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Magazin für Stadtkultur Schlachthof / Lagerhaus KRACH SOUND AVANTGARDE
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Schlachthof / Lagerhaus
KRACH SOUND AVANTGARDE
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9<br />
Musik<br />
im Porträt<br />
Jörg Windszus<br />
Feine Trinkers Bei Pinkels Daheim<br />
Eins der renommiertesten Bremer Industrial-Projekte stammt<br />
genau genommen aus Basel. Feine Trinkers Bei Pinkels<br />
Daheim mischten in der Schweizer Kunstszene mit und<br />
pflegten auch Kontakte zur Züricher Schimpffluch-Gruppe.<br />
Jürgen Eberhard hat es schließlich nach Bremen verschlagen,<br />
wo er in einer Künstler-WG am Bahnhof unter anderem mit<br />
Stefan Baracke, dem Label-Chef von Drone-Records, zusammenwohnte.<br />
In den Neunzigerjahren versuchten viele Musiker,<br />
dem postmodernen Gerede vom Ende der Geschichte durch<br />
das Aufführen nie zuvor gehörter Musik einen Riegel vorzuschieben,<br />
und mit Gruppen wie Maeror Tri und den Feinen<br />
Trinkern war Bremen ganz vorne mit dabei. Die Mischung aus<br />
Minimal-Noise und Musique Concrete ließ sich am besten im<br />
Rahmen einer Live-Performance genießen, zumal der Künstler<br />
bei dem damaligen Stand der Technik tatsächlich etwas tun<br />
musste, um diese verstörenden Laute zu erzeugen. Jürgen<br />
Eberhard hat soeben mit ›A Bug’s Life‹ ein altersweises Werk<br />
auf den Plattenmarkt geworfen (erschienen auf dem Danziger<br />
Label Zoharum), auf dem er das musikalische Können<br />
verschiedener Insekten ausbeutet.<br />
Martin Steinert<br />
HSV<br />
Noise ist Krach, der Musik ist. Es geht um vieles und um<br />
vieles zugleich: Schalldruck, Negation und Offenheit zum<br />
Beispiel. Der unmittelbare Eindruck ist ein körperlicher: Wenn<br />
es gut läuft, drückt dich die Musik an die Wand oder öffnet<br />
den Raum, je nachdem. Und dann geht es immer auch um<br />
konzeptionellere Aspekte. Vermittlung und Unmittelbarkeit<br />
schließen sich im Genre zu einem seltsamen Amalgam<br />
zusammen. Nachvollziehen kann man all das auf den in minimaler<br />
Auflage auf Kassette und aber auch auf dem Online-<br />
Musikdienst Bandcamp veröffentlichten Musik des Duos HSV.<br />
Eric Peters und David Wallraf haben auf ihrem selbstbetitelten<br />
Debüt-Tape einen überraschend schönen Brachial-Ambient<br />
kreiert. Es schabt und kratzt und dröhnt und pulsiert. Wer hier<br />
nur Beliebigkeit vermutet und die Flucht ergreift, verschließt<br />
sich einer potenziell sehr klärenden Erfahrung. ›Sobald man<br />
das Wort Lärm benutzt‹, hat David Wallraf im Interview mit<br />
der taz erklärt, ›befindet man sich schon mitten in einer Diskussion.<br />
Wenn man nämlich versucht, Noise ins Deutsche<br />
zu übersetzen und sich nur diesen Begriff rauspickt, ist<br />
das schwierig. Dazu gehören auch Geräusch, Krach und das<br />
Rauschen. Was mir daran gefällt, sind die verschiedenen<br />
Intensitäten.‹ Und die bekommt man von HSV drastisch, aber<br />
doch auch liebevoll um die Ohren gehauen.