„Hallo Houston, wir haben ein Problem!“ - BiTurbo Club Deutschland
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<strong>„Hallo</strong> <strong>Houston</strong>, <strong>wir</strong> <strong>haben</strong> <strong>ein</strong> <strong>Problem</strong>!<strong>“</strong><br />
Arno hatte <strong>ein</strong>geladen – zum Saison-Ab-<br />
schlusstreffen am Lago d’Orta.<br />
Mit dem Biturbo <strong>ein</strong>e schöne Tour an <strong>ein</strong>en<br />
oberitalienischen See unternehmen, bei sonnigem<br />
Wetter, landschaftlich reizvoller Umgebung,<br />
entspannenden Rundfahrten. Ja, das<br />
wär‘s!<br />
Also entschlossen <strong>wir</strong> uns teilzunehmen, auch<br />
wenn <strong>ein</strong>e lange Anreise bevorstand und <strong>ein</strong>e<br />
Verlängerung des Aufenthalts in Italien aus<br />
beruflichen Gründen nicht möglich war.<br />
Nach dem morgentlichen Countdown ging‘s am<br />
Donnerstag, den 04. Oktober los. Die Fahrt von<br />
Niederkassel bei Bonn in den sonnigen Süden<br />
begann problemlos.<br />
Es war weitgehend trocken und der Verkehr<br />
auf den Autobahnen normal.<br />
Nach etwa vier Stunden hatten <strong>wir</strong> Basel erreicht<br />
und begannen die „Bummelfahrt<strong>“</strong> bei<br />
den Eidgenossen, denn die große Anzahl der<br />
Radarkontrollen auf Schweizer Autobahnen<br />
nervt. Trotzdem ist es immer wieder etwas<br />
Besonderes die Schweiz zu durchqueren, die<br />
Berge zu bewundern und den Anblick dieser<br />
majestätischen Riesen zu genießen.<br />
Der Biturbo lief wie <strong>ein</strong> Uhrwerk – bis <strong>wir</strong> den<br />
Gotthard-Tunnel fast erreicht hatten.<br />
Beim regelmäßigen Blick auf die Instrumente<br />
fiel mir plötzlich auf, dass die Wassertemperatur<br />
anstieg – über 90° C – seltsam aber das<br />
beunruhigte mich zunächst nicht. Als die Anzeige<br />
jedoch 100° C erreichte, wurde ich etwas<br />
nervös, denn <strong>wir</strong> waren kurz vor dem Super-<br />
Tunnel. Und dann. Die rote Warnleuchte meldete<br />
sich leicht zittrig. K<strong>ein</strong> gutes Zeichen. Da<br />
konnte etwas nicht stimmen.<br />
6<br />
Jetzt mit dem Wagen in den Tunnel <strong>ein</strong>fahren,<br />
17 Kilometer durch diese mit Abgas verseuchte<br />
und schlecht beleuchtete Röhre und dann<br />
liegen bleiben.<br />
Das grenzte an <strong>ein</strong>en Alptraum. Zum Glück<br />
hatten <strong>wir</strong> noch nicht den letzten Parkplatz vor<br />
dem Tunnel bei Wassen passiert sodass <strong>wir</strong><br />
noch frühzeitig anhalten konnten.<br />
Der Kühlwasserstand war so weit unter Minimum,<br />
dass im Ausgleichsbehälter schon<br />
k<strong>ein</strong>e Flüssigkeit mehr zu sehen war<br />
Zum Glück gab es am Parkplatz sanitäre Einrichtungen,<br />
um Wasser nachzufüllen. Unsere<br />
Trinkwasserbestände hätten jedenfalls nicht<br />
ausgereicht, denn <strong>wir</strong> mussten mehr als zwei<br />
Liter nachfüllen.<br />
Beim Blick in den Motorraum waren aber k<strong>ein</strong>e<br />
Undichtigkeiten erkennbar.<br />
Ein LKW-Fahrer, dem unser Wagen aufgefallen<br />
war, sprach uns an. Er zeigte sich sehr interessiert<br />
an der Technik des Wagens und überreichte<br />
uns <strong>ein</strong>e große Wasserflasche – für alle<br />
Fälle. Also konnte es weitergehen.
<strong>„Hallo</strong> <strong>Houston</strong>, <strong>wir</strong> <strong>haben</strong> <strong>ein</strong> <strong>Problem</strong>!<strong>“</strong><br />
Es dauerte nicht lange und die Temperatur<br />
stieg wieder an. Immer wieder musste nachge-<br />
füllt werden.<br />
Erst bei der Ankunft am Hotel erkannten <strong>wir</strong><br />
das Übel. Es tropfte unten heraus.<br />
An der Ölwanne entlang bahnte sich munter<br />
Kühlflüssigkeit s<strong>ein</strong>en Weg auf den Asphalt.<br />
Dieser privaten Tropfst<strong>ein</strong>höhle konnte ich aber<br />
wenig abgewinnen.<br />
Da k<strong>ein</strong>e Undichtigkeiten an Schläuchen oder<br />
dem Kühler selbst sichtbar waren, gab es<br />
eigentlich nur <strong>ein</strong>e Diagnose: Technischer K.O.<br />
der Wasserpumpe.<br />
Im „Kontrollzentrum<strong>“</strong>, dem sehr schön gelegenen<br />
Hotel Giardinetto begrüßten <strong>wir</strong> Arno,<br />
den Leiter unserer Mission wie die Astronauten<br />
von Apollo 13, fern von zu Hause mit <strong>ein</strong>em<br />
waidwunden Gefährt: <strong>„Hallo</strong> Arno, <strong>wir</strong> <strong>haben</strong><br />
<strong>ein</strong> <strong>Problem</strong>!<strong>“</strong><br />
Arno brauchte k<strong>ein</strong>en Monitor, k<strong>ein</strong>e Telemetrie-Daten<br />
und k<strong>ein</strong>e Sichtkontrolle.<br />
Er brauchte sich nicht <strong>ein</strong>mal von s<strong>ein</strong>em Stuhl<br />
zu erheben um nach <strong>ein</strong>er Beschreibung der<br />
Symptome unsere Diagnose zu bestätigen:<br />
Klar, die Wasserpumpe. Eine notorische Biturbo-Krankheit.<br />
Am darauffolgenden Morgen wollten <strong>wir</strong> an<br />
der Rallye teilnehmen. Auch für den Samstag<br />
war <strong>ein</strong> Ausflug geplant. Und die Rückfahrt<br />
erst. 850 Kilometer und wieder durch die wilde<br />
Landschaft der Alpen.<br />
Schnell war klar. Das würde der Wasserpumpe<br />
den Rest geben. Irgendwann würden <strong>wir</strong> im<br />
wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke<br />
bleiben. Aber was soll‘s. Auch die Apollo-Mannschaft<br />
konnte damals nicht <strong>ein</strong>fach zur Erde<br />
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zurück. Man musste sich etwas <strong>ein</strong>fallen<br />
lassen. Ich dachte nur, <strong>ein</strong>es <strong>haben</strong> Weltraumfahrt<br />
und Biturbo fahren gem<strong>ein</strong>sam: Beides<br />
sind <strong>ein</strong>es der letzten Abenteuer unserer Zeit.<br />
Arno blieb die Ruhe selbst, wie immer in solchen<br />
Fällen. Er bot uns an, s<strong>ein</strong>en Freund<br />
Campana anzurufen und ihn zu bitten, uns zu<br />
helfen. Ivano Campana betreibt <strong>ein</strong>e Maserati-<br />
Vetretung und <strong>ein</strong>e Werkstatt in der Nähe von<br />
Mailand.<br />
Ein rettendes Ziel, das mit ausreichenden<br />
Wasservorräten an Bord in erreichbarer Distanz<br />
lag.<br />
In der Nacht wurde ich von Alpträumen geschüttelt:<br />
Mitten in den Bergen am höchsten Punkt der<br />
Ausfahrt bleiben <strong>wir</strong> liegen. Der Motor kocht.<br />
Die Kopfdichtungen drohen zu bersten wie<br />
der Kern-Reaktor von Tschernobyl. Die Dämmerung<br />
bricht an . Dichter Wasserdampf tritt<br />
aus und sucht sich zischend und wabernd<br />
s<strong>ein</strong>en Weg ins Freie. Unter dem Wagen läuft<br />
das Kühlwasser in Strömen aus und verbindet<br />
sich mit <strong>ein</strong>em nahe gelegenen Alpen-Bach zu<br />
<strong>ein</strong>em tosenden Wasserfall. Verzweifelt versuchen<br />
<strong>wir</strong> die unkontrollierte Kernreaktion im<br />
Motor durch Wasser nachfüllen zu verhindern.<br />
Zu spät. Der Motor beginnt zu schmelzen. Das<br />
flüssige Aluminium des Motorblocks bahnt<br />
sich s<strong>ein</strong>en Weg den Berghang hinunter und<br />
erstarrt in bizarren Formen wie Stalaktiten an<br />
den darunter liegenden Felsen.<br />
Polternd fallen die Schaufelräder aus den geborstenen<br />
Turbogehäusen und verschwinden<br />
mit metallischem Klirren an den Felswänden<br />
hinunter ins Nichts. Ein Super-GAU!
<strong>„Hallo</strong> <strong>Houston</strong>, <strong>wir</strong> <strong>haben</strong> <strong>ein</strong> <strong>Problem</strong>!<strong>“</strong><br />
Da würde auch k<strong>ein</strong> Beton-Sarkophag um den<br />
Biturbo mehr helfen. Verschwitzt schrecke ich<br />
hoch. Ich schaue aus dem Fenster auf den<br />
Ortasee mit s<strong>ein</strong>er ruhigen, glatten Wasseroberfläche.<br />
Die Sterne funkeln. Puh. Überlebt!<br />
Alles nur <strong>ein</strong> Traum.<br />
Beim Frühstück arrangierte Arno <strong>ein</strong>en Termin<br />
bei Campana: „Ihr könnt sofort losfahren<strong>“</strong>. „Roger<br />
Arno!<strong>“</strong> Also brachen <strong>wir</strong> auf mit Kurs Solaro<br />
bei Milano.<br />
Das Wetter war traumhaft aber der Verkehr auf<br />
der Autostrada wurde immer dichter. Kl<strong>ein</strong>e<br />
Staus und Zähflüssigkeiten ließen die Kühlwassertemperatur<br />
bedrohlich ansteigen. Bei <strong>ein</strong>em<br />
Stopp zum Wasser nachfüllen, bemerkten <strong>wir</strong>,<br />
dass die Flüssigkeit immer stärker heraustropfte.<br />
Zurück auf der Autostrada beobachtete ich<br />
die Temperaturanzeige wie die U-Boot-Fahrer<br />
in dem berühmten Film „Das Boot<strong>“</strong>.<br />
Je mehr die Nadel der Anzeige anstieg umso<br />
größer das drohende Unheil.<br />
Also wieder anhalten und tja, Herr Kaleun<br />
– „fluuuten!<strong>“</strong> – n<strong>ein</strong>, nicht die Tauchzellen.<br />
Den Kühler!<br />
Kurz vor dem Ziel an der Ausfahrt Saronno<br />
drohte dann der Exitus. Megastau an der<br />
Ausfahrt. Es ging nur langsam voran und <strong>ein</strong>en<br />
Standstreifen gab’s nicht.<br />
Nach mehrmaligem falschem Abbiegen kamen<br />
<strong>wir</strong> mit Hilfe hilfsbereiter Italiener, die <strong>wir</strong> nach<br />
dem Weg fragen mussten endlich bei Campana<br />
an. Es war kurz vor Mittag<br />
Ivano Campana begrüßte uns freundlich,<br />
erklärte uns aber gleich, dass jetzt erst <strong>ein</strong>mal<br />
zwei Stunden Mittagspause sei und der Wagen<br />
voraussichtlich gegen sechs Uhr fertig sei.<br />
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Aber <strong>wir</strong> waren froh, dass er überhaupt bereit<br />
war, uns so kurzfristig zu helfen. Dann erzählte<br />
er uns von s<strong>ein</strong>em bevorstehenden Renn-Wochenende<br />
auf der Ferrari-Teststrecke in Fiorano,<br />
s<strong>ein</strong>en Trofeo-Maserati-Einsätzen und s<strong>ein</strong>em<br />
kürzlichen Sieg mit dem Trofeo-Renner.<br />
Dann verbrachten <strong>wir</strong> unfreiwillig <strong>ein</strong>en Nach-<br />
mittag in Solaro, <strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en Nest mit <strong>ein</strong>em<br />
großen Industriegebiet – bei Pizza, Vino rosso<br />
und Espresso.<br />
Trotz <strong>ein</strong>es <strong>Problem</strong>s bei der Demontage der<br />
alten Pumpe war der Wagen pünktlich um<br />
18:00 Uhr fahrbereit. Wir atmeten auf und verabschiedeten<br />
uns von Senor Campana. Soviel<br />
Freundlichkeit, Entgegenkommen bei <strong>ein</strong>er<br />
unangemeldeten Reparatur und Freude beim<br />
Arbeiten an Autos gibt‘s nur in Italien. Wie gut,<br />
dass der Biturbo in s<strong>ein</strong>em Mutterland <strong>ein</strong>en<br />
Defekt erlitt und nicht in der autof<strong>ein</strong>dlichen<br />
Service-Wüste <strong>Deutschland</strong>.
Impressionen Ortasee 2007<br />
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