34 Schwerpunkt: Bitumen Abbildung 3: Gegenüberstellung des gemessenen und berechneten Phasenwinkels δ bei 30 °C. (Quelle: TU Berlin) der Erweichungspunkt T R&K abschätzen. Die Bestimmtheitsmaße für diese Anpassungen sind zwar geringer, aber dennoch stellen sich zwischen den gemessenen und berechneten Kennwerten jeweils starke Zusammenhänge ein. In Bezug auf den mittleren Fehler RMSE ergeben sich für den komplexen Schermodul Abweichungen von 3 bis 5 % bezogen auf den Mittelwert, womit dieser deutlich unterhalb der zulässigen Spanne von 15 % nach DIN EN 14770 (2012) liegt. Die zulässige Abweichung für den Erweichungspunkt liegt hingegen bei 3 °C und wird somit durch den mittleren Fehler der Validierung überschritten. Dies könnte möglicherweise auf die geringe Probenanzahl zurückzuführen sein, weshalb diese Analysen nochmals mithilfe eines größeren Datensatzes modifiziert werden sollten. Nach diesen Ergebnissen erlauben die SARA-Fraktionen jedoch lediglich eine grobe Abschätzung des Erweichungspunkts. Einige Kennwerte wie beispielsweise die Biegekriechsteifigkeit und der m-Wert zur Erfassung des Tieftemperaturverhaltens nach der BBR-Untersuchung konnten hingegen nicht zufriedenstellend erfasst werden. DANKSAGUNG Die Autoren möchten sich herzlich bei der Bundesanstalt für Straßenwesen für die Unterstützung und die fachliche Betreuung und Beratung bedanken. Darüber hinaus gilt weiterer Dank den Mitarbeitern des Fachgebiets Chemie mesoskopischer Systeme des Instituts für Chemie der Universität Kassel und den Mitarbeitern der ASPHALTA Prüf- und Forschungslaboratorium für die umfangreichen Untersuchungen. wählte Linearkombinationen zur Erfassung verschiedener Kennwerte gibt. Die Grundlage dieser Modelle bilden wie auch bei den Korrelationsanalysen jeweils die elf Bitumenproben in den drei verschiedenen Alterungszuständen, sodass sich eine Gesamtanzahl von 33 Proben ergab. In Abbildung 3 sind neben den Kalibrier- und Validierdaten weiterhin die Kriterien zur Bewertung der Anpassung in Form des Bestimmtheitsmaßes R² und des mittleren Fehlers RMSE angegeben. Darüber hinaus ist in der Abbildung die Winkelhalbierende dargestellt, wobei geringe Abstände der Bitumenproben zu der Winkelhalbierenden für eine hohe Anpassungsgüte sprechen. Für den Phasenwinkel δ bei 30 °C zeigt sich sowohl anhand der Bestimmtheitsmaße als auch anhand der Annäherung der Werte an die Winkelhalbierende eine hohe Anpassungsgüte. Diese wird weiterhin durch die mittleren Fehler RMSE bestätigt, da diese mit 2,3° für die Kalibrierung und mit 3,2 °C für die Validierung in der gleichen Größenordnung wie die nach Norm DIN EN 14770 (2012) geltende maximal zulässige Abweichung des Phasenwinkels von 3° liegen. Somit lässt sich anhand der Gehalte und der Molmassenmittelwerte der SARA-Fraktionen der Phasenwinkel δ auf einer Temperaturstufe von 30 °C anpassen. Vergleichbare Ergebnisse konnten auch für die übrigen Temperaturstufen im mittleren Gebrauchsbereich gefunden werden, während jedoch mit zunehmend steigenden Temperaturen eine Abnahme der Anpassungsgüte festzustellen ist. Diese ist auf die Annäherung des Phasenwinkels δ auf einen Wert von 90° zurückzuführen, der das zunehmend viskose Verhalten der Bitumen bei steigenden Temperaturen verdeutlicht (vgl. Tabelle 2). Auf den höheren Temperaturstufen zeigen sich somit wenig aussagekräftige Modelle. Neben dem Phasenwinkel lassen sich nach Tabelle 2 weiterhin auch der komplexe Schermodul log |G*| und Ableitung eines Bindemitteldesigns Basierend auf den vorgestellten Modellen und den darin erstellten Linearkombinationen erfolgte anschließend die theoretische Ableitung eines Bindemitteldesigns. Durch das Umstellen der Linearkombinationen können die Gehalte der einzelnen Fraktionen bestimmt werden, die theoretisch zum Erreichen eines jeweils vorgegebenen Kennwerts erforderlich sind. In Bezug auf den Phasenwinkel bei 30 °C gehen die Gehalte der gesättigten und Kohlenwasserstoffe und Aromaten beispielsweise positiv in die Berechnung ein (vgl. Tabelle 2), sodass durch zunehmende Gehalte dieser Fraktionen ein wachsender Phasenwinkel erwartet werden kann. Eine gezielte Erhöhung kann somit durch die Zugabe dieser Fraktionen erfolgen, wobei die für einen definierten Phasenwinkel erforderlichen Gehalte durch das Umstellen der Linearkombination berechnet werden können. Die erstellten Modelle bieten somit einen ersten Ansatz für ein Bindemitteldesign, mit dem die Eigenschaften eines Bitumens gezielt verändert werden könnten. Trotz des erfolgreichen Ansatzes bleibt die Idee eines Bindemitteldesigns jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch eine visionäre Vorstellung, da vor einem möglichen Einsatz in der Praxis noch ein großer Forschungsbedarf besteht. So müssten die erstellten Modelle noch kombiniert werden, um bei der Vorgabe verschiedener Kennwerte und somit eventuell gegensätzlichen Anforderungen an die SARA-Fraktionsgehalte ein Optimum finden zu können. Zudem wird durch die Zugabe einzelner Fraktionen das Verhältnis der Fraktionen zueinander beeinflusst, was sich negativ auf die Solvatationsfähigkeit des Bitumens auswirken könnte. Aus diesem Grund sollte untersucht werden, ob bestimmte Verhältnisse zwischen den Fraktionen einzuhalten sind und somit entsprechende Bedingungen in den Modellen verankert werden 1|2019
Schwerpunkt: Bitumen 35 sollten. Die größte Herausforderung in Bezug auf ein synthetisches Bindemitteldesign besteht jedoch in einer großtechnischen Auftrennung der Bitumen in die einzelnen SARA-Fraktionen. Eine solche großtechnische Auftrennung ist mit den derzeitigen Methoden nicht möglich, wobei diese für die Anwendung des erarbeiteten Bindemitteldesigns jedoch zwingend erforderlich wäre. Darüber hinaus müssten die SARA-Fraktionen für Bitumen jeder Erdölprovenienz separat abgetrennt werden, da lediglich die Fraktionen einer Provenienz miteinander kompatibel sind und sich zufriedenstellend miteinander vermischen lassen (nach [Lesueur 2009; Koots, Speight 1975; Pfeiffer, Saal 1940]). Trotz der vorwiegend theoretischen Ableitung eines synthetischen Bindemitteldesigns konnten im Rahmen dieses Projekts dennoch verschiedene Korrelationen und Modelle gefunden werden, die zum Teil neue Zusammenhänge zwischen den chemischen und den physikalischen Eigenschaften aufzeigen. Abschließende Betrachtung Das Ziel dieses Projekts war die Erarbeitung eines Bindemitteldesigns, mit dem eine gezielte Beeinflussung der Bitumeneigenschaften möglich ist. Dafür wurden verschiedene Bitumenproben mit einer Vielzahl an chemischen und physikalischen Verfahren untersucht und in einem ersten Schritt nach bilateralen Zusammenhängen zwischen den Kennwerten gesucht. Bei diesen Auswertungen zeigte sich, dass der Asphaltengehalt und die allgemeine Verteilung der Bitumenfraktionen einen entscheidenden Einfluss auf die Eigenschaften des Bindemittels haben. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden in einem zweiten Schritt Modelle erstellt, in denen die physikalischen Kennwerte anhand der Bitumenfraktionen beschrieben werden können. Dabei sind neben den Gehalten der Fraktionen auch die Molmassenmittelwerte M n und somit die Molekülgrößen der Bestandteile entscheidend, die in Form einer Linearkombination eine Abschätzung verschiedener Kennwerte wie des Erweichungspunkts Ring und Kugel, des komplexen Schermoduls und des Phasenwinkels erlauben. Die erstellten Modelle bildeten daraufhin die Grundlage zur Ableitung eines Bindemitteldesigns, mit dem eine gezielte Beeinflussung der Bitumeneigenschaften möglich wird. Bei der Vorgabe eines speziellen physikalischen Kennwerts können die ermittelten Linearkombinationen umgestellt werden, sodass die erforderlichen Veränderungen in Bezug auf die Fraktionsgehalte bestimmt werden können. Somit kann beispielsweise identifiziert werden, welche Fraktion um welchen Gehalt erhöht werden muss, um den vorgegebenen Kennwert zu erreichen. Auf diese Weise wird eine gezielte Beeinflussung der Bitumeneigenschaften möglich. Grundsätzlich bleibt die Anwendung dieses Bindemitteldesigns derzeit jedoch eine visionäre Vorstellung, da momentan eine großtechnische Auftrennung der Bitumenproben in der Praxis nicht möglich ist. Dennoch konnten im Rahmen des Projekts eine Vielzahl neuer Zusammenhänge zwischen den chemischen und den physikalischen Eigenschaften des Bitumens gefunden werden. Da diese Zusammenhänge auf einer vergleichsweise geringen Probenanzahl basieren, sollten diese jedoch noch anhand größerer Datensätze verifiziert werden. • AUTOREN Dr.-Ing. Sandra Weigel Technische Universität Berlin Institut für Bauingenieurwesen Fachgebiet Baustoffe und Bauchemie Gustav-Meyer-Allee 25 13355 Berlin sandra.weigel@tu-berlin.de Prof. Dr. rer. nat. Dietmar Stephan Technische Universität Berlin Institut für Bauingenieurwesen Fachgebiet Baustoffe und Bauchemie Gustav-Meyer-Allee 25 13355 Berlin stephan@tu-berlin.de Dr.-Ing. Volker Hirsch Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) Referat S4 – Chemische Grundlagen und Umweltschutz Brüderstraße 53 51427 Bergisch Gladbach LITERATUR Backhaus, K.; Erichson, B.; Plinke, W.; Weiber, R. (2011): Multivariate Analysemethoden. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg de Peinder, P.: Characterization and Classification of Crude Oils Using a Combination of Spectroscopy and Chemometrics, Universiteit Utrecht, Dissertation, 2009 Fahrmeir, L.; Künstler, R.; Pigeot, I. ; Tutz, G.: Statistik – Der Weg zur Datenanalyse. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, 2007. – 6. überarbeitete Auflage Hunter, R. N.; Self, A.; Read, J. (2015): The Shell Bitumen Handbook. Thomas Telford Publishing, London Janssen, J.; Laatz, W. (2013): Statistische Datenanalyse mit SPSS. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg Kessler, W.: Multivariate Datenanalyse. Wiley-VCH Verlag Weinheim, 2007 Koots, J. A.; Speight, J. G.: Relation of petroleum resins to asphaltenes. In: Fuel (1975), Nr. 54, S. 179-184 Lesueur, D.: The colloid structure of bitumen: Consequences on the rheology and on the mechanisms of bitumen modification. In: Advances in Colloid and Interface Science (2009), Nr. 145, S. 42–82 Mezger, T. G.: Das Rheologie Handbuch: Für Anwender von Rotations- und Oszillations-Rheometern. Vincentz Network Hannover, 2010. – 3. überarbeitete Auflage Pfeiffer, J. P.; Saal, R. N. J.: Asphaltic bitumen as colloid system. In: Physical Chemistry (1940), Nr. 44, S. 139–149 Šebor, G.; Blažek, J. ; Nemer, M. F.: Optimization of the preparative separation of petroleum maltenes by liquid adsorption chromatography. In: Journal of Chromatography A (1999), Nr. 847, S. 323– 330 Stephan, D.; Weigel, S.: Bindemitteldesign für Asphaltstraßen durch Definition eines chemisch-rheologischen Anforderungsprofils. Schlussbericht zu BASt-Projekt FE 07.0249/2011/BRB, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft S 123, 2018 Zenke, G.: Zum Löseverhalten von „Asphaltenen“: Anwendung von Löslichkeitsparameter-Konzepten auf Kolloidfraktionen schwerer Erdölprodukte, Technische Hochschule Clausthal – Fakultät für Bergbau, Hüttenwesen und Maschinenwesen, Dissertation, 1989 1|2019
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