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Taxi Times Berlin - Mai / Juni 2019

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TAXI-DEMOS Warten auf

TAXI-DEMOS Warten auf die Demonstranten, die im Verkehr feststecken: Bundesverbandspräsident Michael Müller (im blauen Hemd) und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (mit hellem Schal) , im Hintergrund Bundesverbands-Vize Hermann Waldner (mit schwarzem Rollkragen) und CDU-Verkehrsexperte im Bundestag Michael Donth (mit hellgrüner Krawatte). „ZEIGEN SIE, DASS SIE ZUGEHÖRT HABEN!“ Ein Verbandspräsident, der nicht locker lässt, und ein Minister, der sich nicht festnageln lassen will – das gab einen heißen Schlagabtausch. So ist lange kein Minister mehr ausgepfiffen und ausgebuht worden. Hier die Fortsetzung der drei Sternfahrt-Berichte (S. 6-11): Die Kundgebung auf der Bühne am Brandenburger Tor begann mit erheblicher Verspätung, so dass mehrere Politiker wie etwa die Bundestagsabgeordneten Michael Donth (CDU) und Detlef Müller (SPD) die Bühne aus Termingründen bereits wieder hatten verlassen müssen. „Die hätte ich gerne zu Wort kommen lassen. Ich kann mir vorstellen, wir hätten ein paar weitere Fürsprecher gehabt“, bedauerte Hermann Waldner, Vizepräsident des Bundesverbands Taxi und Mietwagen, gegenüber Taxi Times. Doch man wollte auch auf die Kollegen warten, die noch zur Straße des 17. Juni unterwegs waren. Und einer, der nicht menschenscheu ist und sich des öfteren seinen Kritikern stellt, blieb da, auf der Bühne mit seinen Personenschützern, zwischen Vertretern des Taxigewerbes und Journalisten, um sich zu den Vorwürfen gegen seine Politik zu äußern: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Nach der Begrüßung durch den Berlin-Repräsentanten des Bundesverbands, Michael Oppermann, und einigen kurzen Reden von Berliner Verbandsvertretern wie Rolf Feja und Erkan Özmen formulierte Verbandspräsident Müller auf der Bühne zum x-ten mal in prägnanter Dosierung die Forderungen des Taxigewerbes und schloss seine einleitende Rede mit seiner Sicht auf ein vorangegangenes Zusammentreffen mit Verkehrsminister Scheuer. Müller, Waldner und Verbandsgeschäftsführer Thomas Grätz waren am 22. März, fünf Wochen nach Bekanntwerden des berüchtigten Eckpunktepapiers aus dem Ministerium, mit Scheuer zusammengetroffen Im Bundesgesetz muss die Rückkehrpflicht erhalten bleiben. Michael Müller, Präsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. und hatten ihm noch einmal die drohenden Konsequenzen im Falle eines Wegfalls der Rückkehrpflicht für Mietwagen erläutert. Müller bezeichnete jene Unterredung als – nach Eindruck des Verbandes – „sehr gutes Arbeitsgespräch“, weshalb die – wortwörtlich zu nehmende – Enttäuschung über Scheuers Rückzieher wenige Tage später umso größer gewesen sei. Doch Scheuer spricht auch mit Lobbyisten. Auch diesmal hörte Scheuer zumindest wieder aufmerksam zu, als Müller ihn aufforderte, zu zeigen, dass er zugehört habe und verstanden habe, dass seine Eckpunkte „so nicht Bestandteil bleiben dürfen“. Würde man nur wieder „die gleichen Worthülsen zu hören bekommen, dann würden wir uns „gegenseitig Zeit stehlen.“ Mit den Worten „Herr Minister, wir erwarten neue Aussagen von Ihnen – bitte schön“ übergab Müller dem so Angesprochenen das Rednerpult. Der musste zuerst ein einminütiges Pfeifkonzert mit Buh-Rufen und „Uber-raus!“-Sprechchören über sich ergehen lassen – offensichtlich wird Scheuer recht eng mit Uber in Verbindung gebracht, obwohl er den Firmennamen selten in den Mund nimmt. Ein Teil der Demonstranten hatte sich kurzzeitig demonstrativ von der Bühne weggedreht. Mit lauter, fester Stimme wandte Scheuer sich nach kurzer Begrüßung mit dem Vorwurf an Müller, dieser hätte seinerseits den aktuellen „Verhandlungsstand“ nicht ganz korrekt wiedergegeben. Schlagartig erhöhte sich der Stimmenpegel der Demonstranten, so dass Scheuer mit erhöhter Lautstärke weitersprechen musste. FOTOS: Axel Rühle / Taxi Times 12 MAI/JUNI 2019 TAXI

TAXI-DEMOS Jens Schmiljun, Andreas Scheuer, Rolf Feja, Hermann Waldner, Michael Oppermann, Boto Töpfer u. a. Hunderte Demonstranten am Brandenburger Tor pfiffen, buhten Andreas Scheuer aus und skandierten „Uber raus!" Er begann nun erneut seine bekannte Argumentationslinie: Wenn er seine Eckpunkte, bevor sie ausdiskutiert seien, zurückziehen würde, dann ginge auch dieser und jener Punkt verloren, der für das Taxigewerbe positiv sei und es vor unlauterem Wettbewerb schütze, und das wolle Müller doch sicherlich nicht. „Ich habe Ihren Forderungskatalog gelesen. Ich habe ihn aufgenommen, und Sie haben zu meinem Eckpunktepapier gesagt: Ja, wenn es fair zugeht, dann finden wir eine Lösung.“ Anschließend las Scheuer nacheinander die sieben Überschriften aus dem Verbandspapier vor (siehe S. 14) und bejahte sie nachdrücklich: „Fairer Wettbewerb der Anbieter – ja! Mein Wort haben Sie: fairer Wettbewerb der Anbieter!“ Die nächsten Punkte kommentierte er jeweils mit „ja! Kann ich unterschreiben!“, wobei die Menge langsam lauter wurde. KONTROLLE AUF JEDE KLEINE KOMMUNE ABWÄLZEN? Auch die nächste Stufe der Argumentationslinie kam vielen bekannt vor: „Wollt ihr fairen Wettbewerb?“ – und eine Reihe ähnlicher rhetorischer Fragen, wollt ihr dies, wollt ihr das, wollt ihr auch am neuen Großflughafen laden dürfen? Die häufige Wiederholung des Satzbeginns „Wollt ihr ...“ führte bei humorvollen Zuhörern zum Kommentar „Maoam-Rede“; andere hatten Assoziationen, bei denen der Spaß aufhört. Dann ein entscheidender Punkt: „Die Frage der Rückkehrpflicht überlasse ich den Städten. Die Städte müssen entscheiden: ja oder nein. [...] Keiner will ungeregelte, ungerechte, unfaire Verhältnisse der Personenbeförderung, wie es in anderen Ländern ist. Keiner will in Deutschland San Francisco, keiner will New York, keiner will Los Angeles.“ Dann, wegen der Lautstärke der Demonstranten fast schreiend: „Kapieren Sie endlich, dass ich Sie brauche für die Daseinsvorsorge! Und ich kämpfe dafür, dass Ihr Gewerbe geschützt wird […]. Akzeptieren Sie auch, dass ich zu meinen Zusagen stehe, und fangen Sie nicht immer nur bei Null an, sondern gehen Sie auch darauf ein, dass ich mich bewege, zum Wohl der Taxiunternehmer, zum Wohl der Taxifahrer, gegen unfairen und ungeregelten Wettbewerb!“ Scheuer vermied eine Aussage zur Beibehaltung der Rückkehrpflicht für Mietwagen im Personenbeförderungsgesetz (PBefG), also im Bundesrecht. Er will sie abschaffen, den Städten jedoch die Entscheidung überlassen, sie auf kommunaler Ebene festzusetzen – und ihre Einhaltung zu überwachen – und da liegt aus Sicht des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen der Haken: Größstädte wie Berlin, München und Köln sind schon heute mit der Kontrolle in so absolutem Maße überlastet, dass sie faktisch nicht stattfindet. Würde man allen Kommunen diese Aufgabe überlassen, wäre sie in der Praxis abgeschafft. Der Bundesverband will es deshalb umgekehrt: Im Bundesgesetz soll die Rückkehrpflicht beibehalten werden, und den Kommunen könne man gerne die Erlaubnis erteilen, sie bei sich außer Kraft zu setzen. So ging die Diskussion zwischen Scheuer, der immer wieder auf Allgemeinplätze auswich, und Müller, der hartnäckig ein Festhalten an der Rückkehrpflicht auf Bundesebene forderte, einige Zeit weiter. Müller hatte aber offenbar die Aussage des Deutschen Städtetages im Hinterkopf, der den Eckpunkten kurz zuvor eine Absage erteilt hatte. Er ließ nicht locker und setzte Scheuer nochmals die Pistole auf die Brust: „Erklären Sie hier verbindlich: Sind Sie bereit, die Rückkehrpflicht im Bundesgesetz weiterhin zu erhalten – oder wollen Sie hier nur darauf hinweisen, die Kommunen können ja, wenn sie weggefallen ist, etwas für uns tun?“ Scheuer schloss seine – wieder eher allgemein gehaltene – Antwort mit dem Vorschlag: „Wir werden die Entscheidung der Städte mit einbeziehen, ja oder nein, und dann können wir darüber diskutieren, wie weit wir das ausformulieren. Ausgemacht?“ Darauf ließ Michael Müller sich von Andreas Scheuer die Hand geben und erklärte: „Herr Minister, die Frage der Städte ist beantwortet: Der Deutsche Städtetag hat gestern oder vorgestern genau verkündet, dass er vom Aufgeben der Rückkehrpflicht im Bundesgesetz ebenfalls nichts hält. Das müssen wir nicht noch zusätzlich diskutieren, sondern es ist eine ganz klare Sache: Wenn tatsächlich Kommunen der Meinung sind, sie könnten das besser regeln, dann können sie das versuchen. [...] Und deswegen sagen wir ganz klar: Im Bundesgesetz muss die Rückkehrpflicht erhalten bleiben, und diese Forderung werden wir auch nicht aufgeben.“ VIZEPRÄSIDENT WALDNER ZIEHT POSITIVE BILANZ Nach gut einer Stunde war die Kundgebung beendet. Auch wenn Scheuer sich in seiner Position kaum bewegt hat, so zog Bundesverbands-Vizepräsident Waldner doch ein positives Resümee und wertete den Aktionstag insgesamt als Erfolg für das deutsche Taxigewerbe, da zunehmend viele Politiker sich für das Anliegen des Bundesverbandes und gegen Scheuers Pläne positionieren (siehe S. 18 bis 22). ar Einen Großteil des Wortlautes von Müllers und Scheuers Rededuell können Sie auf unserer Internetseite www.taxi-times.com nicht nur nachlesen, sondern sich sogar anhören und ansehen. TAXI MAI/JUNI 2019 13

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