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2013-4 REISE und PREISE

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SÜDAMERIKA PATAGONIEN

SÜDAMERIKA PATAGONIEN Nebelschwaden über dem Lago Pehoe im Nationalpark Torres del Paine (großes Bild). Reisegruppe beim Anlanden am Pia-Gletscher (unten) Wilde, unberührte Natur. Windzerzaust, schroff und hart und dabei von atemberaubender Schönheit. So präsentiert sich das sagenumwobene Gletscherland am südlichsten Zipfel des amerikanischen Kontinents. VON REGINA FISCHER-COHEN FEUERLAND Ans Ende der Welt 96 REISE & PREISE 4-2013

Naturjuwele warten. Nur fehlt uns dafür leider die Zeit. »Man muss Prioritäten setzen«, lacht José und verspricht, dass wir hier auf der siebentägigen Circuito-Trekkingtour das Beste vom Besten erleben werden. Fotogene Seebären- und Kormorankolonie im Beagle-Kanal nahe Ushuaia Bei der Begrüßung am Flughafen von Punta Arenas kommt leichte Panik auf. Die Frontschreibe von Pablos Pick-up sieht aus, als wäre er in eine Schießerei geraten. Und dann zeigt sich beim Einsteigen auch noch ein Strick im Fußraum, der an einem Ende fest mit dem Griff der Beifahrertür verknotet ist. Die bange Frage nach dem Warum klärt sich allerdings rasch, weil eine orkanartige Böe mir jäh die Tür entreißt und sie mit voller Wucht nach vorne haut. Mit einem reflexartigen Griff zum Seil kann Pablo sie vom Fahrersitz aus gerade noch zurückziehen. Willkommen in der Heimat des Sturmes! »Das Leben hier ist nichts für Weicheier«, grient Pablo, während er den Wagen auf der geteerten Ruta 9 gen Norden steuert. Ein Blick aus dem Fenster reicht, um zu wissen, dass er recht hat. Kein Mensch weit und breit. Kein Haus. Kein Baum. Nur endlose Viehzäune und dahinter, in der grenzenlosen, grünen Weite verstreut, Tausende Rinder und Schafe. Die Wolle, das weiße Gold früherer Tage, hat den Familien der Viehzüchter zu ungeheurem Reichtum verholfen. In Punta Arenas, der größten Stadt Südpatagoniens, kann man die Prunkresidenzen der einstigen Schafsbarone noch heute bewundern. Aber dafür nimmt natürlich kein Tourist die anstrengende Reise hierher auf sich. Es ist die magische Gletscherwelt, die Outdoor-Enthusiasten nach Südpatagonien und Feuerland lockt. In jenes mystische Labyrinth aus eisigen Fjorden, Inselbergen und Kanälen mit dem berühmt-berüchtigten Kap Hoorn. Sturmgepeitscht, kaum besiedelt und bis heute nicht vollends erforscht. Die schönsten Gebirge der Welt »Stolpert bloß nicht über den Gaskocher. Die Zypressen dort fangen leicht Feuer!«, mahnt Bergführer José, der uns auf dem Campingplatz am Lago Pehoe mit frischgebrühtem Kaffee empfängt. Zwei Autostunden nördlich von Puerto Natales liegt das große Sehnsuchtsziel aller Patagonien-Reisenden: der 181.000 Hektar um - fassende Torres del Paine National Park – seit 1978 UNESCO-Biosphärenreservat. Josés Warnung kommt hier nicht von ungefähr, denn durch die Unachtsamkeit eines Touristen sind im Januar 2012 die Wälder und Steppen am Rande des Grey-Gletschers verbrannt. Ein Drama, das der Schönheit dieses Parks jedoch keinen Abbruch tut. »Schreie aus Stein«, nannten die Tehuelche-Indianer die steil emporragenden Felsnadeln des legendenumwobenen Torresdel-Paine-Massivs, das sich mit knapp 3.000 Metern Höhe majestätisch aus der chilenischen Pampa erhebt. Gekrönt von blauschimmernden Gletschern und umspielt von Bergseen, die wie Smaragde und Saphire funkeln, zählt diese Gebirgslandschaft zu den spektakulärsten der Erde. Wobei man fairerweise sagen muss, dass auf argentinischer Seite, nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt, mit dem Fitz-Roy-Gebirge und dem Perito-Moreno-Gletscher zwei weitere Dick ver - mummter Gaucho mit seinen Hütehunden Auf den Spuren der Entdecker »Ausschlafen könnt ihr zu Hause!« So etwas will man im Urlaub eigentlich nicht hören. Doch an Bord der »Stella Australis« hat niemand vor, sich faul zurückzulehnen. Dazu ist diese Expeditions-Kreuzfahrt viel zu aufregend. Über verschlungene Wasserwege soll es durch den Nationalpark Alberto de Agostini gehen, der mit 14.600 qkm praktisch den gesamten Südwesten Feuerlands umfasst. Keine einzige Straße führt zu ihm. Im letzten Licht des Tages fuhren wir vom Hafen in Punta Arenas hinaus auf die Magellanstraße. Bei einem grandiosen Sonnenaufgang im Almirantazgo-Sund haben sich dann die ersten Gletscher der Darwin-Kordillere aus nächster Nähe gezeigt. Und jetzt wird es mit der Trockenübung für die erste Ausschiffung in der Ainsworth-Bucht ernst. »Vergesst ja nicht, das kleine Schild von eurer Schwimmweste in den Heckschrank zu hängen. Sonst wissen wir nicht, wer verschollen ist, wenn später einer fehlt«, ruft Expeditionsleiter Mauricio uns zum Schluss noch mit schelmischem Grinsen hinterher. Dabei meint er es keineswegs im Scherz. Kurze Zeit später saust dann auch schon das erste Zodiak mit zwölf grellorange leuchtenden Gestalten übers aufgewühlte Wasser dahin. In der See-Elefanten-Kolonie, die sich vorn in der Bucht auf einer Sandbank angesiedelt hat, gibt es gerade Ärger. Revierkämpfe unter den Bullen. »Da bleibt besser fern«, rät Guide Eduardo und startet mit unserer kleinen Truppe gleich zur Erkundungstour. Durch einen verwunschen daliegenden Scheinbuchen-Urwald geht es bis an den Fuß des Marinelli-Gletschers, wo uns bizarre Eisvögel erwarten. Sonne und Wind haben diese Riesenskulpturen im Laufe der Zeit aus abgebrochenen Eisbergen gezaubert. Ganz real sind dagegen die Magellan-Pinguine, die wir nachmittags auf Tuckers Islets besuchen. Es gießt in Strömen, doch die hartgesottenen Tiere dösen auf den Felsen vor sich hin wie unsereiner beim Sonnenbad. Kap Hoorn – Seemanns Grab von 10.000 Seelen Glücklicherweise ziehen die Unwetter hier im Sommer meist so schnell vorüber wie sie gekommen sind, und so vergehen die Tage wie im Flug. Die Exkursionen – allen voran der Besuch des kalbenden Pia-Gletschers – werden zu unvergesslichen Erlebnissen. REISE & PREISE 4-2013 97

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