In der Praxis bedeutet das dann, dass ein neues Triebwerk einem bereits bestehenden zu 90 % gleicht, aber beispielsweise durch eine höhere Kerntemperatur und die dementsprechend geänderte Kühlung die favorisierten Werte erreicht. Um die entstehenden großen Datenmengen für die Produktentwickler zugänglicher zu machen, setzt das Unternehmen auf eine spezifisch neu entwickelte App. Mit ihr können die Mitarbeiter in 46 K|E|M Konstruktion 11 2019

Dahlewitz unkompliziert und effektiv auf dem breiten Spektrum bereits vorhandener Kenntnisse aufbauen: In die App kann ein Triebwerksentwurf geladen werden, um anschließend diverse erwünschte Betriebsparameter ganz einfach per Schieberegler einzustellen. So kann sehr schnell überprüft werden, wie sich eine größere Flughöhe oder andere Startbedingungen auf Druck oder die Temperatur eines Gasstroms auswirken. „Früher benötigten wir für 90 % unserer zur Verfügung stehenden Daten hochspezialisierte Experten, um diese zu interpretieren. Heute kann quasi jeder am Entwicklungsprozess Beteiligte eine neue Situation sofort virtuell überprüfen“, sagt Minkus. Auch in der Verifizierung von bereits erstellten Entwürfen hat Rolls- Royce die Computersimulationen bereits früh aufgegriffen. Minkus beschreibt deren Vorteil so: „Mit unseren Modellrechnungen können wir jetzt selbst komplexe Vorgänge wie den Verlust von Fan- Schaufeln im Bläser abbilden und mit hoher Genauigkeit vorhersagen.“ Wenn noch physisch getestet wird, dann aufgrund zwingender Vorgaben bei der Zertifizierung und zum Abgleich des Modells. „Aufwendige Versuche müssen nicht mehrfach wiederholt werden, was sowohl Zeit als auch Kosten im Entwicklungsprozess einspart“, so Minkus weiter. Einzelne Aspekte, wie die Verbreitung von Kerosintröpfchen in der Brennkammer, untersuchen und simulieren universitäre Partner. Die beschriebene App bildet mit ihren Algorithmen das ‚klassische‘ Triebwerks-Design des Unternehmens ab. Ganz neue Ansätze kann aber auch der Computer mit ein paar Maßänderungen so nicht kalkulieren. Aktuell arbeitet Rolls-Royce an einem Triebwerk, in dem erstmals ein Planetengetriebe verbaut wird und so der Bläser vorne (auch ‚Fan‘ genannt) langsamer drehen kann als die Niederdruck - turbine selbst. Denn die beiden Elemente haben jeweils eigene Ideal bereiche, die sich deutlich unterscheiden. Bei den bisherigen Triebwerken des Herstellers musste für die Drehzahlen ein Kompromiss gefunden werden, da die Niederdruckturbine und der Fan durch eine Welle fest verbunden sind. Das neue ‚Ultrafan-Triebwerk‘ soll in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts auf den Markt kommen, wobei das Planenten-Getriebe für die Übertragung von bis zu 100.000 PS Leistung ausgelegt sein wird – mehr als jedes andere Reduktionsleistungsgetriebe in der Luftfahrt bisher, denn für Großtriebwerke hat dieses Konzept bisher noch niemand umge- LINEARTISCHE Nürnberg 26. – 28. November 2019 SPS Halle 1 Stand 310 www.hiwin.de K|E|M Konstruktion 11 2019 47

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