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KEM Konstruktion Automobilkonstruktion 01.2017

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Themenschwerpunkte: Fahrerassistenz, Künstliche Intelligenz, Entwickeln, Testen, Elektromobilität, Antrieb, Fahrwerk, Karosserie, Produktion; KEM Porträt: Prof. Stephan Reuter, Universität Ulm; KEM Perspektiven: Digitalisierung in der Automobilindustrie

MAGAZIN PORTRÄT

MAGAZIN PORTRÄT PORTRÄT Prof. Stephan Reuter zu autonomen Fahrzeugen speziell im Stadtverkehr „10 Jahre könnte das schon noch dauern“ Speziell in den teils unübersichtlichen deutschen Innenstädten ist das automatisierte Fahren wesentlich schwerer umzusetzen als in US-Städten oder auf der Autobahn. Der Ulmer Professor Stephan Reuter arbeitet deshalb an der Multi-Objekt-Verfolgung in komplexen Szenarien. Ziel ist, auch die kaum kalkulierbaren Fußgänger und Fahrradfahrer sicher zu erkennen. Mindestens 10 Jahre würden bis dahin aber noch vergehen, so Reuter. Interview: Wolfgang Hess, Redaktionsdirektor Sonderprojekte der Konradin Mediengruppe Beim ‚Multi-Objekttracking mit gleichzeitiger Zustands- und Existenzschätzung unter Verwendung von Random Finite Sets‘ geht es darum zu wissen, wo sich Fahrzeuge, Fußgänger und alle anderen Verkehrsteilnehmer be finden KEM Konstruktion: Professor Reuter, welcher Aufgabenstellung widmen Sie sich derzeit im Zusammenhang mit dem autonomen Fahren? Reuter: Wir beschäftigen uns mit dem ‚Multi-Objekt - tracking mit gleichzeitiger Zustands- und Existenzschätzung unter Verwendung von Random Finite Sets‘ – es geht um mathematische Ansätze, die Lösungen für das automatisierte Fahren liefern. Um das verkehrssicher zu regeln, muss man wissen, wo sich Fahrzeuge, Fußgänger und alle anderen Verkehrsteilnehmer befinden. Wir brauchen dazu Informationen, mit welcher Geschwindigkeit sie sich wohin bewegen. Dazu setzen wir mehrere Sensortypen – Video, Laser, Radar – ein. Durch die Modellierung mit Random Finite Sets können wir gleichzeitig abschätzen, wie sicher das Objekt existiert. Darüber hinaus ermöglicht die Methode die Modellierung von Abhängigkeiten im Verhalten der Verkehrsteilnehmer, beispielsweise das frühzeitige Vom-Gas-Gehen eines vorausschauenden Fahrers. KEM Konstruktion: Heißt das, dass Sensoren manchmal falsche Messungen liefern? Bild: Thomas Klink Reuter: In der Tat bekommen wir mitunter Messergebnisse für Objekte, die gar nicht da sind. Auch das Gegenteil passiert: Im Nebel liefern Kameras oftmals kein Ergebnis für real existierende Objekte. Die angesprochene Methode berechnet für jedes Objekt eine Existenzwahrscheinlichkeit. Je höher die ist, desto entschiedener wird ein automatisiertes Fahrzeug reagieren. Das grundsätzliche Verfahren der Objektverfolgung ist der sogenannte Kalman-Filter – ein Bestandteil vieler Ausbildungen; den Umgang mit Random Finite Sets vermitteln dagegen nur wenige Universitäten auf der Welt, etwa die in Ulm. Zusammen mit zwei Forschern in Australien habe ich eine neue Methode gefunden, die Labeled-Multi-Bernoulli-Filterung – damit lassen sich die Messwerte mehrerer Objekte mathematisch so rasch berechnen, dass wir in Echtzeit in unseren Versuchsträgern Lösungen bekommen. KEM Konstruktion: Wie stark hängt all das von den Umgebungsbedingungen ab? Reuter: Auf der Autobahn ist die Umgebung überschaubar: Links und rechts haben wir Leitplanken. Auf der Straße fahren die Objekte in der Regel geradeaus. Außer Pkw gibt es fast nur Busse, Motorräder und Lkw. Das heißt: In vielen Fällen braucht man zum automatisierten Fahren lediglich zu wissen, wie schnell der Vordermann gerade fährt. Und das können die bestehenden Tracking- Verfahren sehr gut. Anders sieht es im Stadtverkehr aus. Fußgänger und Fahrradfahrer sind kaum kalkulierbar. Überdies wird dort das Blickfeld der Sensoren oft verdeckt. Das heißt: Messergebnisse und deren einfache Verarbeitung reichen nicht aus, sondern man muss pro Objekt gleich mehrere Messungen vornehmen. Unser Random-Finite-Sets-Tracking berechnet über die zeitliche Abfolge, welche Messungen zusammengehören. KEM Konstruktion: Nach dem, was Sie sagen, wundere ich mich, wieso autonom fahrende Auto bereits für den Straßenverkehr zugelassen sind. Der Autohersteller Tesla ist nicht nur in den USA gut unterwegs. Reuter: Tesla nennt das System zwar Autopilot. Doch gemäß der Betriebsanleitung muss der Fahrer das System durchgehend überwachen. Für mich heißt das eindeutig: 12 K|E|M Konstruktion Sonderausgabe Automobilkonstruktion 01 2017

PORTRÄT PORTRÄT PORTRÄT MAGAZIN Bild: Thomas Klink Prof. Dr.-Ing. Stephan Reuter, Gruppenleiter, Institut für Mess-, Regelund Mikrotechnik, Universität Ulm K|E|M Konstruktion Sonderausgabe Automobilkonstruktion 01 2017 13

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