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KEM Konstruktion Automobilkonstruktion 02.2017

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Themenschwerpunkte: Fahrerassistenz, Elektromobilität, Antrieb, Fahrwerk, Karosserie, Produktion, Testen; KEM Porträt: Prof. Dr. André Thess, Institutsdirektor DLR; KEM Perspektiven: Herstellerallianz bei ganzheitlichen Testsystemen für autonome Fahrzeuge

ELEKTROMOBILITÄT

ELEKTROMOBILITÄT BORDNETZ Übertragungstechnik HDBaseT Kampf dem Stau auf der Datenautobahn Sensoren, Kameras und Multimediaanwendungen werden den Datenverkehr im Automobil weiter anschwellen lassen. Den drohenden Stau auf der Datenautobahn soll die Übertragungstechnik HDBaseT verhindern. Bis zu einem potenziellen Serienstart im Jahr 2020 ist jedoch noch einiges zu tun. Hartmut Hammer, freier Mitarbeiter der KEM Konstruktion HDBaseT kann die Signalüber - tragung für komplette Infotainment- Netzwerke übernehmen Bild: Valens Erste Erfolge verzeichnet HDBaseT seit Jahren bei stationären Multimediaanwendungen, etwa im Heimbereich oder in großen Veranstaltungshallen. Nicht zuletzt, weil über ein Standard-Kupferkabel sowohl Video- als auch Audio-, Ethernet- und Steuersignale über längere Strecken – bis zu 100 m – übertragbar sind. Außerdem ist die Übertragung von bis zu 100 W elektrischer Leistung möglich. Bei der Weiterentwicklung der Technik kooperiert der Erfinder von HDBaseT, das israelische Hightech-Unternehmen Valens Semi - conductor Ltd, mit 180 Unternehmen aus der Elektronikbranche – darunter Schwergewichte wie LG, Samsung und Sony. Grundgedanke der HDBaseT-Technik ist, Datensignale durch Puls - amplitudenmodulation von elektrischer Spannung zwischen Sender und Empfänger zu übertragen. Durch die Flexibilität bei der Puls - amplitudenmodulation ist es möglich, mit geringeren Übertragungsfrequenzen auszukommen und dennoch höhere Datenraten zu ge- nerieren – aktuell werden bis zu 6 Gbit/s erreicht. Als Sender und Empfänger fungieren kleine Chipsysteme mit integrierter Software, die jeweils in das Sende- und Empfängergerät integriert sind. Physikalischer Datenüberträger kann das einfache gemantelte und ungeschirmte Twisted-Pair-Kabel des Ethernet-Standards sein. In drei Jahren in Serie Diese Eigenschaften haben auch die Automobilbranche hellhörig werden lassen. Seit 2016 arbeitet eine Arbeitsgruppe „Automotive“ innerhalb der HDBaseT-Entwicklungsallianz an einer Adaption des Übertragungsstandards für Automobilanwendungen. Mitglieder sind neben Valens unter anderem Daimler, General Motors sowie die Zulieferer Delphi, Leoni und TE Connectivity. Auf der Electronica 2016 bekräftigte Daimler seine Absicht, neue Telematik-, Infotainment- und ADAS- Systeme künftig per HDBaseT vernetzen zu wollen. Valens-Mitbegründer und Geschäftsführer Dror Jerushalmi hat im Frühjahr 2017 bei einem Interview für ein israelisches Internet- Businessportal verlauten lassen, dass ab 2020 sukzessive alle neuen Mercedes-Benz-Modelle mit bis zu zehn HDBaseT-Chip - systemen ausgerüstet sein werden. Valens werde die Komponen- 28 K|E|M Konstruktion Automobilkonstruktion 02 2017

BORDNETZ ELEKTROMOBILITÄT Die multifunktionale HDBaseT- Technik kann vier verschiedene Signale und elektrische Leistung übertragen Bild: Valens ten an einen Tier1-Supplier liefern, der die Systemintegration übernehme. Ist es nur Zufall, dass der Zulieferer Delphi – ein Spezialist für E/E-Architekturen – der HDBaseT Automotive Working Group angehört und im April 2017 eine strategische Beteiligung an Valens erworben hat? Schneller, kleiner, sparsamer Dass Daimler seine künftigen Multimedia- und ADAS- Anwendungen per HDBaseT vernetzen will, kommt nicht von ungefähr. So können die Signale im Automobil über eine Länge von 15 m praktisch unkomprimiert übertragen werden, und die Latenzzeit ist mit weniger als 10 μs ausreichend selbst für Funktionen des autonomen Fahrens. Nach Angaben von Delphi wird HDBaseT im Automobil bald eine Datenrate von bis zu 6 Gbit/s erreichen – deutlich mehr als bei einer Ethernet-Verbindung (heute bis zu 1 Gbit/s), mit der sich HDBaseT die Netzinfrastruktur teilt. Hinzu kommt, dass am anderen Ende der Skala Ethernet-Teilnetze mit einer Datenrate von nur 10 Mbit/s denkbar sind – etwa für periphere Fahrzeugregionen mit in ihrer Funktionalität limitierten Steuergeräten. Somit heißt die Frage nicht „Ethernet oder HD Base T“, vielmehr könnten beide Techniken sich ergänzen. Ein Netzwerk mit einer solch hohen und flexiblen Bandbreite könnte andere Bussysteme wie Flexray oder LIN teilweise ersetzen, wenn auch nicht alle. Zudem bietet die Energieübertragung per HDBaseT die Möglichkeit, etwa bei Sensoren oder Kameras künftig die separate Leistungsversorgung einzusparen. Delphi hat errechnet, dass ein Ethernet-Netzwerk inklusive HDBaseT, mit weniger und einfacheren Gateways, kostengünstigen ungeschirmten Leitungen, standardisierten Komponenten und einer weniger komplexen Entwicklung und Montage Kostenvorteile von mehr als 20 % erzielen könnte. Zudem sieht man beim Bauraum Einsparpotenziale von bis zu 50 %, beim Gewicht von bis zu 30 %. Die Steckverbinderfamilie AMEC (Automatable Modular Ethernet Connector) von Delphi soll dank Standardisierung eine sichere Übertragung bei geringem Platzbedarf ermöglichen Entwicklung geht weiter Allerdings ist bis zu einem potenziellen Serienstart im Jahr 2020 noch einiges zu tun. Beispielsweise erfordern die höheren EMVund Temperatur-Anforderungen im Automobil spezielle Filter und Treiberstufen. Domänenübergreifend in mehrere Steuergeräte integrierte Funktionalitäten und sicherheitskritische Applikationen erfordern ausfallsichere Schnittstellen und Netztopologien mit einer gewissen Fehlertoleranz und Backup-Lösungen. Da die Video-, Audio-, Ethernet- und Steuersignale sowie die elektrische Leistung über ein und dasselbe Kabel übertragen werden, gestaltet sich die Fehleridentifikation und Fehlerbehebung nicht so einfach. Nicht zuletzt müssen OEM und Zulieferer – ähnlich wie bei der OPEN (One Pair Ethernet Network) Alliance – auch für HDBaseT noch verbindliche Spezifikationen und Testprozeduren festlegen. Detaillierte Informationen über HDBaseT für den Automobilsektor: http://hier.pro/zT61j Bild: Delphi K|E|M Konstruktion Automobilkonstruktion 02 2017 29

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