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Katastrophal digital? 28

Katastrophal digital? 28 Anleitung für eine gute virtuelle Zusammenarbeit in Teams Text: Dr. Susanna Kleindienst-Passweg, Dr. Astrid Reinprecht, Gerd Oberlechner, DSA M.A. • Lesedauer: 5 Minuten Wir arbeiten immer mehr virtuell. Im Lockdown haben wir gelernt, die Vorteile etwa von digi talen Tools für Videotelefonie, oder von online Visualisierungsprogrammen, zu erkennen und zu nutzen. Oft aber kommen wir auch an Grenzen – was sind Stolpersteine des virtuellen Arbeitens und wie können wir Konflikte vermeiden, die daraus entstehen? Virtuelle Zusammenarbeit erlaubt es uns, in schwierigen Kontexten (zB während eines Lockdowns) oder auch bei großer räumlicher Distanz miteinander zusammenzuarbeiten. Sei es in Teammeetings, oder in Workshops oder bei großen Konferenzen – räumliche Distanzen sind schnell und einfach zu überwinden. Knappe zeitliche Ressourcen lassen sich gut nutzen, etwa weil Anfahrts- oder Reisezeiten entfallen. Ergebnisse virtueller Zusammenarbeit, insbesondere auch Entscheidungen oder Vereinbarungen von Mediationen, können in Echtzeit dokumentiert und gemeinsam redigiert werden, etwa indem online protokolliert wird, was jede/r Teilnehmer*in einsehen kann. In Zeiten, in denen Personen häufig krank sind, reduziert virtuelles Arbeiten die Ansteckungsgefahr und ermöglicht es, miteinander in Kontakt zu bleiben (zB auch in Quarantäne). Abgesehen von diesen administrativ-organisatorischen Vorteilen, kann virtuelle Zusammenarbeit auch emotionale und gruppendynamische Erleichterungen bringen. Für Personen, die gerne lösungsorientiert arbeiten und die digitalen Tools aus dem beruflichen Alltag kennen, hilft virtuelles Arbeiten in einen Lösungsmodus zu kommen und zu fokussieren, weil „Zwischenkommunikation“ wie zB Small Talk ausfällt und man dadurch schneller zum Punkt kommt. Das Einhalten einfacher Gesprächsregeln, wie zB „Ausreden lassen“, gelingt leichter, weil das Medium selbst gewisse technische Eingriffe ermöglicht (zB Mikro ausschalten, wenn man nicht am Wort ist usw). In Teams oder Gruppen, wo (eskalierte) Konflikte vorherrschen, die physisches Zusammensein unmöglich machen, können virtuelle Tools das Arbeiten erleichtern, weil jede/r seinen/ihren Schutzraum hat. Das setzt zwar achtsame und straffe Moderation voraus, ist aber einfacher, als die Teilnehmer*innen physisch zu trennen. Leider gelingt virtuelle Zusammenarbeit aber nicht „einfach so“. Im Gegenteil, können leicht Fehler gemacht werden, wie das folgende Fallbeispiel zeigt: Durch den abrupten Lockdown aufgrund COVID-19 war in einer Beratungseinrichtung ab Mitte März 2020 direkter Klient*innenkontakt nicht mehr gestattet. Der Arbeitsmodus, der auf persönlichen Kontakt und face-to-face Zusammenarbeit beruhte, musste daher möglichst schnell umgestellt werden. Der organisatorische Aufwand dieser Veränderung war enorm. Es galt, diese und andere Veränderungen in wöchentlichen Teamsitzungen zu besprechen. Da Treffen vor Ort aber nicht mehr möglich waren, daher wurden diese „virtualisiert“. Dabei wurde Wesentliches übersehen: Zum Beispiel wurde nicht darauf geachtet, ob alle Mitarbeiter*innen technisch zu virtuellen Sitzungen in der Lage waren. Das Einrichten der Laptops seitens des Arbeitgebers wurde technisch nicht begleitet. Auch das Thema der Vertraulichkeit, besonders in Bezug der Vermischung beruflicher und privater Daten auf (der zum Teil privaten) Laptops oder datenschutzrechtliche Bedenken wurden vorab nicht angesprochen. Während der ersten Sitzungen, die rasch und ungeplant durchgeführt wurden, passierten wesentliche Fehler. So wurde nicht daran gedacht, die Sitzungen zu moderieren. Zudem gab es keine Protokollführung oder Visualisierung. In dem Tool, das verwendet wurde, wurde kein virtueller Warteraum eingerichtet, wodurch das Zuschalten der Teilnehmer*innen möglich gewesen wäre. Dies führte dazu, dass über einen Kollegen online gelästert wurde, ohne dass sich die Mitarbeiter*innen bewusst waren, dass diese Person anwesend war bzw zugehört hatte. Kurzum: Die online Treffen waren nicht nur anarchisch und wenig produktiv, sondern schaukelten sich zu einem veritablen Konflikt hoch. In diesem Beispiel ist beinahe alles schiefgelaufen, was schieflaufen hätte können. Was hätten die Führungspersonen anders machen können? Was sind Stolperfallen vor und während virtueller Sessions und was lässt sich als Verantwortliche/r tun?

Zur Vorbereitung virtueller Zusammenarbeit empfehlen wir auf folgende Dinge zu achten: • Technik: Technik per se kann ein Stolperstein sein. Daher ist eine gute Vorbereitung der Technik (funktionieren die W-Lan-Verbindung, Hardware, Software, Headsets usw?) für alle Teilnehmer*innen ein Muss. Eine Viertelstunde vor oder zu Beginn der eigentlichen inhaltlichen Arbeit sollte zudem eine gemeinsame „technische Probe“ erfolgen, um zB Tonqualität, Kameraeinstellungen usw zu prüfen und um klarzustellen, was zu tun ist, falls die Technik versagt (etwa durch die Information, den Verantwortlichen bzw den/die Moderator*in anzurufen usw). • Wissen über Technik: Da oft nicht alle Teilnehmer*innen Vorerfahrungen mit gewissen Tools haben, sollten die Verantwortliche/n das Vorwissen aller ansprechen bzw überprüfen und allenfalls gemeinsam ausprobieren und erlernen. • Zeitfaktor: Wann und wie oft werden Termine virtuell eingerichtet? Hier muss man die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen berücksichtigen, da die Grenzen zwischen privat und beruflich leicht verschwimmen. So sollte zB geklärt werden, ob es Betreuungspflichten gibt, wann eine ungestörte Arbeitsatmosphäre möglich ist usw. Auch müssen virtuelle Sitzungen zeitlich klar strukturiert und mit ausreichend Pausen versehen sein, denn erfahrungsgemäß ermüdet konzentriertes Arbeiten online mehr als „vor Ort“. • Überforderung der Moderation: Die Moderation virtueller Zusammenarbeit kann eine Herausforderung sein, vor allem dann, wenn eine Person sowohl für die Gesprächssteuerung als auch für das „technische Trouble-Shooting“ zuständig ist. Daher empfiehlt sich die Trennung der beiden Rollen (in zB einen Prozessmoderator und eine Technikmoderatorin), vor allem bei größeren Teams. • Vertraulichkeit: Die Vertraulichkeit virtueller Zusammenarbeit ist wesentlich. Nur wenn ein vertrauensvoller Raum auch online geschaffen wird, wird qualitätsvolle Arbeit möglich sein. Dafür ist einerseits der Datenschutz anzusprechen; andererseits gilt es seitens der Moderator*in das digitale Tool, das verwendet wird, auf die eigenen Bedürfnisse einzurichten, damit die Kontrolle bei den Moderator*innen verbleibt. Zuletzt empfehlen wir die Einführung gemeinsamer „Kommunikationsregeln“, zu denen eventuell auch das Verbot von nicht abgesprochenen Fotos oder Aufnahmen der Sessions durch Teilnehmer*innen gehören kann. • Sichtbarkeit: Oft wird vergessen, auf ein gutes Licht zu achten – keinesfalls sollte das Licht von hinten kommen, da sonst das eigene Gesicht im Schatten liegt. Bedacht werden sollte außerdem, welcher Raum im Bildausschnitt sichtbar wird (sofern nicht ein virtueller Hintergrund eingerichtet wird, was bei manchen Tools möglich ist). Hier sollte darauf geachtet werden, welche Bilder sichtbar sind und ob intime Details im Blick sind, die lieber nicht gezeigt werden wollen. Zuletzt ist auf passende Kleidung und Erscheinung zu achten. Neben den Hinweisen für die Vorbereitung und Rahmung von virtueller Zusammenarbeit, gilt es während der konkreten Sessions gewisse Empfehlungen zu beherzigen: • Ohne Moderation geht’s nicht! Ein häufiges Missverständnis betrifft die Vorstellung, dass virtuelle Zusammenarbeit keine Struktur braucht. Wie bei persönlichen Sitzungen oder Workshops in echten Räumen gilt auch hier: Vermeiden Sie Gesprächschaos! Es braucht eine klare Gesprächssteuerung und Verantwortung bei einem/r Moderator*in! • Online macht müde! Virtuelle Zusammenarbeit produziert einen hohen Bedarf an Aufmerksamkeit und Fokus. Das führt leicht zu Ermüdung und innerlichem „Abschalten“ bei den Teilnehmer*innen. Anders als bei konkretem Zusammensein im selben Raum, kann das Aufmerksamkeitslevel der Teilnehmer*innen nicht (oder kaum) durch ihre Körpersprache abgecheckt werden. Daher braucht es immer wieder direktes Ansprechen der Teilnehmer*innen und die Vereinbarung gemeinsamer Regeln (zB keine E-Mails checken während der Session usw). Außerdem sollte man Pausen oft und bewusst einplanen. Möglich sind auch Auflockerungsübungen, die jede/r für sich machen kann bzw Phasen, in denen man in der Gesamtgruppe oder in kleinen Untergruppen gemeinsam virtuell etwas Lustiges zeichnen, Musik hören oder einen kurzen Film schauen kann usw. • Weniger Körpersprache heißt mehr Reden! Ein Teil der Körpersprache fehlt, dadurch fallen gewisse Interpretationsebenen weg. Deshalb braucht es genaues Nachfragen und konkretes Ansprechen von vermuteten oder tatsächlichen Interessen, Bedürfnissen, Gefühlszuständen usw der Teilnehmer*innen. Online Arbeiten braucht eine besonders klare Kommunikation. Da nonverbale und paraverbale Kommunikation als zusätzliche Ebene der Interpretation ausfallen, müssen wir noch deutlicher sagen, was wir meinen, um nichts misszuverstehen. Nur dadurch kann wechselseitiges Verständnis erleichtert werden. • Das Buffet ersetzen! Bei physischen Treffen, Workshops oder Konferenzen ist oft das Buffet der Zeitpunkt, zu dem informelle Informationen getauscht werden. Diese diffuse Kommunikation zwischen „Tür und Angel“, oder am Kaffeeautomaten, fällt bei virtueller Zusammenarbeit weg. Leider fehlt diese dann aber für den Vertrauensund Beziehungsaufbau. Es gilt daher zum Ausgleich ganz gezielt Momente zu schaffen, in dem solche ein Austausch möglich wird. Das können virtuelle Räume für Pausen sein oder auch informelles Verarbeiten in kleineren „Murmelgruppen“. Virtuelle Zusammenarbeit ist herausfordernd und erfordert gewissenhafte Planung und Übung. Sind wir damit schon am „Ende der Fahnenstange“ der Möglichkeiten? Nein, denn die nächste Herausforderung liegt in „hybriden“ Meetings, also solchen, bei denen ein Teil physisch anwesend, ein Teil virtuell zugeschaltet ist. Dieses Setting stellt an die Mediator*innen das Maximum an Schwierigkeit. Bis dahin heißt es also: Gutes Ausprobieren und Lernen! EAN 9783704685629 € 26,– 29 Mediation