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Rotary Magazin 04/2022

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Rotary Magazin 04/2022

SCHWERPUNKT – ROTARY

SCHWERPUNKT – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – APRIL 2022 ROTARIER IM FOKUS «TOLERANTES HANDELN HEISST N 24 Rot. Thomas Zuber ist Kommandant der Polizei Kanton Solothurn. Die Bevölkerung erwartet von der Polizei, dass sie Straftaten verhindert, sie vor Straftätern schützt und in der Lage ist, Delinquenten zu überführen. Wir leben in einer Phase von schnellen technischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Veränderungen und einer zunehmenden Spezialisierung. Die Polizei muss mit dieser Entwicklung im gleichen Tempo Schritt halten. «Die Polizei. Dein Freund und Helfer.» Kann man Freund sein, wenn man als Hüter des Gesetzes darüber wachen muss, dass Vorschriften eingehalten werden? Thomas Zuber: Unsere Polizistinnen und Polizisten tragen verschiedene Hüte. Sie müssen spontan entscheiden, ob ein entschlossenes Eingreifen nötig oder ein empathisches, tröstendes Handeln möglich ist. Unsere Gesellschaft ist diverser geworden, dementsprechend sind die Erwartungen an die Polizei vielfältiger geworden. Was bedeutet das konkret? Die einen Leute erwarten, dass die Polizei jede Ordnungswidrigkeit ahndet, andere möchten sie am liebsten nie sehen. Es sei denn, man braucht sie. Eine dritte Gruppe will sie mehr im Internet antreffen, aber weniger in der realen Welt. Alles in allem bedeutet das: Die Aufgabe der Polizei besteht darin, glaubwürdig aufzutreten, Vertrauen zu wecken. Vertraut die Gesellschaft der Polizei, dann wird sie auch als «Freund» wahrgenommen, wenn es darum geht, Vorschriften umzusetzen. In welchen Zusammenhängen darf eine Polizistin, darf ein Polizist tolerant sein? Toleranz sollte man mit unvoreingenommenem, angemessenem und verhältnismässigem Handeln gleichsetzen. Eine Polizistin, ein Polizist muss sich am Gebot der Verhältnismässigkeit orientieren. Sie oder er müssen stets das mildeste Mittel anwenden und nicht mit Kanonen auf Spatzen schiessen. Ohne dabei Gefahr zu laufen, der Begünstigung bezichtigt zu werden? Tolerantes Handeln heisst nicht, ein Auge zuzudrücken. Wer ein Delikt begeht, hat keinen Anspruch auf einen Ermessensspielraum. Die Polizei hat grundsätzlich die vorhandenen Gesetzesbestimmungen anzuwenden. «WER SICH AUSSCHLIESSLICH AUF SEINE VORGESETZTEN- ROLLE BERUFT, KANN HEUTZUTAGE NICHT MEHR REÜSSIEREN» Sie nennen auf Ihrer Webseite Bürgernähe, Innovation und Teamgeist als Attribute, die Ihr Korps auszeichnen. Die Polizei Kanton Solothurn ist ein mittelgrosses Korps. Wir unterhalten in unserem weitverzweigten Kanton nach wie vor 17 Standorte. Jede Gemeinde hat bei uns eine Anspruchsperson. Zu den Gemeindebehörden pflegen wir intensive Kontakte. Das ist unser Indikator für Bürgernähe. Unser Korps hat als eines der ersten in der Schweiz ein kantonales Bedrohungs-Management aufgebaut. Der Jugendkriminalität begegnen wir seit rund 15 Jahren mit einer eigenen Jugendpolizei. Relativ früh haben wir für unsere Mitarbeitenden einen internen psychologischen Dienst eingeführt. Das sind drei unserer innovativen Ansätze. Kurze Wege fördern unseren Teamgeist. Was gilt: ein väterlicher oder ein hierarchisch-militärischer Führungsstil? Wer wie wir viele junge, aufgeschlossene Leute der Generationen Y und Z beschäftigt, kann nicht mit einem hierarchisch-militärischen Führungsstil aufwarten. Ein solcher wäre nicht mehr zeitgemäss. Natürlich sind einmal getroffene Entscheidungen auch umzusetzen. Wichtig ist, dass alle Involvierten über den Sinn von Aufträgen informiert und motiviert werden, gemeinsame Ziele zu erreichen. Wer sich ausschliesslich auf seine Vorgesetztenrolle beruft, kann heutzutage nicht mehr reüssieren. Mehr als 600 Personen bilden den aktuellen Bestand der Solothurner Kantonspolizei. Wie gelingt es Ihnen als Chef, diese hohe Anzahl Mitarbeitender zu einer geschlossenen Einheit zu formen? Das gelingt nur dank der Unterstützung eines sehr guten Kaders und der hohen Einsatzfreude aller Korpsangehörigen. Die Polizei muss während sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr funktionieren. Der Chef befindet sich eher selten am gleichen Platz wie seine Mitarbeiterin oder sein Mitarbeiter. Meine Aufgaben und die Aufgaben unseres Kaders sind, die Richtung vorzugeben, Vorbild zu sein und Vertrauen mitzugeben. Letztlich prägt vor allem jene Beamtin oder jener Beamte, der Sie um zwei Uhr morgens auf der Strasse kontrolliert, das Ansehen der Polizei. Wie weit bewegen Sie sich als Vorgesetzter im Polizeialltag? Während rund vier Wochen im Jahr leiste ich selbst Pikettdienst, bin also zuständig für alle Anliegen, Fragen und Entscheidungen von einer gewissen Tragweite. Aus dieser Tätigkeit erhalte ich

SCHWERPUNKT – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – APRIL 2022 ICHT, EIN AUGE ZUZUDRÜCKEN» viele Rückmeldungen, die mir einen wert- halten. Wenn uns das nicht gelingt, verlie- nicht dazu beitragen, das Vertrauen in die vollen Einblick in die tägliche Praxis ren wir an Kompetenzen und Glaubwür- Arbeit der Polizei und deren Glaubwür- ermöglichen. Zudem bedeuten die vorhin digkeit. Das führt uns zu einer zweiten digkeit zu stärken. erwähnten kurzen Wege, dass ich relativ Herausforderung: Um unsere Aufgaben rasch von den verschiedensten Problem- erfüllen zu können, müssen wir über Zu Ihren wichtigsten Aufgaben stellungen Kenntnis erhalte. genügend geeignete Leute verfügen gehört seit jeher die Prävention und «EINE ART RAMBO- IMAGE WÜRDE NICHT DAS VERTRAUEN IN DIE ARBEIT DER POLIZEI UND DEREN GLAUBWÜRDIGKEIT STÄRKEN» können. Diese zu rekrutieren und zu behalten, ist nicht einfach. Auch wir bewegen uns in einem Arbeitnehmermarkt. Sagen Sie uns etwas zum Image der Polizeiberufe? Über alles gesehen hat sich dieses in den letzten Jahren verbessert. Früher begegnete man uns beispielsweise im Asylbereich mit gewissen Vorbehalten. die Aufklärung von Verbrechen. Gibt es Tendenzen, die Sie besonders beschäftigen? Wir sehen Veränderungen in einzelnen Deliktfeldern. Es gibt eher weniger Einbruchsdelikte. Dagegen verzeichnen wir eine Zunahme der digitalisierten Kriminalität, also Straftaten wie Betrug, Drohungen und Erpressungsversuche, die mittels Internet begangen werden, aber Welches sind Ihre grössten Heute agieren die Beteiligten nicht mehr als Phänomen bereits vor dem Internet Herausforderungen? gegen – oder nebeneinander, sondern bekannt waren. Im Fokus unserer Auf- Unsere Bevölkerung erwartet von uns, dass wir Straftaten verhindern, sie vor Straftätern schützen und in der Lage sind, Delinquenten zu überführen. Wir leben in miteinander; man nimmt uns als Brückenbauer, als kompetenten Sicherheitspartner wahr. Klar braucht es in bestimmten Krisensituationen auch Einheiten, welche merksamkeit steht auch die strukturierte Kriminalität. Diese zu bekämpfen, erfordert hohe Ressourcen. In diesem Bereich ist das Dunkelfeld gross. 25 einer Phase von schnellen technischen, in der Lage sind, sich entschlossen und rechtlichen und gesellschaftlichen Verän- allenfalls auch mit angemessener Härte Auf einer Skala von eins bis zehn: derungen und einer zunehmenden Spezi- durchzusetzen. Auch die Angehörigen Wie sicher sind wir in der Schweiz? alisierung. Die Polizei muss mit dieser solcher Einsatzkräfte sind jedoch keine Ich würde hier die Zahlen Sieben bis Entwicklung im gleichen Tempo Schritt «Rambos». Eine Art Rambo-Image würde Acht setzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass PEOPLE OF ACTION Thomas Zuber, geboren am 18. Januar 1962, wohnhaft in Biberist, verheiratet mit Carmen Niederberger Zuber, wurde im Anschluss an sein Jus-Studium an der Universität Bern 1989 als bernischer Fürsprecher patentiert. In seiner ersten beruflichen Position war er Chef des Amtes für Ausländerfragen des Kantons Solothurn. Im Jahr 1994 wechselte er in den Polizeidienst, wurde Chef der Kriminalpolizei und nach einer Offiziersausbildung am Polizei-Institut Neuenburg sowie nach einem Lehrgang am FBI in den USA 2008 – als Nachfolger von Rot. Martin Jäggi (RC Solothurn) – Kommandant der Polizei Kanton Solothurn. Thomas Zuber ist seit 2002 Mitglied des RC Solothurn-Land. Rot. Thomas Zuber erklärt: «Die Wahrscheinlichkeit, dass jemandem etwas passiert, ist eher gering. Je nach Umfeld und Verhalten kann sich das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, verändern»

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