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1-2024 REISE & PREISE

FRANKREICH • BRETAGNE

FRANKREICH • BRETAGNE Die Nord-Bretagne spielt faszinierende Facetten der Natur aus: Dünen, bizarre Felsformationen, Sandstrände, Wanderwege mit Traumblicken, Delfine und Vogelinseln im Ärmelkanal. Zwischen der Rosa-Granit-Küste und der Sandküste ist das Terrain wie geschaffen für Individualisten. FRANKREICHS CHARMANTER NORDEN Fotos: Robert Zehetmayer, Christophe Coat / Alamy Stock Photo VON ANDREAS DROUVE Skipper Gwendal Le Guerch bereitet im Hafen von Roscoff-Bloscon sein Zodiac für die Ausfahrt vor. »Seid ihr bereit?«, fragt er und weist die Passagiere an, sich gut an den Gestängen vor den spartanischen Polstersitzen festzuhalten. Hinter der Kaimauer dreht er auf und treibt sein motorisiertes Hartgummischlauchboot durch die Bucht von Morlaix. Über die Wasserweiten liegen Inseln und Inselchen verstreut, die je nach Gezeiten unterschiedliche Gesichter aufsetzen. Was bei Ebbe herausschaut, verschwindet bei Flut unter Wasser. Der Tidenhub kann bis zu zehn Meter betragen. Typisch Bretagne. »Die beste Beobachtungszeit für Robben ist bei Ebbe«, weiß Le Guerch, der die Insel Calott streift, über die sich hartnäckig die Legende Nicht nur bei Mittelalterfesten zu sehen: Der Dudelsack gehört zur bretonischen Musik von einem versteckten Wikingerschatz hält. Aber der wahre Schatz, hier im Norden der Bretagne, ist die raue, wildromantische Natur. Le Guerch deutet auf den Strand Tahiti, der wahrlich ein wenig Südseeflair verströmt, allerdings ohne Palmen. Auf der Insel Louët wächst der Leuchtturm regelrecht aus dem Fels. Noch unwirklicher steigt das Château du Taureau aus dem Wasser – eine Inselfestung mitten im Meer, vor Jahrhunderten angelegt, als Einfälle englischer Korsaren zu befürchten standen. Heute herrscht Friedensstimmung. Andere Inseln der Bucht stehen unter Naturschutz und bieten zahlreichen Seevögeln Lebensräume. Auf einem Felssporn breiten Kormorane ihre Schwingen zum Trocknen aus. Le Guerch hält Ausschau nach Delfinen, doch die sind gerade verschwunden. Gestartet waren wir bei Sonne, nun peitscht Regen auf die Haut. Auch das ist 42 REISE-PREISE.de 1-2024

1. AN DER ROSA-GRANIT-KÜSTE CÔTE DE GRANIT ROSE Ein Traum in Rosa Am meisten Betrieb herrscht in Perros-Guirec an der Promenade des Strandes Trestraou Da reibt man sich verwundert die Augen. Die Côte de Granit Rose, das klingt verlockend und vielleicht ein wenig übertrieben – aber der Granit an der Meeresküste leuchtet, fast unwirklich, tatsächlich rosa. Welch ein Schauspiel der Natur! Urheber der Farben sind Feldspat-Einschlüsse im Gestein. Vielerorts sind Häuser, Mauern, Kirchen aus dem Material erbaut. Nachschub liefert bis heute ein Steinbruch im Inland. Die Highlights der Rosa-Granit-Küste konzentrieren sich auf ein begrenztes Gebiet von lediglich 15 Kilometern zwischen Perros-Guirec und Trébeurden, den besten Stützpunkten der Gegend. Unterwegs an der Strecke liegt Ploumanach, wo ein Spazierweg zum Leuchtturm Mean Ruz führt – durch ein Felsenmeer, das wie ein Traum in Rosa glänzt. Mal sind die massigen Brocken rund, mal kantig. Mal wirken sie so, als wären sie übereinander angeschraubt oder vernietet. Kontraste setzen Büsche aus gelbem Stechginster. Die Felsen unterhalb des Leuchtturms wirken wie künstlich eingekerbt, wie Gemälde, wie fein modellierte Skulpturen. Der Küstenort Ploumanach überzeugt mit der Badebucht Saint Guirec und lockt Promis an. Frankreichs Stararchitekt Gustave Eiffel besaß hier ein Haus, der deutsche Schauspieler Dieter Hallervorden kaufte sich gegenüber der Bucht gleich eine ganze Insel mit Schloss. Ein Küstenweg führt von Ploumanach über einen kleinen Hügel mit Treppen und Felsplatten zu einem versteckten Strandzwerg, dem Plage de la Bastille. Beliebte Einkehradresse über der Bucht in Ploumanach ist das Café-Restaurant »Le Coste Mor« (Crêpe mit Schokolade € 4, Kir Royal € 7, Entrecôte € 31). Der weit auseinandergezogene Küstenort Perros-Guirec punktet mit den Stränden Trestraou und Trestignel. Den Strand Trestraou säumt eine schöne Promenade mit einer verführerischen Einkehrmeile; das Restaurant »La Plage« tischt eine Portion Miesmuscheln für € 14 und den Fisch des Tages für € 18,50 auf. Im Nautikzentrum am westlichen Ende des Strandes kostet eine zweistündige Ausfahrt im Seekajak € 39 (3,5 Std. € 51), eine Stunde Stand-up-Paddeln € 17. TIPP Zwischen Ploumanach und Trébeurden lohnt in Penvern ein Abstecher zum Menhir Saint Uzec; die kultische, 7,5 m hohe Stele aus der Vorgeschichte wurde im 17. Jh. im Oberbereich kurios mit Reliefs christianisiert. Fotos: olrat / Alamy Stock Photo, Olimpio Fantuz / Huber Images typisch Bretagne. Le Guerch, ein kerniger Bretone, der in seinem früheren Berufsleben Koch war, verteilt wasserdichte Jacken an seine Gäste. Er strahlt und schwärmt: »Jeder Tag ist anders, hier langweile ich mich nie.« Der Schauer endet so rasch, wie er gekommen war. Die Region zwischen der Rosa-Granit- Küste im Osten und der Sandküste im Westen ist ein Paradies für Individualisten. Dünen wechseln sich mit Sandstränden ab, bizarre Felsformationen mit Hafenorten, Wanderwegen, kleinen Cafés und Restaurants. Die Salzluft am Ärmelkanal vermischt sich mit Kiefernduft. Industrien und große Städte liegen weit weg. In manchen Unterkünften gibt es Frühstück erst ab acht Uhr. Kein Stress in der herbschönen Bretagne! Für Entdeckungen ist das eigene Fahrzeug oder ein Leihwagen unverzichtbar. Manche der idyllischen kleinen Orte in der Bretagne sehen aus wie gemalt 1-2024 REISE-PREISE.de 43

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