Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
DONNERSTAG, <strong>12</strong>. SEPTEMBER <strong>2013</strong> VÖLKLINGEN/WARNDT<br />
<strong>VK</strong> NR. 2<strong>12</strong> SEITE <strong>C3</strong><br />
Kampf um Denkmäler<br />
Unbequeme historische Bauten standen im Blickpunkt beim „Tag des offenen Denkmals” – geschichtliche Zeugnisse, um<br />
deren Erhaltung man kämpfen muss. Der Großrosseler <strong>Bahnhof</strong> gehört dazu. Ein Privatmann hat die Sanierung in die Hand genommen. Buchstäblich.<br />
Fast-Ruine soll schmucker Gasthof werden<br />
Denkmal-Rettung in letzter Sekunde: Seit Ende 2011 saniert Peter Wagner den alten <strong>Bahnhof</strong> in <strong>Großrosseln</strong><br />
Wie Bau-Wunden<br />
ganz langsam heilen:<br />
Rosselns <strong>Bahnhof</strong><br />
2007 und heute<br />
Der <strong>Bahnhof</strong> <strong>Großrosseln</strong> ist im historisierenden Stil des frühen 20. Jahrhunderts erbaut.<br />
<strong>Bahnhof</strong>s-Eigentümer Peter Wagner renoviert in Eigenarbeit. Er hat in<br />
knapp zwei Jahren schon viel geschafft. FOTO: RUPPENTHAL<br />
FOTO: RUPPENTHAL<br />
RÜCKSCHAU<br />
.................................<br />
1906/07 wurde der <strong>Bahnhof</strong><br />
<strong>Großrosseln</strong> erbaut, er<br />
stammt aus preußischer<br />
Zeit. Er gehörte zur 1907<br />
eröffneten Linie über<br />
Geislautern und Velsen,<br />
die als Nebenstrecke der<br />
Rosseltalbahn bei Fürstenhausen<br />
abzweigt.<br />
1976 stellte die Bahn den<br />
Personenverkehr ein und<br />
schloss die Bahnhöfe. Die<br />
Bahnhöfe Geislautern und<br />
Fürstenhausen kamen in<br />
private Hände. Die Technik<br />
in <strong>Großrosseln</strong> hingegen<br />
brauchte die Bahn<br />
noch für die Kohletransporte<br />
zur Grube Warndt.<br />
2001 wurde der Rosseler<br />
<strong>Bahnhof</strong> Denkmal. Was am<br />
allmählichen Verfall des<br />
Baus nichts änderte.<br />
2002/03 dokumentierten<br />
Saarbrücker Architekturstudenten<br />
unter Leitung<br />
des Experten Martin Sauder<br />
den Bauzustand.<br />
2005, nach der Grubenschließung,<br />
schrieb die<br />
Bahn den <strong>Bahnhof</strong> zum<br />
Verkauf aus. Zu den ersten<br />
Kauf-Interessenten zählte<br />
Peter Wagner.<br />
2011, im zweiten Anlauf,<br />
erwarb Wagner den <strong>Bahnhof</strong>.<br />
Seither saniert er. dd<br />
Von <strong>SZ</strong>-Redakteurin<br />
Doris Döpke<br />
Vor sechs Jahren war er<br />
fast schon eine Ruine,<br />
der alte <strong>Bahnhof</strong> in<br />
<strong>Großrosseln</strong>. Bauschäden<br />
überall – Dach, Fenster und<br />
Türen waren undicht, Regen,<br />
Wind und Frost setzten dem Gebäude<br />
zu, zerstörerische Menschenhände<br />
taten ein Übriges.<br />
Die Bahn brauchte den <strong>Bahnhof</strong><br />
nicht mehr. Und tat nichts, um<br />
dem Verfall Einhalt zu gebieten.<br />
Das aber tut mittlerweile Peter<br />
Wagner. Der Großrosseler, Jahrgang<br />
1965, hat im November 2011<br />
den historischen Bau erworben.<br />
Und dessen Sanierung in die<br />
Hand genommen –<br />
wörtlich: „Ich mache<br />
fast alles selbst“, sagt<br />
Wagner. Nur bei besonders<br />
schweren Arbeiten<br />
helfe ein benachbarter<br />
Handwerksbetrieb.<br />
„Am Anfang habe<br />
ich fast nur im weißen<br />
Schutzanzug und mit<br />
Staubmaske gearbeitet“,<br />
berichtet Wagner;<br />
„ich musste Berge<br />
von Müll wegschaffen.“<br />
Bis hin zu alten<br />
Matratzen: Unbekannte<br />
hatten regelmäßig<br />
die Sperrzäune<br />
überklettert, Türen<br />
aufgebrochen, Fenster<br />
eingeschlagen und<br />
sich im leeren Bau<br />
häuslich eingerichtet<br />
– unter Zurücklassung<br />
von Utensilien,<br />
Flaschen, Speiseresten.<br />
Wagner hat die<br />
Zugänge nun fest verbarrikadiert.<br />
Auch um<br />
das Dach vor Vandalismus<br />
zu schützen, das<br />
er – eine der ersten<br />
Aktionen – abgedichtet<br />
hat. „Jetzt ist der<br />
Bau trocken“, sagt er.<br />
Zum Denkmaltag<br />
hat Wagner in der alten<br />
Schalterhalle eine<br />
Theke installiert, wo<br />
die Besucher mit Getränken<br />
versorgt werden.<br />
An der Wand hängen<br />
seine Zukunftspläne:<br />
Architektenzeichnungen<br />
für eine<br />
familienfreundliche<br />
Gaststätte, mit Grillraum<br />
und großem<br />
Gastzimmer. Mit einem<br />
Biergarten an der Gleisseite.<br />
Und einer sommers wie winters<br />
benutzbaren Kunststoffbahn fürs<br />
Eisstockschießen daneben. Das<br />
Lokal will er später nicht verpachten,<br />
sondern selbst betreiben,<br />
mit gastronomisch erfahrenen<br />
Mitarbeitern – Wagner ist da<br />
nicht vom Fach, er ist gelernter<br />
Holzbildhauer, vor einigen Jahren<br />
machte ihn seine „Warndtmadonna“<br />
bekannt. Wann es so<br />
weit sein wird? Er lächelt: Das<br />
hänge davon ab, wie die Sanierung<br />
vorangehe. „Bei solch einem<br />
alten Bau gibt es immer Überraschungen.“<br />
Überraschungen anderer Art<br />
hat er, säuberlich gerahmt, neben<br />
den Planzeichnungen an die<br />
Wand gehängt. Fahrkarten hat er<br />
beim Renovieren gefunden, Erinnerung<br />
an Zeiten, als noch Personenzüge<br />
in Rosseln hielten. Und<br />
Stempel, vom geläufigen „Eingegangen“<br />
bis hin zu Spezialitäten,<br />
die mit den Gruben-Diensten der<br />
Rosseltalbahn zusammenhingen<br />
– bei der Bahn hatte alles seine<br />
Ordnung. Und man war sparsam:<br />
„Manche Stempel kann man<br />
kaum noch lesen, so abgenutzt<br />
sind sie“, sagt Wagner.<br />
Für eine wieder<br />
„Das kleine<br />
Häuschen<br />
nebenan<br />
war mein<br />
Hühner- und<br />
Hasenstall.“<br />
Karl-Heinz Biewer<br />
(85), ehemaliger<br />
Fahrdienstleiter<br />
und Bewohner des<br />
Rosseler <strong>Bahnhof</strong>s<br />
„Die Räume<br />
hatte ich viel<br />
größer in<br />
Erinnerung.“<br />
Michael Biewer<br />
(60), Karl-Heinz<br />
Biewers ältester<br />
Sohn<br />
andere Überraschung<br />
sorgen zwei<br />
Besucher, die, mit<br />
Wagner als Führer,<br />
die Treppe hinaufstapfen.<br />
„Das war<br />
das Schlafzimmer“,<br />
sagt Karl-Heinz Biewer<br />
und zeigt mit einer<br />
Geste, wo das<br />
Bett stand: Von 1960<br />
bis 1967 hat der heute<br />
85-Jährige hier<br />
gewohnt, er war<br />
Fahrdienstleiter des<br />
Rosseler <strong>Bahnhof</strong>s.<br />
Und er kann erzählen.<br />
Vom Lärm der<br />
Dampfloks, der seiner<br />
Familie anfangs<br />
den Schlaf raubte.<br />
Vom Häuschen neben<br />
dem alten Toiletten-Bau:<br />
„Das war<br />
mein Hühner- und<br />
Hasenstall.“ Vom<br />
Weichenstellen per<br />
Hand, für das es genau<br />
die richtige Zugposition<br />
abzupassen<br />
galt – Biewer beugt<br />
sich vor, zieht einen<br />
imaginären Hebel:<br />
„Dabei ist mir immer<br />
der Schlips dazwischengeraten;<br />
wenn die Weiche<br />
dann lag, war der<br />
Knoten sooo klein!“<br />
Anerkennend<br />
schauen er und sein<br />
Sohn Michael (60)<br />
sich an, was Wagner<br />
bereits geschafft<br />
hat. Feuchte, zerfetzte<br />
Tapeten und<br />
mürber Putz sind<br />
weg, Mauerwerk,<br />
Türstürze, Deckengeflecht<br />
liegen offen und sauber<br />
da. Faule, morsche Balken-Teile<br />
sind herausgesägt, vom intakten<br />
Holz aus wird später das Tragwerk<br />
erneuert. „Die alten Sprossenfenster<br />
sind noch gut“, sagt<br />
Wagner; sie zu reparieren, sei viel<br />
günstiger, als sie zu ersetzen.<br />
Im Gehen sagt Michael Biewer<br />
ein wenig erstaunt: „Die Räume<br />
hatte ich viel größer in Erinnerung.“<br />
„Klar“, ruft sein Vater, „du<br />
warst damals doch noch klein!“<br />
Funde beim Renovieren, liebevoll präsentiert: alte Fahrkarten – bis 1976<br />
hielten Personenzüge in <strong>Großrosseln</strong>. FOTO: RUPPENTHAL<br />
FOTO: DÖPKE<br />
FOTO: DÖPKE<br />
2007: Nur dünne Folien und Bretter<br />
vorm Fenster – Nässe und Frost<br />
haben freie Bahn. FOTO: DÖPKE<br />
<strong>2013</strong>: Solide Abdichtungen sichern<br />
die Fenster gegen Wetter<br />
und Vandalismus. FOTO: RUPPENTHAL<br />
2007: Feuchte Tapeten und mürber<br />
Putz an den Decken und den<br />
Wänden. FOTO: DÖPKE<br />
<strong>2013</strong>: Das Mauerwerk ist sauber<br />
und trocken, kritische Deckenteile<br />
sind abgestützt. FOTO: RUPPENTHAL<br />
2007: Hölzerne Dielen und tragende<br />
Balken weisen marode, faule<br />
Stellen auf. FOTO: DÖPKE<br />
<strong>2013</strong>: Morsche Balken sind entfernt,<br />
ans intakte Holz kommt<br />
neues Tragwerk. FOTO: RUPPENTHAL<br />
2007: Durch Löcher im Dach<br />
dringt der Regen. FOTO: DÖPKE<br />
<strong>2013</strong>: Das Dach ist sorgfältig abgedichtet.<br />
FOTO: RUPPENTHAL