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Im Interview: Sebastian

Im Interview: Sebastian Bergmann, Erik Pinetz, Karoline Spies • Lesedauer: 3 Minuten Was mit dem EU-Meldepflichtgesetz auf Beratung und Unternehmen zukommt Verlag Österreich: Das EU-Meldepflichtgesetz ist am 1. Juli dieses Jahres in Österreich in Kraft getreten. Was macht dieses Gesetz so wichtig und wer wird davon betroffen sein? Erik Pinetz: Mit dem EU-Meldepflichtgesetz (EU-MPfG) wurde auf Basis unionsrechtlicher Vorgaben in Österreich eine Meldepflicht für bestimmte grenzüberschreitende Steuergestaltungen eingeführt. Diese Meldepflicht ist insofern besonders, als vor allem die an der Gestaltung beteiligten Intermediäre (also die beteiligten Berater verschiedenster Beratungszweige) Ansprechpersonen der Meldepflicht sind. Karoline Spies: Allgemein hat das EU- Meldepflicht das Ziel, die Transparenz im Steuerrecht erheblich auszuweiten und damit die grenzüberschreitende Steuervermeidung zu bekämpfen. Die Meldepflicht soll dem Gesetzgeber vor allem helfen, potentielle Steuerschlupflöcher frühzeitig zu identifizieren und durch Reformen schließen zu können. Daneben hat die Meldepflicht aber sicherlich auch präventiven Charakter und wird Unternehmen schon von Beginn an davon abhalten, bestimmte Gestaltungen (zB Nutzung von Safe-Harbor Regeln, Ansiedelung in Staaten mit besonders niedrigen Steuersätzen oder mit präferentiellen Steuerregimen) überhaupt zu implementieren. Es geht bei Verstößen gegen die Meldevorschriften also nicht nur um finanzstrafrechtliche Problemfelder, sondern auch um die Reputation der betroffenen Unternehmen und Personen. Wer und was muss gemeldet werden? Pinetz: Wie bereits angerissen, betrifft die Meldepflicht insbesondere Intermediäre. Dazu zählen etwa Steuerberater, Rechtsanwälte oder Notare, aber auch Banken und sonstige involvierte Berater, die an der grenzüberschreitenden Gestaltung unmittelbar oder unterstützend mitwirken. Die Bandbreite ist durchaus groß. Sebastian Bergmann: Gemeldet werden müssen ganz bestimmte Steuergestaltungen. Das bedeutet nicht, dass sämtliche potentiell zu Steuervorteilen führende Gestaltungen meldepflichtig sind, sondern nur jene, die vom EU-MPfG explizit erfasst werden. Es kann also durchaus vorkommen, dass bestimmte aggressive Steuergestaltungen nicht zu melden sind. Spies: Um meldepflichtig zu sein, muss die Gestaltung bestimmte im EU-MPfG gelistete Kennzeichen (auch „Hallmarks“ genannt) erfüllen. Viele der in diesen Kennzeichen verwendeten Rechtsbegriffe sind dem österreichischen Steuerrecht bisher fremd (zB „Umwandlung von Einkünften“). Einige Kennzeichen sind zudem mangels konkreterer Beispiele nur schwer eingrenzbar und könnten daher auch eine Vielzahl alltäglicher Situationen erfassen. Auch wenn der österreichische Gesetzgeber versucht hat, „Über-Meldungen“ durch die zusätzliche Melde-Voraussetzung des bestehenden „Risikos der Steuervermeidung“ zu minimieren, bleibt Rechtsunsicherheit bestehen. Können Sie ein paar Beispiele für grenzüberschreitende Gestaltungen bringen? Pinetz: Die Bereiche sind durchaus vielfältig und unterschiedlich. Im Konzernbereich betrifft es etwa grenz-

überschreitende Gestaltungen in Wie sieht es mit der Haftung aus? in Österreich, waren auch die Aus- Zusammenhang mit Verrechnungs- Welche Sanktionen drohen bei nicht führungen im deutschen und interna- preisen bei der Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter. Im Finanzbe- korrekter Meldung? tionalen Schrifttum von wesentlicher Bedeutung. Durch die Berücksichti- 21 reich können auch Strukturierungen im Bereich von Eigen- und Fremdkapital wie auch bestimmte Cash-Pooling- Agreements erfasst sein. Es gibt aber Bergmann: Eine fehlerhafte Einschätzung über die Meldepflicht kann mit empfindlichen Strafen belegt werden. Jede verabsäumte, unvollständi- gung dieser Quellen konnte bereits in kurzer Zeit nach der Gesetzwerdung eine durchaus beachtliche Auseinandersetzung mit dem Thema erreicht Interview auch sehr generelle Bereiche wie etwa ge oder nicht fristgerechte Meldung werden. bestimmte Verschwiegenheitsklauseln ebenso wie die Meldung unrichtiger bzw Erfolgshonorarvereinbarungen. Informationen kann als Finanzordnungswidrigkeit mit bis zu € 50.000 Spies: Ob eine Gestaltung (zB ein bestimmter Forderungsverzicht oder (bei Vorsatz) oder mit bis zu € 25.000 (bei grober Fahrlässigkeit) sanktio- Die Herausgeber*innen eine Verrechnungspreisgestaltung) meldepflichtig ist, kann aber nie abstrakt beurteilt werden, sondern bedarf einer Untersuchung des jeweiligen Einzelfalls im Lichte des Kontextes niert werden. Spies: Zu beachten ist weiters, dass bei einer territorialen Anknüpfung eines Intermediärs oder des Steuer- © Privat Assoz. Univ.-Prof. Dr. Sebastian Bergmann, LL.M. MBA JKU Linz der Gesamtsituation und des jeweili- pflichtigen zu einem anderen EU-Mit- gen Kennzeichens. Bei einigen Kennzeichen – den sogenannten „bedingt meldepflichtigen Kennzeichen“ – kann nämlich eine Meldepflicht dann verneint werden, wenn steuerliche Vortei- gliedstaat auch dort Meldepflichten für grenzüberschreitende Gestaltungen bestehen können und die Strafen für eine Nicht-Meldung oder unvollständige Meldung in anderen Mitglied- © Helmreich Dr. Erik Pinetz, LL.M. MSc. WU Wien le keinen Hauptgrund der Gestaltung staaten teilweise empfindlich höher bilden; bei anderen Kennzeichen ist ausgestaltet sind. Bei der Einbindung dieser Nachweis jedoch nicht möglich. Welche Fristen sind zu beachten? mehrerer Steuerpflichtiger und/oder mehrerer Intermediäre aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten ist daher eine zeitgerechte Koordinierung aller © Huger Univ.-Prof. Dr. Karoline Spies WU Wien Bergmann: Große Beachtung im Hin- involvierten Parteien über eine allen- blick auf die Fristen fand zunächst falls bestehende Meldepflicht der Ge- natürlich der Umstand, dass auch be- staltung zu empfehlen. stimmte Altfälle, also bereits in der Vergangenheit verwirklichte Gestaltungen Abgesehen von der Aktualität, was gemeldet werden mussten. Dies stellte zeichnet Ihren Kommentar darüber für viele betroffene Intermediäre eine hinaus aus? Worauf haben Sie beim große Herausforderung dar. Kommentar besonders wert gelegt? Spies: Intermediäre und auch Steuerpflichtige sollten ein internes Kontrollsystem implementieren, wonach jede steuerliche Planung – egal, ob sie inhouse entworfen oder von einem Steuerberater zur Verfügung gestellt wurde – zeitnah zur Fertigstellung auf ihre Meldepflicht geprüft wird. Eine Meldung an die Finanzbehörden hat nämlich bei Neufällen innerhalb der herausfordernd kurzen Frist von 30 Tagen ab Bereitstellung oder Umsetzungsbereitschaft zu erfolgen. Pinetz: Zentral war es insbesondere, die unionsrechtlichen Grundlagen für die Praxis aufzuarbeiten. Schließlich hat sich der österreichische Gesetzgeber allgemein für eine sehr richtliniennahe Umsetzung entschieden. Insofern sind die unionsrechtlichen Vorgaben von essentieller Bedeutung für die praktische Anwendung der nationalen Regelungen im EU-MPfG. Bergmann: Nicht zuletzt, angesichts der noch eingeschränkten Literatur EAN 9783704685230 Erscheint November 2020 € 179,–